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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

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3.

4.

5.

6.

7.

8.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2223

 

Die Gotteskriegerin

 

Ihr Leben erhält einen neuen Sinn – die Zivilisation soll untergehen

 

Michael Nagula

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Das Jahr 1332 NGZ setzt das verheerende Jahr 1331 ohne Anzeichen einer Besserung fort: Die galaktischen Großreiche der Arkoniden und der Terraner belauern einander mit schwerstem Kaliber, und der schon seit Jahrzehnten besonders sensible Sternensektor Hayok droht zum Zentrum eines Krieges zu werden. Währenddessen sind Perry Rhodan und Atlan im Sternenozean von Jamondi verschollen.

Nach wie vor ächzen sämtliche galaktischen Zivilisationen unter der Störung aller Geräte auf hyperenergetischer Basis. Hinzu kommen Probleme, die nicht recht einzuordnen sind: Wie aus dem Nichts heraus tauchen die harmlos scheinenden Schohaaken auf. Ebenso unverhofft bildet sich auf Terra eine neue Religion heraus: der Endzeitkult um den Gott Gon-Orbhon.

Mondra Diamond, Sonderbeauftragte der Regierung, ermittelt in vorderster Linie gegen die Sekte und ihre Anführer. Sie hat dafür auch einen ausgezeichneten persönlichen Grund: Ausgerechnet ihre beste Freundin, die Psychologin Bré Tsinga, gehört mittlerweile zum engsten Kreis der Gläubigen Gon-Orbhons.

Und vom Adepten ist es nur ein winziger Schritt bis zur Erwählten des Gottes: Wird Bré tatsächlich DIE GOTTESKRIEGERIN ...?

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Bré Tsinga – Die Kosmopsychologin erkennt den Sinn ihres Daseins.

Homer G. Adams – Der Minister konferiert in Irland.

Myles Kantor – Die Giraffe des Wissenschaftlers entdeckt Erstaunliches.

Mondra Diamond – Die LFT-Beauftragte verliert eine Freundin.

Julian Tifflor – Der Außenminister muss sich um innenpolitische Probleme sorgen.

»Die Heerscharen werden aus der Schwärze kommen, aus der Tiefe des Alls, und das Heil bringen. Sie werden sich über die Sterne ergießen und alles mit ihrer Liebe erfüllen. Sie werden die Gesamtheit der Welt, das, was ist und was sein wird, dem einzigen Gott untertan machen, den es je gab – Ihm, Gon-Orbhon, dessen Jünger ihr seid!«

Das Buch Gon, Erster Teil 8.6-7

 

1.

 

Sie schlug das umfangreiche Buch zu und ließ es im Schoß liegen. Sanft strich sie mit der Hand über den schwarzen Einband, wobei sie mit dem Zeigefinger das eingeprägte Symbol ihres Gottes nachzog: ein stehendes Schwert in einem Oval, den Knauf nach oben.

»Wann wird es geschehen?«, fragte jemand.

Seufzend blickte sie vor sich auf die Holowand – auf eine Ansicht Terranias mit dem Tempel der Degression, in dem sie sich aufhielt. Er war noch nicht ganz fertig gestellt, aber die Bauarbeiten gingen zügig voran. Ringsum wurde gebaut und umgebaut.

Die Hauptstadt der Erde hatte sich verändert, seit der Anstieg der Hyperimpedanz alle Syntrons außer Gefecht gesetzt hatte. Nicht mehr Privatgleiter beherrschten das Straßenbild, sondern Schwebebusse und kleine, oft notdürftig umgerüstete Antigrav-Transporter. An Transmitter für den Personenverkehr war vorerst nicht zu denken, private Gleiter waren extrem selten.

»Das Buch Gon kündet vom Untergang«, gab sie zur Antwort. »Doch es ist kein Zeitplan des Untergangs oder gar unseres Glaubens. Der Augenblick wird kommen, so steht es geschrieben, und jeder von uns wird es wissen und spüren, wenn der Ruf an ihn ergeht.«

So, wie ich es gespürt habe, dachte sie.

Ihr Blick fiel auf die zahlreichen Fußgänger, die unterwegs waren. So viele hatte sie in Terrania noch nie gesehen. Raumschiffe hingegen entdeckte sie nur vereinzelt am Himmel: Die Flotte befand sich in einer Testphase, um die physikalischen Bedingungen der Raumfahrt wieder auszuloten.

Sie wandte sich den sechs Jüngern zu, die sich zu ihren Füßen hingekauert hatten und ihren Worten lauschten. Sie hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, möglichst einmal am Tag zu einer festgelegten Stunde aus dem Buch Gon zu lesen, und alle waren eingeladen, die ihr Vertrauen in Gon-Orbhon stärken wollten.

»Der Untergang ist eine Metapher, nicht wahr?«, sagte eine kleingewachsene, schlanke Terranerin mit rostrotem Haar. »Wenn der Ruf ergeht, wird das Heil über uns kommen, und wir werden es weitertragen, und alles wird so sein, wie es vorherbestimmt wurde.«

Da war es wieder! Das war der Grund, weshalb sie diese Stunden abhielt, in denen sie das Wort Gon-Orbhons verlas und gemeinsam mit den Jüngern auslegte.

Sie durfte es nicht aussprechen, aber sie wollte, dass sie endlich begriffen.

In den Gesichtern dieser Männer und Frauen sah sie den Aufschwung. Sie glühten vor Begeisterung, aber nicht wegen ihres Gottes. Sie erweckten den Eindruck, als habe der Verlust der Syntrons eine große Last von ihnen genommen, als sei ein tödliches Paradies einer Leben spendenden Herausforderung gewichen. Sie waren nicht besser oder schlechter als all die anderen Menschen im Solsystem, die sich wild entschlossen zeigten, beim Wiederaufbau ihrer Zivilisation mit anzupacken. Aktivität.

Falsch, falsch, falsch!, dachte sie. Was für eine Fehleinschätzung!

Der wahre Untergang hatte nicht einmal ansatzweise begonnen: Nicht vom Ende der Abhängigkeit von technischem Gerät war im Buch Gon die Rede. Mit den Heerscharen, die aus der Schwärze kamen, war eine physische – nicht metaphorische – Vernichtung von allem und jedem gemeint, das sich nicht vor dem Schwert ihres Gottes beugte.

Sie begriffen es einfach nicht. Aber konnte sie es ihnen verdenken? Der Untergang, der mit dem Anstieg des Hyperphysikalischen Widerstands über die Galaxis gekommen war, stimmte nicht mit dem völligen Zusammenbruch überein, den das Buch Gon prophezeite. Die große Depression war ausgeblieben, im Gegenteil: Eine Art Euphorie war ausgebrochen, wider alle Logik und dennoch treu dem Wesen der Menschen folgend.

Es hatte sie anfangs selbst ganz durcheinander gebracht. Damals, als ihr das Ausmaß Seiner Liebe noch nicht bewusst gewesen war. Jetzt wusste sie, dass der Hyperimpedanz-Schock den Menschen eine Chance geboten hatte, die sie einfach nicht nutzten. Sie hätten längst erkennen müssen, dass der Untergang ihnen ein Abschütteln des Jochs ermöglichte, unter dem sie seit Jahrtausenden litten. Stattdessen klammerten sie sich an ihre überkommene Abhängigkeit und versuchten den Scherbenhaufen zusammenzuhalten.

Und schuld daran sind die Unsterblichen! Wieder einmal schaffen sie es, dem Schicksal zu entgehen und die gesamte Menschheit auf ihren persönlichen Irrweg zu locken! Wie blind war sie gewesen, das nicht schon früher erkannt zu haben.

Ihre Finger zuckten, wollten sich zu Fäusten ballen. Mühsam zwang sie ihren Zorn nieder. Zorn war kein Empfinden, das sie an sich heranlassen würde, denn Zorn machte blind und dumm.

Sie wünschte, das Buch Gon würde ausdrücklich zum Sturz der Sklavenhalter auffordern. Sie hatte es so sehr gehofft, als Carlosch Imberlock, das Medium ihres Gottes, es ihr vor laufenden Kameras überreicht hatte. Das Buch war jetzt ihre heilige Schrift. Ein großartiges Werk, ein Manifest, eine Offenbarung. Sein Wort war Gesetz.

Aber sie hatte bald erkannt, dass nichts darin ihre Situation beim Namen nannte. Die Worte überwölkten die Essenz der Weisheit. Die Verwirrung darüber hatte sie in schwere Selbstzweifel gestürzt, aus denen sie erst Tage später zu völliger Klarheit erwachte – erst vor rund einer Woche.

Da wusste sie auf einmal, warum sich das Buch über die Art und Weise des Untergangs ausschwieg. Gon-Orbhon hatte ihr dieses Wissen in den Geist gelegt, nächtens eingeflüstert.

Es war eine Frage der Geduld, des richtigen Zeitpunkts.

War der Kern von Gon-Orbhons Lehre nicht Vertrauen? Vertrauen in Ihn? Waren das nicht Seine Worte? »Dies ist die Wahrheit. Und wo nicht Wahrheit ist, wird Wahrheit werden.«

Wie oft hatte sie das in den letzten Tagen gelesen und darüber nachgesonnen und meditiert, hatte ihren Geist befreit von allen Zweifeln, vom Zögern und Zagen. Es waren die ersten Zeilen des Manifests ihres Gottes, Weissagung an seine Jünger. Und Imberlock äußerte sich zu dieser wichtigen Stelle nicht, nicht einmal gegenüber seinen vierzehn Adjunkten.

Sie durchschaute seine Strategie. Du bist ein schlauer Fuchs, Carlosch.

Er wusste Bescheid. Ebenso wie sie jetzt. Die Wahrheit würde werden, wenn der richtige Zeitpunkt kam. Und der war nicht mehr fern. Vorher durften sie nicht handeln.

Sie hatten den Status einer Religionsgemeinschaft, und den mussten sie sich so lange wie möglich erhalten. Auf keinen Fall durften die Attentate, die allerorten in Terrania stattfanden, mit ihnen in Verbindung gebracht werden.

Es gab nicht wenige, die einen solchen Zusammenhang bereits herstellten, in erster Linie Julian Tifflor und Homer G. Adams, die Unsterblichen, die an den Schalthebeln der Macht saßen. Bré kannte beide, wusste um ihre Instinkte und ihr Können. Sie mussten Bescheid wissen. Ebenso wie sie. Doch ihnen waren die Hände gebunden durch Gesetze, die sie selbst mit zu verantworten hatten. Es war eine hübsche Ironie, dass jene Worte, die den Wert der gottfernen Demokratie der LFT bedeuteten, nun zu den Fesseln der Regierung wurden.

Selbst wenn es nur Nadelstiche in die Haut eines Kolosses waren, die diesem nicht auffielen, die er nicht einmal spürte. Dessen einzige Reaktion auf die Plagegeister ein leichtes Zucken seiner Muskeln war. Sie durften nicht nachweisbar sein. Das hatte sie erkannt, und das wusste auch Imberlock, der die Anschläge insgeheim billigte.

Seit jenem Morgen vor einer Woche war sie überzeugt, dass der Augenblick kommen würde, an dem sie stark genug waren und überall zugleich, wie Wasser, das in alle Ritzen eindringt, dann gefriert und sich ruckartig ausdehnt und selbst Fels zerbricht. Genau wie das Wasser würden sie handeln, leise, unauffällig – und dann eiskalt zuschlagen. Wenn sie ihre wahre Macht offenbarten, würde es zu spät sein, etwas dagegen zu unternehmen. Waren alle Voraussetzungen erst geschaffen, begingen sie kein Verbrechen mehr, nicht im juristischen Sinn.

Dann führten sie einen Krieg!

Aber es würde noch einige Zeit vergehen, bis sie offen als Krieger ihres Gottes in Erscheinung treten durften. Sie wusste nicht, wie lange. Hoffentlich nicht zu lange für ihre tatendurstige Natur – für ihren brennenden Wunsch, etwas zu unternehmen, Änderungen herbeizuführen, für ihren Glauben einzutreten ...

Ich wünsche, ich hätte deine Nerven, Carlosch!

Sie spürte wieder, wie ein Schauder sie durchlief, als sie an Gon-Orbhons Medium dachte. Wie lange hatte es gedauert, bis er ihr begegnet war, bis ihre Augen sich der Wahrheit geöffnet hatten? Verschwendete Jahre, Jahrzehnte ... Aber jetzt waren ihre Augen offen, und sie sah. So, wie Gon-Orbhon eines nicht mehr allzu fernen Tages sehen würde.

»Es ist eine Prüfung, nicht wahr?«, vernahm sie wieder die Stimme der schlanken Frau mit dem rostroten Haar. »Gon-Orbhon will unsere Stärke auf die Probe stellen.«

Nein, hätte sie am liebsten gesagt. Er will, dass du erwachst!

Sie nahm den Blick von der leicht gewölbten Holowand und zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Wie ich schon sagte: Das Buch Gon enthält keinen Zeitplan. Wir dürfen nicht vom Glauben abfallen, nur weil wir scheinbar kein Rezept an die Hand bekommen.«

»Unser Glaube muss flexibel bleiben«, nickte ein junger Mann und starrte sie strahlend an, als sei sie das Zentrum seines Universums.

Sie seufzte innerlich, behielt aber das Lächeln auf den Lippen. Sie alle würden noch lernen, Gon-Orbhon als Zentrum allen Seins zu begreifen, Ihn und nicht seine Verkünder in den Niederungen des Seins.

»Ihr macht euch viele Gedanken«, sagte eine sonore Männerstimme. »Das ist gut so.«

Sie zuckte zusammen, nicht aus Furcht oder Überraschung, sondern vor Freude. Ihr Kopf schnellte herum. Sie registrierte beiläufig, dass auch die Jüngerinnen und Jünger zu ihren Füßen alle in die gleiche Richtung starrten – nach rechts, in den einwärts gebogenen Korridor, der im Kreis um den Betsaal herum führte und von dem zahlreiche Türen in die Büros von Imberlocks Funktionären führten.

Es war Imberlock!

Fast zwei Meter groß, kräftig und muskulös gebaut, kam er auf sie zu. Sein Gang war selbstbewusst, der Blick seiner tiefblauen Augen stechend. Am Rand des kleinen Kreises aus Jüngern Gon-Orbhons blieb er stehen und verschränkte die Arme.

»Bré Tsinga«, erklang seine volle Stimme. »Ich brauche dich im Kreis meiner Adjunkten.«

Sie neigte den Kopf und sah, dass die Jünger es ihr gleichtaten. Carlosch Imberlocks Worte gaben Gon-Orbhons Wünsche wieder, und niemand der Anwesenden würde auch nur im Traum daran denken, sich diesen zu widersetzen. Zudem war Bré nur allzu begierig, der Aufforderung zu folgen. Sie schloss das Buch Gon ehrfürchtig und erhob sich. Imberlock hatte sich bereits umgedreht und strebte in Richtung der Tür, durch die er vermutlich gekommen war.

 

*

 

Als Bré den Raum betrat, fiel ihr sofort die Erregung auf, in der die anderen Adjunkten sich befanden. Sie brauchten nichts zu sagen, ihr Verhalten sprach Bände.

Carlosch will das kritische Thema anschneiden, dachte sie erfreut. Das Schweigen wird gebrochen werden. Es ist an der Zeit, als Krieger für unseren Gott einzutreten.

Sie ergriff vor dem Medium das Wort, der Eifer verdrängte die Ehrfurcht. »Es ist so weit, nicht wahr? Gon-Orbhon hat uns zu seinen Kämpfern berufen. Wir sind der Griff und die Klinge.«

Carlosch Imberlock war sichtlich verdutzt, sagte aber nichts. Er ließ ihr den Vortritt zu dem runden Tisch, um den herum die meisten bereits saßen, nur zwei waren noch dabei, sich einen Platz zu suchen. Er nickte Bré zu und ging zu einem Kontursessel auf der anderen Seite des Raums, hinter dem an der Wand groß das Symbol ihrer Religion prangte: das Schwert im See.

Der Verkünder setzte sich und blickte entschlossen in die Runde. Vierzehn ergebene Adjunkten, Männer und Frauen, blickten ihn gespannt an.

Er nickte und stützte die Ellenbogen auf, verschränkte die Hände. »Bré«, wandte er sich an die blonde Kosmopsychologin, die schräg gegenüber zu seiner Linken Platz genommen hatte. »Du ahnst, genau wie alle hier, dass die Übergabe des Buches Gon nur der Anfang war.« Er warf einen Blick in die Runde. »Es war der Beginn einer Entwicklung, die bald den Untergang aller Widerstrebenden herbeiführen wird.«

»Wir sollen offen gegen die Liga antreten?«, sprach ein hagerer Mann von etwa vierzig Jahren die Gedanken seiner Gefährten aus. Er zog finster die schwarzen Brauen zusammen. »Ich weiß nicht, ob das gut ist. Wir alle wissen, dass das Buch Gon die Waffe in unserer Hand ist. Aber das Wort ist diese Waffe, oder nicht? Für etwas anderes wäre es noch zu früh.«

»Mach dir nichts vor, Hehman«, entgegnete Bré ärgerlich. »Die einzige Waffe ist das Schwert. Mit dem Wort kannst du dem Schwert nur den Weg bahnen.«

Imberlock nickte. »Es ist wahr. Ich bin hier, um mit euch unser weiteres Vorgehen zu besprechen. Meine Verhaftung hat gezeigt, dass eine neue Zeit angebrochen ist, und wir müssen wirkungsvoller als bisher vorgehen.« Er hielt kurz inne. »Aber dass wir uns richtig verstehen: Nichts, was in diesem Raum besprochen wird, darf nach draußen dringen. Auch nicht zu unseren Jüngern oder Sympathisanten. Dafür ist es noch zu früh.«

»Die Attentate«, flüsterte ein älterer Terraner, untersetzt und mit grauem Haar, das einen seltsamen Kontrast zu seiner dunklen Kombi bildete. Einige der anderen sogen scharf die Luft ein, eine beklemmende Stille legte sich über die Versammlung. Der Sprecher schlug betreten die Augen nieder, er wusste, dass er im Begriff stand, eine Schwelle zu überschreiten, die nicht überschritten werden durfte. Für Bré waren die Emotionen beinahe greifbar, die den Raum binnen Sekunden erobert hatten: Unsicherheit. Furcht.

Bré atmete tief ein. Dann erlöste sie den Älteren, indem sie seine Gedanken aussprach. »Die Anschläge der letzten Woche gingen tatsächlich von unseren Leuten aus, habe ich Recht?«

Imberlock schwieg für einen Moment, als wäge er ab, wie viel er von den Plänen ihres Gottes verraten wollte. »Wer sehend ist, irrt nicht, und wir alle wissen, dass auch du siehst, Bré. Es gibt gewiss niemanden unter uns, der den beschleunigten Untergang nicht begrüßen würde.«

Wieder schwieg Imberlock. Doch jeder konnte sehen, dass er noch nicht zu Ende gesprochen hatte. Seine folgenden Worte fielen herab wie Hammerschläge, obwohl sie leiser waren als bisher, wie ein verschwörerisches Flüstern und dennoch von der gleichen Vitalität und Kraft erfüllt wie alles, was der Verkünder sagte. »Den Attentätern wurde eine große Ehre zuteil: Auf sie fiel der Blick Gon-Orbhons.«

Bré Tsinga zuckte zusammen, schwieg aber. Ihre Ahnungen hatten sie nicht getrogen.

»Heißt das, die Attentate waren mit dir abgesprochen?«, fragte der hagere Vierzigjährige. Seine Stimme klang krächzend.

»Spielt das eine Rolle?« Imberlock lehnte sich in seinem Sessel zurück und verschränkte die Arme. »Sie geschahen in Gon-Orbhons Auftrag.«

»Aber wenn sie nun gefasst werden? Wenn sie sich auf unsere Kirche berufen?«

»Das können sie nicht«, antwortete Imberlock. »Diese Kirche ist der legale Arm unserer Organisation, unser Sprachrohr, der Ansprechpartner für die Welt. In jenem Moment, da der Blick Gon-Orbhons auf einen von uns fällt, verlässt er die Kirche und tritt ein in das Heer unseres Gottes.«

Einige der Anwesenden wurden blass. »Ist das gut oder schlecht?«, hörte Bré sich sagen. »An welcher Front sollen wir unseren Dienst verrichten? Was ist lohnender für unser großes Ziel?«

Das Medium Gon-Orbhons blickte sie lange an. »An welche Front zieht es dich denn?«

»Beide sind Kämpfer Gottes, der Attentäter und der Prediger«, meldete sich eine helle Stimme aus dem Kreis der Adjunkten zu Wort. Sie gehörte einem kahlköpfigen Glosneken, dessen speckiges Kinn vor Aufregung wabbelte. »Wir brauchen beide!«

Die Kosmopsychologin blickte den Mann ausdruckslos an. Sie hatte Mühe, ihren Widerwillen nicht zu zeigen. Die Glosneken waren ein Kolonialvolk der Ferronen und galten gemeinhin als Schacherer, die für einen Galax Gewinn sogar ihre Großmütter verkaufen und sogar noch die Transportkosten tragen würden. Es wunderte sie, dass Imberlock einen Angehörigen dieses Volkes zu seinem Adjunkten gemacht hatte.

»Beack hat Recht«, stimmte der Verkünder Gon-Orbhons dem Glosneken zu. »Wir brauchen beide, den Krieger und den Prediger. Keiner ist wertvoller als der andere.«

alle