Hanser eBook

 

 

Barbara Honigmann

Das überirdische Licht

Rückkehr nach New York

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Carl Hanser Verlag

 

 

 

 

 

 

 

 

ISBN 978-3-446-23349-2

© Carl Hanser Verlag München 2008

Satz: Fotosatz Reinhard Amann, Aichstetten

Datenkonvertierung eBook:

Kreutzfeldt Electronic Publishing GmbH, Hamburg

www.hanser.de

Das überirdische Licht

Hier ortet man sich nach den Himmelsrichtungen und ruft sich seine Position zu wie auf hoher See. Länge Breite Nord Süd Ost West, und am Ende aller Streets und Avenues tauchen Himmel und Wolken auf und Meer und Schiffe und Kräne und Hafen. Ein siebzehnstöckiges Hochhaus schiebt sich den Hudson runter. Ach ja, es stand doch in der New York Times, daß die Queen Mary 2 heute zum ersten Mal nach Southampton ablegt.

Das überirdische Licht! Im November strahlt der Himmel azurblau und viel heller als in irgendeiner Provence. Klarer und durchsichtiger, weil kein Hitzedunst die Konturen erweicht. Licht und Schatten sind scharf voneinander geschnitten, die tiefen Schattenschluchten der Streets und Avenues werfen sich kerzengerade in ihre vorgegebenen Richtungen, und »die Gestade des Himmels dahinter/zergehen in Wind und Licht«. Noch nie in meinem Leben habe ich so gleißendes Licht gesehen, es muß mit dem südlichen Breitengrad und der ozeanischen Lage oder sonst- welchen physiko-geographischen Bedingungen der Stadt zusammenhängen. Von so überirdischer Helle stelle ich mir das »verborgene Licht«, das ursprüngliche, das »Licht des ersten Tages« vor, von dem die Legende erzählt, es habe von einem Ende der materiellen Welt bis zum anderen Ende der geistigen Welt geleuchtet. Dann hat es Gott für die Gerechten in der kommenden Welt beiseite geschafft, denn soviel Klarheit konnte natürlich kein Mensch aushalten.

Vielleicht verdankt sich das überirdische Licht auch einfach nur dem Wind, der zu dieser Jahreszeit hier immer pfeift und tobt und Himmel und Luft zu solcher Klarheit und Durchsichtigkeit ausfegt. Manhattan ist ihm wie ein Schiff auf hoher See ausgeliefert. Wunderbarerweise biegen sich die Häuser nicht, aber Möwen und Blätter taumeln durch die Luft, die unwahrscheinlichsten Dinge wirbeln über Straßen und Gehsteige, heben ab und fangen an zu fliegen, und als ich den Dollarschein für die New York Times schon ein paar Schritte vor dem Kiosk aus dem Portemonnaie hole, saugt und zieht es mir gleich die ganzen Scheine daraus hervor, sie wirbeln davon, ich hopse und hasche und schnappe nach ihnen wie in einer dummen Slapsticknummer, und mindestens ein Dutzend Leute, die gerade da gehen oder stehen, stürzen den fliegenden Dollarscheinen mit hinterher, fangen sie ein wie Schmetterlinge und bringen sie mir zurück, und jeder macht noch eine Bemerkung über Wind und Wetter oder gibt mir einen guten Rat, be carefull next time!

Auch in meinem Apartment rüttelt und schüttelt es die Fenster in ihren Fassungen, dazu pfeift und singt es noch, weil die Fenster so tief in die Wand zurückgesetzt sind, daß der Wind sich in einem Resonanzraum wie für ein Symphonieorchester oder eine Opernaufführung austoben kann. Manchmal klingt es, als hielte eine Meute heulender Hunde und Katzen die Räume Tag und Nacht besetzt. Der liebe Deutsche Literaturfonds und das Deutsche Haus, das zur New York University gehört, haben mir hier, mitten in Manhattan, eine Schriftstelleresidenz überlassen. Im siebenten Stock eines 30stöckigen Hochhauses darf ich zehn Wochen writer in residence sein, und man fragt mich noch nicht einmal, was ich hier, außer zu residieren, zehn Wochen lang sonst noch tun werde. Das heißt, ich bin frei und gefangen in New York, dieser Gedanke erregt und beglückt, aber beängstigt mich auch ein bißchen, denn die Stadt ist sehr groß, und ich bin ziemlich klein.

Die Residenz besteht aus einem riesigen Zimmer mit einer ganzen Wand aus Fenstern, einem kleinen Schlafzimmer und allem, was sonst noch so dazu gehört. Durch die vielen Fenster, die im übrigen unglaublich dreckig sind, ist die Wohnung sehr hell, möbliert aber ist sie wie mit Möbeln aus der DDR, die, wenn ich mich richtig erinnere, Hellerau hießen und vor fünfzig Jahren als modern galten. Das Gebäude ist eines der drei Silver Towers, die in den 60er Jahren von dem berühmten Architekten Ioeh Ming Pei für die New York University erbaut worden sind, aber auch sie hätten in der DDR stehen können, finde ich. Allerdings haben sie den besonderen Charme, daß sie ganz einsam zwischen den sonst niedrigen Häusern aufragen, denn in dieser Gegend gibt es keine Wolkenkratzer und auch sonst keine Hochhäuser.

Die Pei-Türme stehen genau im Schnittpunkt zwischen dem East- und dem West-Village, SoHo und der Gegend um den Washington Square, und beaufsichtigen sozusagen alle die kleinen Streets, die um sie herumquirlen und noch auf Namen hören. Die nach Norden fortlaufende Numerierung der Streets beginnt hier erst zögerlich, Namen und Nummern wechseln sich noch ab, manche Nummern fehlen ganz, die erste, zweite, fünfte, sechste und siebente Street existieren auf der Westseite gar nicht, statt dessen heißen sie Place, obwohl sie eindeutig Streets sind. Noch schlängeln sie sich um Plätze und kleine Squares, viele Häuser haben sogar Vorgärten, wie in einer Kleinstadt, ja, einem Dorf, deswegen heißt das Village ja auch Village.

Auf all das und noch viel weiter, bis zum East River, hat man vom Fenster meiner Residenz im Turm eine Aussicht. Ich könnte die zehn Wochen, die mir hier bemessen sind, auch nur am Fenster stehenbleiben und schauen. Faineanter dans un monde neuf est la plus absorbante des occupations – der Satz, den ein in Frankreich bekannter Reiseschriftsteller auf einer seiner Reisen zwischen dem Balkan und Afghanistan notierte, geht mir nicht aus dem Sinn.

Im Block gegenüber sind am Abend alle Fenster erleuchtet, und hinter allen Fenstern gibt es etwas zu sehen. Niemand hat die Vorhänge zugezogen. Die Leute stellen sich in ihren Szenerien dar, treten durch eine Tür auf, kommen herein oder gehen hinaus, sitzen in einem Sessel unter einer Lampe, einer liest Zeitung, manche gucken fern, eine Frau bringt etwas, ein Mann holt etwas, einer räumt seinen Schreibtisch auf, daneben tanzen sie und ein bißchen weiter turnen sie und üben sich an Geräten. An der Ecke ist ein Kino, davor stehen Leute Schlange oder gucken sich die Schaukästen an, drinnen kaufen sie sich Billets und Popkorn. Auf einem Balkon steht ein Mann in einer roten Hose und raucht. In der Wohnung unter ihm scheint eine Party stattzufinden, Leute stehen herum und halten Gläser in den Händen, ein Paar lehnt am offenen Fenster, es sieht aus, als führten sie ein ernstes Gespräch. Vielleicht haben sie sich gerade kennengelernt, vielleicht trennen sie sich heute. Ich beobachte die fremden Menschen in ihren fremden Leben wie durch die unsichtbare vierte Wand des Theaters, deutlich und entrückt zugleich. Nun weiß ich, wo Edward Hopper sich zu seinen Bildern hat inspirieren lassen. Er hat ja hier gewohnt, drüben am Washington Square North Nr. 3, wo man sein Atelier noch heute besichtigen kann.

Zwischen meiner Residenz und dem gegenüberliegenden Block liegt das flache Sport-Center der New York University, deren visiting scholar ich als resident writer auch noch bin, und auf dem Dach des Flachbaus drehen Jogger und Walker ihre Runden, manchmal sprinten sie auch oder machen ein paar Gymnastikübungen, die turne ich ihnen nach. Das soll ja gut tun.

Und über, neben und hinter dem gegenüberliegenden Block kann ich das Chaos der unvorstellbar vielgestaltigen Formen der Stadtlandschaft bestaunen, all die steinernen Linien, die sich schneiden und durchziehen, krümmen, biegen, strecken, über- und untereinander legen, längs, quer, diagonal, ornamental, zugleich statisch und bewegt, in einem schmalen Raum komprimiert. Und doch muß irgendwo eine Stütze sein, denn die Stadt steht stocksteif aufrecht. Die meisten anderen Städte liegen an einem Fluß oder am Meer oder in einem Tal, manchmal auf einem Berg. Diese Stadt aber steht senkrecht. Ich weiß, ich bin nicht die erste, die das feststellt.

Wenn das überirdische Licht am Abend untergegangen ist, tönt der Lärm noch immer weiter, er hört niemals auf, auch er muß überirdischer Herkunft sein, denn auf der Erde schlafen die Menschen doch manchmal. Geheul, Gedröhn, Getöse, Gerumpel und Geratter, Sirenenschrillen von Feuerwehr, von Polizei und anderen Emergencies, aber auch der Menschenlärm verstummt nie. Provinzlerin, die ich bin, dachte ich zuerst, die Stadt feiere gerade irgendein Fest, so viel Musik und so viele Stimmen, die singen, lachen, rufen, reden, aber nach der dritten Nacht habe ich verstanden, so ein ewiges Fest gibt es doch nicht auf der Welt. Es rumst, bumst, kracht, klingelt, quietscht, singt, schreit, brummt, tönt und tutet, und bald bin ich viel zu müde nachzusehen, was da draußen eigentlich vor sich geht, ich habe schon begriffen, daß es der normale Metropolenlärm des Village ist, wo sich schließlich Lokale, Bars und Jazzkneipen drängen und die Leute von sehr weit herkommen, um sie zu besuchen, weil die aller- berühmtesten Bands dort spielen und die weltbekanntesten Sänger singen.

Der doorman unten im Haus, an seinem frontdesk, kommentiert meine verhaltene Klage über den Krach mit: Na, wenn Sie Ruhe suchen, dann müssen Sie nach Iowa gehen!

 

Erst einmal ist in meiner Residenz das Telefon kaputt. Vergeblich krieche ich auf dem Boden herum, auf dem sich eine Unmenge von Schnüren verwirrt hat, die ich alle heraus-, hinein- und herumstöpsele, es funktioniert nicht. Zwei Tage später kommt ein sehr großer schwarzer Mann, den man früher einen Neger hätte nennen dürfen, geradezu ein Riese (ich habe gehört, daß sich inzwischen viele Schwarze nun erst recht selbst Negro nennen), jedenfalls kommt er von der Telefongesellschaft Verizon und begrüßt mich mit der Frage: Are you Barbara?, und ich bestätigte ihm, daß das me sei. Er weist, nach einem kurzen Blick auf die Verwirrungen am Boden, von sehr oben herab, erst auf einen Stecker, dann auf eine Schnur, dann auf einen Stöpsel, läßt mich nach seinen orders stecken und stöpseln und repariert mein Telefon einfach mit einem Blick und zwei kurzen Anweisungen, dann verabschiedet er sich schon wieder: Bye-bye Barbara! Genauso: Bye-bye, Barbara!

Endlich kann ich zu Hause anrufen und sagen, ich bin gut angekommen, wohne mitten in Manhattan, die Wohnung ist hell, groß und geräumig, es gibt sehr viel Platz, ihr sollt mich besuchen kommen, ja, ja, natürlich geht es mir gut. Und endlich kann ich jederzeit mit Sanda telefonieren, meiner Freundin aus der ganz alten Zeit, aus Berlin, die seit vielen Jahren in New York lebt und wunderbarerweise nur wenige Straßen von meiner Residenz entfernt. Ihre Wohnung liegt in einer der kleinen mews, den ehemaligen Stallgäßchen auf der Rückseite der alten Brownstone-Häuser am Washington Square-Park, die im 18. und 19. Jahrhundert von der amerikanischen »Aristokratie« bewohnt wurden und heute mitsamt den einstigen Stallgebäuden zu city landmarks erhoben worden sind. Solche mews gibt es auf der Ostseite und auf der Westseite. Auf der östlichen befindet sich das Deutsche Haus, und auf der westlichen, in der MacDougal Alley, wohnt meine Freundin in einem winzigen Häuschen, das ihr eine, man kann schon sagen, philanthropische Landlady vermietet hat. Nach so vielen Jahren der Trennung, während derer wir uns mit kurzen Besuchen, langen Briefen und seltenen Telefonaten begnügen mußten, finden wir uns jetzt mitten in Manhattan als Nachbarinnen wieder. Wenn uns das jemand vorausgesagt hätte – damals in Berlin, im Osten, den wir so satt hatten!

Mein magisches Dreieck

Touristische Pflichten habe ich mir nicht auferlegt, die habe ich schon bei früheren Besuchen erfüllt. Am Ende meiner Residenzzeit werde ich dann feststellen, daß ich eigentlich nie aus dem Village herausgekommen bin, und meine Dorfgenossen werden mir bestätigen, das geht hier allen so! Weil es ja ein Dorf ist, wenn auch ein größeres, kann man es, wenn man gute Schuhe hat, auch zu Fuß erlaufen, die kleinen Streets hinauf und die mittleren Streets hinunter, und dabei sogar einige Avenues überqueren. Natürlich bleibe ich dauernd stehen, weil ich vieles näher betrachten will, Buchläden, Galerien, Drogerien und ihre customers, ein petshop, in dessen Auslage eine Handvoll ganz kleiner Hunde in einem Körbchen unter einem Infrarotstrahler wachsen. Am Union Square habe ich dann sogar ein ganzes Pet-Kaufhaus, mehrstöckig, mit einer Abteilung für Hundemode im basement entdeckt. Für Katzen gibt es aber keine Modeabteilung, die würden sich so etwas Affiges auch nicht bieten lassen.

Meine Dorfgenossen stehen der Vielgestaltigkeit ihrer Stadtlandschaft in nichts nach, so multiverschieden, multi-ethnisch und multisozial, multiform und multifarbig wie sie sind und ausschauen und dahergehen. Was sie anhaben, tun und wie sie sich benehmen. Manche laufen ganz wild aussehend herum, manche picobello wie vom Laufsteg weg, einige richtig bohèmehaft, andere mehr gepflegt vernächlassigt, viele ganz schön exzentrisch und ein jeder mit dem festen Willen zur Gestaltung, das ist unübersehbar. Deeply superficial, hat Andy Warhol alle diese Leute und sich selbst treffend beschrieben; der hat hier auch irgendwo gewohnt. Richtig Meschuggene, die laut deklarieren und wild gestikulieren, laufen auch mehr als in anderen Städten herum, obwohl sich der Unterschied zu denen, die einfach laut mit ihrem cell herumtelefonieren, verringert haben dürfte. Den Hauptpreis für Exzentrik spreche ich innerlich einer ganz großen, gertenschlanken Frau von tiefschwarzer Hautfarbe zu, die im schneeweißen Pelzmantel mit schneeweißer Pelzkappe und schneeweißen Stiefeletten auf 10 cm hohen Absätzen einher- stöckelt und ihren schneeweißen Pudel spazierenführt. Aber wie! Vielleicht ist sie eine Berühmtheit, vielleicht ist sie bloß die weiße Pudelqueen von der Charles Street. Vielleicht sieht sie auch nur aus wie eine Frau. Wer weiß, wie sie sich selbst nennt. Wir sind ja hier nicht weit von der legendären Christopher Street, in deren Nähe, in der Bethune Street, sich übrigens auch die Synagoge Simchat Tora für schwule, lesbische, bi- und transsexuelle Juden eingerichtet hat. Der Gedanke, daß dieses heimelige Village mit seinen Häuschen und Vorgärtchen die Heimat der amerikanischen Bohème und von diesem Dorf alle Queer-Kultur der Welt ausgegangen ist, wirkt erheiternd, ja paradox. Ich muß zugeben, daß es in manchen Schaufenstern tatsächlich Dinge zu sehen gibt, von denen ich nicht einmal genau weiß, wie herum man sie sich anschaut und wozu und an welchen Körperstellen sie etwa benutzt werden, so daß ich noch nicht einmal zu erröten brauche, weil mein Interesse rein technisch bleibt. Direkt daneben ist wieder eine ganz altbackene Drogerie, die lauter Krimskrams verkauft, wie ich ihn zum letzten Mal in meiner Kindheit in Ost-Berlin gesehen habe. Dann eine Galerie. Der marokkanische Fotograf, der darin ausstellt, bittet mich, ihn nach Paris weiterzuempfehlen. Dort würde es doch sicher auch eine synagogue connection geben, wie er das nennt. Davon weiß ich nichts, und warum sagt er mir das.

 

Auf die Frage Where do you come from, damit von Anfang an soviel Klarheit wie möglich geschaffen ist und vielleicht auch aus einer Art Bekenntnissucht, antworte ich in aller Aufrichtigkeit: I come from France, but I am a Ger- man Jew. Die Formelhaftigkeit, in der meine Existenz so ihren Ausdruck findet, beglückt mich. Und sogar in New York bleiben diese Zuordnungen mein magische Dreieck. Fast jeden Tag gehe ich im Deutschen Haus vorbei und lasse mich von Kathrin und Kathrina, die dort angestellt sind, um die deutsche Sprache und Kultur in Amerika zu verbreiten, betreuen, oder ich drucke mir etwas aus oder nehme mir eine deutsche Zeitung mit und halte die beiden von ihrer wichtigen Mission ab. Nebenbei tauschen wir unsere Beobachtungen über Amerika im allgemeinen und New York im besonderen aus, über Schwierigkeiten und Auffälligkeiten des Alltags und der Sprache, und dazu geben Kathrina und ich aus der Höhe unserer erwachsenen Kinder Kathrin Ratschläge für ihre erste Schwangerschaft und alles, was darauf folgt. Eine Art Schwangeren- und Mütterberatung. Mit einem der selten auftauchenden Herren, der dort auch noch irgendeine Funktion hat, verkrache ich mich schon, bevor wir uns noch mit unseren Kaffeetassen am Tisch niedergesetzt haben, natürlich über den Nahost-Konflikt und Israel. Ich würde so gerne gelassen bleiben, aber bei dem Thema reagiere ich, wie die meisten Juden, hysterisch. Leider.

Direkt gegenüber vom Deutschen Haus in der kleinen mews hinter dem Washington Square, sie können sich gegenseitig in die Fenster schauen, befindet sich die Maison Française, beide Häuser gehören zur New York University und sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Ehemalige Stallgebäude wie das Häuschen, in dem Sanda wohnt, wirken sie putzig unter den großen buildings, die um sie herum stehen. In der Maison Française lese ich französische Zeitungen oder gucke wenigstens mal hinein, später besuche ich auch einmal eine Abendveranstaltung, bei der ich das »bessere« frankophone und vielleicht auch frankophile New Yorker Publikum kennenlerne. Ich habe das Gefühl, dieses Publikum ist noch mehr »B.C.B.G.« als sogar in Paris. B.C.B.G. ist die Abkürzung von bon chic bon genre, vom Volk persifliert zu beau cul bonne gueule* – man könnte auch einfach sagen, Snobs. Obwohl ich mir beim anschließenden Cocktail große Mühe gebe, den spitzen Pariser Akzent irgendwie aus mir herauszuholen, sieht man mir meine Nichtzugehörigkeit zur Gruppe natürlich schon an der Kleidung an. So elegante, mit einem Schuß Exzentrik zurechtgemachte, gepflegte Menschen habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Ich komme mir wie ein richtiger Underdog vor, denke während des ganzen Abends, daß ich mich mehr pflegen, auf mich achten, mich inszenieren müßte. Und schlank! Mir war schon aufgefallen, daß man in New York kaum Dicke sieht, die doch sonst in den USA mehr als anderswo zu sehen sind, und Sanda hat mir erklärt, daß in New York jede, auch die abwegigste Lebensform toleriert wird, aber Dicksein, das ist Sünde.

* schöner Arsch, nette Schnauze

Der Schriftsteller Pascal Bruckner spricht an diesem Abend. Er rechnet mit seinem französisches Heimatland – nein, kanzelt es ab, wie lahm, wie auf den Hund gekommen, wie konservativ vor allem die Linke sei, je linker, desto konservativer, bloß nichts verändern, niemals experimentieren. »Die Franzosen müssen immer erst eine Revolution

visiting scholar card Eatery, Schabbes dining folders leaflets on behalf of, about, concerning jewish life

Chinese-Americans Italo-Americans AmericansAmerican citizens

Ein gewisser Tagesrhythmus und ein paar Gewohnheiten haben sich bald eingestellt. Das gefällt mir, gerade, weil ich gar nichts Aufregendes erlebe, sondern mich mit den alltäglichen Handlungen in die Stadt einschreibe. Denn so ist es nun mal, daß uns das Nebensächliche und Unwesentliche, eben die Gewohnheit, Halt gibt, wie auch Goethe im Wilhelm Meister sagt. New York ist viel zu hoch, zu tief, zu breit, zu unförmig, zu unordentlich und zu kochend, als daß du wissen könntest, wo du den pot packen kannst, wo er seine Henkel zum Festhalten hat. Da schwimmst du eben einfach ein bißchen in der Suppe mit. Aber der melting pot, als den sich Amerika so lange sah, ist, wie ich aus Artikeln, dem Fernsehen und Gesprächen lerne, inzwischen durch die Salatschüssel ersetzt, wo die Zutaten nicht mehr verkocht werden, sondern sich alle möglichen Gemüse und Gewürze, jedes in seiner Eigenart, zu einer neuen Gesamtkomposition zusammenfinden.

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