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ISBN 978-1-78160-738-1

 

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Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

 

 

 

John

Constable

 

 

 

 

 

 

1. Daniel Maclise, Constable beim Malen, um 1831,

Bleistiftzeichnung, 15 x 11,5 cm,

National Portrait Gallery, London.

John Constable ist wohl der beliebteste aller englischen Maler; nur sein großer Zeitgenosse J. M. W. Turner reicht an seinen Ruhm und seine Popularität heran. Wie bei Turner beruht Constables Ruf auf einer Hand voll weithin bekannter Gemälde, hauptsächlich Landschaften aus Suffolk wie Die Flatford-Mühle oder Der Heuwagen. Vor allem das letztgenannte Bild ist so bekannt, dass es zuweilen den Rest seines Werkes in den Schatten stellt. Wir wissen jedoch aus Constables Aufzeichnungen, dass er persönlich von seinem Gemälde Die Stratford-Mühle eine höhere Meinung hatte und einmal erklärte, dass Die Kathedrale von Salisbury von den Wiesen aus besser als Der Heuwagen das „volle Ausmaß seiner Kunst“ verkörpere. Trotz seiner Bekanntheit wird sogar Der Heuwagen missverstanden. Das Bild ist so vertraut, dass der heutige Betrachter kaum in der Lage ist, seine ungeheure Wirkung auf einige der größten französischen Maler der damaligen Zeit zu erfassen. Um Constables Leistung wirklich würdigen zu können, müssen zunächst einige der sein Werk betreffenden Fehleinschätzungen aus dem Weg geräumt werden.

Constable war ein vielseitigerer Maler, als viele seiner heutigen Bewunderer denken. Er hatte zweifellos eine tiefe und sentimentale Beziehung zur Landschaft Suffolks; anders als zahlreiche seiner Kollegen ging er nicht auf Reisen, um Material zu sammeln. Dennoch nötigten seine Freundschaften und sein Familienleben ihn zum Reisen, was wiederum zu einer großen Motivfülle in seinem Werk führte; so bildete er auf seinen Bildern beispielsweise den Lake District, Hampstead, Kent, Dorset, Sussex und Salisbury ab. Viele der eindrucksvollen Arbeiten seiner letzten Jahre, darunter Hadleigh Castle und Die Eröffnung der Waterloo Bridge, unterscheiden sich erheblich von den Landschaften Suffolks, während seine Leistungen auf dem schwierigen und umkämpften Feld der Marinemalerei gleichzeitig stets unterbewertet werden.

Ein sich hartnäckig haltender Irrtum über Constables Werk besagt, dass es irgendwie „einfältig“ und nicht theoretisch geprägt sei, und dass er als Reaktion auf die Schönheit des ländlichen England einfach „malte, was er sah“. Tatsächlich aber war Constable ein perfektionistischer, nachdenklicher Künstler, dessen Naturalismus auf dem Fundament eines unablässigen Studiums der Natur, der alten Meister und weitreichender Lektüre hart erarbeitet war. Constable verschmähte die Theorie keineswegs. Wir wissen, dass seine Bibliothek eine große Menge theoretischer Texte enthielt - von den klassischen Schriften von Cennino Cennini, Leonardo, Roger de Piles und Gerard de Lairesse bis hin zu jüngeren Arbeiten von Sir Joshua Reynolds und Johann Heinrich Füssli. Was die Landschaftsmalerei betraf, so gab es nur wenige wichtige Bücher, die seiner Aufmerksamkeit entgingen; darüber hinaus verfügte er über profunde Kenntnisse der zeitgenössischen ästhetischen Debatten. In einer späten Phase seines Lebens hielt er sogar selbst Vorlesungen über diese Themen.

 

 

2. Am Fluss; Schiffe bei Sonnenuntergang, um 1800,

Federzeichnung mit grauer

Tusche und Tinte, 20,1 x 25,2 cm,

Victoria and Albert Museum, London.

 

3. Eingeritzter Umriss einer Windmühle,
Fragment der Mühle auf der Heide
bei East Bergholt, 1792,

in Holz geritzt, 29,5 x 39,5 cm,

The Minories, Colchester.

 

 

Auch auf den Gebieten der Wissenschaft, Dichtung, Geschichte und Theologie war er äußerst gebildet, und wie Turner brachte er diesen Wissensfundus in seine Bilder mit ein. Constables breites Wissensspektrum und die Klarheit seiner Ideen lassen sich schlicht und einfach nicht damit in Einklang bringen, in ihm einen etwas naiven Realisten zu sehen.

Man vergisst ferner leicht, dass Constable ein professioneller Maler war, der den Erfolg und die Reputation, die er anstrebte, allein in London im Umfeld der Royal Academy erlangen konnte. Constable hätte seinen Lebensunterhalt wie sein Zeitgenosse John Crome aus Norwich in Suffolk verdienen können, der sich auf sein regelmäßiges Einkommen als Zeichenlehrer verließ. Er hingegen strebte einen beruflichen Status an, der zu der gesellschaftlichen Stellung seiner Familie passte.

Constable hatte eine sehr anspruchsvolle Auffassung von Landschaftsmalerei und verfolgte unbeirrt seinen Kurs. Gleichzeitig aber sehnte er sich nach Anerkennung und versuchte, sie mit unterschiedlichen Strategien zu erlangen: Er vergrößerte den Maßstab seiner Bilder, variierte seine Stoffe und passte seine Gemälde manches Mal den Erwartungen der Royal Academy an. Er verfügte über ein unabhängiges Einkommen, das aber dennoch nicht ausreichte, um seine Familie zu ernähren, so dass er zuweilen gezwungen war, Duplikate seiner erfolgreichsten Landschaften zu verkaufen und sogar Auftragsarbeiten anzunehmen, die ihm eigentlich zuwider waren. Das Wissen um diese Konflikte zwischen seinen erklärten Absichten, seinem beruflichen Ehrgeiz und seiner Verantwortung als Familienoberhaupt ist für das Verständnis von Constables Laufbahn unabdingbar.

John Constable wurde am 11. Juni 1776 in East Bergholt, Suffolk, als viertes Kind von Ann und Golding Constable geboren. Johns Vater war ein wohlhabender örtlicher Getreidehändler; das Familiengeschäft Constable besserte sein mageres Einkommen als Maler auf und verschaffte ihm zudem ein Repertoire an vertrauten Stoffen: „Constable Country“, wie es heute genannt wird, umfasst nur knapp 20 Quadratkilometer des Stour-Tals an der Grenze von Suffolk und Essex .

Je mehr seine Sorgen und seine Verantwortung wuchsen, desto nostalgischer blickte Constable auf seine „sorglose Jungenzeit“ zurück. Seine frühen Jahre scheinen tatsächlich fast idyllisch gewesen zu sein: Den Großteil seiner Bildung erhielt er an der Dedham Grammar School, wo er sich laut seines Biographen C. R. Leslie stärker in der Zeichenkunst als in akademischen Fächern auszeichnete. Sein Vater sah für ihn wahrscheinlich den Beruf des Pfarrers vor, eine angesehene und lukrative Tätigkeit, aber Johns halbherzige Einstellung gegenüber seinen Studien veranlasste seinen Vater 1793, ihn stattdessen zum Müller ausbilden zu lassen. Zu dieser Zeit hatte Constable bereits einen großen Enthusiasmus für die Malerei entwickelt.