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Contents

Geleitwort

Abkürzungen

Theoretischer Teil

1 Das Blut als Organ

1.1 Blutmenge

1.2 Aufgaben des Blutes

1.3 Zusammensetzung des Blutes

2 Blutbildung

2.1 Morphologie der Zellen

2.2 Die Zellteilungen

2.3 Ursprung und Entwicklung der Blutzellen (Ontogenese)

2.4 Blutentwicklung

2.5 Entwicklung der Blutzellen

3 Erythrozytenformen

3.1 Unterschiedliche Gestalt der Erythrozyten

3.2 Unterschiedliche Anfärbbarkeit der Erythrozyten

3.3 Anordnung der Erythrozyten

3.4 Veränderungen im Roten Blutbild

4 Anämien

4.1 Einteilung der Anämien

4.2 Hämolytische Anämien

4.3 Anämien durch Bildungsstörung

4.4 Anämie durch Einengung des Knochenmarkes

4.5 Aplastische Anämie (AA)

5 Polyzythämien

5.1 Polyzythämia vera (PV)

5.2 Polyglobulie

5.3 Veränderung der Thrombozyten

6 Leukozyten

6.1 Leukozytose

6.2 Toxische Veränderungen der neutrophilen Granulozyten

6.3 Leukozytenanomalien

6.4 Leukopenie

6.5 Agranulozytose

7 Lymphatische Reaktionen

7.1 Infektiöse Mononukleose (Pfeiffer’sches Drüsenfieber)

8 Erkrankungen des blutbildenden Systems

8.1 Myeloproliferative Syndrome

8.2 Akute Leukämien

8.3 Myelodysplastisches Syndrom (MDS)

9 Maligne Lymphome

9.1 Morbus Hodgkin

9.2 Non-Hodgkin-Lymphome

9.3 T-Zell-Lymphome

9.4 Kryoglobulinämie

Praktischer Teil

1 Technik der Blutentnahme aus dem Kapillarnetz

2 Venenblutabnahme

3 Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit

4 Hämatokrit

5 Hämoglobin

6 Bestimmung der „Anzahl der Blutzellen“

6.1 Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten

6.2 Automatische Zellzählung

6.3 Automatische Leukozytendifferenzierung

6.4 Pipetten

7 Erythrozyten-Zählung

8 Leukozyten-Zählung

9 Thrombozyten-Zählung

10 Eosinophilen-Zählung in der Zählkammer

11 Erythrozytometrische Werte

12 Differentialblutbild

12.1 Ausstrichtechnik

12.2 Färbung nach Pappenheim

12.3 Differenzierung der Blutzellen

13 Isolierung der Lymphozyten

13.1 Immunfluoreszenzuntersuchungen

13.2 HLA-Typisierung

14 Mononukleose-Test

15 Spezialfärbungen

15.1 Retikulozyten-Zahlung

15.2 Färbung der Heinz’schen Innenkorper

15.3 Eisennachweis

15.4 Fetales Hämoglobin

15.5 Haptoglobin-Bestimmung

15.6 Sichelzellen-Nachweis

15.7 Säure-Serum Test nach HAM

15.8 Kugelzellen-Nachweis

16 Price-Jones-Kurve

17 Osmotische Resistenz der Erythrozyten

18 Zytochemische Färbungen

18.1 Alkalische Leukozytenphosphatase-Reaktion (ALPA)

18.2 Peroxidase-Reaktion (POX)

18.3 Alpha-Naphthylacetat-Esterase-Reaktion (Est)

18.4 Periodic-Acid-SCHIFF-Reaktion (PAS)

18.5 Saure Phosphatase-Reaktion (SP)

19 Immunchemische Methoden

19.1 Radiale Immundiffusion

19.2 Immunelektrophorese

19.3 Immunfixations-Elektrophorese

20 Knochenmark-Untersuchung

20.1 Knochenmark-Punktion

20.2 Modifizierte Pappenheim-Färbung des KM

20.3 Zytologische KM-Untersuchung

20.4 Zellverteilung im Knochenmark

20.5 Mengedes Knochenmarks

20.6 Zellen des Knochenmarks

20.7 Myelogramm

21 Flow Cytometrie

21.1 Probenzufuhr

21.2 Messung der Lichtstreuung

21.3 Messung der Fluoreszenz

21.4 Signalverarbeitung und Messung

21.5 Beispiele für KM-Untersuchungen (Tabellen 21.1 und 21.2)

22 Hämatologische Histologie

22.1 Präparationen

22.2 Färbungen

22.3 Diagnostik

23 Referenzwerte in der Hämatologie (Tabelle 23.1)

23.1 Basiseinheiten in der Hämatologie (Tabelle 23.2)

24 Blutgruppenserologische Untersuchungen

24.1 Bestimmung der AB0-Blutgruppenmerkmale

24.2 Bestimmung des Rh-Merkmals D

24.3 Bestimmung der Rhesus-Untergruppen

24.4 Bestimmung des Merkmals K (Kell)

24.5 Zweitansatz der Blutgruppenbestimmung

24.6 Antikörpersuchtest

24.7 Direkter Coombstest (DCT)

24.8 Kreuzprobe (Serologische Verträglichkeitsuntersuchung)

25 Hämostaseologie

25.1 Physiologie der Hämostase

25.2 Die plasmatische Gerinnung des extrinisichen und intrinsischen Systems

25.3 Das Fibrinolyse-System

25.4 Kongentiale und erworbene Gefäßerkrankungen

25.5 Methoden zur Diagnostik

25.6 Erste Methoden zur Gewinnung des Fibrinfadens: Recalzifizierungszeit

25.7 Spezielle Global- oder Suchtests

25.8 Einzelfaktorenbestimmungen mit Mangelplasmen

25.9 Faktor V-Leiden - Nachweis mit der APC Resistenz

25.10 Inhibitoren (Hemmstoffe)

25.11 Immunchemische Verfahren

26 Qualitätssicherung und Sicherheit am Arbeitsplatz

Literatur

Glossar

Farbtafeln

Anhang

A.1 Integration moderner diagnostischer Methoden im hämatologischen Routinelabor

A.2 Integrierte Konzeptlösungen – Neue Ansätze für die technische Validierung in der Hämatologie

Register

Weitere empfehlenswerte Titel

D. Holzner

Chemie für Technische Assistenten in der Medizin und in der Biologie

2001

ISBN 3-527-30340-5

D. Holzner

Chemie für Biologielaboranten

2003

ISBN 3-527-30755-9

W. G. Guder, S. Narayanan, H. Wisser, B. Zawta

Samples: From the Patient to the Laboratory

2003

ISBN 3-527-30981-0

R. Schmid

Taschenatlas der Biotechnologie und Gentechnik

2002

ISBN 3-527-30865-2

S. Eckhardt,W. Gottwald, B. Stieglitz

1 × 1 der Laborpraxis

2002

ISBN 3-527-30755-9

A.J. Cann

Mathe für Biologen

2004

ISBN 3-527-31183-1

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Die Autoren dieses Bandes

Dr. Rolf Mahlberg

Mutterhaus der Borromaerinnen

Innere Medizin I

Feldstr. 16

54290 Trier

Deutschland

Annette Gilles

Stiftungsklinikum Mittelrhein

Diakoniezentrum Paulinenstift

Nastätten GmbH

Borngasse 14

56355 Nastätten

Deutschland

Anita Läsch

Mutterhaus der Borromaerinnen

Innere Medizin I

Feldstr. 16

54290 Trier

Deutschland

1. Auflage 1994, GIT-Verlag

2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2005

Titelbild:

Die Aufnahme stellt eine sehr außergewöhnliche Infiltration eines alveolären Rhapdomyosarkoms ins Knochenmark dar. Das Erscheinungsbild ist einer akuten Leukämie zum Verwechseln ähnlich.

Geleitwort

Gerade in der hämatologischen Diagnostik und Therapie der letzten 10 Jahre sind extreme Fortschritte zu vermelden. Dieses ist alles nur möglich, wenn man die grundlegenden, theoretischen und praktischen Erkenntnisse der Labormethoden im Bereich der Hämatologie beherrscht und konsequent weiter entwickelt.

Das hier vorgelegte Lehrbuch „Hämatologie“, speziell für Medizinisch Technische Assistentinnen und interessierte Laborärzte, Internisten und Hämatologen trägt diesen Entwicklungen in hervorragender Weise Rechnung.

Einem ausführlichen, auf dem aktuellsten Stand befindlichen theoretischen Teil sind praktische Anleitungen ebenso wie eine Vielzahl von dem Verständnis dienenden Abbildungen beigefügt. Besonders hervorzuheben ist dabei die didaktisch geschickte Zusammenstellung von einerseits seit langem bekannten, immer noch grundlegenden Erkenntnissen aus der hämatologischen Diagnostik, verbunden mit der Therapie und andererseits die neuen Methoden sowie Klassifikationen. Nur beides zusammen ermöglicht heute eine verantwortungsbewusste Labordiagnostik bei hämatologischen und auch onkologische Krankheitsbildern und kann somit zu verlässlichen und tragenden Befunden führen.

Das hier vorgelegte Buch wird einer raschen Orientierung im Problemfall ebenso genügen wie einer ausführlicheren Information auch bei komplizierten Sachzusammenhängen. Es schlägt eine aus praktischem Blickwinkel betrachtete Brücke zwischen dem Patienten, dem behandelnden Arzt, dem Labormediziner und der Medizinisch Technischen Assistentin.

Ich wünsche dem Werk eine weite Verbreitung im theoretischen Unterricht ebenso wie in der täglichen Praxis der hämatologischen Diagnostik.

München, Oktober 2004

Torsten Haferlach

Geleitwort

Dieses Lehrbuch ist mit viel Engagement durch einen begeisterten Hämatologen und unermüdliche kenntnisreiche und äußerst erfahrene Hämatologie-Assistentinnen verfasst worden. Es ist umfassend und deckt die gesamte neoplastische und nicht neoplastische Hämatologie ab. Es enthält viele praktische Aspekte, die nicht nur für im Labor Tätige notwendig sind, sondern auch für Ärzte in Spezialisierung außerordentlich geeignet sind. Im praktischen Teil wird der theoretische Teil durch ausführliche Darstellung und praktische Handhabungen vertieft. Gleichzeitig dient der Bildteil dazu, den praktischen Teil optisch darzustellen. Das Lehrbuch berücksichtigt moderne diagnostische Verfahren wie die Durchflusszytometrie und geht auch auf Probleme der Blutgruppenserologie und Gerinnungsuntersuchungen ein. Ich wünsche dem Autorenteam und Verlag, dass das Buch eine sehr gute Verbreitung findet.

Trier, Oktober 2004

Prof. Dr. med. M. R. Clemens

Abkürzungen

A bekannt hohe Aktivität
a niedrige Aktivität
Abb. Abbildung
AB0-System AB0-Blutgruppensystem
Ag Antigen
AHG Anti-Human-Globulin-Serum
AK Antikörper
AIHA Autoimmunhämolytische Anämie
AILD Angio-Immunoblastische Lymphadenopathie
AKS Antikörpersuche
ALL Akute lymphatische Leukämie
ALPA Alkalische Leukozytenphosphatase-Aktivität
α Alpha
ANA Anti-nukleäre Antikörper
ANLL Akute nicht lymphatische Leukämie → AML
AML Akute myeloische Leukämie → ANLL
aPTT Aktivierte Partielle Thromboplastinzeit
ATP Adenotriphosphorsäure, Adenosintriphosphat
Baso Basophil
B-Zellen von Bursa fabricii abgeleitete lymphozytäre Zellen
β Beta
BFU rythropoetisch: Burst forming unit
BSG Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
c- common Ag (flow cytometrischer Lymphozytenmarker)
CB Zentroblastisches Lymphom
CC Zentrozytisches Lymphom
CD engl.: Cluster of Differenciation; AK, die ein bestimmtes Differenzierungsantigen erkennen
CFU erythropoetisch: Colony forming unit; koloniebildende Einheit im Kulturmedium
CLL Chronisch lymphatische Leukämie
CML Chronisch myeloische Leukämie
CMML CMMoL; Chronisch myelomonozytäre Leukämie
Cu Kupfer
Cr Chrom51CR; radioaktives Chrom-Isotop
CO2 Kohlendioxid
DCT Direkter Coombstest
δ Delta
DIC Disseminierte intravasale Koagulopathie
DNA Desoxyribonukleinsäure
dl Deziliter
DPG Diphosphoglycerat
E Erythrozytär
EBK Eisenbindungskapazität
Eo Eosinophil
ε Epsilon
Est Esterase-Reaktion
ET Essenzielle Thrombozythämie
FAB French-American-British group
Fe Eisen
fl Femtoliter (10–15)
γ Gamma
GM Granulozyär, monozytär
GEMM Gemischt determiniert: granulozytär, erythrozytär, monozytär, megakariozytär
G-6-PDH Glucose-6-phosphatdehydrogenase
G/E Verhältnis Granulopoese zu Erythropoese
g Gramm
H Wasserstoff
h Stunde
Hb Hämoglobin
Hb A adultes Hämoglobin vom Typ A1 und A2
Hb F fetales Hämoglobin
Hb S Hämoglobin bei Sichelzell-Anämie
HCl Salzsäure
HCL Haarzell-Leukämie
H-Ketten heavy chain; Schwerketten
H2O Wasser
HAES Hydroxyethylstärke
Hk Hämatokrit
HLA human leucocyte antigen; menschliches Leukozyten-Antigen-System
IB Immunoblastisches Lymphom
IC Immunozytom
ICT Indirekter Coombstest
ITP Idiopathische thrombozytopenische Purpura
Ig A Immunglobulin A
Ig D Immunglobulin D
Ig E Immunglobulin E
Ig G Immunglobulin G
Ig M Immunglobulin M
J Jod; J–135, J–125 (radioactive Jod-Isotope)
K Kalium
K Kell-Faktor
k Cellano-Faktor
KBR Komplementbindungsreaktion
kg Kilogramm
KM Knochenmark
1 Liter
LDH Lactatdehydrogenase
LE Lupus erythematodes
LgrX Lymphogranulomatosis X (angioimmunoblastische Lymphadenopathie)
L-Ketten light chain; Leichtketten
MDS Myelodysplastisches Syndrom
meg megakariozytär
min Minute
ml Milliliter
Met-Hb Methämoglobin
Mb. Morbus
MCH Mittleres korpuskuläres Hämoglobin
MCHC Mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration
MCV Mittleres korpuskuläres Volumen
mg Milligramm
Mg Magnesium
MHC Haupthistokompatibilitätskomplex
Na Natrium
NaCl Natriumchlorid; Kochsalz
O2 Sauerstoff
OMF Osteomyelofibrose
OMS Osteomyelosklerose
PAS Peridic-Acid-SCHIFF-Reaktion
PCR Polymerase-Kettenreaktion
Ph1 Philadelphia-Chromosom
POX Peroxidase-Reaktion
pO2 Sauerstoff-Partialdruck
pCO2 Kohlendioxid-Partialdruck
pg Pikogramm (10–12 g)
PNH Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
pH Wasserstoffionenkonzentration
RA Refraktäre Anämie
RAEB Refraktäre Anämie mit Blastenexzess
RARS Refraktäre Anämie mit Ringsideroblasten
RES Retikulo-endotheliales System
RFLD Restriktions-Fragmentlängenpolymorphismen
RNA Ribonukleinsäure
Rh-Faktor Rhesus-Faktor
Rh-System Rhesus-System
rpm rounds per minute
RT Raumtemperatur
TdT Terminale Desoxynukleotidyl-Transferase
Tbc Tuberkulose
T-Zellen vom Thymus abgeleitete lymphozytäre Zellen
T4-Zellen T-Helfer-Zellen
Tg-Zellen T-Suppressor-Zellen, zytotoxische T-Zellen
TEG Thrombelastogramm
TPZ Thromboplastinzeit (Quick-Test)
TZ Thrombinzeit
V Gesamtvolumen
v Testmenge Blut
VWF von Willebrand-Faktor
X Geschlechtschromosom für weibliches Geschlecht
Y Geschlechtschromosom für männliches Geschlecht
ZNS Zentrales Nervensystem
μg Mikrogramm (106 g)
μl Mikroliter (106 L)
μm Mikrometer (106 m)

Theoretischer Teil

Hämatologie

Dieser Begriff kommt aus dem Griechischen und steht für Häm (Blut) und Logie (die Lehre). Hämatologie ist die wissenschaftliche Lehre vom Blut und seinen Erkrankungen. Der Fachbereich Hämatologie gliedert sich in drei Teilgebiete:

Dieses Buch behandelt das Gebiet der morphologischen Hämatologie.

Unter Morphologie (Morphe = Gestalt) versteht man die Untersuchungen von Blut und Knochenmarkzellen hinsichtlich ihrer Anzahl, physiologischem Aussehen und pathologischen Veränderungen. Hierzu benötigt man die Kenntnis verschiedener Färbe- und Auszähltechniken, des Mikroskopierens von Zellen und von Messmethoden neuester Technologie.

Hämostaseologie, auch ein Begriff aus dem Griechischen, bedeutet Blutungsneigung. Hier soll nur an die Bedeutung der Blutgerinnung und der Fibrinolyse gedacht werden, insbesondere die Fähigkeit des Blutes, bei Verletzungen zu gerinnen bzw. die Möglichkeit, Patienten richtig bei Erkrankungen des Gerinnungssystems mit Medikamenten einzustellen.

Im Bereich der Immunhämatologie führen MTA Bestimmungen der Blutgruppen und der Rhesus-Antikörper und Blutkomponenten für Bluttransfusionen durch. Für Transplantationen von Organen werden Gewebetypisierungen durchgeführt. Diese Untersuchungen ermöglichen es, Patienten das Leben zu retten bzw. dauerhafte Schäden zu vermeiden.

Hämostaseologie und Immunhämatologie sind zwei eigenständige Themen, denen dieses Buch nur einen kleinen Teil der Ausführungen widmet. Umfassendere Informationen finden Sie in der weiterführenden Literatur.

1 Das Blut als Organ

Blut ist ein flüssiges Organ, d. h. ein Zellverband mit verschiedenen Funktionen, und dient in erster Linie als Transportorgan.

1.1 Blutmenge

Ein erwachsener Mensch hat ein Blutvolumen von 4–6 Litern, das entspricht 6–8% des Körpergewichts. Ein Neugeborenes hat ein Blutvolumen von 300–350 mL. Die Menge des zirkulierenden Blutvolumens lässt sich mit Hilfe von Radioisotopen bestimmen. Mit 131J oder 125J radioaktiv markiertes Albumin oder mit 51Cr markierte Erythrozyten werden injiziert und nach einiger Zeit wird die Konzentration in einer dem Patienten entnommenen Blutprobe bestimmt.

Über die Formel:

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V = Gesamtmenge
A = bekannt hohe Aktivität
v = Testmenge Blut
a = geringe Aktivität

kann man das zirkulierende Blutvolumen errechnen.

Das Gesamtvolumen beträgt im Mittel 62–68 ml/kg für Männer, bei Frauen liegen die Werte etwas niedriger. Das Blut zirkuliert in den Blutgefäßen, ein eigentliches Blut-Depot-Organ wie z. B. bei den Hunden die Milz, gibt es beim Menschen nicht. Das Blut zirkuliert in einem geschlossenem Gefäßsystem, das aus Arterien, Kapillaren und Venen besteht. Sauerstoffgesättigtes Blut aus der Lunge wird von der linken Herzkammer unter erhöhtem Druck in den großen Blutkreislauf gepumpt. Gleichzeitig pumpt die rechte Herzkammer sauerstoffarmes und kohlendioxidreiches Blut von den Geweben der Peripherie in den Lungenkreislauf (Abbildung 1.1).

Die Durchblutung der einzelnen Organe ist dabei sehr unterschiedlich. Etwa je ein Viertel des Herzminutenvolumens von ca. 5 l/min durchströmt die Niere und die Leber. Darm, Haut, Gehirn, Muskulatur und andere Körpergewebe haben unter Ruhebedingungen in abnehmender Reihenfolge einen geringeren Bedarf.

Abb. 1.1 Die Blutgefäße des Menschen

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1.2 Aufgaben des Blutes

Das Blut hat unterschiedliche Funktionen. Im Blut findet der Gasaustausch von Sauerstoff (O2) und Kohlendioxid (CO2) und die Verteilung von ionisierten Salzen, Nährstoffen und weiteren biologischen Substanzen wie Enzymen, Hormonen, Vitaminen und Spurenelementen statt.

Der Abtransport von Stoffwechselschlacken erfolgt gleichzeitig. Für den konstanten Blut-pH-Wert von 7,38 bis 7,44 sorgen Karbonat-, Phosphat- und Eiweiß-Puffersysteme. Die dabei entstehende überschüssige Wärme kann zur Peripherie hin abgeleitet werden. Außerdem haben die Blutzellen eine wichtige Funktion in der allgemeinen Infektabwehr. Die Gefäße, die Blutplättchen und das Gerinnungssystem sorgen bei Verletzungen für die Blutstillung (Hämostase).

Transportfunktion:

Pufferfunktion:

Abwehrfunktion:

Blutstillung und Gerinnung:

1.3 Zusammensetzung des Blutes

Blut wird bei der Blutabnahme in speziellen Röhrchen mit ungerinnbarmachenden Zusätzen abgenommen und ca. zehn Minuten bei 3000 U/min scharf zentrifugiert. Anschließend kann man die überstehende gelbliche Flüssigkeit (Blutplasma) von den schwereren festen am Boden sedimentierenden Blutbestandteilen abpipettieren. Das Sediment enthält die Blutkörperchen der roten und weißen Zellreihe.

Blut setzt sich aus durchschnittlich 55 Volumenprozent Blutplasma, dem flüssigen Bestandteil, und etwa 45 Volumenprozent festen Bestandteilen – den roten Blutkörperchen (Erythrozyten), den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und den Blutplättchen (Thrombozyten) – zusammen.

1.3.1 Hämatokrit

Der Anteil der zellulären Bestandteile am gesamten Blutvolumen wird als Hämatokrit (griechisch: kritc, Beurteiler) bezeichnet. Bei der Bestimmung des Hämatokrit wird ungerinnbar gemachtes Blut hochtourig zentrifugiert. Hier dürfen nur Antikoagulanzien wie EDTA verwendet werden. EDTA als Antikoagulanz verändert das Erythrozytenvolumen nicht. Durch die Zentrifugation wird das Blut aufgrund der unterschiedlichen spezifischen Gewichte getrennt.

Die Erythrozyten setzen sich durch ihr höheres spezifisches Gewicht unten am Röhrchenboden ab und darüber – eventuell als weiße Schicht – die etwas leichteren Leukozyten (weiße Blutkörperchen) und Thrombozyten (Blutplättchen). Das Plasma bildet die überstehende flüssige Phase. Der Anteil der Erythrozyten am Gesamtblut liegt durchschnittlich bei 45%. Neugeborene haben einen um etwa 10% höheren, Kleinkinder einen um ca. 10% niedrigeren Hämatokrit (Tabelle 1.1).

Der arterielle Hämatokrit ist etwas niedriger als der venöse, da bei der Passage des Blutes durch das Kapillarnetz stets Flüssigkeit an das Gewebe abgegeben wird.

Tab. 1.1 Referenzwerte

Männer: 40–52% SI-Einheit: 0,40–0,52 l/l
Frauen: 35–47% SI-Einheit: 0,35–0,47l/l

Der Körperhämatokrit liegt zwischen arteriellen und venösen Hämatokrit. Multipliziert man den venösen Hämatokrit mit dem empirisch ermittelten Faktor 0,91, so erhält man den Körperhämatokrit.

Eine Erhöhung des Hämatokrit findet man bei:

Eine Erniedrigung des Hämatokrit tritt bei:

Steigt der Hkt stark an, so bedeutet dies für das Herz eine ungeheure Belastung, da die innere Reibung (Viskosität) stark zunimmt. Bezogen auf Wasser mit einer Viskosität 1 beträgt die mittlere Blutviskosität bei Erwachsenen 4,5, die von Blutplasma – also ohne Zellen – 2,2. Die Viskosität steigt bei Anstieg des Hkt überproportional.

1.3.2 Blutplasma

Zusammensetzung:

Puffersysteme:

Funktion:

Für die konstante Zusammensetzung (Isostruktur) des Plasmas sorgt ein Fließgleichgewicht.

Die Isostruktur bedeutet:

Der menschliche Körper hat 3 große Flüssigkeitsräume:

1. Blutgefäßsystem mit Arterien und Venen
2. Interstitieller Raum, der Zwischenzellraum, der die Umwelt für die Masse der Köperzellen bildet und über die Kapillarmembran im Stoffaustausch steht und
3. Intrazellularraum.

Menschliches Plasma besteht zu 90% aus Wasser und enthält des Weiteren noch Eiweißkörper, Salze und Puffersysteme. Der Mensch verbraucht ca. 3 Liter Wasser am Tag. 70% der Plasmaflüssigkeit wird innerhalb einer Minute mit dem Interstitium ausgetauscht. Nur für Eiweißkörper (Proteine) und Zellen besteht ein nennenswerter Unterschied zwischen Gefäßsystem und Interstitium. Eiweiß und Zellen können die Kapillarmembran nicht passieren. Die Elektrolyte wandern zwischen Gefäßsystem und Interstitium frei. Zwischen diesen Räumen und dem intrazellulärem Raum bestehen deutliche Konzentrationsunterschiede. Die gelösten Eiweißkörper im Plasma werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften in Albumine, α1-, α2-, ß- und γ-Globuline sowie Fibrinogen unterteilt. Sie können durch ihre unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Feld (Elektrophorese) aufgetrennt werden.

In der Immunelektrophorese/Immunfixation erfolgt die Aufschlüsselung der Eiweißkörper sowohl aufgrund ihrer elektrischen Ladung als auch entsprechend ihrer spezifischen Antigeneigenschaften. Von Bedeutung ist hier der Einzelnachweis der Immunglobuline IgG, IgA, IgM, IgD, IgE sowie eventuell vorkommender abnormer Proteine (Abbildungen 1.2 und 1.3).

Abb. 1.2 Normale Elektrophorese

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Abb. 1.3 Immunelektrophorese

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1.3.2.1 Albumin

Albumin (Protein) setzt sich aus Aminosäuren zusammen und liegt in einer Konzentration von 42 g/l vor. Das Molekulargewicht beträgt 65 000 bis 69 000 kDa. Hauptaufgabe des Albumins ist die Aufrechterhaltung des kolloidhaltigen osmotischen Druckes und seiner Transportfunktion (Vehikelfunktion) vieler niedermolekularer Substanzen. Durch die Bindung von Karotin und Bilirubin an Albumin erhält das Serum seine gelbliche Farbe. Albumin kann teilweise zu den Aminosäuren, aus denen es besteht, abgebaut werden; diese können wieder neu verwertet werden.

1.3.2.2 Globuline

Globuline (α, ß, γ) sind meist Proteine mit einem Kohlenhydrat- oder Lipidanteil. Ihre Konzentration im Plasma beträgt etwa 28 g/l, das MG 90 000–1 300 000 kDa. Ihre Hauptaufgabe besteht im Transport schwerlöslicher Stoffe im Wasser (z. B. Fe3+, Cu2+, Mg2+).

α-Globuline

ß-Globuline

γ-Globuline

Immunglobuline werden im Zytoplasma der Lymphozyten und Plasmazellen gebildet. Sie sind γ-Globuline mit spezifischen Antikörpereigenschaften gegenüber antigenen Fremdstoffen. Ihre Moleküle setzen sich einheitlich aus 4 Polypeptidketten zusammen, von denen jeweils zwei paarweise identisch sind. Entsprechend ihres geringen Molekulargewichtes werden die beiden kürzeren lambda- oder kappa-Ketten als L (engl.: light, leicht) -Ketten bezeichnet und sind über Disulfidbrücken mit den beiden längeren H (engl.: heavy, schwer)-Ketten verbunden. Die Einteilung der Immunglobuline in 5 Klassen erfolgt über die Schwerketten vom Typ Gamma, Alpha, μ, Delta und Epsilon (Abbildung 1.4).

Krankhafte Veränderungen in der Serum- und/oder in der Immunelektrophorese und Immunfixation mit erhöhter Blutsenkungsgeschwindigkeit deuten auf Dysproteinämien (quantitative Eiweißverschiebungen oder Defektproteinämien, z. B. Analbuminämie oder Agammaglobulinämie) oder monoklonale Gammopathie hin.

1.3.3 Blutzellen

Die korpuskulären Zellen des Blutes tragen wesentlich zur hämatologischen Diagnostik bei.

Abb. 1.4 Das Immunglobulinmonomer. Fab: antikörperbildende Fragmente; Fc: kristallisierbares Fragment Disulfidbrücken, welche die einzelnen Polypeptidketten verbinden (modifiziert nach: Hoffbrand, Pettit 1986).

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Drei Zellklassen werden unterschieden:

1. Erythrozyten (rote Blutkörperchen)
2. Leukozyten (weiße Blutkörperchen)
3. Thrombozyten (Blutplättchen)

Die Leukozyten sind in Granulozyten mit spezifischen, eosinophilen und basophilen Granula, in Monozyten und Lymphozyten aufgeteilt.

Leukozyten sind vollständige Zellen mit Zellkern und Zellleib, Erythrozyten sind beim Menschen kernlos. Thrombozyten bestehen aus Hyalomer und Granulomer – ohne Kernsubstanz – abgeschnürt aus demZytoplasma des Megakaryozyten.

Ein normaler Blutausstrich enthält Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten.

Die Leukozyten werden differentialdiagnostisch wie folgt unterschieden:

Die Entwicklung der Blutzellen erfolgt im roten Knochenmark. Die Lymphozytenbildung entwickelt sich in der Milz und in den Lymphknoten und vereinzelt in den Lymphfollikeln des Knochenmarks. Die Erythrozyten und Thrombozyten erfüllen ihre Funktion in der Peripherie. Die Zellen werden im retikulo-endothelialem-System (RES) abgebaut, überwiegend in der Milz, der Leber und dem Knochenmark. Für die Leukozyten ist das Blut nur Transportmittel; ihre spezifische Abwehrfunktion üben sie im Gewebe aus.

1.3.3.1 Aufgaben der Blutzellen

– Transport von O2 + CO2
– Puffer
– Bildung des hämostatischen Pfropfes
– Freisetzung von Plättchenfaktor 3
– Plasmatische Gerinnung
– Phagozytose (Bakterienabbau)
– Migration (Eigenbeweglichkeit oder Wanderung)
– Diapedese (Austritt aus der Blutbahn/Gewebe)
– Chemotaxis (Ansammlung im Bereich von Entzündungen durch bestimmte freiwerdende Stoffe)
– Basophile (Aufnahme und Transport von Histamin und Heparin)
– Eosinophile (Phagozytieren Ag-Ak-Komplexe)
– Neutrophile (Mikrophagozytose)
– Makrophagozytose
– Ak-Produktion
– Erkennung und Speicherung von antigener Information
– Humorale Immunabwehr

2 Blutbildung

2.1 Morphologie der Zellen

Der Aufbau der Zellen ist elektronenmikroskopisch erforscht. Sie bestehen aus dem Zellleib (Zytoplasma) und dem Zellkern (Nukleus). Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten) sind keine vollständigen Zellen. Ihnen fehlt der Zellkern und auch weitere wichtige Zytoplasmastrukturen (Abbildung 2.1). Die Zellen sind morphologisch und biologisch im Wechsel mit anderen Zellen in der Lage, die verschiedensten Funktionen wie Energieaustausch, Zellteilungen und Reize zu bewältigen. Zum Beispiel bedingt das Fehlen des Kerns bei den Erythrozyten den Verlust der Zellteilung.

Zellleib (Zytoplasma)

Das Plasmalemm benötigt zur Aufrechterhaltung seines vierschichtigen Zellhäutchens ständige Energiezufuhr. Lichtmikroskopisch erscheint das Zytoplasma homogen und besteht aus einer Matrix (Grundzytoplasma, auch Hyalomer).

Das Hyalomer beinhaltet Eiweiß, Wasser, Salze und zytpoplasmatische Strukturen. Die Zellorganellen setzen sich aus dem endoplasmatischen Retikulum, den Ribosomen, den Zytosomen, den Lysosomen (elektronenmikroskopisch zu erkennen) und aus den Mitochondrien, dem Golgi-Apparat und dem Zentrosom (lichtmikroskopisch mit besonderen Färbungen darstellbar) zusammen.

Das endoplasmatische Retikulum (ER) ist ein verzweigtes dreidimensionales Hohlraumsystem, dessen Membran Fermente für den Eiweiß- und Kohlenhydratstoffwechsel enthält. Es ist bis auf die Erythrozyten in allen Zellen zu finden. Man unterscheidet das rauhe ER und das glatte ER.

Das rauhe ER entsteht durch die auf der Membran sitzenden Ribosomen. Diese sind Hauptort der Proteinsynthese. Durch den Gehalt an Ribonukleinsäure (RNA) ist dieses Gebiet sauer und färbt sich mit basischen Stoffen basophil (blauliebend) an. Diese blaugefärbte Zone wird auch Ergastoplasma genannt.

Das glatte ER hat keine Ribosomen aufsitzen und spielt beim Kohlenhydratstoffwechsel eine Rolle.

Zytosomen (Microbodies) sind kleine Speicherorganellen mit überwiegend verdauungsfördernden Fermenten, Lipiden, Eisen, Pigmenten und Fremdstoffen.

Lysosomen sind die spezifischen Granula der Granulozyten, die Abbaufermente enthalten und bei Entzündungen aktiviert werden. Sie enthalten Hydrolasen wie z. B. saure Phosphatase.

Zellorganellen wie Mitochondrien, Golgi-Apparat und Zentrosom sind Strukturen mit Aufgaben in den Zellfunktionen.

Mitochondrien besitzen eine Doppelmembran und bilden in ihrer inneren Membran durch Einfaltungen sogenannte Christae (Leisten), in denen intensiver Stoffwechsel stattfindet. Sie weisen einen kleinen Anteil an Desoxyribonukleinsäure (DNA) auf.

Der Golgi-Apparat sind Bläschen mit glatten Doppellamellen und Vakuolen in Nähe des Zellkerns und spielt eine wichtige Rolle beim Sekretstoffwechsel; er verpackt Sekrete oder Enzyme zu Lysosomen.

Das Zentrosom (Zytozentrum) besteht aus Zentriol und Zentroplasma und bildet bei der Zellteilung die Spindelfasern.

Zellkern (Nukleus)

Der Zellkern ist wichtiges Steuerungszentrum der Zelle. Er hat eine doppelte Membran mit einem perinukleären Spalt, der über die Poren der Außenmembran mit dem endoplasmatischen Retikulum in Verbindung steht. Der Zellkern besteht aus Chromatin (basophile DNA- und RNA-Grundsubstanz – Chromosomen, die Träger der Erbanlagen).

Die Nukleinsäuren DNA und RNA sind Polynukleotide, deren Grundbausteine die Purin- bzw. Pyrimidinbasen, Monosaccharide und Phosphorsäure sind.

DNA enthält D-Desoxyribose und die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin und liegt in den Chromosomen in Form einer superspiralisierten Helix vor.

RNA enthält D-Ribose und die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil.

Das Kernchromatin befindet sich in Karyolymphe (Karyoplasma), einem eiweißhaltigen Kernsaft.

Die Kernkörperchen (Nukleoli) steuern die Proteinsynthese. Diese wird mit Hilfe der Boten-RNA (messenger- oder m-RNA) in den Ribosomen des Zytoplasma ausgelöst.

Ausführliche Informationen zu Chromatinstruktur, Nukleinsäuren, Transcription und Translation finden Sie in den Lehrbüchern der Biochemie (Löffler, Petrides; Stryer).

Die Kern-Plasma-Relation ist abhängig vom Zellalter, Zelltyp und dem Differenzierungsgrad. Neben der normalen einkernigen Zelle können unter physiologischen und pathologischen Befunden eine Doppel- oder Mehrkernigkeit auftreten.

2.2 Die Zellteilungen

Zellteilungen dienen dem Organismus zum Aufbau, zur Erhaltung und zur Erneuerung. Die Teilungsvorgänge (Zellkinetik) sind abhängig von der Gewebeart (Abbildung 2.2).

Abb. 2.1 Zellaufbau (aus: Knoche 1980).

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Abb. 2.2 Zellteilung.

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Es gibt vier Arten der Zellteilungen:

Bei der Zellteilung können aus der Mutterzelle unterschiedlich geartete Tochterzellen entstehen:

Die Mitose verläuft in mehreren Phasen. Nach Verdopplung des paarigen Chromosomensatzes (Genom 2c) auf 4c während der DNA-Synthesephase, werden die Chromosomen gleichmäßig auf beide Tochterzellen verteilt. Es entstehen zwei erbgleiche Zellen mit gleicher Chromosomenzahl (Abbildung 2.3).

a) Prophase: Das Chromatingerüst ordnet sich zu einem Knäuel (Spirem), aus dem sich langsam die bereits in der DNS-Synthesephase verdoppelten Chromosomen als schleifenförmige Teile darstellen. Der Nukleolus verschwindet, die Kernmembran beginnt sich aufzulösen. Es folgt die Teilung des Zentrosoms (Zentralkörperchen), die beiden Zentriolen wandern auseinander. Zwischen ihnen bilden sich, aus Polypeptidketten bestehend, die Spindelfasern (Polstrahlung).
b) Metaphase: Längsspaltung der völlig identisch-verdoppelten Chromosomen. Die Spindelfasern setzen an den zwei dicht beieinander liegenden Chromatiden an und beginnen sich in der Äquatorialplatte sichtbar zu den Polen wie ein Stern (Monaster) auseinander zu ziehen.
c) Anaphase: Hier kommt es zur Trennung durch die Wanderung der Chromosomen in entgegengesetzte Richtung zu den Polen. Die Spindelfasern bilden eine Rosette um die Zentriolen als Doppelsternbildung (Diaster).
d) Telophase: Die Chromosomen knäueln sich wieder zu Spirem zusammen und um jeden Kern bildet sich eine Membran. Mit der Bildung eines neuen Plasmalemms erfolgt die Durchschnürung des Zellleibes in zwei neue Zellen.
e) Rekonstruktionsphase: Es entsteht wieder der Interphasenkern mit Nukleolen. Die Zelle kann ihre spezifischen Funktionen ausüben.

Abb. 2.3 Pro-, Meta-, Ana-,Telo-und Rekonstruktionsphase.

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Die Meiose oder Reduktionsteilung findet man bei der Reifeteilung der Geschlechtszellen Spermatozyt und Oozyt. Die Teilung selbst verläuft nach der Art der Mitose, nur ohne vorherige Verdopplung des Chromosomensatzes. (Der Mensch hat 23 Chromosomenpaare. Auf Chromosom Nr. 23 liegen die Geschlechtschromosomen XX für weiblich und XY für männlich.) Die Tochterzellen erhalten je eine Hälfte (1 c) eines Chromosomenpaares und haben damit nur die halbe Chromosomenzahl der Mutterzelle (2 c); sie sind haploid und ungleich im Erbgut: z. B. kommt von dem Chromosomenpaar XY das X in die eine, das Y in die andere Tochterzelle.

Geschlechtsbestimmend in den Körperzellen ist die Kombination wie folgt:

Diese Kombination ist dann in allen Körperzellen zu finden. Bei der Meiose kann auch ein krankes und ein gesundes Genpaar getrennt werden, sodass das Kind krank oder gesund sein kann.

Bei der Amitose schnürt sich der Kern ohne Sichtbarwerden der Chromosomen durch und meistens erfolgt auch keine Zellteilung, sodass Zellen mit mehreren Kernen z. B. Riesenzellen wie die Osteoklasten (knochenabbauende Zellen) entstehen. Durch die vergrößerte Kernsubstanz kommt es zu einer größeren funktionellen Leistungsfähigkeit.

Bei der Endomitose oder inneren indirekten Teilung werden die Chromosomen durch Längsspaltung verdoppelt, wobei die Kernmembran erhalten bleibt. Der entstehende polyploide große Kern kann Kernabschnürungen aufweisen. Ein typisches Bild sind dafür die Megakaryozytenvorstufen (Blutplättchen-bildende Zellen des Knochenmarks). Polyploide Zellkerne kann man fast in allen Geweben und bei bösartigen Geschwülsten finden.

Phagozytose: Mikrophagen wie Granulozyten und Makrophagen wie Monozyten nehmen über ihre Oberflächenrezeptoren Teilchen auf, umschließen die Teilchen (Phagosom) und pahgozytieren sie.

Zelltod: Zellen, die ihre Teilungsfähigkeit verlieren, sterben und führen somit zur Zellnekrose. Erst kommt es zur Karyopyknose (Kernschrumpfung), dann zerreißt der Kern (Karyorrhexis) und zum Schluss löst sich der Kern auf (Karyolyse).

Das Zytoplasma verliert durch den RNA-Abbau seine Basophilie und die Auflösung des Zellleibes (Plasmolyse) bedeutet den endgültigen Zelluntergang.

Bei der Hämolyse der Erythrozyten kommt es meist ganz plötzlich zur Zell-Lyse (Zelltod).

2.3 Ursprung und Entwicklung der Blutzellen (Ontogenese)

Die Blutzellen haben ihren Ursprung in der befruchteten omnipotenten Eizelle (Zygote) und entwickeln sich mit fortschreitender Zellteilung über mehrere Zwischenstufen und Differenzierungsschritte zu pluripotenten, myelogenen (knochenmarkbildenden) Stammzellen. Aus diesen Vorläuferzellen – beim Kind in der fetalen Leber und Milz und beim Erwachsenen vorwiegend im Knochenmark – entstehen die Vorläuferzellen für die Haupt-Zellreihen der medullären Hämatopoese:

Die pluripotenten Stammzellen sind nur zur ca. 10% im Zellzyklus aktiv und füllen nach Bedarf in den Pool ein (dynamischer Pool).

Die Stammzelle hat zwei Eigenschaften:

1. die Selbsterneuerung und
2. die Ausdifferenzierung.

Die Differenzierungsmöglichkeiten werden schrittweise eingeschränkt und somit entsteht als nächstes die multipotente Progenitorzelle, die durch weitere Zellteilung und Differenzierung weitere reife Vorläuferzellen bildet. Blasten sind die letzten Vorläufer (Progenitorzellen). Sie sind Mutterzellen, die durch weitere Teilung und Differenzierung bis hin zur einer einzigen Zellreihe, z. B. der erythrozytären oder granulozytären Zell-Linie determinieren.

Sicher nachweisbar sind Stamm- und Vorläuferzellen durchflusszytometrisch durch die Immunphänotypisierung anhand des Antigen CD 34, welches sie auf ihrer Oberfläche exprimieren. Alle Zellen besitzen Oberflächen-Antigene (CD-Ag, auch Cluster of Differention. In der panoptischen Färbung nach Pappenheim entsprechen Stamm- und Progenitorzellen kleinen rundkernigen Lymphozyten, wobei hier erst die Blasten wie Myeloblast, Erythroblast eindeutig zugeordnet werden können.

Durch in vitro Kulturtechniken können Cytokine (CSF, auch Koloniestimulierende Faktoren) aus Progenitorzellen Zellkolonien bilden. Die Cytokine werden von Knochenmarkstromazellen, Mono- und Lymphozyten gebildet und sind hormonähnliche Substanzen. Ausnahme bildet das Erythropoetin. Es ist der Wachstums- und Differenzierungsfaktor der roten Zellreihe und wird in der Niere produziert. Die verschiedenen Wachstumsfaktoren werden in Mehrreihen-CSF und Linienspezifische CSF unterteilt. Die Mehrreihen-CSF regen die pluripotenten und frühen Progenitorzellen oder mehrere Zellreihen (z.B. Interleukin-3 oder GM-CSF) an. Die Linienspezifischen-CSF stimulieren die reiferen Vorläuferzellen und sind herangereift für eine Zell-Linie wirksam (z. B. G-CSFfür granulopoetische Kolonien, M-CSF, Erythropoetin oderThrombopoetin). Neben den hämatopoetischen Wachstumsfaktoren gehören auch die Interleukine, Interferone und die Tumor-Necrose-Faktoren zu den Cytokinen.

Cytokine (CSF, auch koloniestimulierende Faktoren) reifer Blutzellen hemmen die Produktion der Wachstumsfaktoren.

In Kulturmedien entstehen durch Proliferation und Differenzierung der Vorläuferzellen kleine Zellanhäufungen (koloniebildende Einheiten, auch colony forming units, CFU). Die am frühesten nachweisbare multipotente Vorläuferzelle kann zur Granulo-, Erythro-, Mono- und Megakaryozytopoese differenzieren und wird als CFU-GEMM bezeichnet. Die Progenitorzellen einer Zell-Linie können sich nur noch unipotent differenzieren. Entsprechend der Zell-Linien bei der Differenzierung kommt es zu folgenden Differenzierungs-Zellreihen:

2.4 Blutentwicklung

In der Embryonalzeit entstehen aus dem Mesenchym (mittleres Keimblatt) Bindegewebe, Knochen, Muskulatur und weniger differenzierbare lockere Zellen des retikulo-endothelialen System (RES). Hierzu gehören die hämozytoplastischen Zellen (Blutbildungszellen).

In der embryonalen Blutbildung unterscheidet man:

1. mesodermale Periode:
Die frühembryonale (mesodermale) Blutbildungsphase beginnt etwa in der dritten Woche bis etwa Mitte des dritten Monats. Aus diesen frühen Zellen bilden sich Blutinseln, deren Randzellen, die Endothelien der inneren Gefäße sind. Es entstehen erste primitive, große, kernhaltige Erythroblasten (Hb-haltige Megaloblasten).
2. hepatolienale Periode:
Die hepatische Phase setzt Ende des zweiten Monats mit der Blutbildung in der Leber, später auch in der Milz ein. Die Erythrozytopoese ist normoblastisch. Die ersten weißen Vorstufen treten auf: die eosinophilen Granulozyten vor den neutrophilen und basophilen.

Die Lymphozyten werden Ende des zweiten Monats zuerst im Thymus gebildet, später in Milz und Lymphknoten. Ab Ende des fünften Monats sind alle Zellformen vorhanden.

3. medulläre Periode:
Zum Ende des vierten Monats erscheinen die ersten Markräume, im fünften Monat entwickeln sich Knochenmark und Spongiosa. Die Blutbildung geht auf das rote Knochenmark über (medulläre Phase) (Abbildung 2.5).

Die postnatale Blutbildung bedeutet, dass nach der Geburt keine extramedulläre (außerhalb des Knochenmarks) Blutbildung besteht. Jedoch ist der Organismus in der Lage, unter bestimmten pathologischen Bedingungen wie z.B. der OMS jederzeit erneut in Leber und Milz Blutzellen zu bilden wie in der Embryonalzeit (metaplastische Blutbildung) (Abbildung 2.6).

Abb. 2.4 Differenzierung und Reifung der Myelopoese (nach: Ludwig et al. in: Boll, Heller 1991).

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Abb. 2.5 Schema der embryonalen Blutbildung nach Rohr. (1: mesodermale Blutbildungsphase, 2: hepatische Phase, 3: lienale Phase, 4: medulläre Phase)

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Abb. 2.6 Verteilung des hämatopoetischen Knochenmarks (dunkel straffiert) beim Kind und Erwachsenen (aus: Heimpel et al. 1988).

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2.4.1 Knochenmark

Alle Knochen enthalten zur Zeit der Geburt rotes, blutbildendes Mark, wovon ein Teil langsam zu gelbem Fettmark umgewandelt wird. Bei Schulkindern ist etwa eine Hälfte rotes, die andere gelbes Mark und beim Erwachsenen ist das blutbildende Mark nur noch in den kurzen Plattenknochen (Wirbeln, Schädel, Sternum, Becken und den proximalen Enden der Röhrenknochen) zu finden. Im Krankheitsfall kann innerhalb von 48 Stunden Fettmark wieder in rotes Mark umgewandelt werden. Auch Leber und Milz können ihre fetalen blutbildenden Funktionen wieder aufnehmen (extramedulläre Hämatopoese).

2.5 Entwicklung der Blutzellen

Im Knochenmark entstehen aus einer gemeinsamen hämatopoetischen Stammzelle hauptsächlich die Zellen der Erythro- und Granulozytopoese im Verhältnis 1 : 3. Die Anzahl der Monozyten und Thrombozyten spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Lymphozytopoese entwickelt sich in den Lymphknoten und in der Milz, aber auch in den Lymphfollikeln des Knochenmarks.

2.5.1 Erythrozytopoese

Die Entwicklung der Erythrozyten findet im roten Knochenmark statt. Alle Zellen der Erythrozytopoese sind kernhaltige Erythroblasten. Sie liegen im Zellhaufen (Erythroblastenklon, auch Erythron), da sie unbeweglich sind (Abbildung 2.7). Die Stammzelle ist der basophile Proerythroblast mit den typischen Merkmalen einer unreifen Zelle: großer Kern mit gleichmäßig netziger bzw. körniger Struktur und etwa 2–3 Nukleolen, schmaler basophiler Zytoplasmasaum. Durch homotereoplastische Teilung (Sukzedianteilung) entstehen zwei Zellen, von denen die eine wieder zum Proerythroblasten, die andere sich zum Erythroblasten differenziert. Morphologisch handelt es sich um eine etwas kleinere Zelle mit dichterem Kernchromatin und meist ohne Nukleolen. Eine Mitosephase dauert etwa 1–2 Stunden, eine vollständige Zellteilung etwa 24 Stunden. Vom Proerythroblasten zum Erythrozyten beträgt die Ausreifung etwa fünf Tage. Ab dem basophilen Erythroblasten führt die Hämoglobineinlagerung bis zum reifen Erythrozyten zu orthochromatischem Zytoplasma, die Basophilie der RNA-haltigen Ergastoplasma-Struktur verliert sich. Die nächsten Reifungsstufen, jeweils durch Mitose-Sukzedianteilung entstanden, sind die Erythroblasten:

Der Zellkern wird in diesen Reifungsstufen zunehmend dichter und kleiner. Schließlich wird noch innerhalb des Knochenmarks der Zellkern aus der Zelle ausgestoßen, wodurch das Retikulozytenstadium erreicht wird. Diese Zellen enthalten noch ribosomale RNA, die als Substantia granulo-filamentosa