image

LEKTÜRESCHLÜSSEL
FÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER

Joseph von Eichendorff

Aus dem Leben eines Taugenichts

Von Theodor Pelster

Philipp Reclam jun. Stuttgart

Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe: Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts. Novelle. Hrsg. von Hartwig Schultz. Stuttgart: Reclam, 2001 [u.ö.]. (Universal-Bibliothek. 2354.)

Alle Rechte vorbehalten
© 2001, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen
Made in Germany 2012
RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene
Marken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-960093-2
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015306-2

Inhalt

1. Erstinformation zum Werk

2. Inhalt

3. Personen

4. Struktur der Geschichte

5. Erläuterungen zum Text

6. Interpretation

7. Der Autor und seine Zeit

8. Rezeption und Wirkung

9. Checkliste

10. Lektüretipps

Anmerkungen

1. Erstinformation zum Werk

Der »Taugenichts« und die Frage nach dem Glück. In die Welt zu ziehen, um dort »sein Glück zu machen«, ist nicht nur ein Motiv von Märchenhelden, sondern ein ursprüngliches Bedürfnis des Menschen – vor allem des jungen Menschen. Das mag der Grund dafür sein, dass die Geschichte vom »Taugenichts« über Jahrzehnte hinweg, unbeeinflusst vom Wandel der Zeit, eine bevorzugte Stellung in den privaten und in den schulischen Lektürelisten einnahm, hat die Novelle doch »eine entfernte Verwandtschaft mit dem des Märchens von Hans im Glück.«1

Die Frage nach dem Glück scheint von so grundsätzlicher Bedeutung für den Menschen zu sein, dass sie immer wieder und in immer neuen Zusammenhängen gestellt wird. Antworten liegen vor in lebenspraktischen Handreichungen, in religiösen, in philosophischen, in literarischen Texten. Endgültiges ist von keiner dieser Abhandlungen zu erwarten. Schon das Wort »Glück«, das sich verhältnismäßig spät in der deutschen Sprache entwickelt hat, entzieht sich einer genauen inhaltlichen Bestimmung. Ob es eine direkte Beziehung zwischen »Glück haben« und »glücklich sein« gibt, ist eine oft diskutierte Frage.

Hinter den verschiedenen Konzeptionen von Glück steht die viel grundsätzlichere Frage, ob der Mensch nicht grundsätzlich Mächten ausgeliefert ist, auf die er keinen Einfluss hat, die vielmehr umgekehrt in sein Leben eingreifen. Er nennt sie abwechselnd Zufall, Schicksal, Fügung – oder auch Glück und Pech und sieht in diesen Erscheinungen Auswirkungen außerirdischer Instanzen, göttlicher, teuflischer oder gänzlich undurchschaubarer Kräfte.

Einige Grundeinstellungen hat man zu klassifizieren versucht. So nennt man jemanden, der der Ansicht ist, dass »Leben und Welt vom Schlechten und Bösen beherrscht werden«2, einen Pessimisten; als Optimist gilt der, der auch in widrigen Lagen zuversichtlich bleibt und alles, was geschieht, von der besten Seite sieht. Er ist wie der große Philosoph Leibniz (1646–1716) der Ansicht, dass die Welt, die uns gegeben ist, »die beste aller möglichen«3 sei und dass der Mensch in dieser Welt glücklich werden könne.

Ist das eine Ideologie, eine Utopie, eine Illusion? Die Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts ist ein Gedankenentwurf. Modellartig wird vorgeführt, wie und wo ein junger Mensch das Glück sucht – und findet. Selbst wenn man die Darlegungen als unrealistisch, als typisch romantisch einstuft und wenn man das Ganze für eine Idylle hält, so lohnt die Auseinandersetzung. Sie hat unter anderem zum Ziel, die eigene Grundeinstellung zu prüfen: Wie wird man zum Optimisten, wie zum Pessimisten? Welche Gründe gibt es für das eine und das andere, welche Erfahrungen? Ist »glücklich sein« ein möglicher, ein erstrebenswerter, ein erreichbarer Zustand? Oder ist die Geschichte vom Glück tatsächlich nur ein romantisches Märchen?

2. Inhalt

Der Ich-Erzähler, ein junger Mann, der eines Morgens von seinem Vater als ein »Taugenichts« ausgeschimpft wurde und daraufhin beschloss, »in die Welt [zu] gehen« (5), berichtet im Rückblick, wie es ihm dort ergangen ist.

1. Kapitel

Kaum hat der Taugenichts das Dorf und seines Vaters Mühle verlassen, da hält ein vornehmer Reisewagen neben ihm und zwei schöne Damen bieten dem singenden und Geige spielenden Wandersmann an, ihn eine Strecke mitzunehmen. Er springt hinten auf den Wagen, betrachtet eine Zeit lang die Landschaft, schläft ein und befindet sich in der Einfahrt eines schönen Schlosses in der Nähe von Wien, als er wach wird.

Ein »großer Herr in Staatskleidern« (7) lässt im Auftrag der gnädigen »Herrschaft« fragen, ob der eben Angekommene im Schloss als Gärtnerbursche dienen wolle. Ohne lange zu überlegen, nimmt dieser die Stelle an und resümiert aus dem Abstand des Erzählers: »Überhaupt weiß ich eigentlich gar nicht recht, wie doch alles gekommen war, ich sagte nur immerfort zu allem: Ja« (8).

Zu der Zeit, da die Handlung spielt, kann er noch nicht ahnen, dass die zufällige Bekanntschaft mit den beiden Damen im Reisewagen über seinen ganzen weiteren Lebensweg entscheidet. Spontan hat er sich nämlich in die eine Dame, die »besonders schön und jünger als die andere« (6) ist, verliebt. Er hält sie für adlig und unerreichbar. Er wird ihr singen und sie verehren und erst am Schluss erfahren, dass sie keineswegs eine Abstand gebietende adlige Herrschaft, sondern die verwaiste Nichte des Portiers ist, die im Schloss erzogen wurde und dem »Taugenichts« von Anfang an zugeneigt ist, so dass nach vielen Verwirrungen nichts gegen eine Trauung und ein glückliches Ende spricht. Die ältere der beiden Damen ist dagegen tatsächlich die Gräfin des Schlosses, die sowohl die Schloss- wie auch die Familienangelegenheiten zu lenken hat. Diese Haus-, Hof- und Familiengeschichten, die der Taugenichts gar nicht und der Leser nur schwer durchschaut, bilden den Hintergrund der erzählten Geschichte.

Aus der Ferne also verehrt der Gärtnerbursche »die liebe schöne Frau«, singt ihr Lieder und hofft, sie ab und zu am Fenster zu sehen. Als die Hofgesellschaft an einem Sonntag einen Spaziergang durch den Schlossgarten macht und sich vom Gärtnerburschen über den Teich rudern lässt, ist »die schöne Frau« dabei, hält »die Augen niedergeschlagen […] und sagte gar nichts« (14). Der Taugenichts deutet dies als gewollte Distanzierung und empfindet tiefen Liebesschmerz.

2. Kapitel

Offensichtlich hat der Taugenichts die Gunst der Herrschaft erworben; denn als der Zolleinnehmer des Landguts stirbt, wird er dessen Nachfolger. Das Amt lässt ihm Zeit genug, einen Blumengarten anzulegen und jeden Tag einen Strauß für die Verehrte zu binden, der eine Zeit lang heimlich abgeholt wird, dann aber liegen bleibt. Als ihm eines Tages die Kammerjungfer den Auftrag übermittelt, für »die gnädige Frau« anlässlich eines Maskenballs Blumen bereitzustellen, ist er »verblüfft vor Freude« (20), weiß er doch nicht, dass der Auftrag von der Gräfin und keineswegs von seiner Angebeteten kommt. Diese sieht er später neben dem jungen Schlossherrn auf dem Balkon, wo man die beiden hochleben lässt. Der Taugenichts kann wiederum nicht wissen, dass »die schöne junge […] Frau« (24) Geburtstag hat und deshalb beglückwünscht wird, dass sie aber in keinerlei Beziehung zu dem Herrn an ihrer Seite steht. Grenzenlos enttäuscht holt der Taugenichts die Geige von der Wand und zieht »gen Italien hinunter« (27). Dabei ist er »traurig und doch auch wieder so überaus fröhlich, wie ein Vogel, der aus seinem Käfig ausreißt« (26); er singt die vierte Strophe jenes Lieds, das er sang, als er von zu Hause fortging, wo es heißt: »Den lieben Gott lass ich nur walten« (26).

3. Kapitel

Da er des Wegs nicht sicher ist, versucht er sich durchzufragen. Dabei trifft er auf unwirsche Bauern, aber auch auf freundliche Mädchen. Als er in einem Dorf zum Tanz aufspielt, merkt er, dass man ihn gern dort behalten möchte. Ehe er jedoch eine eigene Entscheidung fällen kann, wird er von zwei Reitern entführt, die ihn für ortskundig halten und zwingen wollen, ihnen den »Weg nach B.« (35f.) zu zeigen. Unterwegs erkennen die beiden Reiter, dass der Überwältigte der »Einnehmer vom Schloss« (37) ist; der Taugenichts seinerseits merkt nicht, dass er in eine Entführungsgeschichte verwickelt wird, in der seine Herrschaft die Fäden zieht; er durchschaut nicht einmal, dass der angebliche »Maler Leonhard« kein Maler und der »Maler Guido« nicht einmal ein Mann ist (38). Eher zufällig treffen sie auf das Dorf B.

4. Kapitel

In B. steht für sie »ein prächtiger Wagen mit vier Postpferden« (40) bereit. Der Taugenichts wird veranlasst, seine angeblich ausgewachsenen Kleider gegen eine vornehme Montur zu wechseln und zu dritt geht es »frisch nach Italien hinein« (40). Während eines Aufenthalts in einem Rasthaus ziehen sich die »Maler« zurück, um Briefe zu schreiben; der Taugenichts streift nach dem Abendessen noch draußen herum, bemerkt zwar »eine lange dunkle Gestalt« (43), denkt sich aber nicht viel dabei, und schläft draußen auf einer Bank vor dem Wirtshaus ein. Als er bei Tagesdämmerung wach wird, muss er feststellen, dass die beiden »Maler« verschwunden sind. Sie haben ihm jedoch einen vollen Geldbeutel und den Postwagen zurückgelassen, so dass die Fahrt »in die weite Welt hinein« (45) fortgesetzt werden kann.

5. Kapitel

Der Weg ist offensichtlich festgelegt. Er führt durch unwirtliches Gebiet; der Kutscher ist unruhig und fühlt sich verfolgt. Endlich ist das Ziel, »ein großes altes Schloss« (47), erreicht, in dem der Taugenichts herrschaftlich empfangen wird. Es gefällt ihm alles »recht wohl« (59); er merkt allerdings nicht, dass er in eine falsche Rolle gewiesen wurde. Im Schloss hat man eine als Mann verkleidete junge Dame erwartet, aber nicht ihn, den Taugenichts.

6. Kapitel

Das Schloss, so erfährt er, gehört »einem reichen Grafen« (53). Das angenehme Leben beginnt schon langweilig zu werden, als ihm eines Tages ein Brief ausgehändigt wird, der vom Postillon überbracht wurde und mit »Aurelie« (55) unterzeichnet ist. Darin steht, dass »alles wieder gut« sei und zu Hause alles öde, »seit Sie von uns fort sind« (55). Für den Taugenichts ist klar, dass der Brief an ihn gerichtet und von der »schönen jungen Frau« geschrieben ist. Überglücklich will er sich sofort auf den Weg machen. Tatsächlich ist der Brief aber für die gräfliche Tochter, die man als Maler Guido verkleidet im Schloss glaubt. Dieser scheinen die Verfolger auf die Spur gekommen zu sein. Nur mit Mühe kann sich der Taugenichts, der von allen – von den Verfolgern und von den Beschützern – für die flüchtige gräfliche Tochter Flora gehalten wird, aus dem verschlossenen Zimmer und aus der versperrten Schlossanlage nach draußen retten, um das Weite zu suchen. Auch der Student, der ihm bei der Flucht hilft, täuscht sich, als er dem Taugenichts ein Liebesgeständnis macht, da er ihn für eine verkleidete Frau hält. Draußen merkt der Taugenichts, dass man vom Schloss aus die Verfolgung aufnimmt; er flieht und läuft »in das Tal und in die Nacht hinaus« (60).

7. Kapitel