Die drei ???® Kids

Band 58

Spur des Drachen

Erzählt von Ulf Blanck

Mit Illustrationen von Jan Saße

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KOSMOS

Umschlag- und Innenillustrationen von Jan Sasse, Wilhelmsdorf

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© 2014, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-14209-7

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Pleitegeier

Endlich waren Ferien, und die drei ??? trafen sich gleich am Morgen am Marktplatz von Rocky Beach. Bob Andrews setzte sich auf den Rand des großen Brunnens und tauchte seine Hände ins Wasser. »Am liebsten würde ich reinspringen«, stöhnte er. »Ich glaube, heute ist der heißeste Tag des Jahres.« Peter Shaw klatschte ihm eine Ladung Wasser ins Gesicht. »Kleine Erfrischung gefällig?«, lachte er. »Schwimm doch eine Runde im Brunnen. Das kostet nichts, und Fred Fireman wird nichts dagegen haben.« Fred Fireman war die Bronzefigur in der Mitte des Brunnens. Sie war vor vielen Jahren zu Ehren eines tapferen Feuerwehrmannes aufgestellt worden, der Rocky Beach vor einer Feuersbrunst bewahrt hatte.

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Justus Jonas setzte sich jetzt auch zu seinen Freunden. »Ganz schön blöd«, seufzte er, »die Ferien beginnen, und wir sind total pleite. Das kann ja heiter werden. Ich hab nur noch ein paar Cent in der Tasche. Nicht einmal den Eintritt fürs Kino können wir uns leisten.«

»Braucht dein Onkel nicht mal wieder Hilfe auf dem Schrottplatz?«, fragte Bob und trocknete seine Brille ab. »Da gibt es doch immer was aufzuräumen, oder?« Justus schüttelte den Kopf. »Das können wir vergessen. Onkel Titus und Tante Mathilda müssen im Moment jeden Cent zusammenhalten. Im Sommer laufen die Geschäfte nicht so gut. Die Kunden sind alle in Urlaub. Ich bin froh, wenn ich mein Taschengeld bekomme. Und das sind auch nur gerade mal fünf Dollar im Monat. Aber egal! Ich verdurste gleich. Wisst ihr was? Wir nehmen meine letzten Cent, gehen zu Porter und teilen uns eine kalte Cola.«

Peter und Bob waren sofort einverstanden, und wenig später betraten sie den kleinen Laden am Marktplatz. Hier gab es alles, was man für Geld kaufen konnte. Lebensmittel, aber auch Spielzeug, Gartengeräte, Eierkocher oder Fliegenpatschen. PORTER HAT ALLES stand auf einem großen Schild über dem Tresen. Der clevere Kaufmann war gerade dabei, einige Kartons zu öffnen.

»Hallo, Jungs!«, begrüßte er sie. »Ihr seht aus, als wolltet ihr meinen ganzen Laden aufkaufen. Nur zu. Was kann ich für euch tun?« Justus kramte in seiner Hosentasche und legte einige angerostete Münzen auf den Tresen. »Großauftrag. Wir hätten gern eine kalte Cola.« Porter runzelte die Stirn. »Oha! Wirklich? Eine ganze Cola zu dritt? Das ist ja ein Wahnsinnsgeschäft für mich. Wollt ihr vielleicht noch etwas Eis dazu? Saubere Gläser und eine frische Scheibe Zitrone?« Bob grinste. »Oh ja, das klingt gut. Und dann hätten wir gern noch drei Strohhalme: je einen in Weiß, Rot und Blau.«

Wütend warf Mister Porter die Geldstücke in seine Kasse. »Wenn ich nur solche Kunden hätte wie euch, dann könnte ich meinen Laden dichtmachen. Zum Glück gibt es noch andere Käufer. Drüben in der Ocean Road wohnt zum Beispiel eine Frau, die zweimal in der Woche bei mir für über hundert Dollar französisches Mineralwasser kauft. Solche Kunden brauche ich. So, und nun lasst mich arbeiten. Die Cola könnt ihr euch selbst holen. Steht drüben bei den Erbsendosen.«

Peter sah den Gemischtwarenhändler mit großen Augen an. »Wie? Wir bekommen für unser Geld nicht einmal eine kalte Cola aus dem Kühlschrank?«

»Kalte Cola kostet zehn Cent extra.«

Peter wühlte in seinen Taschen. »Wir sind absolut pleite, Mister Porter.«

»Mir doch egal. Warme Cola schmeckt auch.«

Genervt holten sich die drei Freunde eine der warmen Colaflaschen, und jeder nahm daraus einen kräftigen Schluck. Justus musste aufstoßen und betrachtete dabei neugierig die Kartons auf Porters Tresen. »Haben Sie gerade neue Ware bekommen?«

»Nein, das sind meine Prospekte. Frisch aus der Druckerei. Hier, das sind die Topangebote dieser Woche: Klappstühle für sechs Dollar pro Stück, Zahnputzbecher in sieben Farben, Waschpulver im Vorratspack – und extra für meine reichen Kunden aus der Ocean Road: Schweizer Schokolade für acht Dollar die Tafel.«

Peter sah ihn erschrocken an. »Wie? Acht Dollar für eine einzige Tafel Schokolade?«

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»Richtig. Und das ist noch billig. Den Leuten dort ist es egal, was die Dinge kosten. Die schwimmen im Geld. Vor lauter Langeweile kaufen die sogar Bilder, Schmuck und Kunstgegenstände. Aber wartet mal, Jungs! Mir kommt da gerade eine Idee. Wer so pleite ist wie ihr, der ist doch immer auf der Suche nach einem kleinen Nebenverdienst, oder?«

Bob kniff die Augen zusammen. »Sie haben einen Job für uns? Was sollen wir machen? Den Boden mit einer Zahnbürste schrubben für einen Dollar am Tag?«

»Nicht so frech, junger Freund. Nein, ich rede von einem gut bezahlten Job. Wenn ihr wollt, dann könnt ihr in Rocky Beach meine neuen Prospekte verteilen. Bisher haben das immer ein paar junge Leute für mich übernommen. Leider scheinen alle plötzlich gleichzeitig krank geworden zu sein, oder sie haben bei der Hitze keine Lust. Was ist? Ihr könnt bei mir einsteigen: gutes Geld für gute Arbeit.«

Bob hob eine der Kisten mit den Prospekten an. »Puh, ganz schön schwer die Dinger. Was meint ihr?« Justus nahm noch einen Schluck Cola aus der Flasche. »Hört sich eigentlich gar nicht so schlecht an. Wir könnten etwas Geld gut gebrauchen. Ich möchte nämlich in diesen Ferien nicht noch einmal brühwarme Cola trinken. Ich bin dabei. Die Prospekte sind doch schnell in die Briefkästen geworfen. Was meinst du, Peter?«

»Klar, warum nicht. Wann sollen wir anfangen, Mister Porter?«

»Na, am liebsten sofort. Zeit ist Geld. Je früher die Leute meine Prospekte lesen, desto schneller stürmen sie in meinen Laden. Fangt am besten in der Ocean Road bei den reichen Leuten an. Die lieben Sonderangebote. Je reicher Menschen sind, desto geiziger werden sie nämlich. Hier, für jeden von euch ein Karton. Ach, und noch was: Meine Prospekte werden nur im Notfall in den Briefkasten gesteckt. Die Leute werfen Werbung sonst sofort in den Müll. Nein, ihr klingelt an den Türen und übergebt die Prospekte persönlich. Zumindest in der Villengegend bei der Ocean Road. Reiche Leute erwarten einen persönlichen Service. Und wenn die ihre Tür aufmachen, könnt ihr auch gleich mal staunen, was die so alles besitzen. Wir sehen uns dann heute Abend. Die tausend Stück habt ihr doch schnell verteilt, oder? Und wehe, ihr werft die Prospekte einfach in den nächsten Mülleimer! Ich kontrolliere das!«

Wenig später standen die drei ??? wieder am Brunnen. Jeder hatte einen schweren Karton unter dem Arm. Mittlerweile war es noch heißer geworden. Bob tauchte sein Gesicht in das kühle Brunnenwasser. »Ob das eine gute Idee war? Wir werden uns totschwitzen.« Peter klemmte bereits den Karton auf den Gepäckträger seines Fahrrads. »Nun hör auf zu jammern!«, schimpfte er. »Totgeschwitzt hat sich noch niemand. In ein paar Stunden sind wir wieder zurück und bekommen genug Kohle, um etwas Spaß in den Ferien zu haben. Wie viel kriegen wir eigentlich fürs Austragen?«

Justus klatschte sich an die Stirn. »Wir Idioten! Wir haben vergessen, Porter danach zu fragen. Na, egal! Lasst uns in die Ocean Road fahren. Wenn wir schnell sind, dann gibt es heute noch ein Eis bei Giovanni.«

Hausbesuch

Die drei ??? kannten die Ocean Road. Sie führte direkt am Meer entlang. Jedes Haus hatte einen wunderschönen Blick auf den Pazifischen Ozean. Die großen Villen waren alle hinter hohen Mauern versteckt. Riesige Palmen säumten die schmale Straße und sorgten für angenehmen Schatten.

Bob stellte sein Rad ab und ging zum Tor der ersten Villa. Er klingelte mehrmals, doch niemand öffnete. Neben dem vergitterten Eingang befand sich der Briefkasten. »Keiner da«, rief er seinen Freunden zu, »also verschwindet der erste Prospekt eben im Kasten. Und zack! Jetzt sind es nur noch neunhundertneunundneunzig.«

In diesem Moment tauchte hinter dem Tor ein großer, schwarzer Hund auf und kläffte wütend. Bob zuckte zusammen. »Die scheinen in der Ocean Road mächtig Angst vor Einbrechern zu haben. Der Hund sieht aus, als hätte er nicht gefrühstückt. Ich bin froh, dass es ein Gitter gibt.«

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Die nächste Villa in der Straße machte einen besonders alten Eindruck. Bob nahm den nächsten Prospekt und wollte ihn gleich in den Briefkasten werfen. »Hier ist bestimmt auch keiner da. Ich kürze das Ganze etwas ab, dann sind wir schneller fertig.« Doch Peter hielt ihn zurück. »Nein, das geht nicht. Porter hat gesagt, wir sollen die Prospekte persönlich übergeben. Erstens wäre es nicht fair, ihn zu betrügen, und zweitens kontrolliert er uns.«

»Na schön. Klingeln wir und warten, bis einer kommt. Wenn hier aber wieder so eine schwarze Bestie auftaucht, dann hast du Schuld.«

Beherzt drückte Peter auf die kleine Klingel, die in die Mauer eingelassen war. Kurz darauf krächzte die Stimme einer älteren Dame aus dem Lautsprecher. »Ja bitte?«

Peter trat dicht an den Lautsprecher heran. »Guten Tag. Wir bringen Ihnen den neuen Prospekt von Porter.«

»Von Mister Porter? Oh, wie wunderbar! Darauf habe ich schon gewartet. Vielleicht sind diesmal die portugiesischen Datteln im Angebot. Drückt einfach gegen das Tor, ich betätige von innen den Summer, dann geht es automatisch auf.«

Es brummte kurz, und Bob öffnete das Tor. »Hinein in die gute Stube. Vielleicht gibt es ein Trinkgeld.« Hinter dem Tor erstreckte sich ein großer Park. Er war leicht verwildert, und Rosenranken wucherten über die Wege. Ein breiter Kiesweg führte zur Villa.

Justus sah sich um. »Sieht so aus, als würde die Dame hier allein wohnen.«

»Ich hoffe, sie hat keinen Hund«, ergänzte Peter etwas kleinlaut.

In diesem Moment öffnete eine ältere Frau die große Eingangstür der Villa. »Guten Morgen. Ihr müsst die neuen Austräger sein. Bei Mister Porter wechseln die ja andauernd. Wunderbar, dass ihr da seid. Ihr seht durstig aus. Wie wäre es mit einer kleinen Erfrischung? Mögt ihr kalte Cola?«