Nr. 1225
Bastion im Grauland
Die Flucht ins Museumsland – ein Abenteuer in der Tiefe
von Kurt Mahr
Der Kampf um die Kommandogewalt über die Endlose Armada ist im Sommer 428 NGZ längst zugunsten Perry Rhodans entschieden. Und Kazzenkatt, der Lenker des Dekalogs, hat bei seinen Angriffen auf die Endlose Armada und auf verschiedene Chronofossilien, die er zu pervertieren versuchte, nach anfänglichen Erfolgen eine ganze Reihe schwerer Niederlagen einstecken müssen.
Ja, es kommt sogar dazu, dass zwei der drei Basen des Dekalogs, nämlich BRÜTER und VERSTÄRKER, in die Gewalt der Gegenseite geraten und für Kazzenkatts künftige Operationen somit nur noch die Basis LAGER verbleibt.
Derartig in seiner Macht geschwächt, ist es dem Element der Lenkung auch nicht möglich, das wichtige Chronofossil Hundertsonnenwelt länger zu halten. Vielmehr muss Kazzenkatt sich mit dem Rest seiner Streitkräfte überstürzt zurückziehen und den Planeten wieder den Posbis überlassen.
Auf dem Schauplatz Tiefenland jedoch – wobei wir ins Frühjahr 428 NGZ zurückblenden – sieht die Lage für die drei Ritter der Tiefe wenig ermutigend aus. Atlan, Jen Salik und Lethos-Terakdschan versuchen, zusammen mit ihren Gefährten, das Herrschaftsgebiet des Lords Mhuthan zu verlassen.
Sie wollen nach Schatzen, dem Gebiet der Archivare – doch sie erreichen die BASTION IM GRAULAND ...
Atlan, Jen Salik und Lethos-Terakdschan – Drei Ritter der Tiefe auf der Flucht.
Twirl und Domo Sokrat – Lethos' und Atlans Orbiter.
Fonneher – Leiter einer Kolonie im Tiefenland.
Gluschuw-Nasvedbin und Velvesch-Glod – Archivare von Schatzen.
Er hatte gerade einen Blick auf den Heckbildschirm geworfen und mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, dass von Verfolgern noch keine Spur zu sehen war. Als er sich den Kontrollen wieder zuwandte, spürte er den leichten Ruck, der durch die Gondel ging. Sein Blick flog über die Instrumente, und der Schreck fuhr ihm in die Glieder. Die Gondel gehorchte der Steuerung nicht mehr.
Das Fahrzeug bewegte sich mit mäßiger Geschwindigkeit über graues Land. Dichte, graue Vegetation bedeckte den Boden. Hier und da mäanderte ein grauer Flusslauf durch die Eintönigkeit des Dschungels. In der dunstigen Ferne lag irgendwo die Grenze des Landes Schatzen, das die Flüchtenden zu erreichen suchten. Schatzen, das friedliche Land der Archivare und der Museen. Dort hofften sie, Unterstützung für ihr Vorhaben zu finden.
Atlan war Lethos-Terakdschans erschreckte Reaktion nicht entgangen. Er trat herzu.
»Probleme?«, fragte er knapp.
»Sie läuft aus dem Steuer«, antwortete Lethos. »Der Antrieb liefert nur noch ein Drittel der Leistung. Wir verlieren rasch an Höhe.«
Der Arkonide nickte.
»Fast hätte man es erwarten sollen«, sagte er. »Das Land Mhuthan ist das einzige Stück Tiefenland, das Lord Mhuthan bisher fest unter Kontrolle hat. Er wird dafür gesorgt haben, dass seine Gondel nicht etwa aus Versehen die Grenzen des Landes überschreitet.«
Der Gedanke erschien plausibel. Erleichterung spiegelte sich in Lethos' Miene.
»Da Lord Mhuthan wahrscheinlich nie mit der Möglichkeit gerechnet hat, die Gondel könnte ihm gestohlen werden«, sagte er, »bedeutet das, dass wir nicht mit einem Absturz zu rechnen haben. Ich meine, der Lord wird den Autopiloten nicht so programmiert haben, dass das Fahrzeug abstürzen muss, nur weil der Pilot sich geirrt hat.«
»Niemand weiß, was in Lord Mhuthans Gedanken vorgeht«, seufzte Atlan. Er wandte sich um. »Sokrates«, hallte sein Ruf durch die Kommandozentrale, »wie weit noch bis zur Kolonie?«
Der Haluter hockte auf dem Boden, den Rücken gegen die Wand der Zentrale gelehnt. Es gab nirgendwo ein Sitzmöbel, dem er seine zyklopische Gestalt hätte anvertrauen können. Bei Atlans Worten fuhr er auf und kam heran.
»Atlanos, du kennst die Philosophie der Tiefe«, grinste er. Er hatte inzwischen gelernt, seine Stimme zu dämpfen, so dass sie auf Ohren durchschnittlicher Sensitivität nur noch wie ferner Kanonendonner wirkte. »Unnötiges Wissen belastet das Gehirn und führt zu vorzeitiger Senilität.«
»Geh zum Teufel mit deiner Tiefenphilosophie«, grollte der Arkonide. »Die Gondel setzt zur forcierten Landung an. Wie weit ist es noch bis nach Korzbranch?«
Die Beziehung zwischen Atlan und dem Haluter war eine eigenartige. Seit jenen wirren Tagen, da der Arkonide in der Stadtmauer von Starsen, in dem von Lethos-Terakdschans Erinnerung projizierten Dom Kesdschan, die Weihe eines Ritters der Tiefe erhalten hatte, stand ihm das Recht zu, sich einen Orbiter zu wählen. Seine Wahl war auf Domo Sokrat gefallen, den Haluter, dem er zum ersten Mal in der Kuppelanlage Eugen-17, dem Forschungslabor des Tiziden Lofker, begegnet war. Domo Sokrat, von Atlan Sokrates genannt, hatte die Ernennung zum Orbiter als ehrenvoll empfunden; aber das normale Verhältnis zwischen Ritter und Orbiter, wobei der letztere dem ersteren Gehorsam und Ehrerbietung schuldet, wollte sich zwischen den beiden nicht einstellen. Domo Sokrat war so unabhängig wie eh und je.
Diesmal mochte er indes spüren, dass es dem Arkoniden bitter ernst war. Er trat auf den Bildschirm zu und musterte ihn aufmerksam, wobei er den mächtigen, halbkugelförmigen Schädel ein wenig kreisen ließ, so dass alle drei Augen sich an der Musterung beteiligen konnten.
»Ich sehe nichts«, knurrte er schließlich. »Nur flaches Land mit grauem Dschungel. Korzbranch ist ein Felsplateau, das weit aus der Ebene hervorragt. Wir sind entweder noch zu weit davon entfernt, oder wir haben einen falschen Kurs eingeschlagen.«
Das ging Tengri Lethos-Terakdschan, der bisher als Pilot fungiert hatte, gegen die Ehre.
»Wir sind genau nach den Daten geflogen, die du uns genannt hast«, protestierte er.
Domo Sokrat machte mit den Händen des oberen Armpaars eine Geste, die Gleichgültigkeit zum Ausdruck brachte.
»Was soll ich dir sagen?«, meinte er mit dröhnender Stimme. »Unnötiges Wissen belastet das Gehirn ...«
Er wurde unterbrochen. Das vierte Mitglied der Expedition meldete sich zu Wort. Jen Salik hatte sich aus seinem Sitz erhoben und war auf die Kontrollkonsole zugetreten. »Mir scheint, man streitet sich hier um des Kaisers Bart«, fiel er dem Haluter mit einer jahrtausendealten terranischen Parabel ins Wort. »Wo Korzbranch ist, können wir später ermitteln. Wenn sich die Gondel wirklich nicht mehr halten lässt, haben wir die weitaus unmittelbarere Sorge, wie wir dort unten im Dschungel überleben.«
Atlan nickte kurz.
»Wahr gesprochen, Ritter«, sagte er. »Wir wollen uns auf die Landung konzentrieren.«
Jen Salik wies mit dem Daumen über die Schulter in Richtung des Heckbildschirms.
Sie alle wandten sich um, mit Ausnahme des fünften Mitglieds der Gruppe, das in einer Ecke der Kommandozentrale friedlich schlief. Das Bild zeigte winzige, graue Punkte, eine ganze Schar, die der Gondel folgten. Es konnte sich nicht um Fahrzeuge handeln, denn der Orter lieferte keinerlei Anzeige.
»Was ist das?«, fragte der Arkonide verwundert.
»Paladine«, ächzte Domo Sokrat. »Paladine und Ratane. Die Soldaten Mhuthans!«
*
Twirl erwachte erst, als die Gondel kräftiger zu schaukeln begann.
»Was ist los?«, fragte er in jener Version des Tiefenslangs, den die Abaker sprachen. Niemand antwortete ihm. Er sah Atlan, Lethos-Terakdschan, Jen Salik und den Haluter im Halbkreis um die Kontrollkonsole stehen. Vorsichtig drang er in ihre Gedanken ein. Die Gondel stürzt ab, glaubte er zu lesen. Gleich darauf musste er sich korrigieren: Sie stürzt nicht ab; sie wird vom Autopiloten zur Landung gezwungen.
Er räkelte sich und stand auf. Das Schaukeln der Gondel machte ihm nichts aus, im Gegenteil: Er empfand es als amüsant. Er stand 1,70 Meter groß, ein Wesen mit einem Schädel, dessen große, zutrauliche Augen und herabhängende Schlappohren an einen terranischen Bassett Hound erinnerten. Er war in Wirklichkeit ein äußerst junges Mitglied seiner Spezies, ein Kind noch – mit knapp dreißig Tiefenjahren. Er besaß acht Extremitäten. Das unterste Paar nannte er seine Beine. Es war kräftig ausgebildet und befähigte ihn zu flinker Fortbewegung. Die Füße besaßen jeweils zwei Zehen und einen nach hinten gerichteten Krallensporn. Die Hände der beiden oberen Armpaare waren ebenfalls dreifingrig, mit je zwei taktilen Gliedern und einem Daumen. Twirl war bekleidet mit einem graubraunen Overall, den Borla, seine Mutter, ihm angefertigt hatte. Mit seinen Schlappohren, der platten, breitgedrückten Nase und den buschigen Brauen, deren Haare steil in die Höhe strebten, machte Twirl einen lustigen, unbekümmerten Eindruck. In der Tat waren es diese beiden Eigenschaften, die seinen Charakter kennzeichneten.
Interessiert musterte er das Bild, das das Bugvideo wiedergab. Er war in den Höhlen der Abaker aufgewachsen, die sich weit unter dem Land dahinzogen. Mit offenem Gelände und dichtem Pflanzenwuchs war er nicht vertraut.
»Ich habe noch nie so viele Pflanzen auf einmal gesehen!«, stieß er hervor. »Dort muss es sich herrlich spielen lassen.«
Die Gondel glitt in einhundert Metern Höhe über die grauen Wipfel dahin. Lethos-Terakdschan wandte sich um, als er die Stimme des jungen Abakers hörte.
»Denk nicht ans Spielen, Junge«, ermahnte er Twirl. »Alles dort unten ist Grauleben. Sobald wir die Gondel verlassen, sind Pflanzen und Tiere hinter uns her, um uns den Hals umzudrehen.«
»So schlimm stelle ich mir das gar nicht vor«, meinte Twirl großsprecherisch.
Aber Lethos hörte ihn nicht mehr. Er hatte seine Aufmerksamkeit der Steuerung der Gondel zuwenden müssen. Der Antrieb hatte vollends ausgesetzt. Es bedurfte der Geschicklichkeit eines erfahrenen Piloten, das Fahrzeug vor dem Absturz zu bewahren. Die Gondel hatte einen Durchmesser von 100 Metern und die äußere Form eines tiefen Tellers mit steilen, schrägen Seitenwänden. Der Antrieb saß wie ein plattgedrückter Zylinder obenauf. Die schrägen Wände versahen eine gewisse aerodynamische Funktion. Sie wirkten als tragende Flächen, mit deren Hilfe der Pilot die Geschwindigkeit des Sturzes bremsen konnte.
Während Lethos-Terakdschan an den wenigen noch aktiven Kontrollen hantierte, musterte Atlan den Heckbildschirm mit besorgtem Blick. Die grauen Punkte waren größer geworden. Er zählte insgesamt zwanzig. Domo Sokrat hatte inzwischen erklärt, was die Punkte darstellten. Die Soldaten des Lords Mhuthan, Paladine genannt, waren gentechnisch gezüchtete, organische Kampfmaschinen. Als Fahrzeuge benützten sie Flugechsen, die so genannten Ratane, ebenfalls Produkte der tizidischen Gen-Tech-Industrie. Die Echsen entwickelten im Flug bemerkenswerte Geschwindigkeiten. Da zudem der Antrieb der Gondel ausgesetzt hatte, war verständlich, dass die Verfolger näher kamen.
Atlan warf einen Blick auf das graue Dach des Dschungels, dem sich die Gondel mit bedenklichem Tempo näherte.
»Wichtig ist, dass wir uns so rasch und so weit wie möglich von dem Fahrzeug entfernen«, sagte er. »Der Dschungel bietet uns Deckung. Die Ratane können nur oberhalb der Baumkronen manövrieren. Wenn es uns gelingt, zweihundert oder mehr Meter zwischen uns und die Gondel zu legen, werden die Paladine vergebens nach uns suchen.«
»Mehr noch«, fügte Jen Salik hinzu. »Wir müssen uns trennen. Jeder schlägt eine andere Richtung ein. Sobald die Paladine abgezogen sind, treffen wir uns bei der Gondel wieder.«
»Und wenn die Paladine nicht abziehen?«, grollte Domo Sokrat.
»Dann sind wir ohnehin verloren, Sokrates«, lächelte der Arkonide. »Dann macht es keinen Unterschied mehr, wo wir uns treffen wollen.«
»Ich bin einverstanden«, erklärte Lethos-Terakdschan.
»Und ich? Was wird aus mir?«, erkundigte sich Twirl mit hoher Stimme.
»In deinem Fall«, sagte der Hüter des Lichts, »machen wir eine Ausnahme, mein Junge. Du kommst mit mir.«
*
Noch benommen vom Schock des Aufpralls, kletterte der Arkonide aus der Schleuse. Er war der letzte der Gruppe. Zur rechten Hand sah er Domo Sokrat im Gestrüpp des Dschungels verschwinden. Die Gondel hatte beim Absturz eine weite Bresche in das eintönige Grau des Dschungels gerissen – eine Spur, die die Paladine auf ihren Ratanen nicht verfehlen würden. Atlan überprüfte die Kontrollen seines TIRUNS. Die Kombination, die er trug, war von Tengri Lethos-Terakdschan anhand der memorierten Daten, die er im Dom Kesdschan aufgenommen hatte, rekonstruiert worden. Sie war leistungsfähiger als der SERUN, der zur Standardausrüstung der terranischen Flotte gehörte. Der TIRUN stand mit seinem Träger in psionischem Kontakt. Die wichtigste Aufgabe, die er bisher zu erfüllen gehabt hatte, bestand darin, dass er eine emotionale Aura erzeugte, die den Beobachter davon überzeugte, der Träger der Montur sei von Grauleben erfüllt.
Der TIRUN war mit sechs Passen ausgestattet, die in Form flacher Wülste die ansonsten ebene Oberfläche des Schutzanzugs besetzten. Die Halspasse, dicht unter dem Verschluss des Helms liegend, diente der Steuerung des TIRUNS. Die Gürtelpasse war zuständig für die Erzeugung eines Feldschirms, der den Träger vor energetischer Einwirkung jeder Art schützte. Die Passen an den Handgelenken waren Waffenarsenale, deren destruktive Kapazität den Arkoniden bereits mehr als einmal auf unbehagliche Weise beeindruckt hatte. Die Knöchelpassen schließlich erzeugten das antigravitatorische Transportfeld, das dem Träger der Montur schwebende Bewegung ermöglichte.
Sämtliche Funktionen des TIRUNS wurden mental gesteuert. Die Montur stammte aus dem Arsenal der Porleyter. Lethos-Terakdschan hatte sie in den Grotten unter dem Dom Kesdschan gefunden und die Einzelheiten der Struktur sowie der Funktionsweise getreulich memoriert. Aus der Formenergie der Stadtmauer von Starsen hatte er aufgrund der in seinem Gedächtnis gespeicherten Daten zwei TIRUNS rekonstruiert, die sodann an Atlan und Jen Salik ausgegeben worden waren. Sie hatten den beiden Rittern der Tiefe seither gute Dienste geleistet.
Atlan sah sich um. Hinter ihm hing die Gondel schräg in der niedergewalzten Vegetation des Dschungels. Er hatte Domo Sokrat und Jen Salik nach vorne davoneilen sehen, in derselben Richtung, in der die Gondel bisher geflogen war. Lethos-Terakdschan und der junge Abaker hatten sich zur Seite hin in den Wald geschlagen. Es wäre günstig, wenn er sich nach rückwärts wandte, ging es ihm durch den Sinn.
Die Schneise, die die Gondel gerissen hatte, war zweihundert Meter lang. Sie ermöglichte ihm ein relativ müheloses Vorwärtskommen. Nach jedem zweiten Schritt spähte er zum grauen Himmel empor. Von den Ratanen und ihren Reitern war vorläufig noch keine Spur. Still und düster ragte zu beiden Seiten der Schneise die Wand des Dschungels auf. Das Auge des unvoreingenommenen Beobachters hatte aus der Höhe Bäume zu erkennen geglaubt. Aber es gab hier keine Bäume. Der Dschungel war ein verfilztes Gewirr von Schlingpflanzen und Farnen, pilzähnlichen Wucherungen und Gebilden, die wie im Boden verwachsene Riesenkraken wirkten. Keine einzige Blüte war zu sehen. Kein Laut war zu hören. Über dem grauen Pflanzengewirr lastete der graue Himmel des Tiefenlands, der ein trübes Licht verstrahlte.
Der Arkonide schlug sich nach rechts. Der tentakelähnliche Trieb einer Schlingpflanze senkte sich ihm entgegen. Es schien eine harmlose Bewegung zu sein, als verfügte das Gewächs über eine gewisse Neugierde und wolle sich aus der Nähe vergewissern, wer sich da in seinen Bereich einzudringen anschickte. Aber Atlan kannte die Heimtücke des Graulebens. Er hob die rechte Hand. Ein nadeldünner Strahl fauchte aus der Handgelenkpasse. Die vordersten drei Meter des Lianentriebs wurden abgeschnitten. Das abgeschnittene Stück, sich ringelnd und windend wie eine Schlange im Todeskampf, landete in den weit gespreizten Fächern eines mächtigen Farns. Plötzlich ging ein konvulsivisches Zucken durch die Farnblätter. Sie zogen sich zusammen, beugten sich vornüber, dem strunkartigen Mittelpunkt der Pflanze entgegen. Aus Hunderten von Blattspitzen träufelte eine gelbliche, transparente Flüssigkeit auf die sich noch immer windende Spitze der Schlingpflanze. Vor Atlans Augen löste sich der abgetrennte Teil des Gewächses auf. Als die Fächer des Farns sich wieder öffneten, war keine Spur des drei Meter langen Lianentriebs mehr zu sehen.
Er blickte auf. Die Schlingpflanze, die sich so angelegentlich um ihn gekümmert hatte, war in ihre Ausgangsposition zurückgeschnellt, jetzt um drei Meter kürzer. Der vegetative Instinkt schien ihr mitgeteilt zu haben, dass sie einen Gegner vor sich hatte, dem sie nicht gewachsen war.
Ein lautes, klatschendes Geräusch ließ den Arkoniden auffahren. Er hatte zuviel Zeit mit der Betrachtung des Dschungels vergeudet. Am westlichen Ende der Schneise sah er eine graue Schwinge, die sich mit heftig flatternden Zuckungen auf und ab bewegte. Das Wesen, dem die Schwinge gehörte, kam rasch näher. Es war Zeit, dass er in Deckung ging.
*
Er kauerte unter einem mächtigen Pilz, dessen Stamm drei Meter in die Höhe ragte. Die weit ausladende Pilzkappe bot ihm Deckung. Eine feine Rauchspur kennzeichnete den Pfad, den er sich mit dem Nadelstrahler der rechten Handgelenkspasse durch das Gestrüpp geschossen hatte. Darauf musste er achten: Wenn der Qualm in die Höhe stieg, konnte er zum Verräter werden.