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Alle Abbildungen aus dem Archiv der Autorin, außer:

Süddeutsche Zeitung Photo: 1 (Rue des Archives), 2 (S.M.), 3, 14, 17 (dpa); Faber, Elmar, Leipzig: 8, 10; Astier, Christophe d’, Paris/Foto: 13; Allilujewa, Swetlana: 15, 16, 18, 21, 22

Komplett überarbeitete und ergänzte Neuausgabe des gleichnamigen 2004 in der Verlagsgruppe Lübbe GmbH und Co. KG erschienenen Titels

© für die Originalausgabe und das eBook:

2013 F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Schutzumschlag: Wolfgang Heinzel

Umschlagmotiv: Laski Diffusion/Getty Images;

eBook-Produktion: VerlagsService Dr. Helmut Neuberger & Karl Schaumann GmbH, Heimstetten

ISBN 978-3-7766-8164-2

www.herbig-verlag.de

Vor der Vergangenheit kann man nicht fliehen,

aber auch nicht zu ihr zurückkehren.

Der Exildichter Aleksander Sinowjew an Swetlana

Inhalt

Der Tod des Vaters

Swetlanas Mutter Nadeschda

Der Tod der Mutter

Vater und Tochter sind ein Herz und eine Seele

Die erste und tragische Liebe

Swetlanas Ehemänner in Russland

Swetlanas Freunde und Familie

Stalins Terror gegen die eigene Familie

Jahre der Selbstbefreiung

Die Reise nach Indien

Zwischenaufenthalt in Europa

Die Neue Welt – Amerika

Die Schriftstellerin Swetlana Allilujewa

Der amerikanische Ehemann Wesley W. Peters

Meine Tochter ist so amerikanisch wie Apple-Pie

Die Rückkehr der verlorenen Tochter

Swetlana Allilujewa, die Weltbürgerin

Ein Blick zurück

Anhang

Danksagung

Literaturverzeichnis

Der Tod des Vaters

Siebenundzwanzig Jahre lang war ich Zeuge der geistigen Zerstörung meines eigenen Vaters und beobachtete Tag für Tag, wie ihn alles Menschliche verließ und er immer mehr zu einem finsteren Monument seiner selbst wurde.[1]

»Das Sterben des Vaters war furchtbar und schwer, und es war das erste und bisher einzige, das ich miterlebte.«[2] Es ist sicher bezeichnend, wenn eine Tochter das erste Kapitel ihres ersten Buches »Zwanzig Briefe an einen Freund« ganz ihrem Vater widmet, nicht dem lebenden Vater, sondern dem sterbenden. Zehn Jahre nach dem einschneidenden Erlebnis schaute Stalins Tochter zurück auf jene Märztage des Jahres 1953. Sie hatte seit Langem gewusst, dass ihr Vater durch eine Arteriosklerose gefährlich geschwächt war. Im Dezember 1952 sprach die ganze Stadt Moskau schon von einer ernsthaften Erkrankung Stalins. Am 21. Dezember wurde Stalins 73. Geburtstag auf seiner Datscha in Kunzewo gefeiert. Molotow und Mikoyan hatten die letzten 30 Geburtstage mit Stalin gefeiert und Swetlana war auch anwesend. Stalin war ruhig und freundlich, hatte aber Atemprobleme, die sich schnell verschlechterten und über die seine Tochter nicht informiert wurde. Swetlana versuchte verzweifelt, wenigstens telefonisch aus der Datscha in Kunzewo etwas über seinen Gesundheitszustand zu erfahren. Aber alle Anrufe wurden von der Geheimpolizei unterbrochen. Offiziell verlautete, dass Stalin in der Nacht vom 1. auf den 2. März »eine Gehirnblutung erlitten« habe.

Stalins Entourage entschloss sich endlich am 2. März, sie zum sterbenden Vater nach Kunzewo kommen zu lassen. Man holte sie aus dem Französischunterricht in der Akademie. In Kunzewo angekommen, traf sie Bulganin[3], Malenkow[4] und den weinenden Chruschtschow[5]. Sie wurde zu ihrem Vater gebracht, der auf dem Diwan lag, auf dem er für gewöhnlich schlief. Einer der diensthabenden Mitarbeiter hatte ihren Vater um drei Uhr in der Früh ohnmächtig am Boden liegend gefunden. Als Swetlana ankam, herrschte im Sterbezimmer eine schreckliche Betriebsamkeit von Ärzten und Krankenschwestern, die sich um ihren Vater bemühten, doch die Tochter fühlte längst, dass für ihn nichts mehr getan werden konnte. Selbst ein rasch herbeigebrachtes Beatmungsgerät wurde nicht mehr gebraucht. Stalins Schlaganfall war zu schwer gewesen, sein Sprachvermögen war zerstört und die rechte Körperhälfte gelähmt.

Swetlana stand an seinem Bett und hielt seine Hand. Ob der Vater sie erkannte? Sie hoffte es, denn seine Augen waren noch lebendig. Sie schrieb über diesen Moment: »Und zugleich blickte ich auf dieses schöne, ruhige, ja sogar traurige Gesicht (…) und es zerriss mir das Herz vor Leid. Ich fühlte, dass ich eine ganz und gar untaugliche Tochter, dass ich nie eine gute Tochter gewesen war, dass ich zu Hause wie ein fremder Mensch gelebt und dieser einsamen Seele, diesem alten, kranken, von allen abgelehnten, einsam auf seinem Olymp lebenden Manne nie die geringste Hilfe geschenkt hatte, der doch immerhin mein Vater war und mich geliebt hatte, so gut er es vermochte, dem ich nicht nur und ausschließlich Böses, sondern auch Gutes zu verdanken hatte.«[6]

In den vorangegangenen zwölf Stunden war Stalin das Atmen bereits immer schwerer gefallen. Sein Gesicht hatte sich verfärbt, seine Züge waren verzerrt. In den letzten zwei Stunden seines Lebens kämpfte er mit dem Ersticken. In Swetlanas Worten: »Die Agonie war entsetzlich, sie erwürgte ihn vor aller Augen. In einem dieser Augenblicke – ich weiß nicht, ob es wirklich so war, aber mir schien es jedenfalls so –, offenbar in der letzten Minute öffnete er plötzlich die Augen und ließ seinen Blick über alle Umstehenden schweifen. Es war ein furchtbarer Blick, halb wahnsinnig, halb zornig, voll Entsetzen vor dem Tode und den unbekannten Gesichtern der Ärzte, die sich über ihn beugten – dieser Blick ging im Bruchteil einer Sekunde über alle hin, und da – es war unfasslich und entsetzlich (…), da hob er plötzlich die linke Hand (die noch beweglich war) und wies mit ihr nach oben, drohte uns allen. Die Geste war unverständlich, aber drohend, und es blieb unbekannt, worauf oder auf wen sie sich bezog (…). Im nächsten Augenblick riss sich die Seele nach einer letzten Anstrengung vom Körper los.«[7] Es war 21.50 Uhr am Abend des 5. März 1953.

Kurz vorher war auch Stalins Sohn Wassilij geholt worden. Er setzte sich erst einmal in die große Halle, dann ging er in die Diensträume des Vaters, soff sich weiter zu und schrie betrunken, dass man den Vater töten wolle. Irgendwann fiel er auf ein Sofa und schlief ein. Das Sterben des Vaters erschütterte ihn. Er verstand, dass die Welt, ohne die er nicht existieren konnte, gerade unterging.[8]

In den letzten Minuten des Sterbens war erneut Berija[9] ins Zimmer gekommen. Er wagte es, auf Stalins Tochter zu deuten und anzuordnen: »Führt Swetlana hinaus!« Doch wer sollte dies tun und warum sollte sie hinausgeführt werden? Dieser »entsetzliche Mann« trieb Swetlana die Wut ins Gesicht. Sie nannte ihn »ein modernes Prachtstück von einem verschlagenen Höfling, die Verkörperung östlicher Hinterlist, Schmeichelei, Heuchelei, die sogar meinen Vater betörte, den man sonst nur sehr schwer täuschen konnte«.[10] Berija führte sich auf wie der Kronprinz eines gigantischen Imperiums, der nun über das Leben der anderen allein zu bestimmen hatte. Er konnte den letzten Atemzug Stalins kaum erwarten, als er frohlockte: »Ich habe ihn beseitigt! Das größte Genie der Wissenschaft, ha!«[11] Dann sprang er als Erster auf den Korridor hinaus und rief nach seinem Fahrer. Dmitri Wolkogonow vermutet, dass Berija deshalb auf dem schnellsten Weg zum Kreml fuhr, damit er die Dokumente aus Stalins Safe beseitigen konnte, die irgendetwas Negatives über ihn enthielten.[12]

Allmählich lösten sich die anderen Regierungsmitglieder vom Sterbebett in der Datscha. Sie mussten zum Zentralkomitee, wo alle auf Nachricht warteten und die Nachfolgerfrage zu lösen war. Die Sitzung des ZK – von 1952 bis 1966 hieß es Politbüro – leitete Malenkow, der Vorsitzender des Ministerrats wurde. Seine Stellvertreter wurden Berija, Molotow[13], Bulganin und Kaganowitsch[14]. Molotow, der dieses Amt 1949 hatte abgeben müssen, wurde von Neuem Außenminister und Bulganin Verteidigungsminister.

Swetlana wollte bei ihrem toten Vater bleiben. Sie erlebte, wie die Dienerschaft zum letzten Gruß kam und um den »Voschd« weinte. Die ebenfalls weinende Krankenschwester verabreichte auf Wunsch Baldriantropfen. Nur eine konnte nicht weinen, das war Swetlana. Sie war wie versteinert, starrte vor sich hin, hatte aber nicht die Kraft, aus dem Zimmer zu gehen. Als Nächste wurde die Haushälterin Valentina Wassiljewna Istomina an Stalins Sterbebett vorgelassen. Sie hatte ihm 18 Jahre gedient und kannte ihn besser als alle anderen. Sie brach zusammen, ließ den Kopf auf die Brust des Toten sinken und weinte und klagte laut, wie dies die Bäuerinnen auf dem Land tun.

Gegen Morgen wurde der Leichnam zur Obduktion und Einbalsamierung abgeholt.[15] Nun befielen Swetlana ein nervöses Zittern und ein Schüttelfrost. Die Leichenträger legten Stalin auf die Bahre. Zum ersten Mal sah sie ihren Vater nackt. Sie fand den Körper schön, gar nicht greisenhaft. Als man den Leichnam zu einem weißen Auto brachte, stand Swetlana zitternd vor Kälte an der Tür. Bulganin legte ihr einen Mantel um. Sie barg ihr Gesicht an Nikolaj Aleksandrowitschs Brust, und nun endlich konnte sie weinen.

Gegen fünf Uhr morgens gab es in der Küche der Datscha etwas zu essen und man zwang die Trauernde, ein paar Bissen zu sich zu nehmen, denn sie hatte seit ihrem Eintreffen in Kunzewo nichts mehr gegessen.

»Eines Morgens«, erinnerte sich Swetlanas Sohn Josef, »sagte mir meine Mutter, dass mein Großvater sehr krank sei. Ihr Gesicht war weiß, sie wirkte bestürzt, müde und sie war die nächsten zwei Tage ganz weg und wir sahen sie überhaupt nicht. Als sie wiederkam, sagte sie nur, dass alles vorbei sei und Großvater nicht mehr lebe. Sie sprach oft mit uns über den Großvater, über ihre ganz persönlichen Erinnerungen und ihre Gefühle.«[16]

Die Öffentlichkeit erfuhr vom Tod des Diktators erst nach mehreren Stunden. Um 4.03 Uhr in der Frühe meldete nach einem Trommelwirbel die Stimme des Nachrichtensprechers: »Das Herz des Waffengefährten und genialen Fortführers von Lenins Werk, des weisen Leiters und Lehrers der Kommunistischen Partei und der Sowjetunion, hat den letzten Schlag getan.« Etwas später wurde der Text des ärztlichen Bulletins verlesen. In der Zwischenzeit einigten sich die Diadochen auf ein vorläufiges Machtarrangement. Und um 23.30 Uhr desselben Tages erfuhren die Menschen in der Sowjetunion, wer das Rennen um die neue Regierung gewonnen hatte.

Elf Stunden nach der ersten Meldung von Stalins Tod, um 15.00 Uhr nachmittags, verließ ein möbelwagenähnliches blaues Vehikel, das dem Moskauer Gesundheitsamt gehörte, den Kreml durch das Spasskij-Tor und fuhr zur Säulenhalle des Moskauer Gewerkschaftshauses, die bereits schwarz verhüllt war. Dorthin begaben sich ein paar Minuten später auch die neuen Herrscher, um den Mann, dem sie ihre Machtstellung verdankten, die letzte Ehre zu erweisen. In einem mit Satin ausgeschlagenen Sarg, halb verborgen unter Bergen von wächsernen Blumen, lag Stalin in seiner Generalissimus-Uniform mit Orden und Auszeichnungen geschmückt. Swetlana und ihr 34 Jahre alter betrunkener und krakeelender Bruder Wassilij traten an den Sarg. Swetlana beugte sich über den Sarg und küsste den toten Vater, Wassilij dagegen schaffte es lediglich, sich zu einer kurzen Habachtstellung durchzuringen, um dann unüberhörbar lallend zu schimpfen, dass man seinen Vater vergiftet habe.

Der Leichnam blieb drei Tage aufgebahrt, damit das Volk sich von seinem geliebten Führer verabschieden konnte. Eine unübersehbare Menge defilierte am Sarg vorbei, die Menschen weinten und legten Blumen nieder. Mehr als ein flüchtiger Blick war nicht gestattet, denn es hatten sich kilometerlange Schlangen vor der Säulenhalle gebildet.

Am 9. März fand die Trauerfeier statt. Chruschtschow war zum Präsidenten des Bestattungskomitees gewählt worden. Drei Ansprachen wurden gehalten, die Filmkameras surrten, ein Streichorchester spielte Trauermusik. Der Sarg wurde auf den Schultern von neun Männern aus der Säulenhalle getragen. Es waren die acht neuen Machthaber und Wassilij Stalin, dem man einen kurzen Auftritt bei der Leichenfeier gestattet hatte. Swetlana hatte ihren Sohn Josef und ihre Nichte Galja an ihrer Seite. Um 11.45 Uhr feuerte die Artillerie 30 Salutschüsse und die neun Männer trugen den mit schwarzer und roter Seide bedeckten Sarg ins Mausoleum. Gleich darauf, um Punkt zwölf Uhr, brach im ganzen Russischen Reich, von Wladiwostok bis Ostberlin, ein ohrenbetäubender Lärm los. Geschütze, Fabriksirenen, Dampflokomotiven, Schiffspfeifen vereinigten sich zu einem höllischen Konzert und die Menschen hielten sich die Ohren zu.[17]

Nicht nur Stalins 60. und 70. Geburtstag, sondern auch sein Begräbnis wurde zu einer Orgie der ungeheuerlichsten Huldigungen in Prosa und Versen, Musiken und Bildern. Stalin war von allen gefürchtet worden. Hatten sie sich gegen ihn verschworen? Indirekt war Stalins Tod die Ursache einer weiteren Tragödie. Während er aufgebahrt lag, drängten sich Millionen Sowjetbürger nach Moskau hinein, um diesen Mann, von dem sie so wenig wussten und dem sie so lange vertraut hatten, die letzte Ehre zu erweisen. Wegen fehlender Anweisungen vonseiten der Behörden kam es zu einem furchtbaren Durcheinander, und Hunderte, vielleicht auch Tausende Sowjetbürger wurden zu Tode getrampelt. Gleichzeitig verhaftete das NKWD[18] allein in Moskau Hunderte aufgrund des »Mobilmachungsplanes«, der vorsah, im Fall eines Krieges sowie innerer oder äußerer Wirren bestimmte Personen »vorbeugend« in Haft zu nehmen. Das aber waren die letzten unmittelbar mit Stalins Namen verbundenen Tragödien.

Nachdem Swetlanas Vater im Mausoleum ruhte, lud man sie als eine der Ersten ein, es zu besuchen. Swetlana nannte dieses Mausoleum in ihrem 1967 erschienenen Buch »Das erste Jahr« ein »barbarisches altägyptisches Pharaonenheiligtum des Weltkommunismus«[19]. Noch lange nachher stand sie unter dem »entsetzlichen Eindruck dieses aller Natur zuwiderlaufenden ›Hinabschauens‹ ins Grab«. Swetlana wusste, dass Nadeschda Krupskaja, Lenins Witwe, sich ebenfalls weigerte, das »Heiligtum« mit dem Leichnam ihres Mannes zu besuchen. Auch sie empfand diesen Ort als absurd, denn die Zeit der »heiligen Reliquien« war längst vorüber. Acht Jahre lang konnten Menschenmassen den mumifizierten »Führer« besichtigen. Swetlana ging nie mehr zum Mausoleum, da es sie zu sehr aufwühlte. Ihr Sohn Josef erzählte, dass die Familie des Großvaters an seinem Todestag jedoch stets besonders gedachte.

Viele Menschen weinten um den großen Führer, auch solche, die unter ihm gelitten hatten. Der Kult um seine Persönlichkeit hatte ihn als den unersetzlichen weisen Vater aller Völker etabliert, von dem alles abhing. Die Massen fühlten sich orientierungslos und in einen Zustand tiefster Hoffnungslosigkeit gestoßen. Noch wurden Lobeshymnen auf den »genialen Führer« gehalten. Kaum einer konnte ahnen, was der XX. Parteitag 1956 ans Licht bringen würde: Stalin, einer der größten Massenmörder. Swetlana hatte schwer daran zu tragen. Sie glaubte nicht, dass ihr Vater »jemals Gewissensbisse verspürte, dass er jemals unter Schuldgefühlen litt«. Die Tochter wusste, dass er »auch nicht glücklich [war], als er den höchsten Gipfel all seiner Wünsche erreicht hatte – durch Hinrichtung der einen, Versklavung und Demütigung der anderen«.[20]

Als Stalin 1961 seinen Glorienschein verlor, wurde er in einer Nacht- und Nebelaktion umgebettet. Am 31. Oktober 1961 musste seine Mumie aus dem Mausoleum entfernt und an der Kreml-Mauer beigesetzt werden. Die Tochter fand es ganz in Ordnung, dass die Leiche ihres Vaters »nach langem Hin und Her der Erde übergeben wurde«[21]. Am 25. Januar 1994 konnte man in der Moscow Times lesen: »Tochter: Verlegt Stalin – Swetlana Allilujewa, Stalins Tochter, möchte, dass ihr Vater in seiner Geburtsstadt Gori erneut beigesetzt wird. Die jetzige Lana Peters sagte dies in einem Interview in London der Commonwealth Television.« An offizieller Stelle hätte man sich über diesen Wunsch noch keine Gedanken gemacht, wurde gemeldet. Sollte die Kreml-Mauer immer noch nicht die letzte Ruhestätte des am längsten regierenden Führers gewesen sein? Das Grab zeigt sich stets in reichem Blumenschmuck, niedergelegt von den Menschen, die ihn nach wie vor für einen großen Staatsmann halten.

Stalins Tochter hoffte, dass diesem Tod die Befreiung folgen würde – für das Land und für sie selbst. Und sie fügte noch hinzu: »Und sie alle kannten auch mich und wussten, dass ich eine schlechte Tochter und mein Vater ein schlechter Vater gewesen war. Sie wussten aber auch, dass mein Vater mich und dass ich ihn geliebt hatte.«[22]

Anmerkungen

[1] Das erste Jahr, S. 131

[2] Zwanzig Briefe, S. 24

[3] Nikolaj Aleksandrowitsch Bulganin (1895–1975), arbeitete 1918–1922 für die Tscheka. Seit 1948 Mitglied des Politbüros der KPdSU, 1947–1949 und 1952–1955 Verteidigungsminister, 1955–1958 Ministerpräsident. Am 27. März 1958 erklärte er seinen Rücktritt. Als »Parteifeind« wurde er aller seiner Ämter enthoben.

[4] Georgij Maksimilianowitsch Malenkow (1902–1988), ab 1938 persönlicher Sekretär Stalins, ab 1946 Mitglied des Politbüros und stellvertretender Ministerpräsident. Nach Stalins Tod 1953 Erster Sekretär des ZK und Ministerpräsident. Im selben Jahr noch von Chruschtschow von der Parteispitze verdrängt, 1955 als Regierungschef abgelöst, 1957 aller Ämter enthoben.

[5] Nikita Sergejewitsch Chruschtschow (1894–1971); ursprünglich Schlosser, später Ingenieur; 1934–1966 Mitglied des ZK, 1939–1964 des Politbüros; nach Stalins Tod ab Herbst 1953 Erster Sekretär der KPdSU, leitete auf dem XX. Parteitag 1956 die Entstalinisierung ein; ab 1958 Ministerpräsident; 1964 des Amtes enthoben und zur »Unperson« erklärt.

[6] Zwanzig Briefe, S. 24

[7] Zwanzig Briefe, S. 25

[8] Siehe dazu auch: Wassiljewa: Die Kreml-Kinder, S. 86f.

[9] Lawrentij Berija (1899–1953), ein Hochbauingenieur aus Georgien, war seit Jugendjahren mit Stalin befreundet; während des Krieges stellvertretender Ministerpräsident, nach dem Krieg Mitglied des Politbüros und mächtigster Mann neben Stalin, nach dessen Tod er die Macht mit Malenkow und Chruschtschow teilte; im Juli 1953 gestürzt, im Dezember desselben Jahres hingerichtet.

[10] Zwanzig Briefe, S. 22

[11] Löwe: Stalin, S. 391

[12] Wolkogonow: Stalin, S. 772

[13] Wjatscheslaw Michajlowitsch Molotow (1890–1986), eigentlicher Name Skrjabin; Parteimitglied seit 1906, 1917 führend an der Oktoberrevolution und am Aufbau der UdSSR beteiligt; schloss 1939 den Nichtangriffspakt mit Hitler. 1921–1956 Mitglied des ZK, 1926–1957 Mitglied des Politbüros. 1956 als Außenminister abgesetzt, 1957 sämtlicher Ämter enthoben.

[14] Lasar Moissejewitsch Kaganowitsch (1893–1991), ein Mitorganisator der »Säuberungen« der 1930er-Jahre; seit 1944 Mitglied des ZK, während des Krieges Minister für Brennstoff- und Erdölindustrie; wurde 1957 zusammen mit Molotow aus dem ZK ausgeschlossen und aller seiner Ämter enthoben.

[15] Stalins Hirn, das ähnlich sklerotisch deformiert ist wie das Lenins, wurde zum Präparieren entnommen.

[16] Biagi: Svetlana: The Inside Story, S. 82

[17] Siehe dazu: Payne: Stalin, S. 626ff.

[18] Narodnyj Komissariat Wnutrennych Del – Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten, 1934 geschaffen unter Einbeziehung der GPU, wurde es das Instrument des stalinistischen Terrors vor der Zeit der Großen Tschistka. 1941 wurde aus dem NKWD die politische Geheimpolizei als NKGB (=Narodnyj Komissariat Gossudarstwennoj Besopastnosti – Volkskommissariat für Staatssicherheit) herausgelöst und 1946 umbenannt in MGB (Ministerstwo Gossudarstwennoj Besopastnosti – Ministerium für Staatssicherheit). Das NKWD selbst wurde 1946 in das MWD (Ministerstwo Wnutrennich Del – Ministerium für Innere Angelegenheiten) umgewandelt. Das MGB ging 1954 in das KGB über.

[19] Das erste Jahr, S. 375

[20] Das erste Jahr, S. 346

[21] Das erste Jahr, S. 375. Siehe dazu auch: Richardson: The Long Shadow, S. 255

[22] Zwanzig Briefe, S. 30