Letzte Musterung

Ein früherer Corpsbruder von mir, gerade der, dem ich am wenigsten »so was« zugetraut hätte, sandte mir kürzlich die Anzeige von seinem bestandenen Assessorexamen (das hätte ich ihm schon zugetraut) und folgende Aufzeichnungen unter dem oben genannten Titel:

»Und noch einmal ruhte Graf Adolars braunes Auge auf dem bunten Tande der Vergangenheit, noch einmal drückte er seine vollen Lippen auf die Zeichen entschwundener Liebe, dann reckte er entschlossen seine edle Gestalt hoch auf, seufzte tief und ließ das Packet in die Gluten des Kamines versinken...«

Das ist der Held eines deutschen Jungfrauenromans, der da seine vergangenen Liebschaften noch einmal sortirt. Oh du schöner, oh du süßer deutscher Jungfernroman!

Da spielen himmelblaue und rosarothe Bänder eine gar rührsame Rolle, und in die große fettaugenarme Bettelsuppe der braven Lügensentimentalität fällt manch ein blondes, schwarzes und braunes Lottchen-, Bettchen-, Nettchen-Härchen, wie sie bei sothanen Romanangelegenheiten massenhaft herumfliegen...

Mach' Dich nicht lustig über so nette Dinge, alter Junge, scherze nicht, Freunderl, und guck in Deine eigene braune Cassette.

Cassette, – komisch, wie man die Worte manchmal verwegen wählt. Aber gleichviel, wenn auch niemals, (ich kann's beschwören: gar niemals) Geld darin gewesen ist: das braune, alte Ding mit dem gelben Vorlegeschloß hat doch von Anbeginn Cassette bei mir geheißen. Es soll von meinem Großvater herstammen, der Bergmann gewesen ist, und unten hineingeklebt prangt auch ein Bild von dem Alten: ein pockennarbiger, eckiger Kopf, spärliche Haare über die Glatze weg zur Stirn hereingestrichen, die Nase wuchtig in's Vorland stoßend, gewaltige Kiefern, riesige schaufelige Ohren und zwei große, weitoffene, wasserblaue, gutmüthige Kinderaugen.