Kapitel 1

    Ich

„Ich liebe es, Cristiano Ronaldo zu sein.“

„Ich liebe, was ich tue. Ich liebe mein Leben, und ich bin glücklich.“

„Ich halte mich selbst für einen Siegertypen. Ich gewinne öfter, als ich verliere. Ich versuche immer, konzentriert zu bleiben. Mir ist klar, dass das nicht einfach ist, aber im Leben ist ja nichts einfach. Wenn es das wäre, wären wir nicht mit Geschrei auf die Welt gekommen.“

„Ich bin ein Mensch, der den Wettkampf sucht, und das wird sich auch niemals ändern. Natürlich werde ich älter und auch erwachsener. Aber die Art, wie ich denke, die ändert sich nicht.“

„Ich vertraue auf mein Können. Das habe ich immer getan.“

„Ich bin, wer ich bin. Die Art, wie ich handele, was andere sehen können – das ist mein wahres Ich.“

„Ich habe mein Verhalten noch nie für irgendjemanden verändert. Wenn man mich mag, toll. Wenn nicht, kann man auch wegbleiben. Man muss ja nicht zu meinen Spielen kommen.“

„Diejenigen, die mich kennen, wissen, wer ich wirklich bin, kennen meine Persönlichkeit und meinen Charakter.“

„Mit meiner Familie bin ich eng verbunden. Ich habe meinem Vater sehr nahegestanden, und ich stehe meiner Mutter und meinen Geschwistern nach wie vor sehr nahe. Meine Familie ist mein Fels in der Brandung. Sie hat mich unglaublich unterstützt und ist immer für mich da, wenn ich sie brauche. Sie hat mir so viel geholfen, und ich versuche, für sie genauso da zu sein, wie sie es für mich gewesen ist.“

„Die Menschen, die mich gut kennen, lieben mich.“

„Ich sage immer das, was ich denke. Ich sage, wie es ist. Schon möglich, dass das andere an mir nicht abkönnen.“

„Ich achte nicht auf das, was die Leute über mich erzählen. Ich lese die Zeitungen oder Zeitschriften gar nicht. Es steht ja jedem seine eigene Meinung zu.“

„Man hat viele Lügen über mich verbreitet … Das ist der Preis des Ruhms.“

„Ich glaube, dass die Leute neidisch auf mich sind, weil ich reich bin, gut aussehe und ein hervorragender Fußballspieler bin. Eine andere Erklärung gibt es nicht.“

„Ich bin jederzeit bereit, dazuzulernen und mir andere Meinungen anzuhören.“

„Ich bin einer, mit dem man sehr gut zusammenleben kann. Und ich schätze mich sehr glücklich, wann immer ich über irgendetwas reden muss, da ich die besten Freunde der Welt habe.“

„Ich bin ein ganz normaler Kerl und habe genauso Gefühle wie alle anderen auch.“

„Ich bin im Großen und Ganzen ein positiver und sehr ausgeglichener Mensch.“

„Für mich ist es wichtiger als Geld, gut mit anderen Menschen auszukommen.“

„Eine gute Lebensqualität ist wichtiger als Geld.“

„Ich verschwende keine Zeit auf Menschen, die mich anlügen – für mich ist Lügen eine der schlimmsten Eigenschaften. Es macht mich wirklich wütend.“

„Ich habe eine hervorragende Erziehung genossen. Meine Eltern haben mir beigebracht, ich selbst zu sein und mich für niemanden zu verändern. Wenn die Leute mich mögen, fein. Wenn nicht, kratzt mich das auch nicht.“

„Ich mag es, wenn die Leute um mich herum lächeln und glücklich und zufrieden sind.“

„Man gewinnt in diesem Leben nichts, wenn man nicht die Art von Hindernissen überwindet, die mir begegnet sind.“

„Ich habe jeden Tag geweint, als ich noch ein kleiner Junge war und in Lissabon groß geworden bin. Ich weine immer noch – ich vergieße viele Tränen, sowohl aus Freude als auch aus Traurigkeit. Es ist gut, zu weinen. Weinen ist einfach ein Teil des Lebens.“

„Ohne Pause zu reden, ist nicht meine Art. Zu viel zu reden, ist nicht gut für dein Image.“

„Ich rede nicht gern über mein Privatleben. Ich mag es nicht, wenn ich Aufmerksamkeit darauf lenke, aber ich verstecke auch nichts. Sollen die Leute doch tratschen, wenn sie wollen. Wenn die Leute ihre Story verkaufen wollen, ist das ihre Sache. Ich habe kein Interesse daran.“

„Ich bin ein pfiffiges Bürschchen – aber niemand ist perfekt, und das schließt auch mich mit ein.“

„Es gibt Tage, an denen es nicht leicht ist, Cristiano zu sein – Tage, an denen ich nur zu gerne etwas ganz Normales tun würde und es nicht kann. Aber ich weiß, wie man damit umgeht; und wenn ich ganz ehrlich bin, dann fühle ich mich mit dieser Art von Leben auch nicht unwohl.“

Anmerkung des Verfassers: Diese Zitate sind Auszüge aus Interviews mit den folgenden spanischen Medien: Radiotelevisión Española (RTVE), Antena 3, Telecinco, Intereconomía TV, Cadena SER, Cadena COPE, Real Madrid TV und den drei Fußballzeitungen Marca, As und A Bola.

Kapitel 2

    Abelhinha – die kleine Biene

Die Kindheit auf Madeira

„Auf der einen Seite hatte ich eine glückliche Kindheit. Auf der anderen Seite war sie nicht normal, weil ich mit zwölf Jahren meine Familie verlassen habe und nach Lissabon gezogen bin.

Die Drei-Zimmer-Sozialwohnung, in der Cristiano aufwuchs, gibt es nicht mehr. Im Jahr 2007 hat man das Gebäude, das im Viertel Santo António in Madeiras Hauptstadt Funchal in der Quinta do Falcão 27A lag, abgerissen, um keine Probleme mit Hausbesetzern zu bekommen. Die Familie Aveiro war zu diesem Zeitpunkt schon lange fortgezogen. Cristianos Mutter Dolores lebt mittlerweile in einem großen weißen Haus mit Blick auf den Atlantik, das am anderen Ende von Funchal in São Gonçalo steht – ein wundervolles Zuhause, das ihr Sohn ihr gekauft hat und das sich ganz in der Nähe der Domizile seines Bruders Hugo und seiner Schwester Cátia befindet.

Die früher einmal sehr ärmliche Quinta do Falcão mit ihrer am Berghang gelegenen Ansammlung von Sozialwohnungen hat sich in den vergangenen Jahren dank einiger Investitionen der Europäischen Union sehr verändert. Neue Gebäudekomplexe sind aus dem Boden geschossen. Das Gebiet ist nun auch für die portugiesische Mittelklasse annehmbar geworden, in deren Reihen sich immer breiteres Entsetzen über die Häuserpreise entlang der Küstenlinie breitgemacht hat.

Am Ende der schmalen, kleinen Straße, an der das Haus des Fußballers einmal gestanden hat, gibt es heute nur noch etwas überwuchertes Buschland, einen Kleinfeld-Fußballplatz und eine Kneipe. Trotzdem pilgern Fans hierher, und die Taxis bieten ihnen für ein paar Euros eine Tour zu seinem Geburtsort, den Orten seiner Kindheit, seiner Schule, den Ort, an dem er anfangs Fußball gespielt hat … Er hat es sogar geschafft, so illustre Besucher Madeiras wie Winston Churchill, Kaiserin Elisabeth „Sissi“ von Österreich, Kaiser Karl I. von Österreich, den Literaten George Bernard Shaw, den Dichter Rainer Maria Rilke, Christoph Kolumbus und Napoleon in den Schatten zu stellen.

Madeira ist eine Inselgruppe im Atlantik, die sich ungefähr 860 Kilometer von Lissabon entfernt befindet und zu der zwei bewohnte Inseln gehören – Madeira und Porto Santo. Hinzu kommen drei kleinere, unbewohnte Inseln. Von Reiseführern als „Garten des Atlantiks“ gepriesen, sitzt die Insel Madeira auf einem 57 Kilometer langen und 22 Kilometer breiten vulkanischen Felsen, der vom Meeresboden bis zu dem 1.862 Meter hohen Gipfel des Pico Ruivo aufsteigt, der höchsten Erhebung. Die Hauptstadt Funchal hat 110.000 Einwohner.

Hier wird Cristiano am 5. Februar 1985, einem Dienstag, um 10:20 Uhr vormittags in der Klinik Cruz de Carvalho geboren. Er misst bei der Geburt 52 Zentimeter und wiegt knapp neun Pfund. Er ist das vierte Kind von Maria Dolores dos Santos und José Dinis Aveiro und der jüngste Bruder von Hugo, Elma und Cátia. Die Schwangerschaft war nicht geplant gewesen, gerade einmal 18 Monate liegen zwischen ihm und Cátia. Nun muss noch ein Name für ihn gefunden werden. „Meine Schwester, die in einem Waisenhaus arbeitete, schlug vor, dass wir ihn Cristiano nennen“, erinnert sich Dolores. „Ich dachte, dass das eine gute Wahl sei. Und mein Mann und ich mochten beide den Namen Ronaldo, nach Ronald Reagan. Meine Schwester wählte also Cristiano und wir Ronaldo.“

Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro wird in der Kirche Santo António getauft – an einem Tag, der zufälligerweise durch den Fußball geprägt wird. In seiner Freizeit nämlich hilft sein Vater José Dinis als Zeugwart des Amateur-Fußballvereins CF Andorinho in Santo António aus. Er bittet den Mannschaftskapitän Fernão Barros Sousa darum, Patenonkel des gerade geborenen Babys zu werden. Die Zeremonie ist für sechs Uhr abends angesetzt, doch zuvor findet um vier Uhr noch ein Spiel statt – Andorinha spielt gegen Ribeiras Bravas.

Priester António Rodríguez Rebola wird allmählich nervös. Er hat die anderen Kinder bereits getauft, und noch immer ist weder vom Vater noch vom Patenonkel etwas zu sehen. Dolores und die Patentante in spe laufen ihm in der Kirche hinterher, mit dem Baby im Schlepptau, und versuchen, den Geistlichen zu beruhigen. Schließlich kommen mit einer halben Stunde Verspätung auch Fernão und Dinis, und die Zeremonie kann endlich beginnen.

Die ersten Bilder im Familienalbum zeigen Cristiano als Baby, wie er mit großen Augen direkt in die Kamera starrt. Er ist in ein kleines, blauweißes Gewand und weiße Schühchen gekleidet, trägt an beiden Handgelenken goldene Armreifen und außerdem einen goldenen Ring sowie eine lange Kette mit einem Kruzifix um den Hals. Mit zunehmendem Alter ist auf den Fotos zu erkennen, wie sich sein Haar in einen kleinen Lockenschopf verwandelt und sein Lächeln nach dem Verlust der Schneidezähne etwas lückenhaft wird.

Dinis ist als Gärtner beim Rathaus angestellt, während Dolores hart als Köchin arbeitet, um ihren eigenen Kindern ebenfalls Essen auf den Tisch stellen zu können. Wie Tausende Portugiesen ist auch sie im Alter von 20 Jahren nach Frankreich gegangen, wo sie drei Monate lang Häuser geputzt hat. Ihr Mann wollte eigentlich nachkommen, doch als sich das zerschlug, ging sie zurück nach Madeira. Da hatten sie bereits zwei Kinder.

Das Leben ist nicht leicht für die Familie Aveiro – es ist für jeden schwierig, der weit entfernt von der Luxushotel-Industrie an der Küste wohnt. Es ist ein kleines Zuhause für eine sechsköpfige Familie, und wann immer es einen Regenschauer gibt, tropft es im Haus an Dutzenden Stellen hinein. Dolores besorgt sich Ziegel und Mörtel aus dem Rathaus, um das Problem in den Griff zu bekommen. Cristiano blickt dennoch auf eine glückliche Kindheit zurück. Im Alter von zwei oder drei Jahren entdeckt er beim Spielen auf dem Hof seinen besten Freund – den Fußball. „Einmal schenkte ich ihm an Weihnachten ein ferngesteuertes Auto und dachte, dass er damit gut ausgelastet sein würde“, erinnert sich sein Patenonkel Fernão Sousa. „Aber er spielte lieber mit einem Fußball. Er schlief mit dem Ball, und er ging nie von seiner Seite. Er war immer unter seinem Arm – wo immer er auch hinging, er kam mit.“

Cristiano kommt in eine Kinderkrippe des Externato de São João da Ribeira, einer von Franziskanernonnen geführten Schule. Mit sechs Jahren geht er auf die örtliche Grundschule. Als weiterführende Schule besucht er die Schule Gonçalves Zarco, die besser bekannt ist als Barreiros-Schule wegen ihrer Nähe zum Barreiros-Stadion, in dem die bekannte portugiesische Mannschaft von CS Marítimo Funchal spielt. Cristiano ist kein eifriger Schüler. Er schlägt sich nicht allzu schlecht, aber er ist auch nicht gerade ein Bücherwurm – er ist froh, wenn er irgendwie versetzt wird.

Eine seiner ehemaligen Klassenlehrerinnen, Maria dos Santos, hat ihren ehemaligen Schüler als „artig“, „witzig“ und als „einen guten Freund seiner Klassenkameraden“ in Erinnerung. Fragt man sie nach seiner Lieblingsfreizeitbeschäftigung, so sagt sie: „Von dem Tag an, als er durch die Tür kam, war Fußball sein Lieblingssport. Er hat sich auch an anderen Aktivitäten beteiligt, Lieder gelernt und seine Arbeit erledigt, aber er hatte gerne Zeit für sich selbst, Zeit für den Fußball. Wenn gerade kein Ball in der Nähe war – und oft war keiner da –, dann konnte er sich einen aus Socken machen. Er fand immer einen Weg, auf dem Schulhof Fußball zu spielen. Ich habe keine Ahnung, wie er das hinbekommen hat.“

Fußball auf dem Schulhof und Fußball auf der Straße also. „Wenn er von der Schule nach Hause kam, habe ich ihm immer gesagt, dass er auf sein Zimmer gehen und seine Hausaufgaben machen soll“, sagt Dolores. „Er hat mir dann immer erzählt, dass er keine aufbekommen habe. Also ging ich wieder und fing mit dem Kochen an, und er versuchte sein Glück. Er kletterte aus dem Fenster, schnappte sich einen Joghurt oder ein Stück Obst und rannte mit dem Ball unter dem Arm davon. Er war dann draußen und spielte bis halb zehn Uhr abends.“

Als wenn das nicht genug wäre, fängt er auch an, den Unterricht zu schwänzen, um hinauszugehen und zu spielen. „Seine Lehrer meinten zu mir, dass ich ihn bestrafen müsse, aber das habe ich nie getan. Er musste ja so viel wie möglich üben, um ein Fußballstar zu werden.“ Auch ihr Sohn bestätigte später einmal: „Ich habe immer Fußball mit meinen Freunden gespielt. Damit habe ich meine Zeit verbracht.“

Er spielt auf der Straße, weil es in der Nachbarschaft keinen Fußballplatz gibt. Eine Straße, die Quinta do Falcão, erweist sich als besondere Herausforderung, wenn Busse, Autos und Motorräder hindurch wollen. Man muss jedes Mal die Steine wegnehmen, die die Torpfosten markieren, und mit dem Wiederbeginn des Spiels warten, bis der Verkehr durchgefahren ist. Die ausgetragenen Partien sind heiß umkämpfte Schlachten zwischen bestimmten Hausgemeinschaften oder Kinderbanden. Es sind Spiele, die niemals aufhören. Eine Atempause gibt es nur, wenn der Ball in einem der Gärten der Nachbarn landet – und wenn es der Garten vom alten Senhor Agostinho ist, droht er jedes Mal damit, ein Loch in den Ball zu stechen und Dolores und den anderen Müttern zu sagen, dass sie ihre Kinder besser im Zaum halten sollen.

Und dann ist da noch eine Senke, in der Cristiano über Stunden alleine den Ball gegen die Mauer schießt. Die Senke und die Straße sind seine ersten Trainingsplätze. Genau hier, zwischen Bürgersteig, Asphalt und Autos und beim Spiel gegen jüngere wie ältere Kinder, lernt Ronaldo jene Tricks und Techniken, die ihn groß werden lassen und zu seinem unverkennbaren Stil werden sollen. „Er ist immer den ganzen Tag draußen auf der Straße unterwegs gewesen und hat echte Tricks mit dem Ball gemacht. Es war, als wenn er an seinem Fuß klebte“, erinnert sich Adelino Andrade, der in der Nähe der Familie Aveiro wohnte. „Was Fußball angeht, war er wirklich begabt“, meint auch Cristianos Schwester Elma. „Aber wir haben uns nie träumen lassen, dass er mal dort hinkommen würde, wo er heute ist.“

Im Alter von sechs Jahren unternimmt Cristiano seinen ersten Ausflug in die Welt des Fußballs. Sein Cousin Nuno spielt für Andorinha, und Cristiano war bereits häufiger gemeinsam mit seinem Vater auf der Anlage. Nuno lädt ihn ein, vorbeizukommen und ihn spielen zu sehen, und fragt ihn, ob er sich nicht einer der Mannschaften anschließen wolle. Cristiano trainiert mit und beschließt, seine Chance zu nutzen. Dolores und Dinis freuen sich über die Entscheidung ihres jüngsten Sohnes – sie haben Fußball immer gerne gemocht. Dinis und sein älterer Sohn Hugo sind Fans von Benfica, während Dolores Luís Figo und Sporting Lissabon verehrt.

In der Saison 1994/95 bekommt der neunjährige Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro vom Fußballverband von Funchal seinen ersten Spielerpass mit der Nummer 17.182. Er trägt nun das hellblaue Trikot von Andorinha. Andorinha ist ein örtlicher Verein mit einer langen Geschichte. Er wurde am 6. Mai 1925 gegründet. Der Name Andorinha ist der portugiesische Begriff für Schwalbe und geht der Legende nach auf den fantastischen Schuss eines bestimmten Spielers zurück, dem dann der Flug einer Schwalbe folgte.

Der Grundschullehrer Francisco Afonso, der Cristianos Schwester Cátia unterrichtete, war 25 Jahre lang Trainer in den Jugendligen Madeiras. Er war auch Ronaldos erster Trainer und hat nie vergessen, wie er ihn im Alter von sieben Jahren zum ersten Mal bei Andorinha auf dem Platz sah. „Fußball war das, wofür Cristiano lebte“, sagt er. „Er war schnell, er war technisch brillant, und er spielte mit seinem linken und seinem rechten Fuß gleich gut. Er war dünn, dafür aber einen Kopf größer als die anderen Kinder in seinem Alter. Ganz ohne Frage war er extrem talentiert – er hatte ein natürliches Talent, das in den Genen lag. Er jagte immer dem Ball nach und wollte derjenige sein, der das Spiel entschied. Er war sehr konzentriert und hat unabhängig davon, wo auf dem Platz er sich befand, gleich hart gearbeitet. Und wann immer er nicht spielen konnte oder ein Spiel verpasste, war er am Boden zerstört.“

Vereinspräsident Rui Santos erzählt eine nette Anekdote von einem Spiel während der Saison 1993/94. Andorinha trat gegen Camacha an, das damals zu den stärksten Teams auf der Insel gehörte. Zur Halbzeit lag Andorinha 2:0 hinten, und „Ronaldo war so verzweifelt, dass er wie ein Kind schluchzte, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. In der zweiten Hälfte kam er aufs Feld und schoss zwei Tore, mit denen er die Mannschaft zu einem 3:2-Sieg führte. Er konnte es definitiv nicht ab, zu verlieren. Er wollte jedes Mal gewinnen, und wenn sie verloren, dann hat er geweint.“

„Deshalb wurde er auch Heulsuse genannt“, erklärt Dolores. Er brach leicht in Tränen aus oder wurde wütend – wenn ihm ein Mannschaftskamerad den Ball nicht zuspielte, wenn er oder jemand anderes das Tor nicht traf oder einen Pass nicht bekam oder wenn die Mannschaft nicht so spielte, wie er wollte. Der andere Spitzname, den er bekam, war Abelinha, die ,kleine Biene‘, weil er wie eine geschäftige Biene immer kreuz und quer über den Platz lief. In Madrid sollte Cristiano viele Jahre später seinen Yorkshireterrier auf den gleichen Namen taufen.

„Ein Fußballspieler wie Ronaldo kommt nicht jeden Tag daher“, fügt Rui Santos hinzu. „Und wenn er es plötzlich tut, dann wird einem klar, dass er ein Superstar ist – anders als all die anderen Kinder, die man hat spielen sehen.“ Doch leider gehörte Andorinha zu den schwächsten Teams in der Liga, und wenn sie sich Größen wie Marítimo, Camara de Lobos oder Machino gegenübersahen, wurden die Spiele zu einer Art Stahlbad. Ronaldo wollte eigentlich nicht hin, weil er schon wusste, dass sie verlieren würden. Doch dann kam sein Vater nach Hause, munterte ihn auf und überzeugte ihn schließlich, Dress und Schuhe anzuziehen und zur Mannschaft auf dem Feld zu stoßen. Nur die Schwachen geben auf, pflegte er zu sagen – und das war eine Lektion, die der kleine Ronaldo niemals vergessen würde.

Innerhalb weniger Jahre ist sein Name auf der gesamten Insel bekannt. Die beiden großen Vereine der Insel, Nacional de Madeira und Marítimo Funchal, fangen an, sich für die kleine Biene zu interessieren. Die Geschichten über das Kind, das weiß, wie man mit dem Ball umgeht, erreichen auch die Ohren von Cristianos Patenonkel Fernão Sousa. Er trainiert eine Nachwuchsmannschaft von Nacional de Madeira. „Ich war hocherfreut, als ich mitbekam, dass man da über meinen Patensohn redete“, sagt er. „Ich wusste, dass er Fußball spielte, aber ich hatte keine Ahnung, dass er so gut war. Er war den anderen um Meilen voraus. Er ging wundervoll mit dem Ball um und hatte mit Sicherheit eine glänzende Zukunft vor sich. Mir war sofort klar, dass dieses Kind ein Geschenk des Himmels für seine Familie sein konnte.“ Ohne auch nur ein bisschen zu zögern, will er ihn zu Nacional holen. „Ich sprach mit seiner Mutter. Ich erklärte ihr, dass es das Beste für ihn sein würde, und wir kamen dann auch zu einer Einigung mit Andorinha.“

Doch es ist nicht ganz so einfach, wie Sousa es darstellt. Dinis sähe es lieber, wenn sein Sohn zu Marítimo ginge. Die geschichtsträchtige, ehemalige Spielstätte „Almirante Reis“ liegt ganz in der Nähe des Hauses der Familie. Außerdem hat der Junge grün-rotes Blut – sein Herz schlägt für Marítimo. Man kann sich nicht einigen, und deshalb arrangiert Rui Santos eine Zusammenkunft mit beiden Vereinen, um sich über mögliche Offerten auszutauschen. Doch der Trainer der Nachwuchsmannschaft von Marítimo erscheint nicht zu dem Treffen mit dem Präsidenten von Andorinha. So kommt es, dass Cristiano zu Nacional wechselt, im Tausch gegen 20 Bälle und zwei Sätze Spielkleidung für den Nachwuchs.

Finanziell ist der Transfer keine große Sache, aber Andorinha wird als der erste Verein des späteren Weltfußballers in die Geschichte eingehen und später Subventionen von der Stadtverwaltung erhalten. Mittlerweile ist das alte Spielfeld durch einen Kunstrasenplatz ersetzt worden, inklusive Flutlicht. Außerdem hat der Deal mit Nacional einen Platz in den Geschichtsbüchern Madeiras – genau wie in Madrid Raúls Wechsel aus der Jugend von Atlético zu Real, der angeblich einzig und allein deshalb erfolgte, weil die Rot-Weißen dem Jungen nicht die Busfahrkarte für den Weg zum Training bezahlen wollten.

Cristiano ist gerade einmal zehn Jahre alt, als er zu Nacional kommt – und seine Mutter macht sich mehr als nur ein paar Sorgen. „Mein Mann hat ihn immer darin bestärkt, mit älteren Jungs zu spielen. Ich hatte Angst, dass er sich weh tut oder sich ein Bein bricht, aber Dinis hat immer gesagt: ,Kein Stress, die kriegen ihn ja gar nicht. Er ist zu schnell.‘“

Dass er nur Haut und Knochen ist, entgeht auch den Trainern von Nacional nicht. Schleunigst empfehlen sie, dass er mehr essen soll, um etwas kräftiger zu werden. Doch wenn es um die Bewertung seiner Qualifikationen geht, gibt es für sie keinen Zweifel. „Wir haben sofort gesehen, dass er fantastisch ist“, sagt António Mendoça. Er war Cristianos Coach während seiner zwei Spielzeiten bei Nacional. „Seine Fähigkeiten waren schon hochgradig entwickelt: Tempo, Dribbling, Schusstechnik, blitzschneller Abschluss. Der Straßenfußball hatte ihm beigebracht, wie man Tritten entgeht, dem Gegner ausweicht und sich mit Jungs auseinandersetzt, die viel größer waren als er. Er hatte auch seinen Charakter gestärkt – er war verdammt mutig.“

Nun ist es an Mendoça und den anderen Trainern, ihm zu vermitteln, dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Ronaldo bringt es fertig, sich den Ball in der eigenen Hälfte zu holen und sich in Richtung Tor aufzumachen – ohne irgendjemanden in seiner Mannschaft anzuspielen. Seine Gegner machen ihm nichts aus. Niederlagen sind keine Option: Er will alles gewinnen. Er weint und wird wütend auf seine Mannschaftskameraden, wenn etwas schiefläuft. „Sie haben es hingenommen, weil er ja immer so viele Tore geschossen hat“, sagt Mendoça. „Wir haben alle unsere Spiele immer 9:0 oder 10:0 gewonnen.“ Trotzdem sind sein Eigensinn und Stolz ein Problem. Er benimmt sich gegenüber den anderen, als wäre er etwas Besseres. Außerdem ist es schwierig, ihm Ratschläge zu erteilen – das geht nur unter vier Augen und niemals vor dem ganzen Team.

In der Saison 1995/96 gewinnt Cristiano mit Nacional seine erste Regionalmeisterschaft in der Liga der Zehn- bis Zwölfjährigen. Allmählich werden Vereine wie der FC Porto und Boavista Porto, also die großen Klubs vom portugiesischen Festland, auf ihn aufmerksam. Fernão Sousa ist der Meinung, dass es an der Zeit sei, den Sprung zu wagen. Zum zweiten Mal nimmt er Kontakt zu jemandem auf, der die Zukunft des Jungen verändern wird, nämlich João Marques Freitas, dem stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt und gleichzeitigen Repräsentanten von Sporting Lissabon in Funchal. Der berichtet daraufhin den Grün-Weißen von dem unglaublichen Jungen aus der Quinta do Falcão. Sporting schickt jemanden hinüber, um mit der Familie zu reden. Es dauert nicht lang, und Ronaldo verabschiedet sich von seiner Kindheit, seiner Familie, seinen Freunden und seiner Insel. Für ihn ist es nun an der Zeit, den Weg auf das Festland anzutreten.

Kapitel 3

    Weit weg von der Insel

In der Jugendakademie von Sporting Lissabon

Es war die schwierigste Zeit in meiner sportlichen Laufbahn.

Er hat noch nie in einem Flugzeug gesessen – er hat ja bisher noch nicht einmal die Insel verlassen. Es ist die härteste Herausforderung, der er sich jemals hat stellen müssen, und er ist so aufgeregt, dass er in der Nacht davor nicht schlafen kann.

Sein Patenonkel Fernão Sousa begleitet ihn nach Lissabon. Es ist 1997, es sind Osterferien, und Cristiano befindet sich auf dem Weg zu einem Probetraining bei Sporting Lissabon. Er wäre lieber zu Benfica gegangen, einer Mannschaft, die sowohl sein Vater als auch sein Bruder lieben. Doch seine Mutter ist stets ein Sporting-Mädchen gewesen, und sie hat so eine Vorahnung, dass ihr Sohn ebenso groß werden wird wie Luís Figo. Abgesehen davon kann man einem der größten Vereine der Hauptstadt nicht einfach einen Korb geben. Sporting hat die beste Jugendakademie in Portugal und zählt Größen wie Paulo Futre, Figo und Simão zum Kreis seiner Ehemaligen. Zu den aktiven Spielern gehören etwa João Pinto, Ricardo Quaresma, Hugo Viana und Nani.

Cristiano ist sich sicher, dass er dort einen guten Eindruck hinterlassen kann. Er weiß, dass er gut ist, und er glaubt, dass er die grün-weißen Trainer überzeugen kann, dass er gut genug ist. Allerdings ist er erst zwölf Jahre alt, und als er schließlich auf dem Trainingsgelände der Jugendabteilung ankommt, ist alles unglaublich überwältigend. Die Trainer Paulo Cardoso und Osvaldo Silva sind vor Ort, um ihn beim Spielen zu beobachten. Von Ronaldos Körperbau sind sie nicht sonderlich beeindruckt – er ist ein dürres Kind. Doch sobald sie ihn in Aktion erleben, sieht die Sache vollkommen anders aus. Der Junge aus der Quinta do Falcão schnappt sich den Ball und tritt gegen zwei oder drei Gegner an. Er ist unermüdlich und liefert eine One-Man-Show: Er täuscht an, dribbelt und treibt den Ball auf dem Feld nach vorne.

„Ich drehte mich zu Osvaldo und sagte: ,Der hier ist anders. Der ist etwas Besonderes‘“, erinnert sich Cardoso. „Und wir waren nicht die einzigen, die das so sahen. Am Ende der Trainingseinheit umringten ihn all die anderen Jungs. Die wussten, dass er der Beste war.“ Die Trainer bei Sporting sind von dem Probetraining beeindruckt. Sie wollen ihn am nächsten Tag noch einmal spielen sehen, und zwar auf dem Trainingsgelände neben dem alten Stadion José Alvalade. Dieses Mal will auch der Direktor der Jugendakademie, Aurélio Pereira, dabei sein.

„Er war talentiert, er konnte beidfüßig spielen, er war unglaublich schnell, und wenn er spielte, dann wirkte der Ball wie eine Erweiterung seines Körpers“, sagt Pereira. „Aber was mich mehr beeindruckt hat, war seine Entschlossenheit. Seine Charakterstärke schimmerte durch. Er war beherzt – mental war er unverwüstlich. Und er war furchtlos und ließ sich von älteren Spielern nicht beeindrucken. Er hatte diese Art von Führungsqualität, wie sie nur die größten Spieler haben. Einzigartig. Als sie zurück in die Umkleide gingen, schrien die ganzen anderen Jungen wie wild, um sich mit ihm zu unterhalten und ihn kennenzulernen. Er hatte alles, und es war klar, dass er nur noch besser werden konnte.“

Am 17. April 1997 unterschreiben Paulo Cardoso und Osvaldo Silva Cristianos Spieler-Identifikationsbogen. Dort heißt es: „Spieler mit außergewöhnlichem Talent und hervorragender Technik. Besonders bemerkenswert ist seine Fähigkeit zum Antäuschen und Vorbeiziehen, sowohl aus dem Stand als auch aus der Bewegung.“ Neben dem Wort „Aufnahme in den Verein“ ist das Kästchen „Ja“ angekreuzt. Er spielt als zentraler Mittelfeldspieler oder als hängende Spitze. Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro hat die Prüfung bestanden – er darf bei Sporting spielen. Doch vorher muss man sich noch mit Nacional de Madeira einig werden.

Nach einer Woche in Lissabon kehrt Ronaldo wieder nach Hause auf die Insel zurück. Nun ist es an den Trainern, die letzten Details des Transfers zu regeln. Nacional schuldet Sporting noch 4.500 portugiesische Contos, also etwa 22.500 Euro, für Franco, einen jungen Spieler, der von Sporting dorthin gewechselt war. Im Gegenzug für Cristianos Verpflichtung könnten nun diese Schulden erlassen werden. Allerdings sind 22.500 Euro für einen zwölfjährigen Jungen ein Wahnsinnspreis. „Das gab es noch nie“, meint auch Simões de Almeida, der ehemalige Sportdirektor des Vereins. „Sporting hatte noch nie etwas für einen Jugendspieler bezahlt.“

Aurélio Pereira und die übrigen Trainer müssen dem Management nun klarmachen, dass sich eine so hohe Investition in einen Jungen lohnt. Am 28. Juni 1997 verfasst Pereira einen neuen Bericht und fügt folgenden Nachtrag hinzu: „Auch wenn es absurd erscheinen mag, für einen zwölfjährigen Jungen so viel auszugeben, so hat er doch enormes Talent. Das hat er beim Probetraining und unter den Augen der Trainer unter Beweis gestellt. Es wäre eine großartige Investition in die Zukunft.“ Diese dürren Zeilen reichen aus, um den Finanzdirektor des Vereins zu überzeugen, und der Transfer wird besiegelt.

In der letzten Augustwoche verlässt Cristiano Ronaldo Madeira und zieht in die Jugendakademie von Sporting. Es ist eine äußert schwierige Zeit für den Zwölfjährigen. Er kann sich immer noch an den emotionalen Tag erinnern, an dem er Abschied von seiner Familie nehmen musste. „Meine Schwestern und meine Mutter haben geweint. Ich habe geweint“, erinnert er sich. „Sogar als ich schon im Flugzeug saß und wir gerade gestartet waren, musste ich an meine Familie denken, die wegen mir weinte, und fing wieder an zu heulen.“

Ronaldo zieht im Sporting-Wohnhaus für junge Spieler aus anderen Teilen des Landes ein. Es besteht aus sieben Schlafsälen und einem Wohnzimmer und befindet sich im Inneren des Alvalade-Stadions, gleich neben den drei Trainingsplätzen. Ronaldo ist der jüngste Bewohner und wird sich ein Zimmer mit Fábio Ferreira, José Semedo and Miguel Paixão teilen. Andere Mitbewohner kommen aus Mosambik (einer ehemaligen portugiesischen Kolonie), von der Algarve und aus der Stadt Vila Real in Nordportugal. Sie alle haben einen straffen Tagesplan: Schule bis fünf Uhr nachmittags und danach Training.

Der erste Tag in der Schule ist ein traumatisches Erlebnis für den Jungen. Er kommt zu spät in den Unterricht, und der Lehrer nimmt bereits die Namen auf. Er ist als Fünfter an der Reihe. Als er aufsteht und seinen Namen sagt, hört er, wie sich einige Schüler im hinteren Teil des Klassenzimmers über seinen madeirischen Dialekt lustig machen. Der Dialekt unterscheidet sich sehr stark von dem Portugiesisch, das in der Hauptstadt gesprochen wird, und ist beinahe eine vollkommen andere Sprache. Er klingt wie ein Insulaner, und niemand kann ihn wirklich verstehen. Cristiano verliert die Beherrschung und droht seinem Lehrer mit einem Stuhl.

Er wird zum Gespött der Klasse und kommt sich wie ein Idiot vor. Ein paar Tage darauf beschimpft er einen Trainer, der ihn bat, die Kabine aufzuräumen. „Ich bin ein Spieler von Sporting und muss nichts vom Boden aufheben“, meint er. Das ist nicht besonders klug von ihm. Zur Strafe muss er bei einigen Spielen aussetzen. Und natürlich muss er weinen – fast jeden Tag. Er hat Heimweh nach seiner Familie, seiner Insel und seinen Freunden.

Er kauft sich eine Telefonkarte mit 50 Einheiten und geht hinunter zur Telefonzelle. Es macht ihn traurig, die Stimme der Mutter zu hören. Es bringt ihn zum Weinen, und er vermisst sie noch mehr. Dolores versucht, ihn aufzumuntern. Sie rät ihm, die Witzbolde in der Schule gar nicht zu beachten. Sie muss ihn oftmals trösten und ihn überzeugen, dass sein Leben und seine Zukunft in Lissabon liegen, in der Jugendakademie von Sporting. Am Ende muss sie in die Hauptstadt einfliegen, weil Cristiano ihr sagt, dass er es nicht mehr aushält. Er will abbrechen, seinen Traum sausen lassen und wieder auf die Insel zurückkehren, um bei seiner Familie sein zu können.

„Ohne seine Mutter wäre Cristiano nicht der geworden, der er heute ist“, bestätigt Aurélio Pereira. „Sie hat oftmals Partei für uns gegenüber ihrem Sohn ergriffen. Sie hat uns geholfen, und sie hat Cristiano geholfen.“ Als der Junge die Heimat besucht und nicht mehr nach Lissabon zurückkehren will, greift auch sein Patenonkel ein und sorgt dafür, dass er auf der Akademie bleibt. Das erste Jahr ist eine Tortur. Doch allmählich fängt er an, sich einzugewöhnen. „In schwierigen Zeiten lernt man eine Menge über sich selbst“, wird er Jahre später sagen. „Man muss stark bleiben und sich auf das konzentrieren, was man wirklich will.“

„Er hatte sein Leben lang einen Traum – er wollte jemand sein“, sagt Paulo Cardoso. „Er wollte von ganzem Herzen Profifußballer sein.“ Während dieser harten Anfangsjahre hat er einen madeirischen Tutor, Leonel Pontes, der ihn zum Training und zur Schule begleitet. „Ronaldo war entschlossen bei allem, was er tat“, erinnert er sich. „Er wollte bei allem – Tischtennis, Tennis, Pool-Billard, Kickern, Darts, Leichtathletik – der Beste sein, er wollte jeden Gegner schlagen beziehungsweise der Schnellste sein. Er musste gewinnen, völlig egal, welche Sportart er gerade ausübte. Dass er immer mehr wollte, ist, glaube ich, einer der Gründe dafür, dass er es dorthin geschafft hat, wo er heute ist.“

Sie finden ihn um ein Uhr morgens im Kraftraum vor, wo er ohne Erlaubnis Gewichte stemmt. Auf dem Zimmer macht er Liegestütze und Sit-ups, und er trainiert mit Gewichten an den Fußknöcheln, um sein Dribbling zu verbessern. Wenn seine Mannschaftskameraden sich nach den Trainingseinheiten in Richtung Dusche aufmachen, bleibt er noch auf dem Platz und übt Freistöße gegen eine Mauer aus lebensgroßen Zielscheiben. Er isst bei jeder Mahlzeit zwei Schüsseln Suppe, weil man ihm gesagt hat, dass er zwar gut spiele, aber zu dünn sei.

Wenn Sporting am Sonntag zu Hause spielt, ist er Balljunge und holt den Ball zurück, wenn dieser ins Aus geht. Er sieht einige der besten Spieler des Vereins aus nächster Nähe, spürt die Atmosphäre im Stadion und verdient sich gleichzeitig fünf Euros. Nach jedem Spiel werfen er und seine Mannschaftskameraden ihr Geld zusammen und gehen in die Pizzeria. Sie kaufen eine Pizza und nehmen außerdem noch zwei mit nach Hause.

Sein erstes Gehalt bei Sporting beträgt zehn Contos pro Monat, also etwa 50 Euro. Das reicht, um Klamotten, Schulbücher, Schulhefte und den Rucksack zu kaufen, den er für die Schule braucht. Außerdem deckt es die täglichen Ausgaben. Doch eines Tages ruft Dolores beim Verein an und informiert ihn, dass „Ronaldo sich nicht sein Essen in der Kantine gekauft, sondern sein ganzes Geld für Schokolade ausgegeben hat“. Er ist halt doch immer noch ein Kind, obwohl er gezwungenermaßen seine Kindheit zurücklassen und schnell erwachsen werden musste. „Ich bedauere es schon, dass ich meine Kindheit nicht wirklich genießen konnte“, wird er einige Jahre später in einem Interview kurz vor der WM 2010 in Südafrika sagen.

Man erwartet von ihm, dass er sich wie ein Erwachsener verhält, eigenständig lebt und sich um seine Wäsche und das Bügeln kümmert. Er ist ja hier als Fußball-Azubi, nicht als Kind. Dazu kommen die Probleme in seiner Familie, mit denen er sich auseinandersetzen muss. Mit 14 Jahren ist Cristiano klar, dass sein Vater Dinis chronischer Alkoholiker und sein Bruder Hugo drogenabhängig ist. Er ist geschockt, aber er kann sich davon auch nicht erdrücken lassen. Sein älterer Bruder wird in eine Entziehungsklinik in Lissabon eingewiesen und schafft es nach diversen Rückfällen schließlich, clean zu werden. Sein Vater dagegen schafft es nicht.

Glücklicherweise bessert sich das Leben in der Akademie. „Dank seines außerordentlichen Talents und harter Arbeit passte er sich schließlich an sein neues Leben an und wurde zum Mittelpunkt der Mannschaft“, sagt sein Tutor Pontes. „Die anderen spielten den Ball immer öfter zu ihm, weil sie wussten, dass er der Beste ist.“ Er ist auf und abseits des Platzes ein Anführer. In der Dokumentation Planet Ronaldo, die vom portugiesischen Fernsehkanal Sic gesendet wurde, erzählt Pontes, dass Cristiano und drei Mannschaftskameraden einmal auf einer Straße in Lissabon überfallen wurden. Cristiano war der einzige, der nicht wegzulaufen versuchte, obwohl er der Jüngste war. Er wehrte sich und wollte das wenige Geld verteidigen, das sie in ihren Portemonnaies hatten. Die Straßenräuber zogen schließlich ohne Bares wieder ab.

Die Jugendakademie von Sporting kümmert sich nicht nur auf dem Trainingsplatz um ihre vielversprechenden jungen Spieler. Sie stellt ihnen auch einen Tutor zur Seite, damit sie sich in der nahe gelegenen Ganztagsschule Crisfal hervortun können. Ronaldo liebt zwar den Fußball, aber die Schule läuft eher nebenher. Naturwissenschaften mag er, kann aber Englisch nicht leiden. Er ist ein ordentlicher Schüler, macht jedoch nur das Nötigste. Fußball, Freunde und die Arbeit als Balljunge lenken ihn vom Lernen ab. Schlussendlich muss er sich zwischen dem Sport und der Schule entscheiden. Er redet mit seiner Mutter darüber und trifft eine Entscheidung: Er wird nach der neunten Klasse abgehen.

Das Vereinsmanagement versucht, den jungen Spielern zu helfen, sich einzuleben, und bietet Beratung durch einen Psychologen an. Gleichzeitig herrscht strenge Disziplin. Ronaldo hat bis heute nicht vergessen, wie er einst in der Nachwuchsmannschaft die volle Wucht dieser Disziplin zu spüren bekommen hat. Am letzten Spieltag der Meisterschaft trifft Sporting auf Marítimo, die Mannschaft aus Cristianos Heimatstadt. Es ist die Gelegenheit, auf seine Insel, in seine Stadt und in das Stadion zurückzukehren, wo er seine ersten Spiele absolvierte, und seine ganze Familie und seine Schulfreunde wiederzusehen. Das ist mehr, als er zu hoffen gewagt hat. Doch Cristiano hat sich in der Schule danebenbenommen, und das Management beschließt, ihn dort zu bestrafen, wo es wirklich weh tut. Er wird nicht mit ihnen nach Madeira kommen. „Ich habe die Liste gesehen und stand nicht drauf“, sagt er. „Ich habe sie viermal geprüft und … nichts. Ich habe angefangen zu weinen und bin ins Trainingszentrum gestürmt, wo ich wütend eine Erklärung verlangt habe. Es war ziemlich heftig, aber ich habe eine wichtige Lektion gelernt.“

Die Akademie erwartet von den Spielern, dass sie sich an strikte Vorgaben halten. Gemeinsam mit dem Mannschaftsarzt kümmert sich das Management um die körperliche Entwicklung jedes einzelnen Spielers. Im Falle Cristianos beobachtet man seine Knochendichte, um herauszufinden, welche Körpergröße er am Ende erreichen wird. Es sieht vielversprechend aus – wenn alles gut läuft, sollte er es auf 1,85 Meter bringen. Doch als er 15 Jahre alt ist, entdeckt man ein ernsthaftes Problem.

„Der Verein teilte uns mit, dass sein Ruhepuls zu hoch war“, offenbarte seine Mutter dem britischen Boulevardblatt The Sun. „Ich musste Berge von Papierkram ausfüllen, damit er die Zulassung bekam und sie ein paar Untersuchungen machen konnten. Schließlich hat man sich für eine Operation entschieden. Es ist ein Laser zum Einsatz gekommen, um die beschädigte Zone in seinem Herzen zu reparieren, und nach ein paar Tagen Erholung hat man ihn wieder entlassen. Bevor ich wirklich genau wusste, was los war, habe ich mir schon ziemlich Sorgen gemacht, dass er vielleicht mit dem Fußball aufhören müsste.“ Er hatte einen angeborenen Herzfehler. Deshalb war sein Pulsschlag höher als normal, aber seine Karriere hat das nicht beeinflusst. „Ein paar Tage nach dem Eingriff war er wieder zurück beim Training mit seinen Mannschaftskameraden“, sagt seine Mutter. „Er konnte sogar noch schneller rennen als vorher.“

Er läuft nicht nur schnell, sondern klettert auch mit unglaublichem Tempo die Karriereleiter nach oben. Mit 16 ist Ronaldo ohne jede Frage der Starspieler der Akademie. Er ist der einzige Spieler in der langen Geschichte des Vereins, der in einer einzigen Saison für die U16, die U17, die U18, die 2. und die 1. Mannschaft angetreten ist. Im August 2001 unterschreibt er seinen ersten Profivertrag: Laufzeit vier Jahre, 2.000 Euro pro Monat und eine festgeschriebene Ablösesumme von 20 Millionen Euro. Er verlässt das Wohnheim der Akademie und zieht in eine Unterkunft in der Nähe des Platzes Marquês de Pombal im Herzen von Lissabon. Dort bleibt er, bis er eine Wohnung findet, wo auch seine Familie ihn öfter besuchen kann. Der Junge ist erwachsen geworden. Er ist jetzt eigenständiger und beschließt, sich einen neuen Berater zu suchen. Er trennt sich von Luis Vega, dem Mann, der auch Figo berät, und legt die Zukunft seiner Karriere in die Hände von Jorge Mendes.

Im August 2001 bekommt die Profimannschaft von Sporting einen neuen Trainer. László Bölöni ist ein Rumäne ungarischer Abstammung und ehemaliger Mittelfeldstar von Steaua Bukarest, wo er 1986 den Europapokal der Landesmeister gewann. Er trainierte sechs Jahre den französischen Klub AS Nancy und nahm nach einem kurzen Intermezzo als rumänischer Nationaltrainer das Angebot von Sporting an. In seinem ersten Jahr gewinnt er die Meisterschaft und den portugiesischen Pokal und wird auf Spieler wie Cristiano, Ricardo Quaresma und Hugo Viana aufmerksam. Er setzt alles daran, Cristiano so schnell wie möglich in die Profimannschaft zu holen. Gelegentlich darf Cristiano sogar schon mit den Starspielern trainieren. Die Mediziner raten vorerst jedoch von diesem Schritt ab, weil er sich noch im Wachstum befindet. Allerdings ist klar, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der Junge von Madeira sein Profidebüt gibt.