»Man lacht sich krumm, bewundert hinterher, ernster geworden, eine tiefe Lyrik […] – und merkt zum Schluß, daß man einen philosophischen Satz gelernt hat.« TUCHOLSKY
Die Zeitlosigkeit Morgensterns zeigt sich in der humoristisch-skurrilen Doppeldeutigkeit seiner Gedichte und Sprüche: Sind sie auf der einen Seite gutmütiger Nonsens, lohnt sich auf der anderen Seite ein zweiter Blick, welcher schnell erkennen lässt: Morgenstern versteckt hinter der oberflächlichen Anmut seines Witzes tiefgreifende Wortkünste, deren Sinn sich nur dem achtsamen Leser eröffnet.
Nebst Morgensterns humoristischer Galgenpoesie enthält der vorliegende Band zudem Aphorismen, Sprüche, Epigramme und kleine lyrische Formen.
Unter Zeiten
Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann).
Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.
CHRISTIAN MORGENSTERN
Christian Morgenstern
Das Mondschaf steht auf weiter Flur
Gedichte und Sprüche
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DER GINGGANZ UND VERWANDTES
PALMSTRÖM
Korf und Palmström wetteifern in Notturnos
Der Wasseresel und anderes
Zeitgedichte
Ein modernes Märchen
Nachlese zu Palmström und von Korf
MUHME KUNKEL, LORUS UND ZÄZILIE
Muhme Kunkel
Lorus
Zäzilie
PARODIEN UND DICHTERISCHE SPIELE
Parodien
Dichterische Spiele
GALGENLIEDER
NACHLESE ZUR GALGENPOESIE
Fünf Teufelslegendchen
KLAUS BURRMANN, DER TIERWELTPHOTOGRAPH
EPIGRAMME, SPRÜCHE UND KLEINE LYRISCHE FORMEN
STUFEN. EINE AUSWAHL
In me ipsum
Natur
Kunst
Literatur
Theater
Sprache
Politisches, Soziales
Kritik der Zeit
Ethisches
Lebensweisheit
Erziehung, Selbsterziehung
Psychologisches
Erkennen
Weltbild: Anstieg
Weltbild: Am Tor
ALPHABETISCHES VERZEICHNIS DER GEDICHTÜBERSCHRIFTEN UND -ANFÄNGE
Ein Stiefel wandern und sein Knecht
von Knickebühl gen Entenbrecht.
Urplötzlich auf dem Felde drauß
begehrt der Stiefel: Zieh mich aus!
Der Knecht drauf: Es ist nicht an dem;
doch sagt mir, lieber Herre, –: wem?
Dem Stiefel gibt es einen Ruck:
Fürwahr, beim heiligen Nepomuk,
ich GING GANZ in Gedanken hin …
Du weißt, daß ich ein andrer bin,
seitdem ich meinen Herrn verlor …
Der Knecht wirft beide Arm’ empor,
als wollt’ er sagen: laß doch, laß!
Und weiter zieht das Paar fürbaß.
Es war einmal ein Lattenzaun,
mit Zwischenraum, hindurchzuschaun.
Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da –
und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus.
Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum,
Ein Anblick gräßlich und gemein.
Drum zog ihn der Senat auch ein.
Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri – od – Ameriko.
Zwei Flaschen stehn auf einer Bank,
die eine dick, die andre schlank.
Sie möchten gerne heiraten.
Doch wer soll ihnen beiraten?
Mit ihrem Doppel-Auge leiden
sie auf zum blauen Firmament …
Doch niemand kommt herabgerennt
und kopuliert die beiden.
Ein blonder Korke spiegelt sich
in einem Lacktablett –
allein er säh sich dennoch nicht,
selbst wenn er Augen hätt!
Das macht, dieweil er senkrecht steigt
zu seinem Spiegelbild!
Wenn man ihn freilich seitwärts neigt,
zerfällt, was oben gilt.
O Mensch, gesetzt, du spiegelst dich
im, sagen wir, – im All!
Und senkrecht! – wärest du dann nicht
ganz in dem gleichen Fall?
Ein Würfel sprach zu sich: Ich bin
mir selbst nicht völlig zum Gewinn!
Denn meines Wesens sechste Seite,
und sei es auch ein Auge bloß
sieht immerdar, statt in die Weite,
der Erde ewig dunklen Schoß.
Als dies die Erde, drauf er ruhte,
vernommen, ward ihr schlimm zu Mute.
Du Esel, sprach sie, ich bin dunkel,
weil dein Gesäß mich just bedeckt!
Ich bin so licht wie ein Karfunkel,
sobald du dich hinweggefleckt.
Der Würfel, innerlichst beleidigt,
hat sich nicht weiter drauf verteidigt.
– »Ich bin der Graf von Réaumur
und hass’ euch wie die Schande!
Dient nur dem Celsio für und für,
Ihr Apostatenbande!«
Im Winkel König Fahrenheit
hat still sein Mus gegessen.
– »Ach Gott, sie war doch schön, die Zeit,
die man nach mir gemessen!«
Es lebt in Süditalien eine Weste
an einer Kirche dämmrigem Altar.
Versteht mich recht: Noch dient sie Gott aufs beste.
Doch wie in Adam schon Herr Hæckel war,
(zum Beispiel bloß), so steckt in diesem Reste
Brokat voll Silberblümlein wunderbar
schon heut der krause Übergang verborgen
vom Geist von gestern auf den Leib von morgen.
Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
wäre besser ohne sie daran;
darum seh’ er, wie er ohne diese
(meistens mindstens) leben kann.
Kaum daß er gelegt sich auf die Gräser,
naht der Ameis, Heuschreck, Mück und Wurm,
naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,
und die Hummel ruft zum Sturm.
Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
tut drum besser, wieder aufzustehn
und dafür in andre Paradiese
(beispielshalber: weg) zu gehn.
Als Gott den lieben Mond erschuf,
gab er ihm folgenden Beruf:
Beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen
sich deutschen Lesern zu bequemen,
ein formierend und ein –
daß keiner groß zu denken hätt’.
Befolgend dies ward der Trabant
ein völlig deutscher Gegenstand.
Die Westküsten traten eines Tages zusammen
und erklärten, sie seien keine Westküsten,
weder Ostküsten noch Westküsten –
»daß sie nicht wüßten!«
Sie wollten wieder ihre Freiheit haben
und für immer das Joch des Namens abschütteln,
womit eine Horde von Menschenbütteln
sich angemaßt habe, sie zu begaben.
Doch wie sich befreien, wie sich erretten
aus diesen widerwärtigen Ketten?
Ihr Westküsten, fing eine an zu spotten,
gedenkt ihr den Menschen etwan auszurotten?
Und wenn schon! rief eine andre schrill.
Wenn ich seine Magd nicht mehr heißen will? –
Dann blieben aber immer noch die Atlanten –
meinte eine von den asiatischen Tanten.
Schließlich, wie immer in solchen Fällen,
tat man eine Resolution aufstellen.
Fünfhundert Tintenfische wurden aufgetrieben,
und mit ihnen wurde folgendes geschrieben:
Wir Westküsten erklären hiermit einstimmig,
daß es uns nicht gibt, und zeichnen hochachtungsvoll:
Die vereinigten Westküsten der Erde. –
Und nun wollte man, daß dies verbreitet werde.
Sie riefen den Walfisch, doch er tat’s nicht achten;
sie riefen die Möwen, doch die Möwen lachten;
sie riefen die Wolke, doch die Wolke vernahm nicht;
sie riefen ich weiß nicht was, doch ich weiß nicht was kam nicht.
Ja, wieso denn, wieso? schrie die Küste von Ecuador:
Wärst du etwa kein Walfisch, du grober Tor?
Sehr richtig, sagte der Walfisch mit vollkommener Ruh:
Dein Denken, liebe Küste, dein Denken macht mich erst dazu.
Da war’s den Küsten, als säh’n sie sich im Spiegel;
ganz seltsam erschien ihnen plötzlich ihr Gewiegel.
Still schwammen sie heim, eine jede nach ihrem Land.
Und die Resolution, die blieb unversandt.
Das Perfekt und das Imperfekt
tranken Sekt.
Sie stießen aufs Futurum an
(was man wohl gelten lassen kann).
Plusquamper und Exaktfutur
blinzten nur.
Eines Mittags las man:
»Pfiffe zu mieten gesucht!
Hundertweis, zu jedem Preis!
Victor Emanuel Wasmann!«
Um sechs Uhr kam der erste Pfiff
von einem alten Kohlenschiff.
Um acht Uhr waren’s tausend schon.
Um neun Uhr eine halbe Million.
Victor Emanuel Wasmann schlug
die Türe zu: Nun ist’s genug!
Hört zu, ihr Pfiffe!
Ich habe einen Feind (hört! hört!),
der mir des nachts die Ruhe stört, –
auf den sollt ihr marschieren!
Er hat Gelächter angestellt,
die schickt er nachts mir an mein Bett,
da hocken sie auf der Decke,
mit Flügeln weiß und Flügeln rot,
und krähn und flattern mich zu Tod. –
Doch alles hat sein Ende.
Die Pfiffe pfiffen wie e i n Mann;
empfingen ihren Sold sodann.
(Ein Schusterjungenpfiff sogar
bot Wasmann sich als Bravo dar.)
Drauf ließ er sie durchs Ofenloch …
Doch lange stand er brütend noch,
schrieb Zeichen, hob die Hand und schwur,
ein schwarzer Meister der Natur …
Bald nach diesem ging
ein Herr Axel Ring
kurzerhand
außer Land. –
Wasmann hatte gesiegt.
Am Morgen spricht die Magd ganz wild:
»Ich hab heut nacht ein Kind gestillt –
ein Kind mit einem Käs als Kopf –
und einem Horn am Hinterschopf!
Das Horn, o denkt euch, war aus Salz
und ging zu essen, und dann –«
»Halt’s –
halt’s Maul!« so spricht die Frau, »und geh
an deinen Dienst, Zä-zi-li-e!«
Auf seinen Nasen schreitet
einher das Nasobēm,
von seinem Kind begleitet.
Es steht noch nicht im Brehm.
Es steht noch nicht im Meyer.
Und auch im Brockhaus nicht.
Es trat aus meiner Leyer
zum ersten Mal ans Licht.
Auf seinen Nasen schreitet
(wie schon gesagt) seitdem,
von seinem Kind begleitet,
einher das Nasobēm.
Im Anfang lebte, wie bekannt,
als größter Säuger derG i g-ant.
Wobei gig eine Zahl ist, die
es nicht mehr gibt, – so groß war sie!
Doch jene Größe schwand wie Rauch.
Zeit gab’s genug – und Zahlen auch.
Bis eines Tags, ein winzig Ding,
derZ w ö l e f-ant das Reich empfing.
Wo blieb sein Reich? Wo blieb er selb? –
Sein Bein wird im Museum gelb.
Zwar gab die gütige Natur
denE l e f-anten uns dafür.
Doch ach, der Pulverpavian,
der Mensch, voll Gier nach seinem Zahn,
erschießt ihn, statt ihm Zeit zu lassen,
zumZ e h e n-anten zu verblassen.
O »Klub zum Schutz der wilden Tiere«,
hilf, daß der Mensch nicht ruiniere
die Sprossen dieser Riesenleiter,
die stets noch weiter führt und weiter!
Wie dankbar wird der Ant dir sein,
läßt du ihn wachsen und gedeihn, –
bis er dereinst im Nebel hinten
alsN u l e l-ant wird stumm verschwinden.
Das hinterindische Stachelschwein
(hystrix grotei Gray),
das hinterindische Stachelschwein
aus Siam, das tut weh.
Entdeckst du wo im Walde drauß
bei Siam seine Spur,
dann tritt es manchmal, sagt man, aus
den Schranken der Natur.
Dann gibt sein Zorn ihm so Gewalt,
daß, eh’ du dich versiehst,
es seine Stacheln jung und alt
auf deinen Leib verschießt.
Von oben bis hinab sodann
stehst du gespickt am Baum,
ein heiliger Sebastian,
und traust den Augen kaum.
Die Hystrix aber geht hinweg,
an Leib und Seele wüst.
Sie sitzt im Dschungel im Versteck
und büßt.
Zu einem seltsamen Versuch
erstand ich mir ein Nadelbuch.
Und zu dem Buch ein altes zwar,
doch äußerst kühnes Dromedar.
Ein Reicher auch daneben stand,
zween Säcke Gold in jeder Hand.
Der Reiche ging alsdann herfür
und klopfte an die Himmelstür.
Drauf Petrus sprach: »Geschrieben steht,
daß ein Kamel weil eher geht
durchs Nadelöhr, als Du, du Heid,
durch diese Türe groß und breit!«
Ich, glaubend fest an Gottes Wort,
ermunterte das Tier sofort,
ihm zeigend hinterm Nadelöhr
ein Zuckerhörnchen als Douceur.
Und in der Tat! Das Vieh ging durch,
obzwar sich quetschend wie ein Lurch!
Der Reiche aber sah ganz stier
und sagte nichts als: Wehe mir!
Die Ameisen oder Emsen
sind so weit jetzt, daß sie Gemsen
sich als Sklaven halten (aus
Gründen ihres Körperbaus).
Da sie selber sehr viel kleiner,
so bedienen sie sich einer
Gemse oder zweier Gemsen
zu Gebirgspartien, die Emsen.
Ist sodann ein Adlernest
abgesucht bis auf den Rest,
gehn sie endlich, zog der Weih
schon den Ameisbären bei,
wieder ihm aus Horst und Rock –
und besteigen ihren Bock,
der sie, wie ein Stein, der springt,
heim zu ihrem Hügel bringt.
Angepflöckt, so stehn die Gemsen
in der Nähe dort der Emsen,
bei den Läusen u.s.w.
und verwünschen ihre Reiter.
Es läutet beim Professor Stein.
Die Köchin rupft die Hühner.
Die Minna geht: Wer kann das sein? –
Ein Gaul steht vor der Türe.
Die Minna wirft die Türe zu.
Die Köchin kommt: Was gibt’s denn?
Das Fräulein kommt im Morgenschuh.
Es kommt die ganze Familie.
»Ich bin, verzeihn Sie«, spricht der Gaul,
»der Gaul vom Tischler Bartels.
Ich brachte Ihnen dazumaul
die Tür- und Fensterrahmen!«
Die vierzehn Leute samt dem Mops,
sie stehn, als ob sie träumten.
Das kleinste Kind tut einen Hops,
die andern stehn wie Bäume.
Der Gaul, da keiner ihn versteht,
schnalzt bloß mal mit der Zunge,
dann kehrt er still sich ab und geht
die Treppe wieder hinunter.
Die dreizehn schaun auf ihren Herrn,
ob er nicht sprechen möchte.
Das war, spricht der Professor Stein,
ein unerhörtes Erlebnis! …
Ein schwarzer Pudel, dessen Haar
des abends noch wie Kohle war,
betrübte sich so höllenheiß,
weil seine Dame Flügel spielte,
trotzdem er heulte: daß (o Preis
dem Schmerz, der solchen Sieg erzielte!)
er beim Gekräh der Morgenhähne
aufstand als wie ein hoher Greis –
mit einer silberweißen Mähne.
In der Bahnhofhalle, nicht für es gebaut,
geht ein Huhn
hin und her …
Wo, wo ist der Herr Stationsvorsteh’r?
Wird dem Huhn
man nichts tun?
Hoffen wir es! Sagen wir es laut:
daß ihm unsre Sympathie gehört,
selbst an dieser Stätte, wo es – »stört«!
Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.
Ich schieße keine Möwe tot,
ich laß sie lieber leben –
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.
O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.
Ein Igel saß auf einem Stein
und blies auf einem Stachel sein.
Schalmeiala, schalmeialü!
Da kam sein Feinslieb Agel
und tat ihm schnigel schnagel
zu seinen Melodein.
Schnigula schnagula
schnaguleialü!
Das Tier verblies sein Flötenhemd …
»Wie siehst Du aus so furchtbar fremd!?«
Schalmeiala, schalmeialü –.
Feins Agel ging zum Nachbar, ach!
Den Igel aber hat der Bach
zum Weiher fortgeschwemmt.
Wigulawagula
waguleia wü
tü tü …
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: »Bitte, beuge mich!«
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
»Der Werwolf« – sprach der gute Mann,
»des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie man’s nennt,
den Wenwolf, – damit hat’s ein End’.«
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
»Indessen«, bat er, »füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!«
Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb’s in großer Schar,
doch »Wer« gäb’s nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind –
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
Es lacht die Nachtalp-Henne,
es weint die Windhorn-Gans,
es bläst der schwarze Senne
zum Tanz.
Ein Uhu-Tauber turtelt
nach seiner Uhuin.
Ein kleiner Sechs-Elf hurtelt
von Busch zu Busch dahin …
Und Wiedergänger gehen,
und Raben rufen kolk,
und aus den Teichen sehen
die Fingur und ihr Volk …
Ein Rabe saß auf einem Meilenstein
und rief Ka-em-zwei-ein, Ka-em-zwei-ein …
Der Werhund lief vorbei, im Maul ein Bein,
Der Rabe rief Ka-em-zwei-ein, zwei-ein.
Vorüber zottelte das Zapfenschwein,
der Rabe rief und rief Ka-em-zwei-ein.
»Er ist besessen!« – kam man überein.
»Man führe ihn hinweg von diesem Stein!«
Zwei Hasen brachten ihn zum Kräuterdachs.
Sein Hirn war ganz verstört und weich wie Wachs.
Noch sterbend rief er (denn er starb dort) sein
Ka-em-zwei-ein, Ka-em-Ka-em-zwei-ein …
Die Schleiche singt ihr Nachtgebet,
die Waldgeiß staunend vor ihr steht.
Die Waldgeiß schüttelt ihren Bart,
wie ein Magister hochgelahrt.
Sie weiß nicht, was die Schleiche singt,
sie hört nur, daß es lieblich klingt.
Die Schleiche fällt in Schlaf alsbald.
Die Geiß geht sinnend durch den Wald.
Ein Purzelbaum trat vor mich hin
und sagte: »Du nur siehst mich
und weißt, was für ein Baum ich bin:
Ich schieße nicht, man schießt mich.
Und trag’ ich Frucht? Ich glaube kaum;
auch bin ich nicht verwurzelt.
Ich bin nur noch ein Purzeltraum,
sobald ich hingepurzelt.«
»Jenun«, so sprach ich, »bester Schatz,
du bist doch klug und siehst uns; –
nun, auch für uns besteht der Satz:
wir schießen nicht, es schießt uns.
Auch Wurzeln treibt man nicht so bald,
und Früchte nun erst recht nicht.
Geh heim in deinen Purzelwald,
und lästre dein Geschlecht nicht.«
Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt: knig. Die andre sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.
Den Kinnback ab,
den Kinnback ab!
Der Laie leihe sich dem Trab,
zum Teufel er sich hinpack’
vorm Kinnback!
Das Kniebein ab,
das Kniebein ab!
Der Laie leihe sich dem Trab,
sonst trägt ihm einen Hieb ein
das Kniebein.
Der Kinnback und das Kniebein,
die flößen keine Lieb’ ein.
Hoiotoho hui hui hui
heulalaweia!
»Ich gehe tausend Jahre
um einen kleinen Teich,
und jedes meiner Haare
bleibt sich im Wesen gleich,
im Wesen wie im Guten,
das ist doch alles eins,
so mag uns Gott behuten
in dieser Welt des Scheins!«
Der Nachtschelm und das Siebenschwein,
die gingen eine Ehe ein,
o wehe!
Sie hatten dreizehn Kinder, und
davon war eins der Schluchtenhund,
zwei andre waren Rehe.
Das vierte war die Rabenmaus,
das fünfte war ein Schneck samt Haus,
o Wunder!
Das sechste war ein Käuzelein,
das siebte war ein Siebenschwein
und lebte in Burgunder.
Acht war ein Gürteltier nebst Gurt,
neun starb sofort nach der Geburt,
o wehe!
Von zehn bis dreizehn ist nicht klar; –
doch wie dem auch gewesen war,
es war eine glückliche Ehe!
Das Wasser rinnt, das Wasser spinnt,
bis es die ganze Welt gewinnt.
Das Dorf ersäuft,
die Eule läuft,
und auf der Eiche sitzt ein Kind.
Dem Kind sind schon die Beinchen naß,
es ruft: das Wass, das Wass, das Wass!
Der Walfisch weint
und sagt, mir scheint,
es regnet ohne Unterlaß.
Das Wasser rann mit zasch und zisch,
die Erde ward zum Wassertisch.
Und Kind und Eul’,
o greul, o greul –
sie frissifraß der Walfafisch.
Ein Igel
saß pyramidalisch
auf einem Hügel.
(*)
— • —
Er fühlte sich
– wie sag’ ich’s ungeziert –
normal vokalisch
untergrundfundiert.
(*)
Lies: Strich, Punkt, Strich.
(Galgenschule. Verf. unbek.)
Ein finstrer Esel sprach einmal
zu seinem ehlichen Gemahl:
»Ich bin so dumm, du bist so dumm,
wir wollen sterben gehen, kumm!«
Doch wie es kommt so öfter eben:
Die beiden blieben fröhlich leben.
Was stört so schrill die stille Nacht?
Was sprüht der Lichter Lüstrepracht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Was huscht und hascht und weint und lacht?
Was cymbelt gell? was flüstert sacht?
Das ist das Fest des Wüstlings!
Die Pracht der Nacht ist jach entfacht!
Die Tugend stirbt, das Laster lacht!
Das ist das Fest des Wüstlings!
(Zu flüstern)
»Ich bin eintausend Jahre alt
und werde täglich älter;
der Gotenkönig Theobald
erzog mich im Behälter.
Seitdem ist mancherlei geschehn,
doch weiß ich nichts davon;
zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn
ein Kaufmann zu Heilbronn.
Ich kenne nicht des Todes Bild
und nicht des Sterbens Nöte:
Ich bin die Schild- ich bin die Schild-
ich bin die Schild – krö – kröte.«
Der Steinochs schüttelt stumm sein Haupt,
daß jeder seine Kraft ihm glaubt.
Er spießt dich plötzlich auf sein Horn
und bohrt von hinten dich bis vorn.
Weh!
Der Steinochs lebt von Berg zu Berg,
vor ihm wird, was da wandelt, Zwerg.
Er nährt sich meist – und das ist neu –
von menschlicher Gehirne Heu.
Weh!
Der Steinochs ist kein Tier, das stirbt,
dieweil sein Fleisch niemals verdirbt.
Denn wir sind Staub, doch er ist Stein!
Du möchtest wohl auch Steinochs sein?
He?
(Dem Dichter Franz Servaes)
Ohne Wort, ohne Wort
rinnt das Wasser immerfort;
andernfalls, andernfalls
spräch’ es doch nichts andres als:
Bier und Brot, Lieb und Treu, –
und das wäre auch nicht neu.
Dieses zeigt, dieses zeigt,
daß das Wasser besser schweigt.
Es steht eine Lampe am weiten Meer.
Wo kommt denn die Lampe, die Lampe her?
Sie trägt ein Reformhemd aus grünem Tang
und steht auf der Insel Fragnichtlang.
Die Lampe, die Lampe, die Lampe, weh,
sie kommt aus der Werweißwosisee!
Da liegt ein Schiff ganz unten kaputt,
und aus seinen Fenstern schaun Molch und Butt.
Die Wellen, die Wellen, die haben sie geschwemmt:
Jetzt träumt sie, den Fuß auf die Küste gestemmt,
in ihrem Reformkleid aus grünem Tang …
Und im Hintergrund, da liegt – Fragnichtlang.
Klabautermann,
Klabauterfrau,
Klabauterkind
im Schiffe sind.
Die Küchenfei
erblickt die drei.
Sie schreit: »O Graus,
das Stück ist aus!«
Den Pudel Pax –
den Kaufmann Sachs –
sie alle frißt
der Meerschoßdachs.
Klabautermann,
Klabauterfrau
Klabauterkind
wo anders sind.
(Herrn Dr. Lärmschutz-Lessing)
Die Luft war einst dem Sterben nah.
»Hilf mir, mein himmlischer Papa«,
so rief sie mit sehr trübem Blick,
»ich werde dumm, ich werde dick;
du weißt ja sonst für alles Rat –
schick mich auf Reisen, in ein Bad,
auch saure Milch wird gern empfohlen; –
wenn nicht – laß ich den Teufel holen!«
Der Herr, sich scheuend vor Blamage,
erfand für sie die – Tonmassage.
Es gibt seitdem die Welt, die – schreit.
Wobei die Luft famos gedeiht.
Ein Hecht, vom heiligen Anton
bekehrt, beschloß, samt Frau und Sohn,
am vegetarischen Gedanken
moralisch sich emporzuranken.
Er aß seit jenem nur noch dies:
Seegras, Seerose und Seegries.
Doch Gries, Gras, Rose floß, o Graus,
entsetzlich wieder hinten aus.
Der ganze Teich ward angesteckt.
Fünfhundert Fische sind verreckt.
Doch Sankt Anton, gerufen eilig,
sprach nichts als: Heilig! heilig! heilig!
»Tapetenblume bin ich fein,
kehr’ wieder ohne Ende,
doch statt im Mai’n und Mondenschein,
auf jeder der vier Wände.
Du siehst mich nimmerdar genung,
so weit du blickst im Stübchen,
und folgst du mir per Rösselsprung –
wirst du verrückt, mein Liebchen.«
Palmström steht an einem Teiche
und entfaltet groß ein rotes Taschentuch:
Auf dem Tuch ist eine Eiche
dargestellt, sowie ein Mensch mit einem Buch.
Palmström wagt nicht sich hineinzuschneuzen, –
er gehört zu jenen Käuzen,
die oft unvermittelt-nackt
Ehrfurcht vor dem Schönen packt.
Zärtlich faltet er zusammen,
was er eben erst entbreitet.
Und kein Fühlender wird ihn verdammen,
weil er ungeschneuzt entschreitet.
Palmström reist, mit einem Herrn v. Korf,
in ein sogenanntes Böhmisches Dorf.
Unverständlich bleibt ihm alles dort,
von dem ersten bis zum letzten Wort.
Auch v. Korf (der nur des Reimes wegen
ihn begleitet) ist um Rat verlegen.
Doch just dieses macht ihn blaß vor Glück.
Tiefentzückt kehrt unser Freund zurück.