Den Priester Chryses zu rächen, dem Agamemnon die Tochter vorenthielt, sendet Apollon den Achaiern eine Pest. Agamemnon zankt mit Achilleus, weil er durch Kalchas die Befreiung der Chryseïs fordern ließ, und nimmt ihm sein Ehrengeschenk, des Brises Tochter. Dem zürnenden Achilleus verspricht Thetis Hilfe. Entsendung der Chryseïs, und Versöhnung Apollons. Der Thetis gewährt Zeus so lange Sieg für die Troer, bis ihr Sohn Genugtuung erhalte. Unwille der Here gegen Zeus. Hephästos besänftigt beide.
Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte, Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden, |
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Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet:
Seit dem Tag, als erst durch bitteren Zank sich entzweiten Atreus Sohn, der Herrscher des Volks, und der edle Achilleus. Wer hat jene der Götter empört zu feindlichem Hader? Letos Sohn und des Zeus. Denn der, dem Könige zürnend, |
10 |
Sandte verderbliche Seuche durchs Heer; und es sanken die Völker:
Drum weil ihm den Chryses beleidigst, seinen Priester, Atreus Sohn. Denn er kam zu den rüstigen Schiffen Achaias, Frei zu kaufen die Tochter, und bracht’ unendliche Lösung, Tragend den Lorbeerschmuck des treffenden Phöbos Apollon |
15 |
Und den goldenen Stab; und er flehete laut den Achaiern,
Doch den Atreiden vor allen, den zween Feldherren der Völker: Atreus Söhn’, und ihr andern, ihr hellumschienten Achaier, Euch verleihn die Götter, olympischer Höhen Bewohner, Priamos Stadt zu vertilgen, und wohl nach Hause zu kehren; |
20 |
Doch mir gebt die Tochter zurück, und empfahet die Lösung,
Ehrfurchtsvoll vor Zeus ferntreffendem Sohn Apollon. Drauf gebot beifallend das ganze Heer der Achaier, Ehrend den Priester zu scheun, und die köstliche Lösung zu nehmen. Aber nicht Agamemnon, des Atreus Sohne, gefiel es; |
25 |
Dieser entsandt’ ihn mit Schmach, und befahl die drohenden Worte:
Daß ich nimmer, o Greis, bei den räumigen Schiffen dich treffe, Weder anitzt hier zaudernd, noch wiederkehrend in Zukunft! Kaum wohl möchte dir helfen der Stab, und der Lorbeer des Gottes! Jene lös’ ich dir nicht, bis einst das Alter ihr nahet, |
30 |
Wann sie in meinem Palast in Argos, fern von der Heimat,
Mir als Weberin dient, und meines Bettes Genossin! Gehe denn, reize mich nicht; daß wohlbehalten du kehrest! Jener sprach’s: doch Chryses erschrak, und gehorchte der Rede. Schweigend ging er am Ufer des weitaufrauschenden Meeres; |
35 |
Und wie er einsam jetzt hinwandelte, flehte der Alte
Viel zum Herrscher Apollon, dem Sohn der lockigen Leto: Höre mich, Gott, der du Chrysa mit silbernem Bogen umwandelst, Samt der heiligen Killa, und Tenedos mächtig beherrschest, Smintheus! hab ich dir je den prangenden Tempel gekränzet, |
40 |
Oder hab’ ich dir je von erlesenen Farren und Ziegen
Fette Schenkel verbrannt; so gewähre mir dieses Verlangen: Meine Tränen vergilt mit deinem Geschoß den Achaiern! Also rief er betend; ihn hörete Phöbos Apollon. Schnell von den Höhn des Olympos enteilet’ er, zürnendes Herzens, |
45 |
Auf der Schulter den Bogen und ringsverschlossenen Köcher.
Laut erschallen die Pfeile zugleich an des Zürnenden Schulter, Als er einher sich bewegt’; er wandelte, düster wie Nachtgraun; Setzte sich drauf von den Schiffen entfernt, und schnellte den Pfeil ab; Und ein schrecklicher Klang entscholl dem silbernen Bogen. |
50 |
Nur Maultier’ erlegt’ er zuerst und hurtige Hunde:
Doch nun gegen sie selbst das herbe Geschoß hinwendend, Traf er; und rastlos brannten die Totenfeuer in Menge. Schon neun Tage durchflogen das Heer die Geschosse des Gottes. Drauf am zehnten berief des Volks Versammlung Achilleus, |
55 |
Dem in die Seel’ es legte die lilienarmige Here;
Denn sie sorgt’ um der Danaer Volk, die Sterbenden schauend. Als sie nunmehr sich versammelt, und voll gedrängt die Versammlung; Trat hervor und begann der mutige Renner Achilleus: Atreus Sohn, nun denk’ ich, wir ziehn den vorigen Irrweg |
60 |
Wieder nach Hause zurück, wofern wir entrinnen dem Tode;
Weil ja zugleich der Krieg und die Pest hinrafft die Achaier. Aber wohlan, fragt einen der Opferer, oder der Seher, Oder auch Traumausleger; auch Träume ja kommen von Zeus her: Der uns sage, warum so ereiferte Phöbos Apollon: |
65 |
Ob versäumte Gelübd’ ihn erzürneten, ob Hekatomben:
Wenn vielleicht der Lämmer Gedüft und erlesener Ziegen Er zum Opfer begehrt, von uns die Plage zu wenden. Also redete jener, und setzte sich. Wieder erhub sich Kalchas der Thestoride, der weiseste Vogelschauer, |
70 |
Der erkannte, was ist, was sein wird, oder zuvor war,
Der auch her vor Troja der Danaer Schiffe geleitet Durch wahrsagenden Geist, des ihn würdigte Phöbos Apollon; Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung: Peleus Sohn, du gebeutst mir, o Göttlicher, auszudeuten |
75 |
Diesen Zorn des Apollon, des fernhintreffenden Herrschers.
Gerne will ich’s ansagen; doch du verheiße mit Eidschwur, Daß du gewiß willfährig mit Wort und Händen mir helfest. Denn leicht möcht’ erzürnen ein Mann, der mächtiges Ansehns Argos Völker beherrscht, und dem die Achaier gehorchen. |
80 |
Stärker ja ist ein König, der zürnt dem geringeren Manne.
Wenn er auch die Galle den selbigen Tag noch zurückhält; Dennoch laur’t ihm beständig der heimliche Groll in den Busen, Bis er ihn endlich gekühlt. Drum rede du, willst du mich schützen? Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus: |
85 |
Sei getrost, und erkläre den Götterwink, den du wahrnahmst.
Denn bei Apollon fürwahr, Zeus Lieblinge, welchem, o Kalchas, Flehend zuvor, den Achaiern der Götter Rat du enthüllest: Keiner, so lang’ ich leb’, und das Licht auf Erden noch schaue, Soll bei den räumigen Schiffen mit frevelnder Hand dich berühren, |
90 |
Aller Achaier umher! und nenntest du selbst Agamemnon,
Der nun mächtig zu sein vor allem Volke sich rühmet! Jetzo begann er getrost, und sprach, der untadliche Seher: Nicht versäumte Gelübd’ erzürnten ihn, noch Hekatomben; Sondern er zürnt um den Priester, den also entehrt’ Agamemnon, |
95 |
Nicht die Tochter befreit’, und nicht annahm die Erlösung:
Darum gab uns Jammer der Treffende, wird es auch geben. Nicht wird jener die schreckliche Hand abziehn vom Verderben, Bis man zurück dem Vater das freudigblickende Mägdlein Hingibt, frei, ohn’ Entgelt, und mit heiliger Festhekatombe |
100 |
Heim gern Chrysa entführt. Das möcht’ ihn vielleicht versöhnen.
Also redete jener, und setzte sich. Wieder erhub sich Atreus Heldensohn, der Völkerfürst Agamemnon, Zürnend vor Schmerz; es schwoll ihm das finstere Herz voll der Galle, Schwarz umströmt; und den Augen entfunkelte strahlendes Feuer. |
105 |
Gegen Kalchas zuerst mit drohendem Blicke begann er:
Unglücksseher, der nie auch ein heilsames Wort mir geredet! Immerdar nur Böses erfreut dein Herz zu verkünden! Gutes hast du noch nimmer geweissagt, oder vollendet! Jetzt auch meldest du hier als Götterspruch den Achaiern, |
110 |
Darum habe dem Volk der Treffende Wehe bereitet,
Weil für Chryses Tochter ich selbst die köstliche Lösung Anzunehmen verwarf. Denn traun! weit lieber behielt’ ich Solche daheim; da ich höher wie Klytämnestra sie achte, Meiner Jugend Vermählte: denn nicht ist jene geringer, |
115 |
Weder an Bildung und Wuchs, noch an Geist und künstlicher Arbeit.
Dennoch geb’ ich sie willig zurück, ist solches ja besser. Lieber mög’ ich das Volk errettet schaun, denn verderbend. Gleich nur ein Ehrengeschenk bereitet mir, daß ich allein nicht Ungeehrt der Danaer sei; nie wäre das schicklich! |
120 |
Denn das seht ihr alle, daß mein Geschenk mir entgehet.
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus: Atreus Sohn, ruhmvoller, du habbegierigster aller, Welches Geschenk verlangst du vom edlen Volk der Achaier? Nirgends wissen wir doch des gemeinsamen vieles verwahret: |
125 |
Sondern so viel wir aus Städten erbeuteten, wurde geteilet;
Auch nicht ziemt es dem Volke, das einzelne wieder zu sammeln. Aber entlass’ du jetzo dem Gotte sie; und wir Achaier Wollen sie dreifach ersetzen und vierfach, wenn uns einmal Zeus Gönnen wird, der Troer befestigte Stadt zu verwüsten. |
130 |
Gegen ihn rief antwortend der Völkerfürst Agamemnon: Nicht also, wie tapfer du seist, gottgleicher Achilleus, Sinn’ auf Trug! Nie wirst du mich schlau umgehn, noch bereden! Willst du, indes dir bleibt das Geschenk, daß ich selber umsonst hier Sitze, des meinen beraubt? und gebietest mir, frei sie zu geben? |
135 |
Wohl denn, wofern mir ein andres verleihn die edlen Achaier,
Meinem Sinn es erlesend, das mir ein voller Ersatz sei! Aber verleihn sie es nicht; dann komm’ ich selber, und nehm’ es, Deines vielleicht, auch des Ajas Geschenk wohl, oder Odysseus’ Führ’ ich hinweg; und zürnen vielleicht wird, welchem ich nahe! |
140 |
Doch von solcherlei Dingen ist Zeit zu reden auch künftig.
Auf nun, zieht ein schwärzliches Schiff in die heilige Meerflut; Sammelt hinein vollzählig die Ruderer; bringt auch Apollons Hekatomb’; und sie selbst, des Chryses rosige Tochter, Führet hinein; und Gebieter des Schiffs sei der Könige einer: |
145 |
Ajas, oder der Held Idomeneus, oder Odysseus,
Oder auch du, Peleide, du schrecklichster unter den Männern! Daß du den Treffenden uns durch heilige Opfer besänftigst. Finster schaut’ und begann der mutige Renner Achilleus: Ha, du in Unverschämtheit gehülleter, sinnend auf Vorteil! |
150 |
Wie doch gehorcht dir willig noch einer im Heer der Achaier,
Einen Gang dir zu gehn, und kühn mit dem Feinde zu kämpfen? Nicht ja wegen der Troer, der lanzenkundigen, kam ich Mit hieher in den Streit; sie haben’s an mir nicht verschuldet. Denn nie haben sie mir die Rosse geraubt, noch die Rinder; |
155 |
Nie auch haben in Phtia, dem scholligen Männergefilde,
Meine Frucht sie verletzt; indem viel Raumes uns sondert, Waldbeschattete Berg’, und des Meers weitrauschende Wogen. Dir, schamlosester Mann, dir folgten wir, daß du dich freutest; Nur Menelaos zu rächen, und dich, du Ehrevergeßner, |
160 |
An den Troern! Das achtest du nichts, noch kümmert dich solches!
Selbst mein Ehrengeschenk, das drohest du mir zu entreißen, Welches mit Schweiß ich errungen, und mir verehrt die Achaier! Hab’ ich doch nie ein Geschenk, wie das deinige, wann die Achaier Eine bevölkerte Stadt des troischen Volkes verwüstet; |
165 |
Sondern die schwerste Last des tobenden Schlachtengetümmels
Trag’ ich mit meinem Arm: doch kommt zur Teilung es endlich, Dein ist das größte Geschenk; und ich, mit wenigem fröhlich, Kehre heim zu den Schiffen, nachdem ich erschlafft von dem Streite. Doch nun geh’ ich gen Phtia! denn weit zuträglicher ist es, |
170 |
Heim mit den Schiffen zu gehn, den gebogenen! Schwerlich auch wirst du,
Weil du allhier mich entehrst, noch Schätz’ und Güter dir häufen! Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon: Fliehe nur, wenn’s dein Herz dir gebeut! Nie werd’ ich dich wahrlich Anflehn, meinethalb zu verziehn! Mir bleiben noch andre, |
175 |
Ehre mir zu erwerben; zumal Zeus waltende Vorsicht!
Ganz verhaßt mir bist du vor allen beseligten Herrschern! Stets doch hast du den Zank nur geliebt, und die Kämpf’ und die Schlachten! Wenn du ein Stärkerer bist, ein Gott hat dir solches verliehen! Schiffe denn heim, du selbst mit den Deinigen, daß du in Ruhe |
180 |
Myrmidonen gebietest! denn du bist nichts mir geachtet;
Nichts auch gilt mir dein Pochen! vielmehr noch droh’ ich dir also: Weil mir Chryses Tochter hinwegnimmt Phöbos Apollon, Werd’ ich sie mit eigenem Schiff und eignen Genossen Senden; allein ich hole die rosige Tochter des Brises |
185 |
Selbst mir aus deinem Gezelt, dein Ehrengeschenk: daß du lernest,
Wie viel höher ich sei als du, und ein anderer zage, Gleich sich mir zu wähnen, und so mir zu trotzen ins Antlitz! |
Zeus und Here beschließen Trojas Untergang. Athene beredet den Pandaros, einen Pfeil auf Menelaos zu schießen. Den Verwundeten heilt Machaon. Die Troer rücken an, und Agamemnon ermuntert die achaiischen Heerführer zum Angriff. Schlacht.
Aber die Götter um Zeus ratschlageten all’ in Versammlung,
Sitzend auf goldener Flur; sie durchging die treffliche Hebe, Nektar umher einschenkend; und jen’ aus goldenen Bechern Tranken sich zu einander, und schaueten nieder auf Troja, |
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5 |
Schnell versuchte Kronion, das Herz der Here zu kränken
Durch aufregende Wort’, und redete solche Vergleichung: Zwo sind hier Menelaos der Göttinnen jetzo gewogen, Here von Argos zugleich, und Athen’, Alalkomenens Göttin. Aber beide von fern, des Anschauns nur sich erfreuend, |
10 |
Sitzen sie; weil dem andern die holdanlächelnde Kypris
Stets als Helferin naht, und die graulichen Keren ihm abwehrt. Nun auch entzog sie jenen, da Todesgraun er zuvorsah. Aber gesiegt hat wahrlich der streitbare Held Menelaos. Uns nun laßt erwägen, wohin sich wende die Sache: |
15 |
Ob wir hinfort durch Kriegsgewalt und verderbende Zwietracht
Züchtigen oder in Frieden die beiderlei Völker versöhnen. Wäre dies euch allen so angenehm und gefällig; Gern noch möchte sie stehn, des herrschenden Priamos Feste, Doch Menelaos zurück die Argeierin Helena führen. |
20 |
Jener sprach’s; da murrten geheim Athenäa und Here. Nahe sich saßen sie dort, nur Unheil sinnend den Troern. Jene nunmehr blieb schweigend, und redete nichts, Athenäa, Eifernd dem Vater Zeus, und ihr tobte das Herz in Erbittrung. Here nur konnte den Zorn nicht bändigen, sondern begann so: |
25 |
Welch ein Wort, Kronion, du schrecklicher, hast du geredet! Willst du, daß ganz ich umsonst arbeitete, daß ich vergebens Schweiß der Mühe vergoß, und umher mit ermatteten Rossen Völker erregt’, um dem Priamos Gram und den Söhnen zu schaffen? Tu’s! doch nimmer gefällt es dem Rat der anderen Götter! |
30 |
Unmutsvoll nun begann der Herrscher im Donnergewölk Zeus: Grausame, was hat Priamos doch und Priamos Söhne Dir so Böses getan, daß sonder Rast du dich abmühst, Ilios auszutilgen, die Stadt voll prangender Häuser? Möchtest du doch, eingehend durch Tor’ und türmende Mauern, |
35 |
Roh ihn verschlingen, den Priamos selbst und Priamos Söhne,
Samt den Troern umher; dann würde dein Zorn dir gesättigt! Tue, wie dir’s gefällt: daß nicht der Hader in Zukunft Beiden, dir selber und mir, zu größerem Zwiste gedeihe. Eines verkünd’ ich dir noch, und du bewahr’ es im Herzen: |
40 |
Wenn auch mir im Eifer hinwegzutilgen gelüstet
Eine Stadt, wo dir erkorene Günstlinge wohnen; Daß du alsdann nicht weilest den Rächenden, sondern mich lassest! Gab doch ich selbst dir willig, obgleich unwilliges Herzens. Denn was unter der Sonn’ und dem sternumleuchteten Himmel |
45 |
Irgend erscheint von Städten der sterblichen Erdebewohner;
Hoch mir vor allen geehrt war Ilios heilige Feste, Priamos selbst, und das Volk des lanzenkundigen Königs. Nie ja mangelte mir der Altar des gemeinsamen Mahles, Nie des Weins und Gedüftes, das uns zur Ehre bestimmt ward. |
50 |
Ihm antwortete drauf die hoheitblickende Here: Siehe drei vor allen sind mir die geliebtesten Städte, Argos und Sparta zugleich, und die weitdurchwohnte Mykene: Diese verderb’ im Zorn, wenn etwa dein Herz sie erbittern; Niemals werd’ ich solche verteidigen, oder dir eifern. |
55 |
Wenn ich ja gleich mißgönnend dir wehrete, sie zu verderben;
Nichts doch schaffte mein Tun; denn weit gewaltigen bist du. Aber auch mein Arbeiten geziemet es nicht zu vereiteln. Denn auch ich bin Göttin, entstammt dem Geschlechte, woher du; Ich die erhabenste Tochter gezeugt vom verborgenen Kronos, |
60 |
Zweifach erhöht, an Geburt, und weil ich deine Genossin
Ward ernannt, der du mächtig im Kreis der Unsterblichen wartest. Aber wohlan, dies wollen wir nachsehn einer dem andern, Dir ich selbst, und du mir; auch andre unsterbliche Götter Folgen uns dann. Doch jetzo beschleunige Pallas Athene, |
65 |
Hinzugehn in der Troer und Danaer furchtbare Schlachtreihn;
Daß sie versuch’, ob die Troer die siegesstolzen Achaier Etwa zuerst anfahn zu beleidigen wider den Eidschwur. Sprach’s; ihr gehorchte der Vater des Menschengeschlechts und der Götter, Wandte sich schnell zur Athen’, und sprach die geflügelten Worte: |
70 |
Eile sofort in das Heer der Troer hinab und Achaier;
Daß du versuchst, ob die Troer die siegesstolzen Achaier Etwa zuerst anfahn zu beleidigen wider den Eidschwur. Also Zeus, und erregte die schon verlangende Göttin; Stürmendes Schwungs entflog sie den Felsenhöhn des Olympos. |
75 |
Gleich wie ein Stern, gesendet vom Sohn des verborgenen Kronos,
Schiffenden, oder dem Heere gewaffneter Völker zum Zeichen, Strahlend brennt, und im Flug’ unzählige Funken umhersprüht: Also senkt’ hineilend zur Erde sich Pallas Athene Zwischen die Heere hinab; und Staunen ergriff, die es ansahn, |
80 |
Rossebezähmende Troer, und hellumschiente Achaier.
Also redete mancher, gewandt zum anderen Nachbar: Wieder fürwahr soll Kriegesgewalt und verderbende Zwietracht Züchtigen, oder in Frieden versöhnt nun beiderlei Völker Zeus, der dem Menschengeschlecht des Kriegs Obwalter erscheinet! |
85 |
So nun redete mancher der Troer umher und Achaier. Jen’, ein Mann von Gestalt, durchdrang der Troer Getümmel, Gleich dem Antenoriden Laodokos, mächtig im Speerkampf, Rings nach Pandaros forschend, dem Göttlichen, ob sie ihn fände. Jetzo fand sie den starken untadlichen Sohn des Lykaon |
90 |
Stehend, und rings um den Herrscher die starke geschildete Heerschar
Seines Volks, das ihm folgte vom heiligen Strom des Äsepos. Nahe trat sie hinan, und sprach die geflügelten Worte: Möchtest du jetzt mir gehorchen, verständiger Sohn des Lykaon? Wagtest du wohl, Menelaos ein schnelles Geschoß zu entsenden? |
95 |
Preis gewännst du und Dank von allem Volke der Troer,
Aber vor allem zumeist vom herrschenden Held Alexandros: Der dich traun vorzüglich mit glänzenden Gaben belohnte, Säh’ er jetzt Menelaos, den streitbaren Sohn des Atreus, Deinem Geschosse besiegt, die traurige Flamme besteigen. |
100 |
Auf denn, und schnelle den Pfeil zum rühmlichen Held Menelaos.
Aber gelob’ Apollon, dem lykischen Bogenberühmten, Eine Dankhekatombe der Erstlingslämmer zu opfern, Heimgekehrt in dein Haus zur heiligen Stadt Zeleia. Jene sprach’s, und bewegte das Herz des törichten Mannes. |
105 |
Schnell entblößt’ er den Bogen, geschnitzt von des üppigen Steinbocks
Schönem Gehörn, dem er selber die Brust von unten getroffen; Als er dem Felsen entsprang, am gewähleten Ort ihn erwartend, Zielt’ und durchschoß er die Brust, daß rücklings ans Fels er hinabsank. Sechzehn Handbreit ragten empor am Haupte die Hörner. |
110 |
Solche schnitzt’ und verband der hornarbeitende Künstler,
Glättete alles umher, und beschlug’s mit goldener Krümmung. Diesen nun stellt’ er geschickt, nachdem er ihn spannt’, auf die Erde Angelehnt; und mit Schilden bedeckten ihn tapfere Freunde, Daß nicht zuvor anstürmten die streitbaren Männer Achaias, |
115 |
Eh’ er gefällt Menelaos, den streitbaren Fürsten Achaias.
Jetzo des Köchers Deckel eröffnet’ er, wählte den Pfeil dann, Ungeschnellt und gefiedert, den Urquell dunkeler Qualen. Eilend ordnet’ er nun das herbe Geschoß auf der Senne; Und er gelobt’ Apollon, dem lykischen bogenberühmten, |
120 |
Eine Dankhekatombe der Erstlingslämmer zu opfern,
Heimgekehrt in sein Haus zur heiligen Stadt Zeleia; Fassend dann zog er die Kerbe zugleich, und die Nerve des Rindes, Daß die Senne der Brust annaht’, und das Eisen dem Bogen. Als er nunmehr kreisförmig den mächtigen Bogen gekrümmet; |
125 |
Schwirrte das Horn, und tönte die Senn’, und sprang das Geschoß hin,
Scharfgespitzt in den Haufen hineinzufliegen verlangend. Doch nicht dein, Menelaos, vergaßen die seligen Götter, Ewig an Macht, vor allen des Zeus siegprangende Tochter, Welche vor dich hintretend das Todesgeschoß dir entfernte. |
130 |
Gleich so wehrete sie’s vom Leibe dir, wie wenn die Mutter
Wehrt’ vom Sohne die Flieg’, indem süßschlummernd er daliegt. Aber dorthin lenkt’ es die Herrscherin, wo sich des Gurtes Goldene Spang’ ihm schloß, und zwiefach hemmte der Harnisch. Stürmend traf das Geschoß den festanliegenden Leibgurt, |
135 |
Sieh’ und hinein in den Gurt, den künstlichen, bohrte die Spitze;
Auch in das Kunstgeschmeide des Harnisches drang sie geheftet; Und in das Blech, das er trug zur Schutzwehr gegen Geschosse, Welches am meisten ihn schirmt’; allein sie durchdrang ihm auch dieses; Und nun ritzte der Pfeil die obere Haut des Atreiden, |
140 |
Daß ihm sogleich vorströmte das dunkelnde Blut aus der Wunde.
Wie wenn ein Elfenbein die Mäonerin, oder die Karin, Schön mit Purpur gefärbt, zum Wangenschmucke des Rosses; Dort nun liegt’s im Gemach, und viel der reisigen Männer Wünschten es wegzutragen; doch Königen hegt sie das Kleinod, |
145 |
Beides ein Schmuck dem Rosse zu sein, und Ehre dem Lenker:
Also umfloß, Menelaos, das färbende Blut dir die Schenkel, Stattlich von Wuchs, und die Bein’ und zierlichen Knöchel hinunter. Schauer durchdrang alsbald den Herrscher des Volks Agamemnon, Als er sah, wie das Blut ihm schwarz hinfloß aus der Wunde; |
150 |
Schauer durchdrang ihn selber, den streitbaren Held Menelaos.
Aber sobald er die Schnur auswärts und die Haken erblickte; Ward von neuem mit Mut sein männliches Herz ihm erfüllet. Schwer aufseufzend begann der Völkerfürst Agamemnon, Haltend die Hand Menelaos; es seufzten umher die Genossen: |
155 |
O du teurer Bruder, zum Tode dir schloß ich das Bündnis, Dich allein hinstellend, für uns mit den Troern zu kämpfen! Denn dich trafen die Troer, das heilige Bündnis zertretend! Aber umsonst ist nimmer der Eidschwur, oder der Lämmer Blut, noch der lautere Wein, und der Handschlag, dem wir vertrauet. |
160 |
Wenn auch jetzo sogleich der Olympier nicht es vollendet;
Doch vollendet er spät! und hoch ihm werden sie büßen, Werden mit eigenem Haupte, mit Weib und Kindern es büßen! Denn das erkenn’ ich gewiß in des Herzens Geist und Empfindung: Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt, |
165 |
Priamos selbst, und das Volk des lanzenkundigen Königs!
Dann wird Zeus der Kronid’ aus strahlender Höhe des Äthers Gegen sie all’ erschüttern das Graun der umnachteten Ägis, Zürnend ob solchem Betrug! Geschehn wird dieses unfehlbar! Aber in bitteren Schmerz versenkst du mich, o Menelaos, |
170 |
Wenn du stirbst, und das Maß der Lebenstage nun füllest!
Siehe voll Schmach dann kehrt’ ich zur wasserdürftigen Argos! Denn alsbald gedächten des Vaterlands die Achaier; Und wir verließen den Ruhm dem Priamos hier und den Troern, Helena, Argos Kind; es moderten deine Gebeine |
175 |
Liegend in Trojas Gefild’, am unvollendeten Werke!
Mancher vielleicht dann spräche der übermütigen Troer, Fröhlich das Grab umhüpfend dem rühmlichen Held Menelaos: Daß doch so bei allen den Zorn vollend’ Agamemnon, Wie er jetzo umsonst herführte das Volk der Achaier! |
180 |
Denn schon kehret’ er heim zum lieben Lande der Väter,
Leer die sämtlichen Schiff’, und verließ den Held Menelaos! Also spräche man einst! Dann reiße sich weit mir die Erd’ auf! |