Albrecht Beutelspacher und Marcus Wagner
Warum Kühe gern im Halbkreis grasen
Albrecht Beutelspacher und Marcus Wagner auf der Fahrt ins mathematische Rätselreich! Sie versammeln die schönsten Aufgaben und Knobeleien, die die Mathematik zu bieten hat. Mit der Gewissheit: Diese Aufgaben muss man einfach kennen. Denn sie bieten uns rote und blaue Bonbons, machen uns mit keltischen Kriegern und dem gerechten Großvater bekannt, sie zeigen uns, wie man die Pizza schneidet und Milliardär wird, sie konfrontieren uns mit gefährlichen Zündschnurexperimenten und natürlich mit der Frage, warum Kühe gern im Halbkreis grasen. Ein Riesenspaß für Gedankentüftler und Zahlenjongleure.
Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher, geb. 1950 in Tübingen, seit 1988 Professor am Mathematischen Institut der Universität Gießen und seit 2002 Direktor des Mathematikums in Gießen. Träger zahlreicher Preise, darunter des Communicator-Preises des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft (2000) und des Hessischen Kulturpreises (2008).
Marcus Wagner, geb. 1979 in Bad Nauheim, Studium der Mathematik, war Volontär im Mathematikum Gießen sowie wissenschaftlicher und pädagogischer Leiter im Dynamikum Science Center in Pirmasens. Seit 2009 Lehrer für Mathematik und Physik in Berlin.
Titel der Originalausgabe: Warum Kühe gern im Halbkreis grasen
… und andere mathematische Knobeleien
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlagkonzeption: Agentur RME Roland Eschlbeck
Umschlaggestaltung: Verlag Herder
Umschlagmotiv: © Frank Wowra
E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin
ISBN (E-Book): 978-3-451-80439-7
ISBN (Buch): 978-3-451-06295-7
Vorwort
1. Zahlen und Zählen
Miteinander anstoßen
Der zerstreute Professor
Ringen in China
Die Balkenwaage
Die Seiten des Buches
Kerzenhalter und Kerze
Telegrafenstangen
Summe von aufeinanderfolgenden Zahlen
Äpfel und Birnen
Dreistellige Zahlen
Addition zweier Unbekannter
Auf der Weide
Wachsreste
Sieben im Kreis
2. Brüche und Prozente
Die Badewanne
Wer verdient mehr?
Der Nachtwächter
Sparpotenzial
Wassermelonen
Rote und blaue Bonbons
Rot- und Weißwein mischen
3. Gerecht teilen
Der verschwundene Euro
Der ungerechte Vater
Pizza schneiden
Donuts schneiden
Der gerechte Großvater
Fünf-Klassen-Gesellschaft
Mohnkuchen
4. Logik
Ein merkwürdiges Buch
Ich denke mir eine Zahl
Gerade und ungerade
Würfelwette
Werden Sie Milliardär!
Rote und blaue Mützen
Lügenbande
Goldmünzen
Keltische Krieger
Schlittenfahren
Die Maus auf dem Schachbrett
5. Zeit und Geschwindigkeit
Sanduhren
Durchschnittsgeschwindigkeit
Atlantiküberquerung
Zündschnüre
In der S-Bahn
Kalenderschnellrechnen
Im Uhrzeigersinn
Über die Brücke
6. Quadrate und Würfel
Neun Punkte
Durch drei Punkte
Würfelkunstwerk
Primzahlen am Würfel
Der rote Würfel
Ein Käsewürfel
7. Geometrisches
Gardner-Dreieck
Fußballfeld
Seil um den Äquator
Der optimale Spiegel
Warum Kühe gern im Halbkreis grasen
Der runde Tisch
Faires Stromsparen
Mehr Inhalt bei gleicher Verpackung
Rechtecke schneiden
Die Leinwand des Malers
Der Jäger
8. Teilbarkeit
Verrechnet!
Im Auto
Die Kehrseite dreier Würfel
Pralinenschachteln
Das Spiel mit dem Ball
Restlos teilbar
Die Sache mit dem U
Spiegelzahlen
Eins gleich zwei
9. Spiele
Dominorahmen
Unschlagbare Springer
Wer erreicht zuerst 100?
Der Teufel am Roulettetisch
Spielkarten umdrehen
10. Zaubern
Alles will zur Vier
Europäisches Obst
Vertauschte Ziffern
Teile und gewinne
Zahlen raten
Die zwei Euro-Wette
Alterstrick
Literaturangaben
Pizza und Pralinen, Kühe im Halbkreis und keltische Krieger, zerstreute Professoren und rätselhafte Zündschnüre – Denksportaufgaben sind immer konkret. Man redet nicht von Algorithmen, sondern vom Zerbrechen von Schokoladentafeln; wir diskutieren nicht Gleichungen, sondern reden über Kühe, Pferde und Schafe; nicht über Stetigkeit, sondern über Mohnkuchen.
Darin liegt die Faszination der Aufgaben, dadurch werden sie plastisch und sind sie unmittelbar ansprechend. Man kann sie sich ohne weiteres merken, man kann sie „im Kopf“ mitnehmen, sie lassen einen nicht mehr los. Man knobelt überall: in der U-Bahn, in einer langweiligen Unterrichtsstunde und sogar in der Badewanne Man könnte sogar sagen: Es knobelt in einem. Die Aufgaben entwickeln ein Eigenleben, unser Gehirn arbeitet auch unterbewusst daran – und dann passiert plötzlich ein Wunder: Es macht „Klick“, und man sieht die Lösung. Manche Aufgaben können auch durch stures Rechnen oder systematisches Probieren gelöst werden, aber den „Klick“ behalten wir im Gedächtnis!
Wir erhalten die Lösungen allerdings nicht, indem wir über Kelten forschen, mit Zündschnüren experimentieren oder Massen von Schokoladetafeln zerbrechen. Auch die Aufgabenstellungen nützen uns – vorsichtig ausgedrückt – nicht direkt zur Bewältigung des Alltags. Kein Mensch schneidet eine Pizza so, dass sich möglichst viele Stücke ergeben – unabhängig von Größe und Gestalt. Niemand zählt 500 Mohnkügelchen auf einem Kuchen ab; und noch nie hat jemand ein halbkreisförmiges Stück Land geerbt, auf dem eine Kuh grasen muss.
Unser Gehirn weiß (und irgendwann merken wir das auch): Es geht im Grunde gar nicht um Schokolade und Bonbons, um chinesische Ringer und keltische Krieger, um ungerechte Väter und gerechte Großväter. Für unser Gehirn ist die Einkleidung ein verführerischer Anlass, sich mit der Struktur, den dahinter steckenden Ideen, kurz: der Mathematik zu beschäftigen.
Diese Richtung ist die richtige: Von einer konkreten Aufgabenstellung zur dahinter stehenden Idee, von der Pizza zur Flächenaufteilung, von Konkreten zum Abstrakten.
Aufgaben zählen zu etwas vom Wichtigsten in der Mathematik. Denn dabei wird die Fähigkeit geschult, Probleme zu lösen. Dies ist nach Meinung zahlreicher Mathematiker mit die wichtigste Kompetenz in der Mathematik, und ganz sicher eine außerordentlich wichtige Fähigkeit für unser tägliches Leben!
Wir haben in diesem Buch unsere Favoriten zusammengestellt. Bei der Auswahl ließen wir uns von folgenden drei Kriterien leiten.
Manche Fragen wurden uns häufig gestellt, zum Beispiel von Besuchern des Mathematikums. Diese Aufgaben gehören nach Meinung der Aufgabensteller offenbar zur mathematischen Allgemeinbildung.
Hinter manchen Aufgaben stecken wichtige mathematische Kniffe und Methoden. Wenn man diese Tricks in einer Knobelaufgabe kennen gelernt hat, hat man – ohne es zu merken – schon etwas Wichtiges von der Mathematik verstanden.
Schließlich sollten möglichst viele Teilgebiete der Mathematik angesprochen werden; tatsächlich kommen unter anderem die Gebiete Geometrie, Algebra, Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitsrechnung vor.
Dies ist unsere Auswahl, die natürlich auch von unserem Geschmack bestimmt ist. Wenn Sie eine Aufgabe kennen, von der Sie denken: die müsste hier auch vorkommen, dann schreiben Sie uns!
Gießen und Berlin, im März 2010
Albrecht Beutelspacher
Marcus Wagner
1.
Zu Beginn ein Klassiker: Auf einer Party sind zehn Personen. Jeder stößt mit jedem genau einmal an. Wie oft „klingelt“ es?
Tipp: Wir können uns das sehr systematisch (und wenig kommunikativ) so vorstellen, dass
zunächst der Erste mit allen anderen anstößt. Dann der Zweite mit allen – außer dem
Ersten. Dann der Dritte mit allen – außer den beiden Ersten. Und so weiter.
Lösung: Wenn die Teilnehmer der Party genauso systematisch anstoßen, dann stößt der Erste
mit neun anderen an, die zweite Person mit acht anderen und so weiter. Der Vorletzte
stößt noch mit einer „freien“ Person an, und der Letzte muss gar nicht mehr selbst
aktiv werden. Also klingelt es insgesamt 9 + 8 + 7 + 6 + 5 + 4 + 3 + 2 + 1 = 45-mal!
Zusatzaufgabe: Auf einer Party ist eine bestimmte Anzahl von Menschen. Jeder stößt mit jedem genau einmal an. Insgesamt „klingelt“ es genau 55-mal. Wie viele Menschen sind auf der Party?
Man kann die Summe der ersten n Zahlen, also 1 + 2 + … + n, auch in einer einfachen Formel ausdrücken, nämlich 1 + 2 + 3 + … + n = n(n + 1)/2.
Diese Gleichung ist der Inhalt einer Geschichte über den Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855). Als Gauß noch in die Grundschule ging, stellte der Lehrer den Schülern die Aufgabe, die Zahlen von 1 bis 100 zu addieren. Zum Erstaunen des Lehrers war Gauß damit schon nach kurzer Zeit fertig. Er hatte bemerkt, dass die erste Zahl 1 und die letzte Zahl 100 die Summe 101 ergeben – genau wie die zweite Zahl 2 und die vorletzte Zahl 99 die Summe 101 ergibt, genauso 3 + 98 und so weiter. Gauß hat daher 50 · 101 gerechnet.
Allgemein kann man also sagen, dass man für die Summe der ersten n Zahlen genau die Hälfte der Zahlen (n/2) mit der um 1 erhöhten größten Zahl (n + 1) multiplizieren muss. Oder in der bereits genannten Formel: 1 + 2 + 3 + … + n = n(n + 1)/2.
Zusatzaufgabe: Auf einer Party befinden sich zehn Personen, und zwar fünf Paare. Jede stößt mit jedem an, aber nicht mit seinem Partner. Wie oft klingelt es?