Impressum:
Herausgeber und Verleger: August Höglinger
Lektorat: Johann Schnellinger, Textservice, Linz
Cover: pixelkinder, www.pixelkinder.com
Coverfoto: © twixx
Copyright © 2010 by August Höglinger, Fröhlerweg 8, A-4040 Linz
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.
Bestellungen an den Verlag:
Dr. August Höglinger, Fröhlerweg 8, A-4040 Linz
Tel.: ++43 (0)732 / 75 75 77
Fax: ++43 (0)732 / 75 75 77-4
E-Mail: office@hoeglinger.net
Internet: http://www.hoeglinger.net
ISBN 978-3-902410-24-5
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Höglinger, August:
Grenzen setzen bei Erwachsenen / August Höglinger. - Linz,
Fröhlerweg 8 : A.
Höglinger, 2002
ISBN 3-9501137-1-1
0101 deutsche buecherei
Impressum:
Herausgeber und Verleger: August Höglinger
Lektorat: Johann Schnellinger, Textservice, Linz
Cover: Projektagentur Weixelbaumer KEG, Landstr. 22, 4020 Linz
Copyright © 2002 by August Höglinger, Fröhlerweg 8, A-4040 Linz
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.
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Dr. August Höglinger, Fröhlerweg 8, A-4040 Linz
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ISBN 3-9501137-1-1
VORWORT
EINLEITUNG
1WOZU GRENZEN SETZEN?
1.1Wem soll dieses Buch nützen?
1.2Was ist eine Grenze?
1.3Grenzen sind ein Teil des Lebens
2WIE ERKENNE ICH MEINE GRENZEN?
2.1Die Übung mit der Grenze
2.2Grenzerfahrungen
2.3Wo sind meine Grenzen – wie finde ich sie?
2.4Welche meiner Grenzen ist erreicht?
2.5Wie erkenne ich die Grenzen anderer?
2.6Wie reagiere ich auf Grenzverletzung und Grenzüberschreitung?
2.7Was ist der Unterschied zwischen Grenzverletzung und Grenzüberschreitung?
2.8Wie überschreite ich eine Grenze richtig, wenn ich sie überschreiten will oder muss?
3WIE VERTEIDIGE ICH MEINE GRENZEN?
3.1Wie stelle ich das Einhalten meiner Grenzen sicher?
3.2Liebevoll Grenzen setzen und NEIN sagen – wie geht das?
3.3Ein großes Revier ist schwer zu verteidigen
3.4Was tun mit Menschen, die Grenzen schwer akzeptieren?
3.5Empfehlungen für Kritikgespräche
3.6Verwarnung: Gelb – Rot
3.7Strafe oder Konsequenz?
3.8Wie vertragen sich Konsequenz und Toleranz?
3.9Grenzverletzungen drängen auf Ausgleich
4GRENZEN FESTLEGEN UND VEREINBAREN
4.1Einmalige und dauerhafte Grenzen vereinbaren
4.2Über die Grenze einladen
4.3JA und NEIN – zwei Schlüsselwörter im Grenzensetzen
4.4Übungen im Kleinen machen den großen Meister
5PARTNERSCHAFT, FAMILIE UND GRENZEN
5.1Meine Fähigkeit zu JA/NEIN ist ein Gradmesser für meine Beziehungsfähigkeit
5.2Grenzen in der Partnerschaft sind notwendig
5.3Männliches und weibliches Verhalten bei Grenzverletzungen
6GRENZEN SETZEN IM BETRIEB
6.1Ordnungen in Unternehmen
6.2Aufgaben in Reviere aufteilen
6.3Aspekte und Empfehlungen für Führungskräfte
6.4Aspekte und Empfehlungen für Mitarbeiter
6.5Kollegen oder Vorgesetzte mit DU oder SIE ansprechen?
6.6Manchmal müssen wir Grenzzäune niederreißen und neu setzen
7ICH MÖCHTE MIT DEM GRENZENSETZEN WIEDER BEGINNEN
GESCHICHTENVERZEICHNIS
LITERATURVERZEICHNIS
Welch zentrale Bedeutung für unsere Lebensqualität der gute Umgang mit Grenzen hat, wurde mir erst bewusst, als ich bemerkte, dass meine eigene Entwicklung wesentlich darin bestand, mich vor Übergriffen zu schützen und meine Grenzen zu erkennen, um sie klar benennen zu können. Als ich entdeckte, wie sehr mich Menschen stören, die mir sagen, was ich „tun muss“, die mich fragen: „Warum hast du nicht?“, als mir klar wurde, wie bei mir eine Neigung zu Gewalt ausgelöst wird durch unerlaubte Überschreitungen meiner Grenzen, begann ich, mich mit diesem Thema professionell zu beschäftigen. Lebensthemen wie Distanz und Nähe, Kontakt, Konflikt, Partnerschaft, Verliebtheit versus Liebe sind immer auch Grenzthemen.
Wer mit eigenen und fremden Grenzen nicht sorgfältig umgeht, beschädigt sich und andere!
Wer es ständig zulässt, dass seine Grenzen überschritten werden, wird fliehen oder krank werden. Wer ständig die Grenzen anderer Menschen missachtet und überschreitet, übt Gewalt aus. Würden wir achtsamer umgehen mit unseren Grenzen, aktiv und passiv, gäbe es mehr Frieden in Familien, Partnerschaften, zwischen Gruppen, Regionen, Religionen und Nationen.
Das Buch mit seinen Beispielen aus allen Lebensbereichen wird Leser sensibler machen und dadurch helfen.
Alfred Preuß
GLÜCK HEISST,
SEINE GRENZEN KENNEN
UND SIE LIEBEN.
In diesem Buch geht es mir wesentlich um die Grenzen und Reviere bei Erwachsenen – einerseits im privaten Umgang miteinander und andererseits im beruflichen Bereich.
Es gibt einige Bücher, die sich mit dem Grenzensetzen gegenüber Kindern beschäftigen, jedoch nur wenige, die das Setzen von Grenzen unter Erwachsenen aufgreifen. Noch weniger behandeln das Thema der Reviere von Erwachsenen. Eine Auswahl dieser Bücher habe ich am Ende des Bandes angeführt.
Alfred Preuß, dem ich für sein Vorwort zu diesem Buch danke, konfrontierte mich in einem gestalttherapeutischen Seminar mit der Übung „Grenzen setzen“. Diese einfache Übung, die später im Buch beschrieben wird, hatte auf mich eine sehr große Wirkung: Mir wurde die elementare Bedeutung von Grenzen und Revieren bewusst. Ich fuhr mit einem Schlüssel von diesem Seminar nach Hause, der mir neue Zugänge zum Verstehen von Situationen ermöglichte. Ich entdeckte nun jede Menge und Arten von Grenzen, die ich bis dahin so nicht wahrgenommen hatte. Auch war ich sensibilisiert für Grenzverletzungen, die ich selbst beging, zufügte oder zuließ.
Die größte Lehrmeisterin im Grenzensetzen war mir meine Frau. Im Gegensatz zu mir konnte sie immer schon gut Grenzen setzen, weil sie das durch ihre Familie gelernt hatte. Es war oft schwierig für meine Frau, mit jemandem wie mir zusammenzuleben, der seine Grenzen nicht kennt, nicht artikuliert und nicht verteidigt.
In der ersten Zeit war ich in Streitigkeiten oft gekränkt, sauer und wusste nicht, warum. Ich konnte nicht klar sagen, was mich störte. Nur durch ihr Verhalten und ihre Konsequenz wurde es mir möglich, Grenzverletzungen und Revieransprüche auf beiden Seiten zu erkennen und damit umzugehen. Es hat Jahre gedauert, bis ich mich bei meiner Frau für ihr Grenzensetzen und das Verletzen meiner Grenzen bedanken konnte. Erst im Nachhinein betrachtet war das für mich ein großes Geschenk.
Es gibt für mich auch als Trainer und Berater einen beruflichen Zugang zum Thema: Nachdem ich einige Jahre Zeitmanagement-Seminare gehalten hatte, besuchte ich Absolventen eines Seminars. Dabei stellte ich fest, dass sie sehr viele Anregungen umgesetzt hatten. Es war jedoch ein durchgängiges Problem zu erkennen. Obwohl sie Zeit gewonnen hatten, arbeiteten sie genauso viel wie eh und je. Was ihnen fehlte, war die Fähigkeit, NEIN zu sagen und in dieser Form Grenzen zu setzen. Ich habe daher in meinem Buch „Zeit haben heißt NEIN sagen“ gerade auf diesen Aspekt einen besonderen Schwerpunkt gelegt. Denn wer nicht NEIN sagen will oder kann, ist auch nicht in der Lage, sein Zeit- und Selbstmanagement zu meistern.
Im Laufe meiner letzten zehn Seminarjahre und meiner Beratungstätigkeit ist mir zunehmend bewusst geworden, wie essenziell das Thema der Grenzen und Reviere für die Zusammenarbeit in Betrieben ist. In Trainings, Coachings und Klausuren hat sich immer wieder gezeigt, wie wenig diese Schlüsselthemen Beachtung finden. Gerade sie sind oftmals Anlass und Nährboden für Ärger oder Konflikte.
Besonders danken möchte ich meinem Freund Mag. Stefan Manigatterer, dem es hervorragend gelungen ist, meine Geschichten und Erzählungen zu Papier zu bringen und sie mit Sprüchen und Ergänzungen anzureichern.
Weiters bedanke ich mich bei allen Menschen, die mit ihren Geschichten einen Beitrag zu diesem Buch geleistet haben.
Ich bedanke mich bei meiner Frau und meiner Familie für das Verständnis und die Zeit, die sie mir gegeben haben, um dieses Buch fertig zu stellen.
Ohne sie alle namentlich anzuführen, bedanke ich mich bei all jenen Helferinnen und Helfern, die durch Korrekturlesen, inhaltliche und gestalterische Ideen sowie andere Anregungen einen wichtigen Beitrag zu diesem Buch geleistet haben.
Ich habe aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit des Texts nur eine Form der Anrede gewählt, und zwar die männliche, weil sie die gängigere ist. Diese steht stellvertretend für beide Geschlechter. Ich bitte alle meine Leserinnen und Leser um ihr Verständnis.
Es soll jenen Lesern helfen, die sich grundsätzlich schwer tun, Grenzen zu setzen und NEIN zu sagen. Vielleicht möchten Sie sich erfolgreich gegen Grenzverletzungen wehren oder einer Verletzungsgeschichte ein Ende setzen.
Das Buch wird auch für jene interessant sein, die sich bisher noch wenig mit Grenzen, dem Grenzensetzen oder dem eigenen Grenzverhalten beschäftigt haben – sei es gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst. Viele Menschen unserer leistungsorientierten Gesellschaft wissen oder spüren nicht mehr, wann es genug ist. Dann ist es der Körper, der die Grenzen setzt.
Es kann auch sein, dass Sie aufgrund Ihrer Führungsverantwortung im Betrieb auf den Schutz oder die Erhaltung von Grenzen und Revieren zu achten haben. Sie werden in dieser Lektüre eine Fülle von wichtigen Erkenntnissen für die Praxis finden.
Das Buch ist schließlich auch für jene gedacht, die eine Persönlichkeit werden wollen, und für jene, die schon Grenzen setzen können und dies zukünftig noch liebevoller tun möchten.
Ich verzichte hier bewusst auf den Versuch einer wissenschaftlichen Definition. Ich vertraue darauf, dass Sie nach der Lektüre dieses Buchs genau wissen werden, was ich darunter verstehe.
Worum es in Wirklichkeit geht, ist zu wissen, welches mein Revier ist, das ich habe oder brauche, um zufrieden mit mir und anderen leben zu können. Und ich muss wissen, welche Reviere und Grenzen andere für sich beanspruchen. Die Außenlinie signalisiert die Grenze eines Reviers. Wo zwei oder mehr Personen in einem größeren Revier zusammenleben oder -arbeiten, werden solche Grenzen zu gemeinsamen Grenzlinien.
Reviere und Grenzen:
Die Klärung von Reviergrößen und der Grenzverlauf sind für das gedeihliche Zusammenleben von zentraler Bedeutung. Revieransprüche und Grenzbedürfnisse sind individuell sehr unterschiedlich. So gibt es beispielsweise Menschen, die klare Grenzen und alles genau geregelt haben wollen, damit sie sich wohl fühlen. Anderen ist es lieber, nur das Notwendigste zu reglementieren.
Revierbedürfnisse und Grenzlinien hängen auch von Themen, Personen und Rahmenbedingungen ab. So ist man in einer bestimmten Situation für manches offener als sonst. Nicht selten suchen z. B. Mitarbeiter so eine günstige Gelegenheit beim Chef, um ein Anliegen durchzubringen.
Viele Revierbedürfnisse und Grenzlinien ändern sich im Laufe der Zeit. Was einem früher wichtig war und wofür man Rechte eingefordert hatte, ist aktuell nicht mehr von solcher Bedeutung. Daher sind Reviere und Grenzziehungen neuen Gegebenheiten anzupassen.
Grenzen sind dazu da, das Leben und die Interessen jedes Menschen und jeder Gruppe zu schützen, d. h. anzuerkennen, dass das Leben – speziell organisches Leben – örtlich, zeitlich und emotional Grenzen besitzt oder benötigt.
So wird beispielsweise eine Paarbeziehung auf Dauer nicht lebbar sein, wenn diese keinen geschützten Rahmen hat, keinen Ort und keine Zeit, in der sie gelebt wird.
Jeder Organismus grenzt sich von seiner Umwelt ab – beginnend bei der einzelnen Körperzelle: Sie tut dies durch eine halb durchlässige Membran. Jede Zelle unterscheidet, was sie durch ihre Membran hindurchlässt und was sie wieder ausscheidet. Dabei bewertet sie, was außerhalb der Zelle für ihre Weiterentwicklung und für ihr Überleben geeignet ist. Nur aus der Sicherheit heraus, die diese Membran vermittelt, kann ein lebendiger Organismus mit einem anderen kooperieren, ohne sich gegenseitig aufzufressen oder ineinander überzugehen.
Bei uns Menschen ist die äußere Membran die Haut, die „innere“ ist durch unser emotionales Empfinden gegeben. Durch sie grenzen wir uns von anderen ab, bzw. wir entscheiden, wie weit wir etwas in uns aufnehmen oder jemanden an uns heranlassen.
Auch im Zusammenleben zeigt sich, wie sehr wir der Natur – im Besonderen dem tierischen Ursprung – verbunden sind: So wie ein Tier sein Revier und ein Leittier seinen Rang verteidigt, haben wir ähnliche Verhaltensweisen, wenn es um Reviere, Machtansprüche und Rangordnungen geht.
Denken Sie nur daran, wie es ist, wenn Sie lange vor einer Kassa Schlange stehen und jemand kommt und sich vordrängt. Es kann sein, dass Sie das zu verhindern wissen und ihm signalisieren, wo das Ende der Warteschlange ist.
Oder Sie bekommen einen jungen Manager als Chef, der gerade sein Universitätsstudium absolviert hat. Er ist noch keine vierzehn Tage im Betrieb und hat wenig Branchenerfahrung. Er kommt zu Ihnen und Ihren erfahrenen Mitarbeitern und sagt, wie zukünftig die Arbeit besser zu machen ist. Wie reagieren Sie und Ihre Kollegen? Werden Sie seine Anweisungen akzeptieren? Nüchtern betrachtet ist er der Chef. Sie haben dessen Anweisungen zu befolgen. Er hat auch die Letztverantwortung. Und dennoch könnte dicke Luft im Raum stehen: So nicht! Was will der junge Spund!? Der soll sich zuerst seine Sporen verdienen!
Wir können unsere Herkunft nicht verleugnen. Wenn das Miteinander gelingen soll, haben wir diese „tierischen“ Wurzeln ernst zu nehmen. Sie sind durch keine intellektuelle Höchstleistung außer Kraft zu setzen. Wir haben sie daher genau zu beachten.
Was geschieht, wenn ein Land die Grenzen eines anderen Landes überschreitet? Grenzverletzung! Der Schritt wird als Missachtung und Angriff des eigenen Reviers gewertet. Das Land wird sich wehren, um seine Rechte kämpfen und zum Gegenangriff übergehen. Kurzum: Es gibt Krieg! Die Wortwurzel von „Krieg“ bedeutet im Ursprünglichen nichts anderes, als dass ich unter Anstrengung oder Kampf etwas erringen möchte. In unserer Umgangssprache kennen wir noch das Wort „kriegen“, etwas bekommen, erhalten wollen (Duden 7, Herkunftswörterbuch).
Überschreiten wir bei einem Mitmenschen die Grenzen, ist es nicht anders. Wenn dessen Grenzen und dessen Reviere verletzt werden, wird sich dieser wahrscheinlich wehren: Es gibt Kleinkrieg!
Ein Leben in Frieden ist für die meisten Menschen ein wichtiges Ziel. Dies ist dann möglich, wenn im Setzen von Grenzen die Rechte, die Interessen und die Würde des Betroffenen berücksichtigt werden.
Im politischen Bereich wird versucht, Grenzen, Interessen und Revieransprüche über nationale und internationale Vereinbarungen zu regeln. Der Weg dorthin ist oft mühselig. Langwierige Verhandlungen, unzählige Sitzungen und diplomatisches Geschick sind notwendig. Innerhalb von Staaten ist es eine unüberschaubare Anzahl rechtlicher Regelungen, die ein zufrieden stellendes Miteinander von Bürgern gewährleisten sollen. Das Bestreben politisch Aktiver in Bund, Ländern und Gemeinden ist im Wesentlichen kein anderes, als zufrieden stellende Grenz- und Revierregelungen zu erreichen.
Und wie ist es im privaten und im beruflichen Bereich? Vieles ist durch Gesetze geregelt – sei es im Streitfall mit dem Nachbarn oder wenn es um Schadensansprüche beim Kauf eines Produkts geht. Im beruflichen Bereich gibt es beispielsweise arbeitsrechtliche Vereinbarungen. Und dennoch finden sich im alltäglichen Miteinander von Menschen viele Orte und Gelegenheiten, die durch allgemeine Regelungen nicht erfasst werden und Anlass für Ärger, Streit und Kleinkriege geben. Um diese Bereiche soll es in diesem Buch gehen:
Was sind Grenzen und typische Grenzverletzungen im Alltag?
Wie soll ich mich bei Grenzverletzungen verhalten?
Wie kann ich Grenzen setzen, verteidigen und haltbare Vereinbarungen treffen?
Die folgende Übung verwende ich in meinen Seminaren. Sie zeigt klar, wie die Teilnehmer mit ihren Grenzen umgehen.
Ich bitte einen Seminarteilnehmer zu mir. Ich nenne diese Person A.
A hat nun die Möglichkeit, sich eine Person B zu suchen, gegen die er die Grenze verteidigt.
Nun wird eine Grenzlinie durch den Raum gelegt. Dafür verwende ich ein Seil oder fixiere eine Linie mit dem Klebeband. A wählt sich nun eines der beiden Reviere, B nimmt die andere Seite in Besitz.
A bekommt den Auftrag, sein Revier zu verteidigen. B soll versuchen, die Grenzlinie zu übertreten und dadurch in das Revier von A einzudringen.
Die Übung ist ohne Worte durchzuführen.
Die häufigsten Reaktionen der Teilnehmer: A zeigt keine Regung, wenn B die Grenze übertritt. Oftmals kann B im Revier von A verbleiben, ohne dass A reagiert. Einige Teilnehmer reagieren auch dann nicht, wenn ich sie auf die Grenzüberschreitung aufmerksam mache. „Grenzen sind für mich nicht so extrem wichtig“, „Mir macht das nichts aus, wenn jemand in mein Revier eindringt“, sind die üblichen Antworten der Seminarteilnehmer.
Andere Teilnehmer sind vom Grenzübertritt überrascht worden. Nachdem die Grenzverletzung geschehen ist, wissen sie jedoch nicht, wie sie damit umgehen sollen, denn: Einerseits darf nicht gesprochen werden (Übungsanweisung) und andererseits verlässt B von sich aus nicht das Revier.
Häufig mangelt es den Betroffenen an geeigneten Techniken und Ideen, den Eindringling aus ihrem Revier hinauszubefördern.
Für andere Teilnehmer ist der erfolgte Grenzübertritt kein Problem. Ganz im Gegenteil, auf meine Frage, warum sie die Revierverletzung akzeptieren, antworten sie: „Ich lasse andere bei mir herein. Dafür leite ich für mich das Recht ab, dies auch bei ihnen tun zu dürfen.“ Sie erwerben sich damit ein Recht auf Revanche.
Erkenntnisse aus der Grenzen-Übung
Viele Menschen nehmen ihre eigenen Grenzen und die Grenzen anderer kaum wahr. Durch diese Übung wird vielen Seminarteilnehmern bewusst, wie wenig sie sich über ihre eigenen Grenzen im Klaren sind.
Viele können ihre Grenzen nicht verteidigen, weil sie diese nicht wirklich kennen.
Der erste Schritt ist, seine Grenzen zu erkennen. Ein Seminarteilnehmer sagte in diesem Zusammenhang: „Wenn ich im Leben meine Mitte finden will, muss ich wissen, wo meine Grenzen sind, und zu diesen vordringen.“
Obwohl in der Übung die Grenze sichtbar ist, fällt es vielen schwer, diese auch zu verteidigen: Sie reagieren zu wenig klar und druckvoll. Sie haben Hemmungen, ihre Grenze auch mit entsprechender (körperlicher) Gegenwehr zu verteidigen.
Nach der Übung tauchen bei vielen Teilnehmern konkrete Situationen aus dem Alltag auf, in denen sie Schwierigkeiten hatten, ihre Grenzen zu verteidigen:
„Ich habe Probleme, mich wirklich abzugrenzen.“
„In Besprechungen traue ich mich nicht, meine Meinung zu sagen, wenn mir etwas gegen den Strich geht.“
„Ich sage oft JA, obwohl ich NEIN meine.“
„Gegenüber meinem Chef ist es mir lieber, JA zu sagen und NEIN zu tun.“
„Ich akzeptiere insgeheim immer wieder die Grenzverletzungen meines Partners, weil ich mich nicht zur Wehr setze. Ich sage zumeist nichts und gehe.“
„Du darfst meine Grenze überschreiten, ich dafür deine.“
Dieses Verhalten ist im Alltag sehr häufig anzutreffen. Dies ist ein nicht ausgesprochener Handel, aus dem ich aufgrund erfolgter Grenzverletzung (Demütigung, Täuschung, Bloßstellung, Vertrauensbruch etc.) nun für mich das Recht auf eine Gegengrenzverletzung ableite, z. B. das Recht auf eine adäquate Entschädigung, Genugtuung oder das Recht auf Vergeltung nach dem Motto „Wie du mir, so ich dir“ oder „Mein Tag wird noch kommen und dann …“.
Manchmal ist es dem Verletzten schwer möglich, die Rechnung mit dem eigentlichen Grenzverletzer zu begleichen (z. B. als Mitarbeiter gegenüber seinem Chef). Hier kann es sein, dass diese Grenzverletzung an andere weitergegeben wird und man die Wut beim Untergebenen, bei Kollegen, beim Ehepartner oder bei den Kindern auslässt.