Ed Catmull
mit Amy Wallace
Die Kreativitäts-AG
Wie man die unsichtbaren Kräfte überwindet, die echter Inspiration im Wege stehen
Aus dem Amerikanischen von Karin Miedler, Sigrid Schmid und Thomas Pfeiffer
Titel der Originalausgabe:
Creativity, Inc. Overcoming the Unseen Forces That Stand in the Way of True Inspiration.
New York, Random House 2014
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Copyright © 2014 by Edwin Catmull
Alle Rechte der deutschen Ausgabe:
© 2014 Carl Hanser Verlag München
Internet: http://www.hanser-literaturverlage.de
Lektorat: Martin Janik
Herstellung: Andrea Reffke
Umschlaggestaltung nach einem Entwurf von Andy Dreyfus
Illustration: © Disney • Pixar
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
ISBN 978-3-446-43672-5
E-Book-ISBN 978-3-446-44061-6
Für Steve
EINLEITUNG: VERLOREN UND WIEDERGEFUNDEN
Jeden Morgen, wenn ich die Pixar Animation Studios betrete, vorbei an der über sechs Meter hohen Skulptur von Luxo Jr., unserem freundlichen Schreibtischlampen-Maskottchen, durch die Doppeltüren in das Glasdachatrium trete, wo ein mannshoher Buzz Lightyear mit Woody aus Legosteinen strammsteht, die Treppen hinaufgehe, vorbei an Zeichnungen und Gemälden der Figuren, die unsere 14 Filme bevölkern – dann bin ich beeindruckt von der einzigartigen Kultur, die an diesem Ort herrscht. Obwohl ich diesen Weg schon tausende Male zurückgelegt habe, wird er nie alt.
Der über sechs Hektar große Komplex von Pixar wurde auf dem Grundstück einer ehemaligen Konservenfabrik gegenüber der Bay Bridge in San Francisco erbaut. Das Gebäude wurde komplett, innen wie außen, von Steve Jobs entworfen (es heißt auch Steve Jobs Building). Es hat gut durchdacht angelegte Ein- und Ausgänge, damit die Leute in Kontakt kommen, sich treffen und kommunizieren können. Draußen gibt es einen Fußballplatz, ein Volleyballfeld, ein Schwimmbecken und ein Amphitheater mit 600 Sitzplätzen. Manche Besucher verstehen den Sinn der Gestaltung nicht und halten sie nur für eine Laune. Sie verstehen nicht, dass der übergreifende Gedanke für dieses Gebäude nicht Luxus heißt, sondern Gemeinschaft. Steve wollte, dass das Gebäude unsere Arbeit fördert, indem es unsere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit verbessert.
Die Zeichner, die hier arbeiten, sind frei – nein aufgefordert –, ihre Arbeitsplätze so zu gestalten, wie es ihnen gefällt. Sie verbringen ihre Tage in rosa Puppenhäuschen mit kleinen Kronleuchtern an der Decke, in Hütten aus echtem Bambus und Burgen, deren sorgfältig bemalte viereinhalb Meter hohe Styroporzinnen aussehen wie aus Stein gemeißelt. Ein jährlich stattfindendes Ereignis in der Firma heißt »Pixarpalooza«, bei dem unsere hauseigenen Rockbands mit großem Einsatz von Herzblut auf den Bühnen auf dem Rasen vor dem Gebäude miteinander wetteifern.
Wir legen hier Wert auf Selbstdarstellung. Das macht meistens großen Eindruck auf Besucher. Oft sprechen sie von einer gewissen Wehmut, die sie beim Betreten des Gebäudes empfinden, als fehle etwas in ihrem Arbeitsleben – eine spürbare Energie, ein Gefühl von Zusammenarbeit und ungehindert fließender Kreativität, ein Gefühl von Möglichkeiten, wenn das auch ein bisschen abgedroschen klingen mag. Ich erzähle ihnen dann immer, dass das Gefühl, das sie aufnehmen – nennen wir es Überschwang, Respektlosigkeit, sogar Launen –, ein wichtiger Bestandteil unseres Erfolges ist.
Doch das ist es nicht, was Pixar zu etwas Besonderem macht.
Das Besondere bei Pixar ist: Wir wissen, dass wir immer Probleme haben werden, viele davon sind für uns nicht sichtbar; dass wir uns große Mühe geben, diese Probleme zu entdecken, auch wenn das für uns unbequem sein könnte; und dass wir, wenn wir auf so ein Problem treffen, alle unsere Energie aufwenden, es zu lösen. Deshalb komme ich jeden Morgen so gerne zur Arbeit und nicht so sehr wegen einer tollen Party oder dem Arbeitsplatz mit Türmchen. Das motiviert mich und gibt mir ein gewisses Sendungsbewusstsein.
Es gab jedoch eine Zeit, als mir meine Bestimmung hier viel weniger klar war. Und es mag Sie überraschen, wenn ich Ihnen erzähle, wann das war.
Am 22. November 1995 lief Toy Story in den amerikanischen Kinos an und wurde der größte Filmstart aller Zeiten. Kritiker bezeichneten den Film als »einfallsreich« (Time), »brillant« und »überaus geistreich« (New York Times) und »visionär« (Chicago Sun-Times). Um einen Film zu finden, der einem Vergleich standhielte, schrieb die Washington Post, müsse man auf den Zauberer von Oz aus dem Jahr 1939 zurückgreifen.
Die Produktion von Toy Story – der erste Trickfilm in Spielfilmlänge, der vollständig am Computer erstellt wurde – hatte jede Unze unserer Hartnäckigkeit, Kunstfertigkeit, technischen Findigkeit und Ausdauer gefordert. Die rund 100 Frauen und Männer, die ihn produzierten, hatten zahllose Hochs und Tiefs durchlebt, in dem ständigen Bewusstsein, dass unser Überleben von diesem 80-minütigen Experiment abhing. Fünf ganze Jahre hatten wir dafür gekämpft, Toy Story auf unsere Art zu machen. Wir widersetzten uns dem Rat der Disney-Oberen, die fanden, wir brauchten viele Lieder in unserem Film, da sie mit Musicals immer so erfolgreich waren. Wir überarbeiteten die Geschichte mehr als einmal vollständig, damit sie auch wirklich echt wirkte. Wir arbeiteten abends, an Wochenenden, an Feiertagen – meistens klaglos. Wir waren zwar Neulinge im Filmgeschäft in einem noch jungen Studio in höchst bescheidenen finanziellen Verhältnissen, doch wir vertrauten auf einen einfachen Gedanken: Wenn wir etwas machten, das wir sehen wollten, würden andere es auch sehen wollen. Bis dahin hatte es sich angefühlt, als würden wir einen Felsbrocken einen Berg hinaufschieben, als versuchten wir das Unmögliche. Es gab viele Momente, in denen die Zukunft von Pixar in den Sternen stand. Jetzt waren wir plötzlich ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Künstler auf ihr Bauchgefühl hören.
Toy Story wurde der umsatzstärkste Film des Jahres und spielte weltweit 358 Millionen Dollar ein. Doch nicht nur die Zahlen machten uns stolz; Geld ist schließlich nur ein Maßstab für ein florierendes Unternehmen und meistens nicht der bedeutendste. Nein, was mir Befriedigung verschaffte, war das, was wir geschaffen hatten. Die Kritiken konzentrierten sich hauptsächlich auf die bewegende Handlung des Films und seine komplexen dreidimensionalen Charaktere – und sie erwähnten nur kurz, dass der Film komplett am Computer entstanden ist. Trotz der zahlreichen Innovationen, die unsere Arbeit erst möglich gemacht hatten, hatten wir nicht zugelassen, dass die Technologie über unserem eigentlichen Ziel stand: einen tollen Film zu machen.
Für mich persönlich war mit Toy Story ein Ziel erreicht, das ich mehr als zwei Jahrzehnte lang verfolgt und von dem ich schon als Junge geträumt hatte. Ich wuchs in den 1950er-Jahren auf und wollte immer Disney-Trickfilmzeichner werden, hatte aber keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Instinktiv, das erkenne ich jetzt, stürzte ich mich auf die Computergrafik – damals ein noch neues Feld –, um diesen Traum weiterzuverfolgen. Wenn ich nicht von Hand zeichnen konnte, musste es einen anderen Weg geben. Während des Aufbaustudiums hatte ich mir im Stillen das Ziel gesetzt, den ersten computergenerierten Animationsfilm zu machen, und arbeitete 20 Jahre unermüdlich, um dieses Ziel zu erreichen.
Jetzt hatte ich das Ziel erreicht, das eine treibende Kraft in meinem Leben gewesen war, ich empfand eine ungeheure Erleichterung und war in Hochstimmung – zumindest anfänglich. Kurz nach dem Start von Toy Story gingen wir mit dem Unternehmen an die Börse, besorgten uns das Kapital, um unsere Zukunft als unabhängige Produktionsfirma zu sichern, und machten uns an zwei neue Projekte in Spielfilmlänge: Das große Krabbeln und Toy Story 2. Alles lief gut für uns, und doch fühlte ich mich irgendwie ziellos. Nachdem ich ein Ziel erreicht hatte, hatte ich ein wichtiges Bezugssystem verloren. »Ist das wirklich das, was ich machen will?«, fragte ich mich immer wieder. Die Zweifel überraschten und verwirrten mich, und ich behielt sie für mich. Ich war die meiste Zeit, in der das Unternehmen bestand, Präsident von Pixar gewesen. Ich liebte den Ort und alles, wofür er stand. Doch ich konnte nicht leugnen, dass die Erfüllung des Ziels, das mein Berufsleben bestimmt hatte, mich nun ohne Bestimmung dastehen ließ. »Ist das alles?«, fragte ich mich. »Ist es Zeit für eine neue Herausforderung?«
Ich dachte nicht etwa, Pixar sei »angekommen« oder meine Arbeit sei getan. Ich wusste, dass noch größere Schwierigkeiten vor uns lagen. Das Unternehmen wuchs schnell, viele Aktionäre mussten zufriedengestellt werden, und wir arbeiteten fieberhaft an zwei neuen Filmen. Kurz, es gab genügend zu tun, was meine Arbeitszeit ausfüllte. Doch mein innerer Ansporn – das, was mich im Aufbaustudium auf dem Boden des Computerraums übernachten ließ, damit ich länger am Großrechner arbeiten konnte, was mich als Kind nachts wach hielt, weil ich im Kopf Probleme wälzte, was jeden meiner Arbeitstage antrieb – war verloren gegangen. Ich hatte zwei Jahrzehnte damit verbracht, einen Zug zu bauen und die Schienen zu verlegen. Jetzt erschien mir die Aufgabe, einfach damit zu fahren, weitaus weniger interessant. »Genügte es mir, einen Film nach dem anderen zu machen?«, fragte ich mich. »Was sollte nun mein Organisationsprinzip werden?«
Es sollte ein ganzes Jahr dauern, ehe sich eine Antwort abzeichnete.
Von Anfang an schien es mir bestimmt, mein Berufsleben mit einem Fuß im Silicon Valley und mit dem anderen in Hollywood zu verbringen. 1979 kam ich erstmals mit dem Filmgeschäft in Berührung, als mich George Lucas nach dem Erfolg von Star Wars einstellte, weil ich modernste Technologie in die Filmindustrie bringen sollte. Doch sein Standort war nicht Los Angeles. Er hatte seine Firma Lucasfilm am nördlichen Ende der San Francisco Bay gegründet. Unser Büro lag in San Rafael, etwa eine Stunde Autofahrt von Palo Alto entfernt, im Herzen des Silicon Valley – ein Name, der damals gerade erst Zugkraft entwickelte, als es mit den Halbleitern und der Computerindustrie richtig losging. Damit konnte ich aus nächster Nähe die zahlreichen neu entstehenden Hardware- und Softwarefirmen beobachten, ganz zu schweigen von der wachsenden Risikokapitalbranche, die im Laufe einiger Jahre das Silicon Valley von ihrem Beobachtungsposten an der Sand Hill Road beherrschen würde.
Ich hätte keinen dynamischeren und unbeständigeren Zeitpunkt für meine Ankunft wählen können. Ich sah viele Start-ups hell aufflammen im Erfolg – und dann erlöschen. Meine Aufgabe bei Lucasfilm – das Filmemachen mit der Technologie zusammenzubringen – brachte es mit sich, dass ich häufig mit den Chefs von Firmen wie Sun Microsystems, Silicon Graphics und Cray Computer zu tun hatte und einige gut kennenlernte. Ich war damals vor allem Wissenschaftler und weniger Führungskraft, deshalb beobachtete ich diese Leute genau und hoffte, ich könnte aus der Entwicklung ihrer Unternehmen lernen. Allmählich zeichnete sich ein Muster ab: Jemand hatte eine kreative Idee, erhielt Kapital, versammelte eine Menge intelligenter Leute und entwickelte und verkaufte ein Produkt, das sehr viel Aufmerksamkeit erregte. Dieser anfängliche Erfolg führte zu weiterem Erfolg und lockte die besten Ingenieure und Kunden mit interessanten und sehr wichtigen Problemen an, die zu lösen waren. Während diese Unternehmen weiter wuchsen, wurde viel über ihre bahnbrechenden Methoden geschrieben, und wenn ihre CEOs unweigerlich auf dem Cover von Fortune landeten, wurden sie als »Titanen der Innovation« gefeiert. Ich erinnere mich speziell an das Selbstvertrauen. Die Führer dieser Unternehmen strahlten extremes Selbstvertrauen aus. Sicher hatten sie nur an die Spitze gelangen können, weil sie sehr, sehr gut waren.
Aber dann machten diese Unternehmen etwas Dummes – nicht nur rückblickend dumm, sondern damals schon erkennbar dumm. Ich wollte wissen, warum. Was brachte intelligente Menschen dazu, Entscheidungen zu treffen, die ihre Unternehmen aus der Bahn warfen? Zweifellos waren sie selbst überzeugt, das Richtige zu tun, doch etwas blendete sie – und verhinderte, dass sie die Probleme erkannten, die sie zu kippen drohten. Daher wuchsen ihre Unternehmen wie Blasen und platzten dann. Mich interessierten nicht der Aufstieg und der Fall der Unternehmen, auch nicht das laufend sich verändernde Umfeld mit neuen Technologien, sondern die Tatsache, dass die Führung dieser Unternehmen so auf den Wettbewerb fokussiert schien, dass sie nie zu einer tieferen Einsicht über andere zerstörerische Kräfte gelangte, die am Werk waren.
Während der Jahre, als Pixar seinen Weg suchte – erst verkaufte das Unternehmen Hardware, dann Software, dann animierte Kurz- und Werbefilme –, fragte ich mich: Wenn Pixar je Erfolg hat, werden wir dann auch etwas Dummes tun? Kann die sorgfältige Beobachtung der Fehltritte anderer uns helfen, wachsam für unsere eigenen zu sein? Oder gibt es etwas, das einen als Führungskraft blind macht für Bedrohungen für das Wohlergehen der eigenen Firma? Sicher, irgendetwas führte zu einem gefährlichen Ausfall bei vielen klugen, kreativen Unternehmen. Was genau das war, war ein Rätsel – und eines, das ich zu lösen entschlossen war.
In dem schwierigen Jahr nach Toy Story erkannte ich, dass meine nächste Herausforderung die Lösung dieses Rätsels war. Mein Wunsch, Pixar vor diesen Kräften zu bewahren, die so vielen Unternehmen zum Verhängnis geworden waren, gab mir wieder einen Fokus. Ich begann, meine Rolle als Führungskraft klarer zu sehen. Ich würde mich der Aufgabe widmen, herauszufinden, wie man nicht nur eine erfolgreiche Firma aufbaut, sondern auch eine nachhaltige kreative Kultur. Als ich meine Aufmerksamkeit von der Lösung technischer Probleme auf die Beschäftigung mit der gedanklichen Struktur von vernünftiger Führung richtete, war ich wieder voller Begeisterung – und war sicher, dass unser zweiter Akt so berauschend werden würde wie unser erster.
Es war immer mein Ziel, bei Pixar eine Kultur zu schaffen, die die Unternehmensgründer überleben würde – Steve, John Lasseter und mich. Doch es ist ebenfalls mein Ziel, unsere Unternehmensphilosophie anderen Führungskräften mitzuteilen und eigentlich allen, die mit den widerstreitenden und nicht notwendigerweise sich ergänzenden Kräften von Kunst und Kommerz ringen. Was Sie nun in Händen halten, ist ein Versuch, meine besten Gedanken zum Aufbau unserer Kultur zu Papier zu bringen, die die Basis dieses Unternehmens ist.
Dieses Buch ist nicht nur für die Mitarbeiter von Pixar, Führungskräfte der Unterhaltungsbranche oder für Trickfilmzeichner geschrieben worden. Es ist für jeden, der in einer Umgebung arbeiten möchte, die Kreativität und Problemlösung fördert. Es ist meine Überzeugung, dass gute Führung dazu beitragen kann, Kreative auf dem Weg zur Exzellenz zu halten, unabhängig von der Branche. Mein Ziel bei Pixar – und bei Disney Animation, das ich mit meinem langjährigen Partner John Lasseter ebenfalls führe, seit die Walt Disney Company Pixar im Jahr 2006 erwarb – ist es, unsere Mitarbeiter zu befähigen, ihr Bestes zu geben. Wir gehen von der Annahme aus, dass unsere Mitarbeiter talentiert sind und einen Beitrag leisten wollen. Wir akzeptieren, dass unser Unternehmen ohne Absicht auf vielerlei unsichtbare Weise diese Fähigkeit erstickt. Schließlich versuchen wir, diese Behinderungen zu erkennen und sie zu beseitigen.
Seit fast 40 Jahren denke ich darüber nach, wie man intelligenten, ehrgeizigen Menschen helfen kann, effektiv zusammenzuarbeiten. Meine Aufgabe als Führungskraft sehe ich darin, ein fruchtbares Umfeld zu schaffen, es gesund zu erhalten und Ausschau nach Faktoren zu halten, die das untergraben könnten. Ich bin zutiefst überzeugt, dass jeder das Potenzial besitzt, kreativ zu sein – welche Form diese Kreativität auch annehmen mag –, und dass die Förderung einer solchen Entwicklung ein nobles Anliegen ist. Noch interessanter finde ich jedoch die Felsbrocken, die uns oft unbemerkt in den Weg gelegt werden und die die in jedem florierenden Unternehmen vorhandene Kreativität behindern.
Die These dieses Buches lautet: Es gibt viele Hindernisse für die Kreativität, und man kann aktive Schritte unternehmen, um den kreativen Prozess zu schützen. Auf den folgenden Seiten werde ich viele unserer Schritte bei Pixar diskutieren, doch am interessantesten finde ich die Mechanismen, die mit Unsicherheit, Labilität, mangelnder Offenheit und dem zu tun haben, was wir nicht sehen können. Ich glaube, die besten Führungskräfte geben dem Raum, was sie nicht wissen, und akzeptieren es – nicht nur weil Bescheidenheit eine Tugend ist, sondern weil die bedeutendsten Durchbrüche erst geschehen können, wenn man diese Haltung eingenommen hat. Ich glaube, dass Manager die Kontrolle lockern müssen und nicht verstärken. Sie müssen das Risiko auf sich nehmen; sie müssen den Menschen vertrauen, mit denen sie zusammenarbeiten, und sich bemühen, ihnen den Weg frei zu machen; und sie müssen immer auf alles achten und sich mit allem beschäftigen, was Ängste hervorruft. Außerdem akzeptieren erfolgreiche Führungskräfte die Tatsache, dass ihre Führungsmodelle falsch oder unvollständig sein könnten. Nur wenn wir das akzeptieren, was wir nicht wissen, haben wir eine Chance, es zu erfahren.
Dieses Buch ist in vier Abschnitte unterteilt – »Der Anfang«, »Der Schutz des Neuen«, »Aufbau und Erhalt« und »Der Praxistest«. Hier geht es nicht um meine Memoiren, doch um die Fehler zu verstehen, die wir gemacht haben, und was wir daraus lernten, muss ich an manchen Stellen in meine eigene Geschichte und die von Pixar eintauchen. Ich kann viel darüber sagen, wie man Gruppen befähigt, gemeinsam etwas Bedeutsames zu schaffen, und sie vor den zerstörerischen Kräften beschützt, die auch in den stärksten Unternehmen lauern. Es ist meine Hoffnung, dass ich durch die Schilderung meiner Suche nach den Quellen von Verirrung und Verwirrung bei Pixar und Disney Animation anderen helfen kann, die Fallstricke zu umgehen, die alle möglichen Unternehmen behindern und manchmal sogar zu Fall bringen. Der Schlüssel für mich – was mich in den 19 Jahren seit dem Debüt von Toy Story immer noch motiviert – war die Erkenntnis, dass die Suche nach diesen zerstörerischen Kräften nicht etwa eine Art philosophischer Übung ist. Es ist eine zentrale, ganz wesentliche Aufgabe. Kurz nach unserem ersten Erfolg war es notwendig, dass die Führung von Pixar wach blieb und aufpasste. Und diese Notwendigkeit, wachsam zu sein, endet nie. In diesem Buch geht es also um die Aufgabe beständiger Wachsamkeit – um Führung durch Selbst-Bewusstsein als Führungskräfte und als Unternehmen. Hier sind die Vorstellungen versammelt, die nach meiner Überzeugung das Beste in uns möglich machen.
TEIL 1
Der Anfang