Holz
Stress- und Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe
Karriere in der Verwaltung
Herausgeber der Reihe
Thomas Miltkau
Brandenburgische Kommunalakademie
Potsdam
Roswitha Pfeiffer
Bayerische Akademie für Verwaltungs-Management
München
Prof. Dr. Josef Konrad Rogosch
Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung
Altenholz
Dr. Ludger Schrapper
Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf
Dr. Claudia Stöckle
Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen
Ludwigsburg
Stress- und Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe
von
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Erscheinungsjahr des E-Books: 2015
Alle Rechte vorbehalten
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E-Book ISBN 978-3-8293-1172-4
Dieses Werk ist auch als Printausgabe für 29,80 € erhältlich.
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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis |
|
Tabellenverzeichnis |
|
1 |
Einleitung |
1.1 |
Veränderungen in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft |
1.2 |
Folgen und Auswirkungen |
2 |
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) |
2.1 |
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) im öffentlichen Dienst |
2.2 |
Typische Handlungsfelder des Betrieblichen Gesundheitsmanagements |
2.2.1 |
Handlungsfelder im Kontext der Analyse bzw. Diagnostik |
2.2.2 |
Handlungsfelder im Kontext der Prävention |
2.2.2.1 |
Handlungsfelder im Kontext der Verhaltensprävention und Intervention |
2.2.2.2 |
Handlungsfelder im Kontext der Verhältnisprävention und Intervention |
3 |
Rollenverständnis als Führungskraft im BGM |
3.1 |
Neue Führungsaufgaben und Kompetenzen |
3.2 |
Vorsorge- und Fürsorgepflicht der Führung |
3.3 |
Elementare Grundkompetenzen der Führung |
4 |
Allgemeine Grundlagen: Gesundheits- und Stressmanagement als präventive Führungsaufgabe |
4.1 |
Allgemeine Gestaltung der Arbeitsbedingungen |
4.1.1 |
Anforderungen optimieren |
4.1.2 |
Ressourcen maximieren |
4.1.3 |
Belastungen minimieren |
4.2 |
Persönlichkeitsförderliche Arbeitsgestaltung |
4.2.1 |
Verstehbarkeit |
4.2.2 |
Handhabbarkeit |
4.2.3 |
Sinnhaftigkeit |
4.3 |
Zusammenfassende Betrachtung der Arbeitsgestaltungsmaßnahmen |
4.4 |
Gesundheitsförderliches Führungsverhalten |
4.4.1 |
Die Führungskraft als Ressource |
4.4.2 |
Die Führungskraft als Belastung |
4.4.2.1 |
Ungerechtigkeit und mangelnde Fairness |
4.5 |
Eine gesunde Kultur |
5 |
Stress im Arbeitskontext – Definition, Ursachen und Lösungsansätze |
5.1 |
Stress im biologischen Ursprung |
5.2 |
Stress im Arbeitskontext |
5.3 |
Stressbewältigungsstrategien im Arbeitskontext |
5.4 |
Ursachen von Stress im Arbeitskontext |
6 |
Kritische Belastungssituationen – Psychische Belastungen managen – Burnout vermeiden |
6.1 |
Definition von Burnout |
6.2 |
Ursachen von Burnout |
6.2.1 |
Flow-Erleben und Arbeitssucht |
6.3 |
Verhalten als Führungskraft bei Burnout |
6.4 |
Andere psychische Erkrankungen |
7 |
Erkennen von belasteten Mitarbeitern, Fehlzeitentypen und der Umgang mit gesundheits- bzw. stressgefährdeten Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten |
7.1 |
Erkennen von Warnsignalen |
7.1.1 |
Stress, Gesundheit und Leistung |
7.2 |
Fehlzeitentypen |
7.2.1 |
Krankheitsbedingte Fehlzeiten (Mitarbeitertypus 1) |
7.2.2 |
Motivationsbedingte Fehlzeiten (Mitarbeitertypus 2) |
7.3 |
Umgang mit gesundheits- bzw. stressgefährdeten Mitarbeitern und belasteten Teams |
7.4 |
Stress- und Gesundheitsmanagement beim eigenen Vorgesetzten oder Kollegen |
7.4.1 |
Verhalten gegenüber dem eigenen Vorgesetzten |
7.4.2 |
Verhalten gegenüber einem Kollegen |
8 |
Mitarbeitergespräche im Rahmen des Gesundheitsund Stressmanagements (Rückkehrgespräche, Fehlzeitengespräche, BEM-Gespräche etc. richtig führen) |
8.1 |
Allgemeine Grundlagen der Gesprächsführung |
8.1.1 |
Vorbereitung, Einladung und Einstieg |
8.1.2 |
Betrachtung des Anliegens und Ursachenanalyse |
8.1.3 |
Lösungsansätze, Vereinbarungen und Abschluss |
8.2 |
Gesprächsformen im Stress- und Gesundheitsmanagement |
8.2.1 |
Besonderheiten bei Gesprächen im Kontext von Stress und Gesundheit |
8.2.2 |
Erlaubte und unerlaubte Fragen im Zusammenhang von Stress und Gesundheit |
8.2.3 |
Rückkehrgespräche/Krankenrückkehrgespräch |
8.2.4 |
Fehlzeiten- bzw. BEM-Gespräche |
8.2.5 |
Ergebnis- und Anwesenheits-Anerkennungsgespräche |
8.2.6 |
MAVG- Gespräche und informelle Gespräche |
8.3 |
Charakteristische Gesprächstypen |
8.3.1 |
Die Jammerer und die Negativen |
8.3.2 |
Die Redner und die Lauten |
8.3.3 |
Die Schweiger und die Stillen |
8.3.4 |
Die Unmotivierten und Personen mit mangelnder Eigenverantwortung |
8.3.5 |
Das Modell von Schulz von Thun im Kontext von Stress und Gesundheit |
9 |
Gesund durch die Krise: Wie gelingt leistungs- und gesundheitsgerechtes Führen in Zeiten des ständigen Wandels? |
9.1 |
Resilienz |
9.2 |
Persönliche Krisen von Einzelpersonen |
10 |
Methoden des persönlichen Gesundheits- und Stressmanagements |
10.1 |
Strategien des Zeit- und Organisationsmanagements |
10.2 |
Stressbewältigungsstrategien und Ansätze zur gesunden Lebensweise |
10.2.1 |
Kurzfristige Ansätze zur Stressbewältigung und zur gesunden Lebensweise |
10.2.2 |
Langfristige Ansätze zur Stressbewältigung und zur gesunden Lebensweise |
10.2.3 |
Zusammenfassende Betrachtung zur Stressbewältigung |
11 |
Anreizsysteme für eine verstärkte Selbstverantwortung – Widerstände erkennen und entgegenwirken |
12 |
Spezielle Themen des Stress- und Gesundheitsmanagements |
12.1 |
Demografischer Wandel |
12.1.1 |
Gesundheit und demografischer Wandel |
12.1.2 |
Arbeits- und Leistungsfähigkeit |
12.1.3 |
Alter und Motivation |
12.1.4 |
Umgang als Führungskraft mit älteren Arbeitnehmern |
12.2 |
Konflikte und Mobbing |
12.2.1 |
Ursachen in der Organisationsstruktur |
12.2.2 |
Ursachen in der Täterstruktur |
12.2.3 |
Ursachen in der Opferstruktur |
12.2.4 |
Verhalten der Führungskraft bei Konflikten |
12.2.5 |
Verhalten der Führungskraft bei Mobbing |
12.3 |
Sucht |
12.3.1 |
Verhalten der Führungskraft bei Sucht |
12.3.2 |
Präventive Ansätze zur Suchtverringerung |
12.4 |
Work-Life-Balance – Vereinbarkeit von beruflichem und außerberuflichem Handeln |
12.5 |
Abschließende Betrachtung |
Literaturverzeichnis |
|
Abkürzungen |
|
Stichwortverzeichnis |
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: |
Kernprozesse des BGM |
Abb. 2: |
BGM Beispiele Analyse und Diagnostik |
Abb. 3: |
BGM Beispiele Verhaltensprävention und Intervention |
Abb. 4: |
BGM Beispiele Verhältnisprävention und Intervention |
Abb. 5: |
Vier elementare Grundkompetenzen der Führung |
Abb. 6: |
Die Rolle der Führungskraft im Zusammenhang mit Gesundheit und Wohlbefinden |
Abb. 7: |
Multiple Ursachen von Gesundheit |
Abb. 8: |
Zusammenhang Arbeitsmerkmale und Befindensbeeinträchtigungen |
Abb. 9: |
Elemente eines Kohärenzgefühls |
Abb. 10: |
Körperliche Prozesse bei Stress |
Abb. 11: |
Stress im Arbeitskontext |
Abb. 12: |
Transaktionales Stress-Modell von Lazarus |
Abb. 13: |
Modell beruflicher Gratifikationskrisen |
Abb. 14: |
Arbeits-Anforderungs-Modell nach Karasek |
Abb. 15: |
Risikofaktoren von Burnout |
Abb. 16: |
Typische drei Phasen eines Mitarbeitergesprächs |
Abb. 17: |
Charakteristische Gesprächstypen |
Abb. 18: |
Strategien Zeit- und Organisationsmanagement |
Abb. 19: |
Gute Stressbewältiger |
Abb. 20: |
Formen der Stressbewältigung |
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: |
Führung früher und heute |
Tab. 2: |
Merkmale gesunder und ungesunder Organisationen |
Tab. 3: |
Typische kurzfristige Warnsignale bei Stress oder anderen psychischen Erkrankungen |
Tab. 4: |
Typische langfristige Reaktionen bei Stress oder anderen psychischen Erkrankungen |
Tab. 5: |
Zusammenhänge zu Fehlzeiten |
Tab. 6: |
Typische Gespräche im Zusammenhang mit Stress und Gesundheit |
Tab. 7: |
Körperliche bzw. biologische Leistungsfähigkeit |
Tab. 8: |
Psychische Leistungsfähigkeit |
Tab. 9: |
Geistige bzw. kognitive Leistungsfähigkeit |
[1]1 Einleitung
Stress- und Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe ist ein Thema von zunehmender Relevanz. Fragen zum Thema Gesundheit, Stress und Fehlzeiten beschäftigen viele Bereiche. Sowohl Politik, Wissenschaft, Wirtschaft als auch der öffentliche Dienst suchen nach Antworten und Lösungen. Die psychosoziale Gesundheit wird als eine Kernherausforderung des 21. Jahrhunderts betrachtet. Die WHO hat negativen Stress zur größten Gesundheitsgefahr für das 21. Jahrhundert erklärt. Das hier vorliegende Buch betrachtet dieses Thema im Kontext der Arbeitstätigkeit und von der Perspektive der Führungskraft. Im Schwerpunkt geht es in diesem Buch darum, Führungskräften Wissen über den Einfluss gesundheitsfördernder Verhaltensweisen und Maßnahmen zu vermitteln, für die Thematik zu sensibilisieren und Sicherheit im Arbeitsalltag zu gewinnen. Es zeigt darüber hinaus praxisnahe Methoden, Instrumentarien und Techniken auf, um sowohl die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit, aber auch die der Mitarbeiter zu fördern und gesundheitsförderliche bzw. stressmindernde Rahmenbedingungen zu gestalten. In den ersten Kapiteln wird theoretisch zu dem Thema hingeleitet und ein Überblick über das Gesundheitsmanagement in Verwaltungen gegeben und ein Rollenverständnis zum Thema „Gesund Führen“ dargestellt. In den weiteren Kapiteln werden Ursachen und Zusammenhänge zwischen Führung und Wohlbefinden hergeleitet und zahlreiche praxisbezogene Beispiele vorgestellt und mögliche Lösungsansätze für Führungskräfte aufgezeigt.
Hinweis: Der Leserlichkeit und des Umfangs wegen werden nur die männlichen Bezeichnungen verwendet; selbstverständlich sind auch die weiblichen Vertreterinnen gemeint.
1.1 Veränderungen in der Arbeitswelt und in der Gesellschaft
Die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit von Mitarbeitern sind zunehmend wichtige Faktoren für den Erfolg einer Organisation. Dieses Thema gewinnt stetig an Bedeutung, da sich zum einen die Bedingungen in der Arbeitswelt und zum anderen aber auch die Bedingungen in der Gesamtgesellschaft verändert haben. Im Zusammenhang mit den wichtigsten Veränderungen in der Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten ist eine zunehmende Arbeitsverdichtung, gekoppelt mit einer zusätzlichen Personalverknappung zu beobachten. In einer Veröffentlichung der Hans Böckler Stiftung (Böckler impuls 3/2012) wird dargestellt, dass die Zahl der Staatsbediensteten von 1991 bis 2010 um 1,6 Millionen gesunken ist (dies entspricht ca. 30 %). Ebenso erleben wir in den letzten Jahren einen wachsenden Qualifikations- und Zeitdruck. Auch die Komplexität in den Arbeitsanforderungen hat sich gesteigert und es sind wachsende Anforderungen an Dokumentation und Controlling zu beobachten (s. vertiefend Stressreport, 2012). Immer häufiger fallen daher Begriffe wie Flexibilisierung und Entgrenzung der Arbeit, Fachkräftemangel oder Lebenslanges Lernen. Zudem wird von der Halbwertszeit des Wissens gesprochen, was beinhaltet, sich immer wieder auf einen neuen Wissensstand zu bringen, da Wissen zunehmend schnell veraltet. Zur Folge haben diese neuen Arbeitsanforderungen, dass sich immer weniger Routine einstellt und ständige Änderungen bzw. Neuerungen (z. B. Organisationsentwicklungsprozesse, neue Gesetze, Restrukturierungen, neue PC-Programme oder andere neue Wissenselemente) den Alltag vieler Arbeitnehmer prägen. Auch die neuen Medien und Kommunikationsmittel haben längst Einzug in die Arbeitswelt der [2]öffentlichen Verwaltung gehalten und wir erleben eine zunehmende Informationsdichte. Eine letzte bedeutsame Veränderung in der Arbeitswelt sind die zunehmend stärker psychisch fordernden Dienstleistungen. Zum einen hat sich das Klientel (z. B. die Bürger) gewandelt. Bürger erwarten heute viel stärker einen „guten Service“, sind anspruchsvoller und auch vielseitiger in ihrer Erscheinung. Im Rahmen des Diversitätsansatzes (Pluralisierung moderner Gesellschaften bzw. Vielfalt in der Gesellschaft und Lebensentwürfen) sind daher auch interkulturelle Anforderungen zunehmend von größerer Wichtigkeit. In der Sprache des öffentlichen Dienstes sind Begriffe wie Serviceorientierung, Qualitätsanspruch und Kundennähe mittlerweile selbstverständlich. Das typische heutige Schulungsprogramm einer öffentlichen Verwaltung enthält daher zahlreiche Fortbildungen zu Themen wie Bürgernähe, Diversität am Arbeitsplatz oder Deeskalation. Gleichzeitig nimmt auch der Kostendruck stetig zu und es finden sich gehäuft unsichere Arbeitsverhältnisse (z. B. befristete Stellen, Kündigungswellen, Stellenabbau, Zusammenlegungen etc.), wobei sich der letzte Aspekt im öffentlichen Dienst im Vergleich zur Privatwirtschaft noch eher moderat verhält. Insgesamt ist aber eine zunehmende Diversität von Beschäftigungsmodellen festzustellen (Rigotti/Mor, 2011). Diese veränderten Herausforderungen in der Arbeitswelt prägen auch die moderne Verwaltung und stehen ebenso in der Führungsarbeit zunehmend im Fokus.
Diesen Bewegungen in der Arbeitswelt stehen zudem parallel gesellschaftliche Veränderungen gegenüber bzw. beide Seiten bedingen und verstärken sich gegenseitig. Ein erster Punkt hinsichtlich eines typischen gesellschaftlichen Wandels ist, dass wir heutzutage immer weniger reale soziale Netze oder/und stabile Familienstrukturen vorfinden. Beispielsweise hat die Zahl an alleinerziehenden, alleinlebenden Haushalten und Scheidungen zugenommen (s. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2013). Organisationen begegnen dieser Thematik beispielsweise mit immer flexibleren Arbeitszeitmodellen und das Konzept von Vereinbarkeit Beruf und Familie ist heute ein selbstverständliches Thema in jeder guten Verwaltung (s. auch Kap. 12.4). Zudem ist unsere Gesellschaft geprägt von einem starken Drang zur Individualisierung (Drang nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung) und wir befinden uns nach wie vor in einer Art Wettbewerbsund Leistungsgesellschaft, in der Themen wie Leistungsfähigkeit, Effizienz und Produktivität einen hohen Stellenwert einnehmen (s. auch Entwicklungen zum Thema Leistungsentgelt im Zusammenhang mit dem Tarifvertrag im öffentlichen Dienst). Auch die Globalisierung und der demografische Wandel machen sich in der öffentlichen Verwaltung bemerkbar. Organisationen bzw. Verwaltungen müssen sich zunehmend dem Thema Demografie stellen. Durch die Anhebung des Renteneintrittsalters, gekoppelt mit einer zahlenmäßig großen Gruppe, die sich in der kritischen Altersstufe von 45 bis 60 befindet (Baby-Boomer), sind Verwaltungen mit der Frage konfrontiert, wie man die Arbeits- und Leistungsfähigkeit bzw. die Gesundheit der Mitarbeiter bis ins hohe Alter erhalten kann. Das Thema Demografiewandel wird vertieft in Kap. 12.1 aufgegriffen. Sicherlich gibt es noch einige weitere Themen, die in diesem Zusammenhang aufgeführt werden könnten (z. B. veränderte Mobilität oder wachsende soziale Differenzierung), die aber an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden sollen. Fazit ist, Arbeitswelt und Gesellschaft befinden sich in einem Prozess der ständigen Bewegung. Beide Bereiche haben sich tiefgreifend verändert und dies hat auch entsprechende Auswirkungen (s. nachfolgendes Kap.).
[3]1.2 Folgen und Auswirkungen
Die dargestellten Veränderungen in der Arbeitswelt und der Gesellschaft bleiben nicht ohne Folgen. Schon heute liegt der Anteil arbeitsbedingter Krankheiten bei ca. 30 % der insgesamt Erkrankten (Kuhn, 2000). In der Europäischen Union (EU) werden die Kosten, mit steigender Tendenz, von Arbeitsstress auf 5-10 % des Bruttosozialproduktes geschätzt. Ebenso geht die EU davon aus, dass ca. 40 Millionen Arbeitnehmer der 15 (Western) Member States von Arbeitsstress betroffen sind, und dass dies die EU ca. 20 Milliarden Euro jährlich kostet (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2002). Die Kosten durch Fehlzeiten bzw. gesundheitsbedingte Produktionsausfälle in der Bundesrepublik werden insgesamt auf ca. 38 Milliarden Euro geschätzt. Nicht einbezogen sind dabei Fehlzeiten von weniger als drei Tagen sowie Kosten vermeidbarer Unfalle, Berufskrankheiten, Behandlung und Frühverrentung (www.baua.de/statistik). Die bei der Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung anfallenden Kosten von Produktionsausfällen durch arbeitsbedingte Erkrankungen werden auf ca. 44 Milliarden Euro geschätzt und die Ausgaben der gesetzlichen Unfallversicherungen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten liegen bei ca. 11 Milliarden Euro. Ein Thema, welches viele Krankenkassen und Gesundheitsorganisationen (z. B. WHO) beschäftigt, ist die starke Zunahme an psychischen Erkrankungen. Die DAK sagte bereits 2005: „(…) psychische Störungen werden bis 2020 die zweithäufigste Ursache für Arbeitsausfälle und verminderte Arbeitsfähigkeit sein.“ Der BKK Gesundheitsreport betitelte seine Ausgabe bereits 2008 mit dem Titel „Seelische Krankheiten prägen das Krankheitsgeschehen.“ Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle ist aufgrund psychischer Erkrankungen in Deutschland in den letzten 10 Jahren um 74 % gestiegen.
Die ausgeführten Zahlen haben sicherlich vielfältige Ursachen, dennoch sind sich die meisten Experten einig, dass die Arbeitswelt und die dort erlebten Stressoren und Ressourcen ebenso im bedeutsamen Zusammenhang mit Gesundheit und Wohlbefinden stehen. Insofern ist das Thema Gesundheits- und Stressmanagement in den Betrieben angekommen und wird zunehmend als wichtige Leitungsaufgabe betrachtet und häufig in Form eines betrieblichen Gesundheitsmanagements umgesetzt (im Folgenden BGM genannt). Zunächst noch als eine Aufgabe übergeordneter Stellen oder Funktionen (Personalabteilung, Gesundheitsbeauftragter) eingeführt, wird zunehmend deutlich, dass das Thema Stress- und Gesundheitsmanagement eine Aufgabe ist, bei der Führungskräfte in ihrem Führungsverhalten an der Basis einen bedeutsamen Einfluss auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter haben. Dabei ist die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Führungskraft selbst eine wichtige Voraussetzung. Es geht daher im Schwerpunkt bei dem Thema Stress- und Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe darum, sich als Führungskraft für diese Aufgabe die notwendigen Kompetenzen anzueignen, Vorbild zu sein und das entsprechende Rollenverständnis zu entwickeln (s. auch Kap. 3).