Inhaltsverzeichnis

Vorwort
MP3-Player
Als Digitalmusik tragbar wurde (1998)
Olympus C-1400L
Wie die digitale Fotoflut den Film überrollte (1998)
Newton
Wie Apple den iPhone-Opa beerdigte (1993)
Siemens P1
Zwei Kilo Handy für 3000 Mark (1991)
Suchmaschine Veronica
Am Anfang war die Liste (1991)
Trojan Room Coffee Cam
Wie eine Kaffeekanne die Welt veränderte (1991)
Photoshop
Satte Farben, scharfe Kurven (1990)
Macintosh Classis
„Mein erster Mac kommt niemals weg“ (1990)
Gameboy
Klötzchen-Alpträume in Graustufen (1989)
Hypercard
Wie Apple beinahe das Web erfand (1987)
Digitaler Mobilfunk
Vom Funk-Knochen bis zum iPhone (1987)
Ur-Netzcommunity The Well
Die Quelle versiegt nie (1985)
Apple Macintosh
Wie Steve Jobs zum Mac kam (1984)
Computervirus Elk Cloner
Der Apfel-Fresser (1982)
CD in Serienfertigung
Die digitale Revolution trug Silber (1982)
C64
Alles begann mit einem Brotkasten (1982)
IBM-PC
Siegeszug der Wenigkönner (1981)
Osborne 1
Der Schlepptop (1981)
Sony Walkman
Bye-bye, Glücklichmacher (1980)
Usenet
Wo die Ureinwohner des Web-Dschungels hausen (1979)
Compuserve Classic
Der älteste Online-Dienst (1979)
„Asteroids"
Erst Wurst, dann Welt retten (1979)
Tabellenkalkulation Visicalc
Excel-Urahnen haben sich verrechnet (1978)
Barcode
Diese 13 Ziffern ordnen die Welt (1977)
Atari 2600
Mit Aliens zum Welterfolg (1977)
Intel 4004
Fast wäre es nur ein Rechenmaschinchen geworden (1971)
Unix
Der Betriebssystem-Opa (1969)
Elektro-Addierer
Der erste Taschenrechner wog 1,5 Kilo (1967)
Geldautomat
Als Bargeld-Spender noch Öffnungszeiten hatten (1967)
Euro-Transistor
Deutschlands vergessene Chip-Großväter (1948)
Drahtloser Telegraf
Drahtlos ratlos (1903)
Dampfschiff Turbinia
Der Dampfhammer (1897)
Impressum
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Vorwort

1992, als der digitale Mobilfunk in Deutschland startete, verstand man unter „tragbar“ etwas ganz anderes als heute: Als Mobiltelefon für unterwegs wurde damals das Siemens-Handy P1 portable beworben. Das Gerät wog 2,2 Kilo und kostete 3259 D-Mark (umgerechnet 1666 Euro). 
So leicht es fällt, über diese Spezifikationen zu lächeln – diese D-Netz-Handys waren wie viele Pioniergeräte wirklich ein Meilenstein. Die Technik des Siemens P1 und anderer D-Netz-Geräte hatte aber die wesentlichen Eigenschaften, die heutige Mobiltelefone so erfolgreich machen: Ein digitaler Mobilfunkstandard in ganz Europa bedeutete 1991, dass man erstmals jenseits der deutschen Grenze weitertelefonieren konnte. Und viel wichtiger: Da es nun keine Sondergeräte mehr für jedes Land gab, machten sich die Hardware-Hersteller mehr Konkurrenz, das Innovationstempo zog an. 
So ähnlich ist es mit vielen technischen Neuerungen: Der erste Laptop war 1981 schon ein mobiles Arbeitsgerät (er passte unter den Flugzeugsitz). Apples iPhone-Vorvorgänger Newton war 1993 der erste echte digitale Lebensbegleiter (er erkannte - irgendwann -  die Handschrift der Besitzer). Allerdings war der Newton auch ein Flop – manchmal sind echte Neuerungen einfach zu früh dran. An die Flops und an die Erfolge erinnert die SPIEGEL ONLINE Serie Yestertech, sie würdigt, was einmal Zukunft war.
Konrad Lischka
SPIEGEL ONLINE vom 12.3.2008
1998: MP3-PLAYER

Als Digitalmusik tragbar wurde

Seit einem Jahrzehnt ist MP3-Musik mobil. Die Befreiung aus den PC-Festplatten sorgte dafür, dass das Format heute als Standard für digitale Musik gilt. Eines der ersten Abspielgeräte kam aus Deutschland. Von Matthias Kremp
Revolutionen kommen meist von unten, so auch beim ersten MP3-Player. Nicht etwa eines der Hightech-Dickschiffe Sony, Philips oder Yamaha kam auf die Idee, das Ende des Jahrtausends boomende MP3-Format mobilzumachen. Es waren weithin unbekannte Unternehmen, die das Walkman-Prinzip in die digitale Welt wuchteten. Den Gewinn streichen heute ganz andere Firmen ein.
Wie so oft haben sich deutsche Entwickler die Show stehlen lassen. Bereits 1997 war die Firma Pontis aus Schwarzenfeld in der Oberpfalz soweit, hatte den funktionsfähigen Prototyp eines tragbaren MP3-Players fertiggestellt. Unterstützung kam von Siemens. Die Ingenieure des Technikkonzerns hatten gerade die MMC, die Multimedia Card, entwickelt, eine flache Speicherkarte, die damals bis zu 16 Megabyte Daten fassen konnte, den Vorgänger der heute beliebten SD-Karten.
Bis zur Markteinführung ließen sich die Deutschen aber zu viel Zeit, wurden vom südkoreanischen Saehan-Konzern überrundet. Im März 1998 präsentierte Saehan auf der Cebit stolz den MPMan F10, den ersten tragbaren MP3-Player der Welt - ein heute fast vergessenes Gerät.
Tatsächlich kam der MPMan wenig später zu einem Preis von knapp 500 Dollar in den Handel. Zunächst nur in Südkorea, später unter Lizenz auch in Großbritannien und den USA, schließlich landete er als Schneider MPMan F10 auch in Deutschland. Sei größter Vorteil: In seinen 64-Megabyte-Speicher passte mehr als eine Stunde MP3-Musik.
 

Speicherplatz für vier bis fünf Songs

Pontis hingegen konnte erst im Dezember 1998 Seriengeräte liefern. 430 Mark kostete das MPlayer3 genannte Gerät, als es endlich lieferbar war. Ausgerüstet mit zwei jeweils acht Megabyte großen Multimedia Cards bot er Anfangs viel weniger Platz als der Konkurrent aus Asien. MP3-Dateien brauchen in der Standardqualität mit 128 Kb/s (Kilobit pro Sekunde) rund ein Megabyte Platz pro Minute Spielzeit. Dennoch war der Enthusiasmus groß: „Damit können Sie sogar Bungeejumping machen“, schwärmte der damalige Pontis-Vertriebsleiter Andreas Keul in der „Woche“.
Als Argument für ihr Produkt konnten die Pfälzer verbuchen, dass ihre Player als einzige Modelle auch von Macs und Linux-PCs aus mit Musik befüllbar waren. Vor allem aber bejubelte man seinerzeit, dass die digitalen Abspieler gänzlich ohne bewegliche Teile auskamen, also vollkommen unempfindlich gegen Stöße waren.
 

Plattenbosse versuchten, Widerstand zu leisten

Den Plattenbossen waren die neuen MP3-Abspieler schon damals ein Dorn im Auge. Der damalige Geschäftsführer des Bundesverbands der Phonographischen Wirtschaft, Peter Zombik, war „extrem unglücklich darüber, dass die Player einer zunehmenden Netzpiraterie Vorschub leisten“.
Die US-Plattenfirmenorganisation RIAA versuchte gar, die Auslieferung des MPMan und des Rio PMP300 gerichtlich verbieten zu lassen. Man könne nicht glauben, „dass ein solches Gerät ohne Copyright-Verletzungen überhaupt existieren kann“, lautete das dürftige Argument damals. Die Richter ließen sich davon nicht überzeugen.
Der Rio PMP300 von Diamond-Multimedia wurde in den USA sofort zum Erfolg. Rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft in den Handel eingeführt, verkaufte sich der Player so gut, dass es sogar zu Lieferengpässen kam.
 

Die Rio-Legende

Wie gut das Marketing für den Rio damals funktionierte, kann man auch daran ablesen, dass eine große Hamburger Tageszeitung seinerzeit meldete, Diamond Multimedia brächte den „ersten digitalen Walkman“ auf den Markt. Tatsächlich wurde der Rio so populär, dass er bis heute vielfach als erster mobiler MP3-Player bezeichnet wird.
Auf den MP3-Zug versuchten etliche Unternehmen aufzuspringen. Sogar Chiphersteller Intel stellte ein MP3-Gerät mit der Bezeichnung Pocket Concert Audio vor. 128 Megabyte Speicher sollte der Intel-Player mitbringen. Damit wollte der Konzern Anfang 2001 eine neue Marke setzen. Schließlich galten bis dahin 64 Megabyte, wie sie etwa der Nomad von Creative Labs anbot, als üppig. Üppig war allerdings auch der Preis: 800 Mark wollte Intel für seinen MP3-Erstling haben.
 

1000 Mark für den 1000-Song-iPod

Daraus wurde nichts und der Player verschwand schnell wieder von der Bildfläche. Stattdessen stellte ein Computerunternehmen, mit dem niemand gerechnet hatte, im Oktober 2001 ein Gerät vor, das in den kommenden Jahren zum Inbegriff des MP3-Players werden sollte: den iPod. Mit fünf Gigabyte Speicher ließ der weiße Musikabspieler die Konkurrenz locker hinter sich.
Und das in jeder Hinsicht, auch beim Preis. Rund 1000 Mark kostete der Apple-Player bei seiner Einführung, war also ein echter Luxusartikel. Und nicht nur das: In den ersten Jahren gab es Apples iTunes-Software, unerlässlich im Umgang mit dem iPod, nur für die hauseigenen Macintosh-Computer. Da deren Marktanteil sich im kleinen einstelligen Prozentbereich bewegte, war die potentielle Zielgruppe naturgemäß recht klein.
 

Rosige Aussichten für die „Walkmen der Zukunft“

Trotzdem wurde der iPod schnell zur Hightech-Ikone stilisiert. Apple selbst bezeichnete ihn ganz unbescheiden als „Walkman des 21-sten Jahrhunderts“, das Wirtschaftsmagazin „Fortune“ verglich seinen Einfluss mit Sonys erstem tragbaren Transistorradio von 1958. Doch der echte Durchbruch kam erst, als das Unternehmen im Herbst 2003 eine iTunes-Version für Windows herausbrachte, den iPod so endlich Windows-kompatibel machte. Seither hat sich Apple zum weltweit führenden Hersteller von MP3-Playern entwickelt. Mehr als 100 Millionen iPods hat das Unternehmen seit 2001 verkauft.
Und auch die Zukunft scheint für die Hersteller von MP3-Playern rosig auszusehen. Das legt eine Studie des kalifornischen Marktforschungsunternehmens iSuppli nahe. Das hat prognostiziert, dass 2009 über 130 Millionen MP3-Player über die Ladentheken gehen werden.
Die Entwickler der ersten MP3-Player werden von diesem Boom freilich nicht mehr profitieren können. Saehan hat sich längst aus dem Geschäft mit MP3-Playern zurückgezogen. Die deutschen MP3-Pioniere von Pontis erlitten gar kompletten Schiffbruch, wurden von einem Hersteller für Highend-Audio-Produkte übernommen. Der allerdings bleibt ganz der Tradition des Unternehmens verhaftet und bietet heute unter der Domain pontis.de Audio-Server für Hifi-Fans an. Und für die gibt es sogar einen Preload-Service, der die CD-Sammlung der Kunden als Digitaldateien auf die Festplatte des Hifi-Servers überspielt - auf Wunsch auch als MP3.
SPIEGEL ONLINE vom 15.12.2009
1998: OLYMPUS C-1400L

Wie die digitale Fotoflut den Film überrollte

Zur Jahrtausendwende hielt die Industrie Digitalkameras noch für ein Profiprodukt. Heute ist fast jedes Handy damit ausgestattet - und die ehemals dominante Analogfotografie fristet ein Nischendasein. SPIEGEL ONLINE blickt zurück auf die elektronische Bilderrevolution. Von Konrad Lischka
Es war ein großartiges Angebot: Eine Digitalkamera mit 1,4 Megapixeln Auflösung und Dreifach-Zoom - für nur 999 Mark. Die Olympus C-1400L war meine erste Digitalkamera, gekauft kurz nach Weinachten 1998, als der Mediamarkt den Preis senkte. Olympus hatte damals zur Photokina das Nachfolgemodell C-1400XL angekündigt. Diese Kamera konnte im Serienbildmodus drei Aufnahmen pro Sekunde speichern, kostete dann aber auch knapp 2000 Mark.
Zehn Jahre später speichert jedes Handy Fotos in höherer Auflösung. Da fällt es leicht, rückblickend über die unglaublichen Preise zu lächeln, die man damals für vermeintlich rudimentäre Technik gezahlt hat. Wer so denkt, übersieht allerdings leicht, warum Menschen auf neue Technik umsteigen und ganze Branchen sich in wenigen Jahren völlig neu erfinden oder untergehen müssen. Die digitale Fotorevolution in der vergangenen Dekade ist sinnbildlich dafür.
Denn so schlecht die Auflösung und Abbildungsleistung meiner Olympus im Vergleich zu Analogkameras auch war, die Digitalknipse löste zwei Probleme, die man heute nur mit etwas Mühe nachvollziehen kann: Ich fotografierte damals am Wochenende viel für Lokalzeitungen. Die „taz“-Ruhr hatte kein Fotolabor, wenn die Fotos zum Scannen rechtzeitig entwickelt sein sollten, mussten sie vor Ort im Minilab entwickelt werden. Das war teuer, am Sonntag geschlossen und montags musste ich die Filme vorbeibringen und die Abzüge später abholen. Abgesehen davon, dass mir das zu umständlich war, konnte ich nie ganz sicher sein, wie brauchbar die Aufnahmen waren und was zum Text passte.
 

Digitalkameras? Brauchen doch nur Profis!

Die Digitalfotos waren nicht besser, aber sofort verfügbar. Ich konnte vor Ort die Aufnahmen prüfen, gegebenenfalls neue machen, beim Schreiben zu Hause als Gedächtnisstütze nutzen, sie ohne Scanner bearbeiten und per E-Mail versenden. Fotografieren wurde über Nacht von einem mehrstufigen Gehader zu einem sehr schnellen und direkten Ausdrucksmittel.
„Klar, für bestimmte Nischenanwendungen ist die Digitalknipserei toll - aber wer will das schon in der Freizeit? Die Menschen lieben doch das Gefühl von Papierabzügen, das ist seit Jahren gelernt, niemand gibt Unsummen für neue Kameras und Computer aus, nur um aus dem Urlaub ein paar Fotos mitzubringen, die man gleich am Computerschirm betrachten kann.“ So etwas las man vor der Jahrtausendwende ziemlich oft. Das haben sich damals weniger die Kamerahersteller, aber alle Filmproduzenten und Fotogroßlabore gedacht. Es klang ganz einleuchtend - ähnlich wie das Gerede über die digitalen Bücher heute.
 

Digitale Spiegelreflex für 30.000 Mark

Es stimmte allerdings nicht. Ich habe sofort angefangen, auch privat mit der Digitalkamera zu fotografieren, weil es so schnell und befreiend war. Ich war nur wenige Jahre schneller als die Masse der Freizeitknipser. Wie schnell das vermeintliche Profiprodukt Digitalfotografie dann zum Massengut wurde, illustrieren diese Zahlen:
2002 verkauften die japanischen Kamerahersteller weltweit mehr digitale (24,55 Millionen) als analoge (23,66 Millionen) Kameras;2004 wurden in Deutschland gut sieben Millionen Digital-, aber nur 1,3 Millionen filmbasierte Kameras verkauft;2006 besaßen 47 Prozent der deutschen Haushalte eine digitale Kompaktkamera.
Betrachtet man allein die Kameraverkaufszahlen, war der Wandel von der Analog- zur Digitalchemie gar nicht so schmerzhaft - ein paar neue Anbieter wie der Elektronikriese Sony kamen dazu, die Verkaufszahlen verschoben sich von Analog zu Digital. Die Menschen knipsten einfach digital weiter, mehr als je zuvor, wenn die Zahlen des Photoindustrie-Verbandes stimmen. Zur Photokina 2006 erklärte der Verband, die Menschen würden digital mehr fotografieren - im Durchschnitt 500 Aufnahmen pro Jahr, doppelt so viel wie noch wenige Jahren zuvor.
 

Immer mehr Aufnahmen, immer weniger Abzüge

Nur ließen sich nicht alle Geschäftsmodelle aus dem analogen ins digitale Zeitalter übertragen. Eines davon war das der Fotogroßlabore: Die Menschen fotografierten mehr, entwickelten aber immer weniger Aufnahmen. Im Jahresabschluss der Fujicolor-Fotogroßlabore fürs Geschäftsjahr 2007 heißt es über den deutschen Markt: „Der gesamte Bildermarkt sank somit von 4 Milliarden Bildern in 2006 auf 3,6 Milliarden Bilder im Jahre 2007.“ Die Hälfte dieser entwickelten Bilder wurde 2007 auf Film, die andere als Datei aufgezeichnet.
Während die Zahl der Digitalabzüge nicht so schnell wuchs wie die der Analogabzüge abnahm, kamen viele neue Produkte und Konkurrenten dazu: Fotobücher, per Laser auf Fotopapier belichtete Digitalvorlagen, die auf Alu-Trägerplatte kaschiert werden, Leinwanddrucke, Kalender. Es gibt heute viel mehr Möglichkeiten, Digitalfotos auf Papier zu bringen, als vor zehn Jahren.
Die Entwicklung könnte vielleicht ein Lehrstück für andere Branchen sein, die heute noch mit analogen Trägermedien arbeiten: Die meisten der großen Hardware-Hersteller haben den Digitalwechsel in der Fotobranche überstanden, ein Problem hatten Dienstleister, die sich nicht schnell genug dem neuen Kundenverhalten anpassten. Fotobücher, Kalender, Lambda-Prints - der Markt hat sich aufgefächert und es ist für große Unternehmen immer schwieriger geworden, auf die Entwicklungen zu reagieren und mit den seit Jahrzehnten auf einen Massenmarkt ausgerichteten Firmenstrukturen genügend Geld zu verdienen. Polaroid schloss 2008 seine letzte Filmfabrik, der Insolvenzverwalter verscherbelte 2006 bei Ebay die Reste von AgfaPhoto.
Dabei ist es gar nicht so, dass niemand mehr auf Film fotografiert. Im Gegenteil: Eine sehr aktive, kaufkräftige und junge Gemeinde arbeitet mit gebrauchten Kameraklassikern und Analogkameras wie der Holga und LC-A (die Lomo-Firma hat gerade eine Galerie in Berlin eröffnet) - und eben auch mit Polaroid-Kameras, weil Analogfotos einen ganz eigenen Retrocharme haben. Für Konzerne, wie Polaroid es einst war, sind diese Nischenmärkte allerdings wenig interessant. Die Umsätze sind klein, da können die Gewinnmargen noch so verlockend sein.
 

Filmkorn per Software

Vor zehn Jahren war die Unmittelbarkeit der Digitalfotografie befreiend, heute stört viele Freizeitfotografen die Flur uniformer Digitalbilder im Netz. Bei Tageslicht liefert jede digitale Kompaktknipse im Automatikmodus technisch ordentliche Bilder - durchgehende Schärfe, keine Überbelichtung, natürliche Farben, kein übermäßig hoher Kontrastumfang. Aus dieser perfekten Gleichförmigkeit stechen Analogaufnahmen mit sichtbarem Filmkorn und knalligen Farben heraus. Eine kleine Industrie bedient den Analog- und Retromarkt: Polaroid-Fans basteln am Comeback des Sofortbildfilms, die Lomographische AG aus Wien verkauft seit Jahren neue Analogkameras nach sowjetischer Bauart - mit deutlich zweistelligem Zuwachsraten 2007 und 2008. Mit 16 Millionen Euro Umsatz rechnen die Kameraverkäufer 2009.
Es gibt sogar Spezial-Software, die Digitalaufnahmen Filmeigenschaften verleihen soll. Menschen verwenden viel Geld und Zeit darauf, Pixel mit Filmkorn zu verschönern - eine schöne Liebeserklärung eigentlich.
SPIEGEL ONLINE vom 5.8.2008
1993: NEWTON

Wie Apple den iPhone-Opa beerdigte

Ein winziger Überall-Computer mit berührungsempfindlichen Bildschirm - klingt nach iPhone. Doch die Idee ist 15 Jahre alt. In Jahr 1993 präsentierte Apple stolz seinen PDA Newton. Das Gerät sollte die IT-Welt verändern, floppte aber nach üblen Technik-Pannen. Von Konrad Lischka
Tom Clancy war da, Tom Selleck auch - und ein paar Hundert aufgeregte IT-Manager, Reporter und Apple-Mitarbeiter: Vor 15 Jahren stellte Apple-Boss John Sculley in Boston den Urahnen des iPhones vor. Er hielt auf der Bühne ein schwarzes Plastikkästchen in Taschenkalendergröße über seinen Kopf und verkündete: „Newton ist hier!“ Das Zeitalter des PDA, des „persönlichen digitalen Assistenten“, hatte begonnnen. Zumindest stellte Apple sich das damals so vor.
Das Tamtam war enorm: Der Newton werde das „digitale Zeitalter definieren“, ließ sich Apple-Boss John Sculley damals zitieren. Fünf Jahre lang habe man bei Apple am Newton gearbeitet, beteiligt waren Star-Entwickler, die zuvor für Unternehmen wie Hewlett-Packard tätig gewesen waren. Das Ergebnis, so Sculley: „eine Revolution für die Jackentasche“.
 

Der Überall-Computer war zu dick

Ein Problem dabei: Die Jackentasche, in die ein Original-Newton passt, muss ziemlich geräumig sein. Denn Apples Möchtegern-Überall-Computer Newton war ein echter Klops: fast 19 Zentimeter hoch und zwei Zentimeter dick, gut 11 Zentimeter breit und 400 Gramm schwer.
Das Gerät sollte immerhin 250 Adressbuch- und 500 Kalendereinträge speichern, außerdem 200 Notizen. Das Beste: Was immer ein Newton-Nutzer notieren will, schreibt er einfach wie auf einem Blatt Papier in ganz normaler Handschrift auf den Newton, das Gerät erkennt die Handschrift und digitalisiert die Notizen.
So hätte der Newton zumindest funktionieren sollen. Ein Reporter des US-Magazins „Home Office Computing“ berichtete allerdings damals von der großen Newton-Show: „Ich konnte ein Vorführgerät erst nach fünf Minuten dazu bringen, das Wort Apple zu erkennen.“
 

Pannenstart: Der Newton versteht die Nutzer nicht