Die amerikanische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel I Sleep in Hitler’s Room.
Einige der dort veröffentlichten Gespräche wurden aufgrund des Einspruchs der Interviewten nicht in die vorliegende deutsche Übersetzung übernommen. Auch wenn diese Interviews jeder Überprüfung standhalten würden, habe ich auf sie verzichtet, um langwierige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Unter denen, die nicht in dem Buch erscheinen wollten, finden sich folgende Personen: Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen; Joachim Herrmann, Innenminister von Bayern; Zülfiye Kaykin, Staatssekretärin für Integration beim Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; Volkhard Knigge, Direktor der »Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora«; Dietrich-Daniel Gaede, Leiter der Abteilung Gedenkstättenpädagogik an der Gedenkstätte Buchenwald.
T.T.
Allein unter Deutschen
Eine Entdeckungsreise
Mit Fotos von Isi Tenenbom
Aus dem Amerikanischen von Michael Adrian
Suhrkamp
eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des suhrkamp taschenbuchs 4659.
© Suhrkamp Verlag Berlin 2012
Copyright © by Tuvia Tenenbom 2011
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Umschlagfoto: Isi Tenenbom
Umschlaggestaltung: Regina Göllner und Hermann Michels
eISBN 978-3-518-79310-7
www.suhrkamp.de
Dieses Buch ist meiner Frau Isi Tenenbom gewidmet,
die mich auf dieser Reise begleitete,
unterwegs an die 2000 Fotos machte,
mich in schwierigen Stunden liebevoll tröstete,
und zusammen mit mir lachte, als alles getan war.
Vorbemerkung
KAPITEL 1 In dem einer, der Cola light mit Eis trinkt, wohl ein amerikanischer Kapitalist sein muß
KAPITEL 2 Dem zu entnehmen ist, daß man in Rom Bescheid weiß: Schon die alten Juden aßen Schinken und Muscheln
KAPITEL 3 In dem ich in Deutschland lande, wo gerade REVOLUTION! gemacht wird, und ich mit der radikalen Linken marschiere
KAPITEL 4 In dem ich mich im Kampf gegen den jüdischen Teufel den Rechtsradikalen anschließe
KAPITEL 5 In dem ich bei Deutschlands Geisteselite zu Gast bin und mich mit Altkanzler Helmut Schmidt sowie Giovanni di Lorenzo, dem Chefredakteur der ZEIT, unterhalte
KAPITEL 6 In dem deutsche Technik auf Disney trifft und Geld dabei herauskommt
KAPITEL 7 In dem wir Katholiken und Protestanten in freudiger Erwartung sehen, den »Leib Jesu« zu verspeisen, während die Juden die Nacht durchmachen, um sich anders verköstigen zu lassen
KAPITEL 8 In dem wir von einem ungewöhnlichen Ansinnen hören: Schatz, laß uns da heiraten, wo sie die Judenvernichtung beschlossen haben!
KAPITEL 9 In dem wir dem Besuch eines amerikanischen Propheten und einer Hochzeit mit Engeln beiwohnen
KAPITEL 10 In dem wir einen Streifzug durch die deutsche Kultur unternehmen und einem Komiker, einem westlichen Scheich, Museumskids, Jurastudenten, Jesus Christus und natürlich König Ludwig II. begegnen
KAPITEL 11 In dem wir Näheres über die Ursprünge der Rauchverbotspolitik erfahren und noch dazu lernen, wie man sich mit Hilfe eines Wasserhahns die Hände wäscht
KAPITEL 12 In dem schnelle Schlitten in Museen stehen, Junggesellen sich an nackten Statuen erfreuen, arme Schlucker eine Nobelbar besuchen, Kuba zur einzigen Demokratie erklärt wird, erdolchte Frauen sexy sind und man seinen Doktor in Liegestützen machen kann
KAPITEL 13 In dem die Deutschen ihre Nationalmannschaft lieben und ein Mercedesboß seine Mama
KAPITEL 14 Aus dem hervorgeht, wie der Emir von Katar mein Freund wurde und China den Zweiten Weltkrieg beendete
KAPITEL 15 In dem ich den Mann mit dem größten Penis interviewe, dessen Zeitung täglich von zwölf Millionen Menschen gelesen wird
KAPITEL 16 In dem ein alter Jude seinen Gedanken, eine junge Dame ihren Küssen und eine deutsche Band ihrem englischen Liedgut freien Lauf lassen, während die Linken den Reiz einer Siedlungsbewegung für sich entdecken
KAPITEL 17 In dem ich die größte Moschee besichtige, den komischsten Bürgermeister und den witzigsten Klavierspieler kennenlerne und endlich begreife, wie sexy ein Tattoo und wie wichtig eine Dusche sein kann
KAPITEL 18 In dem begründet wird, warum Juden so gerne auf Tote schießen
KAPITEL 19 In dem sechs Millionen Touristen dank engagierter deutscher Journalisten über den »israelischen Terrorstaat« ins Bild gesetzt werden, 11000 Jungfrauen gegen 11000 tote Juden stehen und die Saudi Mecca Theater Company uns schließlich alles verrät, was wir schon immer über Sex wissen wollten
KAPITEL 20 In dem die bekannte Tatsache erörtert wird, daß zwei Juden, die sich irgendwo auf der Welt über den Weg laufen, sofort einen Draht zueinander haben
KAPITEL 21 In dem wir vom Unterhaltungszentrum des KZ Buchenwald zu einer Demonstration gegen Israel geführt werden
KAPITEL 22 In dem man uns sagt, daß die Israelis Nazis sind
KAPITEL 23 In dem sich so manche Frage stellt, nicht zuletzt die, wer den BH erfunden hat, wer sich eine Vase für 100000 Euro leisten kann und warum sich das echteste Heilige Grab in Görlitz befindet
KAPITEL 24 In dem bewiesen wird, daß Ahmadinedschad ein Jude ist
KAPITEL 25 In dem es uns nach Sylt verschlägt, wo die reichen Deutschen Gold essen
Danksagung
Mein ursprünglicher Plan für diesen Sommer war recht einfach: Ich wollte die schönen Tage des Jahres bei der Hamas in Gaza verbringen. Schon letztes Jahr hatte ich dort hinfahren wollen, doch es kam nicht dazu. Erst sagten mir die Palästinenser, ich sei willkommen, während die Israelis sagten, sie würden mich nicht über die Grenze lassen. Als die Israelis dann ihre Meinung änderten, änderten die Palästinenser ihre auch. Das ist in dieser Gegend normal. Dieses Jahr habe ich daher beschlossen, gar nicht erst zu fragen, damit niemand mehr solche Spielchen mit mir spielen kann.
Ich war bestens vorbereitet. Ich hatte mir sogar die privaten Telefonnummern einiger führender Hamas-Vertreter geben lassen. Sie würden mir, einem guten Deutschen, ganz sicher helfen, sollte ich auf der anderen Seite der Grenze in Schwierigkeiten geraten.
Bin ich ein Deutscher, ein guter gar? Eigentlich nicht. Aber wann immer ich mich in arabischen Landen aufhalte, behaupte ich, ich sei Deutscher. Mit Philosophie oder Politik hat das rein gar nichts zu tun, nur mit meinem Selbsterhaltungstrieb. Als ich nämlich in Jordanien einmal einen meiner Gastgeber fragte, was er täte, wenn ich ein Jude wäre, zögerte er keine Sekunde und antwortete, er würde mich auf der Stelle töten. Daraus zog ich meine Lehre und bin seit diesem Tage ein Deutscher.
Meine arabischen Freunde, Christen wie Muslime, lieben mich dafür. »Ihr seid gute Leute«, sagen sie mir. »Was ihr Deutschen mit den Juden gemacht habt, war echt gut.«
Es gibt dabei jedoch ein kleines Problem. Ich bin kein Deutscher. Ich komme, unter uns gesagt, aus einer Familie von Holocaust-Überlebenden. Der Großteil meiner Familie, der meines Vaters und der meiner Mutter, starb im Krieg. Auf deutschen Befehl. Mein Vater war noch ein Baby, als er aus Europa vertrieben wurde, meine Mutter überlebte im Konzentrationslager. Ich frage mich, was meine Eltern sagen würden, wenn sie wüßten, daß ich mich als Deutscher ausgebe.
Was heißt es überhaupt, ein Deutscher zu sein?
Hin und wieder habe ich versucht, mir darüber klarzuwerden. Zufälligerweise bin ich Journalist, und eine der Zeitungen, für die ich regelmäßig schreibe, ist Die Zeit. Durch sie habe ich einige deutsche Journalisten kennengelernt, allesamt hervorragende Leute, von denen mir aber nur die wenigsten bei der Frage weiterhelfen konnten, was es heißt, »ein Deutscher« zu sein. Zufälligerweise bin ich auch noch Bühnenautor und Regisseur, was mich einige Male nach Deutschland führte, wenn meine Stücke hier aufgeführt wurden. Auch bei diesen Gelegenheiten war die Zahl der Bekanntschaften zu gering, um die »deutsche Mentalität« zu erfassen, falls es so etwas gibt. Wie dem auch sei, eines weiß ich: Deutschland hat vielleicht meine Vorfahren umgebracht, mir aber rettet es gelegentlich das Leben. Das ist mein persönlicher kleiner »Deutschlandkomplex«, vermute ich mal.
Wie ich so über diesen Komplex nachdenke, ruft mich eine junge Dame aus einem deutschen Verlag an. Sie fragt mich, ob ich nach Deutschland kommen, ein paar Monate durchs Land reisen und ein Buch über meine Erfahrungen schreiben möchte. Es solle kein Forschungsbericht werden und auch kein Reiseführer. Nein, nein. Sie stelle sich vielmehr eine Sammlung erster Eindrücke vor. Meiner ersten Eindrücke. Wie ich es sehe. Meine Gedanken. Ein Jude aus New York besucht Deutschland.
Vielleicht, weil ich so oft »ich bin Deutscher« gesagt habe, träume ich seit einiger Zeit davon, mir eines Tages ein kleines Haus in Berlin zu kaufen. Ein Deutscher wie ich sollte in der Hauptstadt residieren, finden Sie nicht auch? Und wenn ich das Angebot der Dame annehme, was mit einem mehrmonatigen Aufenthalt in Deutschland verbunden ist, entwickle ich vielleicht ein Gefühl dafür, wie es so ist, in Deutschland zu leben –
Okay, junge Lady, ich komme!
Mein Büro liegt mitten in Manhattan, direkt gegenüber der Penn Station, einer stark von Touristen frequentierten Gegend. Was liegt da zur Vorbereitung auf meine Deutschlandreise näher, als mit ein paar deutschen Touristen zu schwatzen? Vielleicht können sie mir ja das eine oder andere über ihre Kultur beibringen.
Europäer sind im allgemeinen politisch interessierter als Amerikaner. Sie lassen sich liebend gerne auf Gespräche und Debatten über Politik ein, und die Deutschen bilden da keine Ausnahme. Mir gefällt das. So setze ich mich mit ein paar deutschen New-York-Besuchern zusammen. »Wir Deutschen sind gezwungenermaßen Kapitalisten, Kapitalisten wider Willen, während ihr Amerikaner willige Kapitalisten seid.« Sie lieben und hassen Amerika zugleich. Sie lieben die Beatles, erzählen sie mir. Ich mache mir nicht die Mühe, sie daran zu erinnern, daß die Beatles keine Amerikaner waren, warum sollte ich? Sie finden die Amerikaner, die sie kennengelernt haben, toll, verraten sie mir obendrein. Und sie lieben New York. Lieben es einfach. Sie sind andererseits sehr kapitalismuskritisch. Kapitalismus ist schlecht. Bier hingegen ist gut. Ich bestelle mir eine Cola light mit Eis, sie bestellen Bier. Sie sehen das Eis und sagen: »Typisch amerikanisch!« Für sie ist man Amerikaner, wenn man Cola mit Eis bestellt. Und das ist das zweite, was ich heute lerne. Nämlich wer ich eigentlich bin: ein Amerikaner. Kein Deutscher, kein Araber, kein Jude. Ein Amerikaner. Gut zu wissen.
Mein Ticket ist bezahlt, die Koffer sind gepackt, da ruft drei Stunden vor dem planmäßigen Abflug das Reisebüro an. »Fahren Sie gar nicht erst zum Flughafen«, sagt man mir. »Ihr Flug wurde gestrichen.« Gestrichen? Yep. In Island ist irgendein bescheuerter Vulkan ausgebrochen und überzieht Europa mit Aschewolken. Ich dachte, das Thema Aschewolken über Europa hätte sich seit dem letzten Krieg erledigt, aber diese hier sind anders. Nämlich höchst gefährlich für Flugzeuge oder so; ich bin kein Ingenieur. Ich weiß nur, daß eine Wolke aus Asche zwischen mir und Europa steht, zwischen den Kapitalisten und den Kapitalisten wider Willen. Und der europäische Luftraum liegt zur Hälfte am Boden. Ich bin bereit, jedes beliebige Ticket zu nehmen, das mich nach Europa bringt, und kann auf einen Flug in drei Tagen umbuchen. Kostenpunkt: 917 US-Dollar. 100 Dollar mehr als der annullierte Flug, aber das ist in Ordnung. Ein paar Stunden später wird genau dieses Ticket noch ein bißchen teurer. Das ist Kapitalismus, könnte man sagen. Die Lufthansa würde sich glücklich schätzen, mich für schlappe 9800 Dollar ans selbe Ziel zu bringen. Aber die Lufthansa ist deutsch, also kann das ja so recht kein Kapitalismus sein.
Drei Tage später hebt mein Flieger ab. Angehörige meiner Familie verschwanden in den Aschen Europas, ich hingegen trickse jetzt die Aschewolke aus. Ich bin ein amerikanischer Held. Ich werde Europa besiegen! Deutschland wird zu meinen Füßen liegen wie ein offenes Buch. Das jedenfalls ist der Plan.
Ich sitze jetzt im Bauch des Flugzeugs. In vier Stunden lande ich in Rom. Von dort fliege ich nach Budapest. Und von Budapest nach Hamburg. Ein kleiner Umweg nach Deutschland, aber ein sicherer Weg an der dämlichen Wolke vorbei. Wir Juden sind seit Tausenden von Jahren auf Wanderschaft, wir kennen die sichersten Wege. Und tatsächlich, schließlich landet dieser amerikanische Held, ein weltreisender Jude, in Rom. Wohlbehalten. Sicher. Pünktlich. Perfekt. Ich laufe hinüber zu meinem Anschlußflug. Ich bin am Gate. Das Flugzeug nicht. Ich bin allein am Gate. Alle übrigen Fluggäste sind am anderen Ende des Flughafens, wie mir bald klar wird. Also nichts wie hin. Ich bin kein Polizist und weiß nicht recht, wie man Menschenmengen zählt, aber meiner vorsichtigen Schätzung nach sind hier etwa zehn bis 20 Millionen versammelt. Ich laufe zu ihnen hinüber und versuche, ein Gespräch mit ihnen anzuknüpfen. Worauf sie sich bereitwillig einlassen würden. Ob ich Italienisch spreche? Ja klar, als alter Lateiner.
Nein, natürlich nicht, kein einziges Wort!
Da fühlt sich Ihr amerikanischer Held plötzlich wie ein amerikanischer Soldat in Afghanistan. Man hat ihn hierher verfrachtet, und er möchte für sein Leben gern so schnell wie möglich wieder weg, weiß aber nicht, wie er das anstellen soll. Der jüdische Reisende in mir entdeckt mit einemmal ein Englisch sprechendes Individuum. Einen jungen Zigeuner. Auch er ist auf dem Weg nach Budapest, erzählt er. Prima! Recht schönen Dank an meine Glückssterne! Kann er mir erklären, wie ich nach Budapest komme? Ja, klar! Er führt mich zu einer Warteschlange. Sie ist leider länger als die Chinesische Mauer. Immer noch besser als ein verwaistes Gate, sollte man meinen. Was macht man angesichts einer solchen Schlange? frage ich ihn.
»Hinten anstellen und warten«, antwortet er.
Und wie lange?
»Drei Tage«, läßt er mich in makellosem Englisch wissen. Wenn ich möchte, kann ich auch dort schlafen, wo er die Nächte verbringt.
Und das wäre wo?
»Direkt hier, auf dem Boden. Hab schon ein Weilchen keine Dusche mehr gesehen, aber das Leben ist schön.« Seine Freundin ist bei ihm.
Wo genau?
»Irgendwo hier«, sagt er, deutet auf die Millionen und macht sich davon.
Da fällt mir inmitten dieses Chaos ein unscheinbarer kleiner Zettel auf, der an einer Schnur über etwas Schalterähnlichem hängt und von Hand mit dem Wort »Budapest« beschriftet ist. Dorthin muß ich mich wohl wenden. Bei näherer Betrachtung erweist sich die Chinesische Mauer nämlich als eine Ansammlung vieler verschiedener Schlangen. Ich stelle mich in meiner an. Ein Italiener verrät mir, daß der Flughafen von Budapest geschlossen ist, am Abend aber wieder geöffnet wird. Er wird einen Platz in einem Abendflug bekommen, vertraut er mir an, weil er Leute kennt. »Kennen Sie auch Leute?« fragt er mich.
Von was für Leuten redet er?
»Aus der Branche.«
Wenn’s sonst nichts ist. Der Leiter des Budapester Flughafens ist mein Zwillingsbruder, nur weiß er das dummerweise noch nicht. Ob mein neuer italienischer Freund wohl so freundlich wäre, diese Info an seine Ansprechpartner in der Luftfahrtindustrie weiterzuleiten? »Das wird Sie eine Stange kosten«, sagt er mir.
Mit dem Handy in der Hand entfernt sich mein neuer Berater, ruft hier an, ruft dort an. Er muß nicht Schlange stehen. Ich schon.
Rom ist europäisch, kommt mir in den Sinn. Womöglich sozialistisch, auf die eine oder andere Weise. Vielleicht sind sie hier ebenfalls Kapitalisten wider Willen. Wie die Deutschen. Also, tröste ich mich, kann ich hier immerhin etwas über die Wege der Widerwilligen lernen. Wie sie es machen. Eigentlich ein Glücksfall, rede ich mir zu, daß ich hier mitten in China gestrandet bin. Ich schaue mir die Leute um mich herum etwas näher an. Etliche Amerikaner stehen in meiner Schlange. Und alle sitzen sie im heiligen Rom fest.
Die Stunden verstreichen, und ich nähere mich dem kleinen Zettel über dem Behelfsschalter, an dem ein italienischer Ticketverkäufer sitzt und die Massen abfertigt. Der Mann nimmt Kreditkarten entgegen und stellt neue Flugtickets aus. Die Leute hier haben wohlgemerkt schon für ihre Flüge bezahlt. Diese Flüge sind aber gestrichen, so daß man die Wahl hat, entweder mit dem Zigeuner und seiner Freundin hierzubleiben und zu warten, bis die gebuchten Fluglinien den Betrieb wiederaufnehmen, oder seine Dollars beziehungsweise Euros für alle möglichen Kombinationen von Flügen mit anderen Gesellschaften lockerzumachen. Rom ist demokratisch. Man hat die freie Wahl.
Nach einer Ewigkeit bin ich an der Reihe. Der italienische Angestellte läßt mich wissen, daß meine Linie nicht fliegt, eine andere aber sehr wohl, und er mir für zusätzliche 500 Euro gerne einen Platz suchen wird. Heute abend. Falls noch welche frei sind, was er erst prüfen muß. Wenn nicht, kann ich auch erst mal in Rom bleiben; ein Zwei-Sterne-Hotel in der Nähe des Flughafens kostet 300 Euro die Nacht. Oh, er hat einen Platz gefunden. »Für heute abend. 500 Euro, bitte. Der Platz ist jetzt verfügbar.« Großartig, der Flughafen von Budapest ist geöffnet! »Im Moment«, sagt er.
Wie meint er das?
»Der Flughafen ist jetzt geöffnet, Tickets kosten 500 Euro für den Abendflug, schließt jedoch der Flughafen von neuem, dann kommen Sie morgen wieder, und wir verhandeln über einen neuen Flug.«
Ist der dann umsonst?
Nein! »Er kostet dann noch mal 500 Euro.«
Noch mal 500 Euro?
»Ja.« Dieser Ticketverkäufer nimmt bloß Geld, er gibt einem keins zurück. So sind die Regeln. »Hier kaufen Sie Tickets«, erklärt er mir. »Wenn ich Ihnen ein Ticket verkaufe und der Flug nicht stattfindet, dann wenden Sie sich an die Fluggesellschaft und reklamieren dort. Nicht bei mir. Haben Sie Gepäck? Wollen Sie es mitnehmen? Das kostet extra. Zehn Euro pro Kilo. Wie viele Kilo haben Sie?«
Nun, ich bin hier in Europa und passe mich wohl besser an. Auch wenn es ins Geld geht. Mit meinen Koffern komme ich auf satte 1000 Euro. Für einen Flug, den ich bereits bezahlt habe.
Dieser Ticketverkäufer hat genug von mir, das sehe ich ihm an der Nasenspitze an. Er hat nun wirklich Besseres zu tun, als seine Zeit mit New Yorker Kapitalisten zu verplempern. »Falls Sie nicht täglich 500 Euro zahlen wollen«, teilt er mir mit, »könnte ich Sie auch auf einen Flug in vier Tagen buchen.«
In vier Tagen?
Ja. »Vorher ist nichts frei. Alles ausgebucht. Ihre Fluggesellschaft fliegt zwar morgen früh, und der Flug würde Sie nichts kosten, weil es ja Ihre Gesellschaft ist, er ist aber ausgebucht. In den nächsten drei Tagen ist alles ausgebucht. Was wollen Sie machen?«
Ich bin mir nicht sicher, was Kapitalismus wider Willen, auch Sozialismus oder Sozialdemokratismus genannt, genau bedeutet. Sicher bin ich mir jedoch, daß ich die Lektion des heutigen Tages nunmehr beenden muß. Wie zufällig lasse ich jenem hilfsbereiten Herrn meinen Presseausweis vor der Nase baumeln, so daß er ihn schwerlich übersehen kann.
»Ein Ticket hätte ich noch«, sagt er streng. »Aber nur eins! Für den Flug morgen früh. Ohne Aufpreis. Nur dieses eine. Wollen Sie’s? Mehr als dieses eine kann ich Ihnen nicht geben!«
Ja. Eigentlich wollte ich meinen ganzen Harem mitnehmen, aber ich begnüge mich mit diesem einen Ticket.
In der Innenstadt von Rom finde ich nahe der amerikanischen Botschaft ein Vier-Sterne-Hotel für ungefähr ein Drittel des Preises, den das Zwei-Sterne-Hotel am Flughafen kosten sollte. Hat wohl mit Sozialismus zu tun. Das Hotel hat Charme und ist ganz wunderbar. Mein einziges Problem ist, daß mir meine Koffer fehlen. In der Kleidung, die ich auf dem Leib trage, habe ich schon geschlafen. Und bin ich eine Menge rumgelaufen. Kurz gesagt, sie müffelt. Ich drehe den Wasserhahn auf und weiche sämtliche Klamotten, die ich anhabe, im Waschbecken ein. Ich fühle mich großartig: Ich habe das Schicksal überlistet! Mein jüdisches Erbe hat die Oberhand behalten. In diesem Augenblick klingelt mein Handy. Alvaro ist dran, ein italienischer Journalist.
»Wie wäre es, wenn ich mit meinem Motorrad vorbeikomme, und wir machen eine Spritztour durchs nächtliche Rom?«
Ich werfe einen Blick auf meine eingeweichte Kleidung, einen anderen auf mein Handy und entscheide blitzschnell. »Ich bin dabei.«
Die erste Nacht meiner Deutschlandreise werde ich nicht nackt in einem Hotelzimmer in Rom verbringen. Lieber auf einem Motorrad. Soll der Wind meine Klamotten trocknen!
Alvaro ist ein dicker Mann. Ich bin ein dicker Mann. Sein Motorrad aber ist stärker als Mussolini und trägt uns durch Rom wie ein Ameisenpärchen.
Während er seinen Feuerstuhl mit diesem nassen Mann durch die Nacht steuert, erzählt mir Alvaro, daß er, ja er das letzte Interview mit Israels starkem Mann Ariel »Arik« Scharon geführt hatte, bevor Herr Scharon von der Bildfläche verschwand. Und dann sagt er: »Was ist bloß mit den Juden los? Sie haben sich total verändert!«
Wie man weiß, waren die Juden einmal die Guten. Heute sind sie die Bösen.
Langsam dämmert es mir: Ich bin nicht in Amerika. Das ist so klar wie die römische Nacht. Seit 30 Jahren lebe ich in New York und habe so etwas noch nie gehört. Nein. Alvaro ist kein Judenhasser. Im Gegenteil, er mag die Juden. Irgendwie. Nachdem er mir den Vatikan gezeigt hat, nimmt er mich auf eine Tour zu den »ältesten Juden« mit. In Rom, verrät er mir, gibt es die ursprünglichsten Juden überhaupt. »Soll ich dich zu dem authentischsten jüdischen Restaurant bringen?«
Ja, sage ich. Ich würde mich gerne mit meinen nassen Sachen etwas aufwärmen.
Ich schaue mir die Karte an: Reiche Auswahl an Schinken. Reiche Auswahl an Muscheln.
Meint Alvaro das ernst? Oder ist er durchgeknallt?
Oder bin ich es vielleicht?
Das hier ist ein anderer Kontinent. Definitiv. Wer weiß, was mich erst in Deutschland erwartet. Wenn es schon so anfängt, weiß der Himmel, wo es enden mag.
Alvaro ist ein liebenswürdiger Mann. Und ein Intellektueller noch dazu. Er kennt sich mit Geschichte und Philosophie so gut aus wie ich mich mit Cola light. Und auch ich habe nicht umsonst 15 Jahre an diversen Universitäten verbracht und weiß das eine oder andere. Aber wenn er über Juden spricht, verstehe ich kein Wort. Ich habe keinen Schimmer, was er da verzapft. Nicht nur über Juden, sondern auch über Amerika. Er hat, durch eigene Recherchen, herausgefunden, daß niemand anderes als die amerikanische Regierung die Twin Towers in Schutt und Asche gelegt hat. Ja, im Ernst. Eine Stunde lang erklärt er mir mit Feuereifer und bis ins kleinste Detail, wie die Amerikaner das angestellt haben und warum. Alvaro hat alle Infos. Er macht mich sprachlos. Der Mann ist entweder ein Schwachkopf oder ein Genie. Man bräuchte wohl eine ganze Armee von Psychiatern, um das herauszufinden. Nicht, daß es wirklich wichtig wäre: Wir sind damit beschäftigt, uns die Bäuche vollzuschlagen, und das Essen ist köstlich.
Nachdem wir unsere »typisch jüdische Mahlzeit« beendet haben, gibt mir Alvaro freundlicherweise noch einige Tips für die Reise:
»Katholiken sind korrupt. Die Deutschen nicht. Deshalb ist die Reformation bei den Deutschen losgegangen. Luther. Ein Deutscher. Die Deutschen sind am demokratischsten.«
Na, dann wollen wir mal sehen, was Sache ist!
Am folgenden Morgen fliege ich nach Budapest, von wo aus ich ein paar Tage später ins Vaterland aufbreche. Warum ich diese nebensächlichen Details aufschreibe? Weil ich ein getreuer Chronist bin … Jedenfalls lande ich schließlich in Hamburg, wir schreiben den 1. Mai. Ich bin in Deutschland!
In Amerika begehen wir auch den Tag der Arbeit, aber das ist im September. Der 1. Mai gefällt mir besser. Denn der Sommer steht vor der Tür, und es wird wärmer. Eine gute Zeit zum Feiern. Ich bin bereit! Ich frage ein bißchen herum, wo ich feiern könnte, und erfahre, daß die Gewerkschaften eine »Demo« veranstalten, während die »Anarchisten«, die Leute von der radikalen Linken, einen Protestmarsch durchführen. Was mir lieber wäre? In den Vereinigten Staaten nutzen Kaufhäuser wie Macy’s den Tag der Arbeit, um Rabattaktionen durchzuführen. Hierzulande genießen es die Menschen hingegen, nach draußen zu gehen. Soll mir recht sein. Ich werde beide Veranstaltungen aufsuchen. Ich habe Zeit.
Zuerst die Gewerkschaften. Ein Gewerkschaftsvertreter läßt sich auf einer Bühne über Lautsprecher vernehmen, während die Leute ringsum damit beschäftigt sind, zu trinken, zu essen oder zu rauchen, wenn sie nicht alles gleichzeitig tun. Zuzuhören scheinen nur wenige. Einer von den wirklich Interessierten hält ein Banner der Partei Die Linke hoch, dessen tiefrote Farbe mir so gut gefällt, daß ich auch so eins will, also spreche ich ihn an. Er ist ein Antikapitalist, sagt er mir. Er fühlt sich verpflichtet, »die Menschen zu bekämpfen, die nur ans Geld denken«, jene verhaßten Kapitalisten.
In Ordnung. Das ist sein gutes Recht. Deutschland ist die demokratischste Nation, wie mich Alvaro gelehrt hat, und in einer Demokratie muß man auch hassen dürfen. Kein Problem.
Doch, ein kleines Problem: Wie kriege ich ihn dazu, daß er mir sein Banner überläßt?
Vielleicht kann ich es ihm ja abschwatzen.
Sieht gut aus, sage ich ihm. Ich mag das Rot. Das ist ein wirklich gutes Rot. Kann ich das Banner haben?
Der Antikapitalist scheint sich darüber zu freuen, daß ich seine Fahne mag: »Die kriegen Sie für fünf bis zehn Euro auf der Website von Die Linke.«
Sie sagen, Sie sind ein Antikapitalist, stimmt doch, oder?
»Ja, genau.«
Was sind dann, im Grunde genommen, zehn Euro zwischen Leuten wie Ihnen und mir? Das ist doch kein Geld.
Bernhard, ein älterer Herr, der neben ihm steht, ist ein überzeugter Linker und total gegen den Kapitalismus. Was haben die Kapitalisten getan, daß er sie so sehr haßt? »Sie wollen Geld!«
Der Gewerkschafter auf der Bühne spricht laut, er brüllt fast. Worüber redet er? Nun ja, Geld. Die Menschen – also die Arbeitnehmer – sollten mehr Geld bekommen. Und noch mehr Geld. Ich frage Bernhard, ob er dem Gewerkschafter zustimmt.
Er ist ein bißchen sauer auf mich. Natürlich stimmt er ihm zu, was soll die dämliche Frage! »Die Menschen müssen etwas zu essen haben, und dafür brauchen sie Geld, das ist doch nicht so schwer zu verstehen?!«
Ich bitte Bernhard, mir den Unterschied zwischen dem Gewerkschafter und den Kapitalisten zu erklären, die er so glühend haßt. Wollen nicht beide dasselbe – Geld?
Jetzt wird Bernhard wirklich böse auf mich. Er will wissen, wer ich bin und wo ich herkomme. Das muß schon ein seltsames Land sein, das solche Idioten hervorbringt.
Ich bin aus Jordanien, erzähle ich ihm.
Das besänftigt ihn. Jordanien scheint er zu mögen. In Jordanien hat der Kapitalismus noch nicht so recht Fuß gefaßt, oder? Heiß ist es da und überhaupt, sinniert er mit mir.
Sagen Sie mir, Bernhard, was ist für Sie der Sinn des Lebens? Was treibt Sie an?
Keine Ahnung, warum ich ihn das frage. Kam mir halt so in den Sinn.
Mich verblüfft seine Antwort: »Zwei Dinge: Frieden schaffen. Kapitalisten bekämpfen.«
Vielleicht steckt da ein kleines Paradox drin, aber ich sage nichts. Dieser 1. Mai ist sein Tag, und den will ich ihm nicht verderben. Wir Jordanier sind freundliche Menschen.
Ich schaue mich noch ein wenig um und inspiziere die paar Stände, die es hier gibt, weil ich von diesen geldhassenden Gewerkschaftsleuten gerne etwas umsonst bekäme, aber nein.
Zeit für den Protestmarsch!
Ein paar junge Leute, die ein Transparent mit der Aufschrift »Weg mit §§ 129a« tragen, halten sich bereit. Ich frage sie, worum es bei Paragraph 129a geht.
Einige wissen es nicht so genau, während andere sagen, es »geht um die Gefangenen«.
Ähm, was?
»Halt um Freiheit.«
Welche Freiheit?
»Freiheit! Ist das so schwer zu verstehen?!«
Da ich nicht will, daß alle sauer auf mich werden, halte ich den Mund. Ich bin ein wohlerzogener Jordanier.
Der Marsch hat noch nicht begonnen. Das scheint noch etwas zu dauern.
Ich habe es glücklicherweise nicht eilig.
Das hier sind keine Gewerkschafter, das sind Jugendliche. Und diese Jugendlichen haben allem Anschein nach etwas Wichtiges mit mir gemeinsam: Auch sie haben Zeit. Jede Menge.
Während sie sich auf ihren Marsch vorbereiten, schlagen sich die jungen Kapitalismusgegner die Mägen voll mit frischem Obstsalat, Eis, Crêpes, Würstchen und Bier. Einige von ihnen – bitte erwarten Sie von mir keine Erklärung – trinken Bier und kotzen es gleich wieder aus. Dann trinken sie weiter. Das Leben ist ein Kreislauf, vermute ich. Sie kaufen mehr Bier. Manche gleich mehrere Flaschen auf einmal. Warum auch nicht? Geld scheint hier nicht das Problem zu sein.
Sie trinken und trinken, und ab und zu essen sie was. Sonst tut sich nichts.
Das hier sind die Linksradikalen, sagte man mir. Es wäre interessant zu erfahren, was die Rechtsradikalen heute so treiben. Kaufen die weniger Bier? Mehr? Essen die grünen Salat statt Obstsalat? Wer weiß. Ich muß es herausfinden. Ich mache mir eine Notiz: Rechtsradikale treffen.
Nach der Futterei bellt jemand aus einem sehr lauten Lautsprecher: »1. Mai!« Und die Menge bellt mit vollen Bäuchen zurück. Ehrlich gesagt, ich bin völlig verwirrt. Falls diese Leute hier zusammengekommen sind, um zu demonstrieren, kann ich nichts davon erkennen. Vielleicht hat man mich falsch informiert. Das hier ist kein Demonstrationszug, das ist eine Party. Ja, so muß es sein.
Als wollten sie meine Überlegungen bestätigen, fangen plötzlich junge Deutsche in schwarzen Klamotten mit roten Fahnen in der Hand einen Rap an. Beziehungsweise so etwas ähnliches. Wenn man aus New York kommt und das Original aus den Clubs oder U-Bahn-Stationen kennt, merkt man sofort, daß das hier kein Rap ist. Nur junge Deutsche, die versuchen, einen auf schwarz zu machen. Andererseits ist es ja nur ein Partyspaß. Wen also juckt es?
Offensichtlich angeregt von dem Sound, beginnen andere junge Leute zu johlen: Revolution!
Ist das auch ein Song? Wer weiß!
Da warten noch andere Akteure, fällt mir auf, während ich als bislang einziger Marschierer herumlaufe. Die Polizei. Upps! Ich habe mich anscheinend geirrt. Dies ist doch eine Demonstration.
Die Polizisten bereiten sich vor, spazieren entspannt in der Gegend herum, Helme in den Händen. Rechnen Sie mit Ärger? frage ich einen von ihnen.
»Ich hoffe nicht, daß es Ärger gibt«, antwortet er auf englisch. Gut.
Es wird weiter gerappt und Bier getrunken. Allmählich bildet sich endlich so etwas wie ein Demonstrationszug. Ich marschiere mit. Slogans fliegen hin und her, die der internationalen Solidarität gelten, dem Frieden, der Liebe, der Revolution, dem Antikapitalismus, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und anderen großen Worten. Einige haben sich sogar Slogans an die Klamotten geheftet: DIE STADT GEHÖRT UNS. Ein junger Mann klebt eine weitere Parole an einen Strommast. Worum geht es da? frage ich ihn.
»Alkohol und Limonade«, verkündet er stolz.
Würden Sie das bitte wiederholen?
»Alkohol und Limonade. Gemischt.«
So. Und das ist der Grund, warum Sie hier demonstrieren?
»Ja.«
Können Sie mir das erklären?
»Das sollte erlaubt sein.«
Ist es denn verboten?
Im Laufe dieses Wortwechsels schaltet sich ein Mitdemonstrant ein. »Es geht um die Brutalität der Polizei«, sagt er.
Nicht um Limonade?
»Nein! Das mit der Limonade und dem Alkohol«, erklärt er, »ist bloß ein Wortspiel. Hat aber mit Limonade in Wirklichkeit nichts zu tun. Niemand ist hier wegen Limonade auf der Straße. Echt nicht!«
Hier geht es also um Polizeibrutalität?
»Ja!«
Gut. Wir machen Fortschritte. Der Typ mit der Limonade gibt auf. Brutalität? Brutalität! Ich muß meine Ratlosigkeit eingestehen. Wie kommt man von Limonade auf Brutalität, wenn die Frage gestattet ist?
»Wo kommst du her?«
Aus Jordanien. Heute bin ich aus Jordanien.
Auch dieser Mann hat ein Faible für Jordanien und nimmt sich Zeit, dem dummen, aber liebenswürdigen Araber zu erklären, was Sache ist: »Die Polizisten hier sind brutal. Sie denken nicht selber. Sie folgen nur Befehlen.«
Es ist verregnet und schmutzig, und ich wüßte gerne, wie weit wir noch marschieren müssen. Ich frage ihn, ob er weiß, wohin der Demonstrationszug führt.
Er weiß es nicht.
Und wo gehst du hin?
»Da, wo alle hingehen.«
Du folgst den anderen?
»Ja.«
Wie die Polizisten ihren Befehlen?
Er grinst. »Ja«, sagt er, »so kann man es sehen.« Er zündet sich eine Zigarette an, nimmt noch einen Schluck Bier und starrt mich an.
Jordanier sind vielleicht gar nicht so dumm.
Wir kommen zu einem Platz namens Sternschanze. Hier geschieht nichts Besonderes. Außer, daß noch mehr Bier getrunken wird. Und noch mehr. Wer kein Kapitalist ist, folgere ich, trinkt Bier. Unmengen. »Wir warten auf den Einbruch der Nacht«, vertraut mir schließlich jemand an.
Dann ist es endlich Nacht. Die Jugendlichen, die seit Stunden Bier trinken wie die Kamele, beschließen, daß sie noch etwas haben wollen für ihr Geld: einen Mehrwert aus den leeren Bierflaschen. Klar! Schließlich haben sie sie bezahlt. Also werfen sie die Flaschen. Überallhin. Auf die Polizisten, auf Geschäfte. Alles, was sich bewegt oder nicht bewegt, verdient eine leere Flasche. Dann fliegen Steine. Oder was auch immer. Hauptsache, es kann jemanden verletzen oder töten. Rechts von mir sehe ich einen jungen Mann, der blutend zwischen zwei Autos auf der Straße liegt. Niemand schert sich drum. Das hier ist ein Kriegsschauplatz. Eine Schlacht. Und in der Schlacht zwischen den jungen Biertrinkern, die Limonade wollen, und der Polizei, die sie ihnen vorenthalten will, scheint letztere zu unterliegen. Die Polizei wehrt sich mit Wasserwerfern, die sie aber nur sporadisch einsetzt. Spritz und stop. Spritz. Stop. Sie benutzt aber nicht nur Wasser, sondern auch Videokameras. Das ist ein überraschend schöner Anblick: Die Polizisten halten Videokameras in die Menge. Nicht die Limoisten, sondern die Polizisten scheinen Angst zu haben, im Gefängnis zu landen. So läuft das hier, scheint mir. Die Polizisten müssen ihr »korrektes Verhalten« dokumentieren.
Auf dem Treppenabsatz neben mir zersplittern Flaschen. Ich frage die Limoisten, warum sie das machen. Sie erklären mir, daß sie an Freiheit, Frieden und Liebe glauben.
Ich hoffe, die verlieben sich nicht in mich. Diese Liebe scheint unbändig. Im weiteren Verlauf der Nacht fangen die Liebenden/Limoisten an, Molotowcocktails zu werfen. Bumm! Bumm! Bumm!
Dies ist Tag eins meiner Deutschlandreise, und schon fühle ich mich völlig verloren. Ich habe Stunden hier zugebracht und verstehe rein gar nichts. Das einzige, was ich bislang herausgefunden habe, ist: Ich bin Zeuge einer Schlacht zwischen Limoisten und Videokameraträgern, bei der die Beteiligten beider Seiten im Krankenhaus oder auf dem Friedhof landen können. Aber was ich nicht begreife: Warum können beide Parteien nicht friedlich zusammen trinken und Schnappschüsse machen? Irgend etwas entgeht mir hier. Das muß mir unbedingt jemand erklären.
Ich verlasse dieses Bumm! Bumm! Bumm!-Techno/Rap-Konzert und gehe zur nächsten S-Bahn-Station. Nur leider fahren die S-Bahnen nicht. Die U-Bahnen auch nicht. Und die Taxen auch nicht. Ich muß zu Fuß gehen, wie Adam und Eva. Mit dem Unterschied, daß die Straßen hier mit Glasscherben übersät sind, ein Garten Eden ist das nicht. Wie kamen wir gleich noch mal von frischem Obstsalat zu Mollies?
Zurück in die Studenten-WG, in der ich während meiner Zeit in Hamburg ein Zimmer habe. Vielleicht kann mir hier jemand erklären, was ich eben gesehen habe. Aber als ich gerade mit meinen Fragen loslegen will, sehe ich, daß die Wohnung voll mit leeren Bierflaschen ist. Bier, wohin ich auch blicke. Es müssen Hunderte Flaschen sein. Wahrscheinlich sollte ich keine Zeit damit verschwenden, mit weiteren Trinkern zu diskutieren. Wie diese Studenten es schaffen, irgend etwas zu studieren, ist mir ein Rätsel.
Im obersten Stockwerk des Hauses lebt eine alte Dame, die kaum noch laufen kann. Junge deutsche Studierende versammeln sich in der Nähe ihrer Wohnung, trinken, rauchen und haben Sex. Die alte Dame wird heute nacht nicht schlafen können, der Lärm ist schlicht unerträglich. Die Studis aber haben ihren Spaß. Nur daß sie sich nicht als »Spaßvögel« bezeichnen. Wie die Bumm-Rapper an der Sternschanze bezeichnen sich auch diese Studenten als Anarchisten. Und diese Anarchisten wollen Deutschland verändern. Weil das Leben hier nämlich sehr hart ist, auch wenn es mir schwerfällt, das nachzuvollziehen. Es gibt keine Freiheit, sagen sie mir. Ich kann mir das beim besten Willen nur so erklären: Die deutschen Behörden zwingen diese jungen Menschen, zu trinken, zu rauchen und Sex zu haben. Gnadenlos und ohne Unterlaß.
Während der nächsten paar Tage grüble ich über eine einzige Frage: Warum bin ich hier? Ohne ein abgeschlossenes Studium in Psychiatrie oder dergleichen habe ich keine Chance, irgend etwas zu verstehen. Warum habe ich mich auf dieses Buchprojekt eingelassen? Vielleicht sollte ich einfach mal ins Kino gehen.
Ein Filmplakat vor dem Abaton zeigt zwei schwule orthodoxe Juden in Israel. Der Film heißt Du sollst nicht lieben. Im Schaukasten des Kinos hängt ein Zettel, auf dem behauptet wird, laut dem Talmud gebe es gar keine Homosexualität. Ich weiß nicht, wer ihnen dieses spezielle Detail gesteckt hat, da es einfach nicht stimmt. Vielleicht wurden sie durch Bemerkungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad verwirrt, der in einer Rede an der Columbia University in New York unlängst beteuerte, im Iran gäbe es keine Homosexuellen.
Vielleicht nehme ich aber auch all das zu wörtlich. Vielleicht steckt ein tieferer Sinn dahinter, der sich mir noch nicht erschließt. Vielleicht sind die Anarchisten Genies, und ich kapiere es nur nicht. Die deutsche Kultur muß so komplex sein, daß man sie nur unter größten Schwierigkeiten verstehen kann. Das klingt plausibel, oder? Mercedes, Audi, BMW sind ja schließlich auch alle deutsch.
Zu jeder Anstrengung bereit, spaziere ich wieder in die Gegend um die Sternschanze, um einige der Demonstranten aufzutreiben und mir von ihnen erklären zu lassen, was sie da eigentlich vor einigen Nächten getrieben haben.
An einem überaus häßlichen Ort namens Rote Flora lerne ich Ole kennen, einen jungen Mann, eigentlich noch ein halbes Kind.
Kennen Sie die Rote Flora? Dort verkehren junge Menschen mit orangem und blauem Haar, das steil nach oben gegelt ist. Sie tragen üblicherweise zerrissene Lederjacken, schmutzige Hosen, sind überall gepierct und gern in Begleitung großer Hunde und großer Flaschen unterwegs.
Nur zu gerne teilt mir Ole seine Lebensphilosophie mit:
A. Er glaubt an den Frieden.
B. Es sollte keine Polizei geben, die den Staat beschützt.
C. Anarchie ist gut.
D. Die Leute sollen die Dinge selbst regeln.
Ein wenig von uns entfernt befindet sich ein selbstgebasteltes Mahnmal für einen Linken, der hier in der Gegend starb. In stiller Trauer … Joe, ist darauf zu lesen.
Woran ist er gestorben?
»Weiß ich nicht.«
Was würdest du tun, wenn es keine Polizei gäbe und dir ein Mörder in die Hände fiele?
»Mit ihm reden, damit er’s bereut und nie wieder tut.«
Und wenn jemand eine Frau vergewaltigt, was sollte dann mit ihm geschehen?
»Dasselbe. Die Idee ist, daß die Leute es selber regeln sollen, ohne Polizei.«
Hast du eine Freundin?
»Nein.«
Schon mal eine gehabt?
»Ja.«
Hast du sie geliebt?
»Ja. Sehr.«
Wenn ich sie vergewaltigt hätte, was hättest du dann mit mir gemacht?
»Ich hätte dich umgebracht!«
Moment mal! Hast du nicht gerade gesagt …
»Bei meiner Freundin ist es was anderes!«
Siehst du eine Logik in dem, was du sagst?
»Ich muß los. Tut mir leid. Ich bin in Eile.«
Ich muß aus diesen Leuten schlau werden!
Ich wage mich in die Rote Flora hinein. Innen sind die Wände genauso mit Graffiti übersät wie draußen:
NO MEANS NO! – NEIN heißt NEIN
no border, no nation, stop deportation!!!
Erst geschossen, NIE gedacht, JETZT habt IHR Kinder UMGEBRACHT
Die müssen hier für irgend etwas kämpfen, nur bin ich nicht sicher, was es ist, oder ob sie in Wirklichkeit nicht dafür kämpfen, sondern dagegen. Dieser Ort sieht aus wie ein Stall, was ich nicht negativ meine: Ställe haben auch ihr Gutes. Doch die Graffiti sind der einzige Anhaltspunkt dafür, daß hier Menschen leben und nicht Pferde. Die Leute, allesamt jung, laufen zwischen den graffitiübersäten Räumen herum, wobei sie einen geschäftigen Eindruck erwecken. Ihre Hauptbeschäftigung ist Bier trinken und rauchen. Also besorge ich mir ein Bier, stecke mir eine an, werde wie sie und suche das Gespräch mit ihnen. Ein junger Mann erzählt mir, wie ihn vor kurzem diese Nazis erwischt und krankenhausreif geschlagen haben und wie er knapp, ganz knapp dem Tode entronnen ist. Ein Wunder, daß er überlebt hat. Sie sind gefährlich, die Nazis, läßt er mich wissen, und lauern überall in diesem Land.
Das ist es, was wir hier tun. Die verfluchten Nazis bekämpfen.
Es gibt einen Sinn im Leben, vermute ich: Wichtiger als gegen die Polizei zu kämpfen ist gegen die Nazis zu kämpfen.
An diesem Wochenende feiern die Rote Flora und andere Institutionen der radikalen Linken in der Gegend den Sieg über die Nazis. Glück gehabt, ich bin genau im richtigen Moment gekommen. Der Kampf geht weiter: heute gegen die Polizei, morgen gegen die Nazis, und dazwischen ein paar Bier. Nach ungefähr einer Stunde fühle ich mich in der Roten Flora zu Hause. An der Kasse – ja, sie haben eine – sitzt niemand. Eine gute Gelegenheit. Ich gehe rüber, setze mich auf den verdreckten Stuhl und bereite mich auf den Verkauf von Eintrittskarten vor. Junge Burschen und Mädels schauen vorbei und fragen mich, was abgeht. Gott, wenn ich das wüßte! Ich studiere den Stapel Postkarten, der vor mir liegt, um mich mit dem Angebot vertraut zu machen. Ich sollte es schließlich wissen, oder? Ich bin schließlich die Kasse. Hoppla, hier ist etwas, das mich interessiert, eine Postkarte, auf der steht: Hitler kaputt! Was ist denn das? Ach ja, ein Konzert in der Roten Flora.
Diese Jungspunde, denen noch die Muttermilch von den Lippen tropft, feiern Hitler kaputt! In welchem Jahr befinde ich mich eigentlich? In welchem Jahrhundert?
Ich ahne, daß ich in diesem Deutschland den Verstand verlieren werde, bevor ich überhaupt eine einzige Zeile geschrieben habe. Eine Stimme in mir sagt: Vergiß das Buch! Ich entwerfe einen Brief an meinen Verlag:
Lieber Verleger,
suchen Sie sich einen anderen Dummkopf!
Dann entwerfe ich einen zweiten Brief:
Liebe Kapitalisten wider Willen,
ich mache es nur, wenn Ihr mir eine Milliarde Euro zahlt.
Und noch einen:
Liebe Freunde,
ich brauche eine psychiatrische Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Und das bitte gleich.
Mein Vertrag mit dem Verlag ist ziemlich kurz und simpel. Ich schreibe, sie zahlen. Aber er hat eine Klausel, die besagt, daß ich nichts Obszönes schreiben darf. Ich möchte gerne Fuck You! schreien. Kann ich aber nicht. Nicht jetzt. Ich verkaufe die Eintrittskarten in der Roten Flora und muß mich benehmen.
Möchte jemand zu Hitler kaputt!?
Ein Nigerianer schaut vorbei.
»Was geht ab, Mann?« fragt er mich.
Bin gerade mit meinem Bier fertig und brauche ein neues, sage ich.
»Wie viele willst du? Ich besorge sie dir.«
Halt ein paar.
Oha, ich bin wirklich von der Rolle.
Er zieht ab, um mir Bier zu kaufen.
Langsam schwant mir, was ich mir da eingebrockt habe. Wie lange kann ich meinen Fake noch aufrechterhalten?
Ich wechsle besser die Seiten. Schnell. Vielleicht sollte ich ein paar Nazis auftreiben, die mich beschützen, bevor diese Kids anfangen, mir leere Bierflaschen an den Kopf zu schmeißen.
Ich verlasse meinen Kartenverkäuferhocker und laufe herum. Wo kann ich die Nazis finden? frage ich die Jugendlichen.
»Überall«, sagen sie.
Überall?
»Ja, überall.«
Verstanden. So viele brauche ich gar nicht. Kann mir nicht jemand einfach mal einen zeigen, bitte? Einen, zwei, drei, meinetwegen auch vier. Das würde reichen. Kann mir irgend jemand vier Nazis zeigen?
»Nein.«
Drei?
»Nein.«
Zwei?
»Nein.«
Ich fühle mich wie Abraham, der mit Gott über ein paar Gerechte in Sodom feilscht.
Wasser, Wasser überall, aber kein Tropfen zu trinken, wie Coleridge in Die Ballade vom alten Seemann schreibt. Nazis, Nazis, überall, aber nirgends einer, den ich mir anschauen kann.
Sie verstecken sie, diese Linken! Sie verstecken meine Nazis. Diese Kids wollen alle Nazis für sich selbst haben, ich verstehe.
Ich verlasse das Gebäude. Muß einen Nazi für mich finden, der mir ganz allein gehört!
Aber wo? Und wie?
Ich laufe durch die Straßen Hamburgs und bitte Leute, mir einen Gefallen, einen wirklich großen Gefallen zu tun: mich zu einem Nazi zu bringen.
Die Kenner der Szene bieten mir sofort ihre Hilfe an. »Du mußt in den Osten«, sagen sie mir. »Bayern«, sagen andere. Viele wollen mich nach Österreich schicken.
Ich bin aber in Norddeutschland. Gibt es im Norden keine Nazis?
Selbstverständlich nicht. Hamburger können keine Nazis sein. »Wir in Norddeutschland haben keine Nazis«, brüsten sich die stolzen Hamburger. Außer natürlich, man begegnet hier Menschen, die keine gebürtigen Hamburger sind, Leuten, die sich einen Deubel um Hamburgs guten Ruf scheren. »Ja«, behaupten diese Leute nämlich, die Nordhasser, »es gibt jede Menge Nazis« hier. Und wo? »Fang mal in Neumünster an«, sagen sie, »und dann einfach dranbleiben.«
Neumünster. Noch nie gehört? Ich bis dahin auch nicht, aber das gibt es wirklich. Nichts wie hin!
Ausgangspunkt: Titanic. Halb Café, halb Club, vor allem aber eine Dartkneipe. Männer und Frauen, die sich allesamt kennen und alle zwei Minuten gegenseitig abklatschen, werfen Darts auf fünf Dartscheiben. Zwischendurch trinken sie Bier, mehr Bier, Kaffee und noch mehr Bier. Cappuccino. Bier und Bier. Noch einen Cappuccino. Noch ein Bier. Mehr Bier. Und noch ein Bier. Dann einen Kaffee. Und ein Bier. In den rund zwei Stunden, die ich zuschaue, trifft ein Mann einmal ins Bull’s Eye. Meistens aber landen die Pfeile nicht näher am Ziel als irgendwo zwischen dem Double- und dem Triple-Ring, etliche auch außerhalb des Doubles. Auf dem Boden zum Beispiel. CIA-Attentäter werden diese Leute nicht mehr. Aber wen juckt’s? Einen Kaffee und zwei Bier, bitte.
Die Linken beziehungsweise Linksradikalen trinken Bier. Bier und noch mal Bier, sage ich mir. Diese Leute hier mischen Bier und Kaffee. Heißt das jetzt, daß sie Nazis oder Neonazis sind?
Könnte schon sein. Wir sind hier in Deutschland. Hier ist alles möglich. Limonade bedeutet ja schließlich links, man stelle sich vor.
Ich hätte gern zwei Kaffee und ein Bier, sage ich dem Kellner, denke aber sofort: Hoffentlich habe ich keinen Fehler gemacht. Zwei Kaffee und ein Bier könnten hier Wer-weiß-was bedeuten. Zum Beispiel, daß man ein Jude ist. Das wäre schrecklich. Ich meine, wenn das hier Nazis sind.
»Sei bloß vorsichtig«, sagte man mir, bevor ich nach Neumünster fuhr. »Das ist ein gefährliches Pflaster. Trag auf kei