Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
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10.
11.
Glossar
Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 2477
Die Gründermutter
Die Friedensfahrer in Aufruhr – ein neuer Patron wird gewählt
Christian Montillon
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Die Lage für Perry Rhodan und die Menschheit ist verzweifelt: Eine gigantische Raumflotte, die Terminale Kolonne TRAITOR, hat die Milchstraße besetzt. Sie wirkt im Auftrag der Chaotarchen, und ihr Ziel ist kompromisslose Ausbeutung.
Die Milchstraße mit all ihren Sonnen und Planeten soll als Ressource genutzt werden, um die Existenz einer Negasphäre abzusichern. Dieses kosmische Gebilde entsteht in der nahen Galaxis Hangay – ein Ort, an dem gewöhnliche Lebewesen nicht existieren können und herkömmliche Naturgesetze enden.
Mit verzweifelten Aktionen gelingt es den Menschen auf Terra und den Planeten des Sonnensystems, dem Zugriff der Terminalen Kolonne standzuhalten. Sie verschanzen sich hinter dem TERRANOVA-Schirm und versuchen, die Terminale Kolonne zu stören.
Die Chancen für einen Sieg über die Mächte des Chaos sind dadurch gestiegen, dass Perry Rhodan seine Dokumentation einer erfolgreichen Retroversion nach Terra bringen konnte. Zudem gelang es, die Dienstburg CRULT auszuschalten und damit Zeit zu gewinnen. Indessen formieren sich weitere Verbündete wie die Friedensfahrer; diese allerdings befinden sich in einer Führungskrise. Und nur eine kann helfen, diese zu beenden: DIE GRÜNDERMUTTER …
Cosmuel Kain – Die Gefährtin Kantirans versucht aus diesem einen Politiker zu machen.
Farigu Scot Elien – Der Garant möchte als Patron der Friedensfahrer die gute alte Zeit zurückbringen.
Die Gründermutter – Sie entzieht sich bisher seit Jahrhunderten jeder Entdeckung.
Kantiran – Einer von elf Garanten der Friedensfahrer ist willens und bereit, jedes Tabu zu brechen.
Chyndor ist tot.
Es war ihm nicht vergönnt, lange der Patron der Friedensfahrer zu bleiben.
Der Kampf gegen die Negasphäre kostet uns mehr, als wir uns leisten können.
Mehr, als jeder von uns fürchten könnte.
Mehr, als jeder von uns das akzeptieren könnte.
Mehr, als es richtig ist.
Denkt nach. Mehr fordere ich nicht von euch. Denkt darüber nach, wer wir sind und woher wir kommen. Denkt darüber nach, wohin wir gehen! Denkt darüber nach, was der Sinn unserer Existenz ist!
Meine Freunde … welchen Lügen sind wir aufgesessen? Welche Konsequenzen müssen wir deshalb bis hier und bis heute tragen?
Chyndor ist ein Opfer der Negasphäre. So könnte man glauben. So behaupten es viele, und so schreibt es sich vor allem Kantiran auf die Fahnen.
Es klingt gut.
Es klingt so logisch, so einfach und so geordnet. Hört es euch an:
Ein Opfer der Negasphäre …
Wer von euch ist fähig, den Irrsinn zu erkennen, der hinter diesen Worten steckt?
Ich sage: Nein! Chyndor ist kein Opfer der Negasphäre. Er ist das Opfer einer falschen Entscheidung, ein Opfer des Entschlusses, Krieg zu führen gegen die Negasphäre.
Und das ist etwas vollkommen anderes. Ja – ich habe nie dafür gestimmt, als wir die verhängnisvolle Entscheidung fällten. Doch darf ich deshalb mit mir selbst zufrieden sein? Kann ich jegliche Schuld von mir weisen? Nein! Ich bin ebenso schuldig wie viele andere, wie jeder hier in diesem Raum! Denn ich hätte nicht schweigen dürfen, nicht aufgeben dürfen, hätte aufbegehren müssen, ehe es zur Katastrophe kam.
Urteilt selbst: Steht es einem Friedensfahrer zu, Krieg zu führen? Ist das der Sinn unserer Existenz, oder ist es ein Widersinn in sich? Oder ist Chyndors Sterben, so schrecklich und bedauernswert es sein mag, vielleicht unsere letzte, unsere einzig noch verbliebene Chance, den Wahnsinn zu beenden und das Ruder noch einmal herumzureißen?
Besinnen wir uns auf das, was wir sind:
Friedensfahrer.
Farigu Scot Elien
Eröffnung der ersten Rede im Palais Ellega
Spiel, Sex und Sieg
»Ich mach den Perry!«
Cosmuel Kain legte den Kartenchip auf die silbrig irisierende Tischplatte, drückte den Nagel ihres rechten Zeigefingers auf die Kante und schnippte den Chip in die Höhe. Er überschlug sich, und ein Lichtreflex zauberte für einen kaum wahrnehmbaren Moment ein Regenbogenprisma auf Kantirans angespannte Gesichtszüge.
Der Chip fiel auf die Zahlenseite.
»Stardust!« Cosmuel grinste, legte ihre restlichen Chips ab, verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf leicht schief. »Du hast verloren, mein Lieber. Schon wieder.«
Kantirans Spielkarten klimperten auf den Tisch, dann trommelten seine Fingerspitzen ein Stakkato. Cosmuels schlanke Finger legten sich auf seine Hand.
»Noch mal?«, fragte sie.
»Wie oft haben wir jetzt schon Gobi gespielt?«
»Offensichtlich nicht oft genug.« Sie versuchte sich an jenem Lächeln, das er, wie sie genau wusste, unwiderstehlich fand. »Du verlierst dauernd, und ich muss nicht mal die Macht meiner Stimme einsetzen.«
»Na hoffentlich«, sagte er missmutig.
»Traust du mir das etwa nicht zu? Ich brauche meine speziellen Fähigkeiten nicht einzusetzen, um dich zu besiegen. Aber soll ich dir etwas sagen? Es stört mich nicht, dass du ein schlechter Spieler bist. Du hast andere Qualitäten. Wichtigere.«
Sie verstärkte den Druck ihrer Hand, fühlte die Ader auf seinem Handrücken pulsieren. Sie lehnte sich im Stuhl zurück und drückte die Schultern durch. »Worüber denkst du nach?«
»Chyndor«, sagte er. »Und …«
»… die Zukunft der Friedensfahrer«, beendete sie den Satz gleichzeitig mit ihm. Sie zog ihre Hand zurück, stellte einen Chip auf und stieß ihn an, dass er rasend schnell rotierte. Die Ränder verwischten, er wirkte wie eine Kugel aus flirrendem Licht.
»Du wirst keine Antwort finden, genauso wenig wie die tausend Mal, die du in den letzten zehn Tagen darüber nachgedacht hast. Der Schatten der Negasphäre liegt über allem, und er verhindert, dass wir etwas sehen können.«
Cosmuel schaute Kantiran in die Augen.
Sein Blick verfolgte die trudelnde Spur der Münze. »Das hast du blumig ausgedrückt. Mein Kompliment. Du solltest mal wieder eine Geschichte schreiben. Ausreichend kreative Energie hast du offenbar.«
Obwohl er das sicher nicht beabsichtigt hatte, schmerzten seine Worte. Cosmuel hatte seit ihrem Aufbruch von Hangay mehr als einmal versucht, wieder zu schreiben. So wie früher.
Doch seit sie Kantiran getroffen hatte und schließlich zur Friedensfahrerin geworden war, hatte sie offenbar so viel in der Realität erlebt, dass ihre Phantasie einfach streikte. Sie fand keine Worte mehr, egal wie oft sie es versuchte. Gefühlte tausend erste Sätze hatte sie immer wieder umgeschrieben und schließlich verworfen.
Gobi war deshalb für sie momentan mehr als nur ein Spiel, sondern diente auch der Ablenkung. Genau wie die diversen Erfahrungen, die sie im Bett mit Kantiran teilte. Sie erschrak bei diesem Gedanken und fragte sich, ob Kantiran für sie tatsächlich nur ein Mittel zum Zweck war, ein Ablenkungsmanöver für ihre frustrierte Seele.
Der Chip trudelte aus, kullerte auf der Platte und blieb schließlich liegen. Von seiner Oberseite schaute sie ein grimmig dreinblickender doppelköpfiger Iwan Iwanowitsch Goratschin an. Der Mythos, stand darunter. Mutantenkorps Nummer drei. Einer der wertvollsten Chips. Im Spiel hätte sie sich über eine gewonnene Runde freuen können.
Kantiran griff danach. »Was ist mit dir, Cosmuel? Du starrst so konzentriert ins Nichts, dass ich …«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nur festgestellt, dass ich Ursache und Wirkung verwechselt habe. Oder lass es mich so sagen: Ich habe aus etwas Gutem beinahe etwas Schlechtes gemacht.«
»Du bist wunderbar. Rätselhaft, aber wunderbar. Friedensfahrer hin, Friedensfahrer her.« Er stand auf, umrundete den Tisch und zog sie in die Höhe. »Lass uns an etwas anderes denken.«
Gute Idee, dachte sie und küsste ihn.
*
Sein Haar war länger als gewöhnlich, und der Vollbart hätte etwas Pflege nötig gehabt. Er ließ sich gehen, seit sie in der ASH AFAGA unterwegs waren.
Kein Wunder, dachte Cosmuel. Seine Gedanken kreisen nur noch um die eine Frage.
Kraft seiner Autorität als einer der Garanten der Friedensfahrer hatte er eine Vollversammlung im Palais Ellega einberufen. Sie mussten klären, wer Chyndors Nachfolge antreten sollte als Patron des Bundes.
Sie musterte seine Gesichtszüge. Die Augäpfel bewegten sich ruckartig unter den geschlossenen Lidern; er träumte.
Wenigstens jetzt sieht er entspannt aus, dachte sie. Und wünschte sich, sie selbst würde ebenfalls die nötige Ruhe finden, um einschlafen zu können.
Doch jedes Mal, wenn sie die Augen schloss und in den Dämmer zwischen Wachen und Schlafen driftete, schreckte sie hoch, mit wild pochendem Herzen und angespannten Muskeln. Ihre Fingergelenke schmerzten, weil sich ihre Hand wieder und wieder in die dünne Decke krallte. Nicht einmal Kantirans gleichmäßiger Atem vermochte ihren Gedanken Frieden zu schenken, obwohl sie sonst nichts Beruhigenderes kannte.
In ihrem Unterbewusstsein lagerten Urerinnerungen an den Kampf gegen eine Negasphäre – an eine Zeit, da ihre fernen Vorfahren von ARCHETIM um Hilfe ersucht worden waren. Das wusste sie inzwischen, seit sie Perry Rhodans Informationen aus Tare-Scharm zu Gesicht bekommen hatte. Seitdem wusste sie auch, dass es bald zu wichtigen Geschehnissen kommen musste. Ob das etwas mit ihrem Cyno-Erbe zu tun hatte oder damit, dass sie schlicht eine feinfühlige Frau war, konnte sie nicht sagen. Vielleicht hatte sie auch ganz einfach so lange über all das nachgedacht, dass sie sich etwas einbildete, was es gar nicht gab.
Gerade der letzte Gedanke war nicht sonderlich dazu angetan, sie endlich einschlafen zu lassen. Sie drehte sich auf den Rücken, aus ihrer üblichen Schlafposition heraus, und hielt mühsam die Augen offen. Diesen Trick kannte sie seit ihrer Kindheit. – Wenn du nicht schlafen kannst, Kind, halt so lange die Augen offen, wie es nur irgendwie geht. Wenn sie dann zufallen, bist du so erschöpft, dass du es gar nicht mehr merkst.
Sie starrte in den Halbdämmer der Kabine. Kantirans Atem streifte warm ihre Wange.
Warum?, fragte sie sich. Warum in aller Welt bin ich damals nicht auf Terra geblieben? Ich hätte mir all das ersparen können.
Sie kannte die Antwort darauf. Sogar jede Menge verschiedener Antworten.
Weil ihre Bestimmung es nicht zuließ.
Weil sie nicht anders gekonnt hatte, als den Weg in den Kosmos und nach Hangay zu suchen.
»Und wegen dir«, flüsterte sie und legte die Hand an Kantirans Schläfe.
*
Er roch nach altem Fleisch, wahrscheinlich hatte er die Mundhygiene vernachlässigt. Seltsam, normalerweise ließ er sich nie so gehen. Zuvor war das Cosmuel Kain nie aufgefallen. Aber diesmal weckte der seltsam faulige Geruch aus seinem Mund Erinnerungen an ihre Kindheit … als sie von … wie hieß er doch gleich noch … von diesem Jungen bei dem Schulausflug auf den historischen Bauernhof in den Misthaufen gestoßen und mit dem Gesicht in einen weichen, dampfenden Fladen gedrückt worden war.
Hastig griff sie nach der Tasse mit dem dampfenden Getränk, das ihnen ihr Gastgeber Polm Ombar zur Verfügung gestellt hatte, der Revisor der Friedensfahrer und Besitzer der OREON-Kapsel ASH AFAGA, in der sie alle in Richtung Heimatsystem rasten. Es schmeckte undefinierbar fruchtig und war so heiß, dass ihr Lippen, Zahnfleisch und Zunge schmerzten, aber es vertrieb den Kloß des Ekels in ihrer Kehle.
Der Gestank ging von Ombar aus, der ruhig auf seinem Spezialstuhl saß und sie beobachtete. Der Koloss überragte Cosmuel bei weitem, die Muskeln unter der eisengrauen Haut waren gewaltig, und die roten Augen unter den Knochenwülsten schienen zu glühen.
Und er stank.
Yhardt, dachte Cosmuel. Das war der Name des Jungen gewesen. Yhardt – ein total süßer Kerl. Er hatte auf sie gestanden, aber nicht genug Mumm aufgebracht, es vor seinen Kumpels zuzugeben. Darum hatte er sie gehänselt. Wieder und wieder. Yhardt … sie hatte seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht. Nun, so viele Jahre später, in der OREON-Kapsel ASH AFAGA, geradezu unendlich weit von Terra und der Milchstraße entfernt, fragte sich Cosmuel schmerzlich, ob sie Yhardt überhaupt jemals getroffen hatte oder ob er Teil der falschen Erinnerungen war, die ihre wahre Herkunft als Cyno verschleierten.
»Wenn wir uns als Geheimbund der Friedensfahrer der Herausforderung Negasphäre stellen wollen«, sagte Kantiran, der links neben Cosmuel saß, »und ich betone: wenn wir das überhaupt wollen, brauchen wir einen neuen Patron. Chyndor ist gestorben, ein entsetzlicher Verlust, der nicht wieder aufzuwiegen ist, aber sein Ziel darf nicht mit ihm gestorben sein.«
Ombar lachte, und es klang wie ein Donnergrollen am Horizont. »Wen willst du in diesem Raum überzeugen, Kantiran Rhodan?«
»Nur Kantiran«, sagte er leise, »das genügt.«
Der Revisor ließ seine Hand auf die gläserne Tischplatte klatschen, und jedes der überdicken Gelenke gab ein krachendes Geräusch von sich. Ein Wunder, dass die Platte nicht in tausend Scherben zersprang. »Dass du der Sohn deines Vaters bist, solltest du nicht verleugnen.«
»Ich leugne es nicht, aber es spielt keine Rolle. Ich bin, was ich bin, nicht was er mir vorgibt zu sein.«
Unter dem Tisch strich Cosmuels Hand über Kantirans Bein bis zum Knie. Dort drückte sie zu. Bleib ruhig, hieß das.
»Es ist gut, dass Kantiran über … nun, nennen wir es Beziehungen verfügt. Der Speicherkristall mit den Informationen über die Retroversion der Negasphäre Tare-Scharm in tiefer Vergangenheit kann noch wichtig werden, wenn wir im Palais sprechen. Wir wüssten sonst nichts von der Finalen Schlacht, von der Prinzipa Generalin Kamuko, von Hobgey dem Rächer, den Laosoor, von dem aufwendigen Schlachtplan ARCHETIMS und der Rolle, die der GESETZ-Geber CHEOS-TAI in Vergangenheit und Gegenwart spielt. Und vom Tod einer Superintelligenz und der Flucht der Cypron …«
Polm Ombar wandte ihr den Kopf zu. Zwischen seinen Zähnen hing ein Stück rohes Fleisch.
Sich über seine ganz speziellen Essgewohnheiten zu ekeln, hatte Cosmuel schon lange aufgegeben. Wenngleich er äußerlich eine reine Kampfmaschine zu sein schien und einen martialisch-plumpen Eindruck erweckte, war er zweifellos hochintelligent und einer der wichtigsten und wertvollsten Verbündeten, die sie in den Reihen der Friedensfahrer besaßen.
»Auch dich, Cosmuel Kain«, sagte er, »frage ich, wen du überzeugen willst. Weder mich noch Bylilin oder Drr-kim musst du auf deine Seite ziehen.«
Daraufhin schwiegen sie, vom automatischen Blubbern abgesehen, das der Friedensfahrer Drr-kim, ein Aggkarper, unaufhörlich auf vegetativer Basis von sich gab und das – wenn man sich die Mühe machte, es zu dechiffrieren – eine genaue Analyse seines Seelenzustands ermöglichte.
Drr-kims Fischaugen glotzten dabei genau auf Cosmuels Oberkörper, doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich der tonnenförmige Halb-Ichtoide an ihren Brüsten erfreute, die der enge einteilige Dress stärker betonte als unbedingt nötig. Sie trug ihn gerne, wenn Kantiran in der Nähe war, das musste sie zugeben.
Vor dieser kleinen Versammlung in der Zentrale der ASH AFAGA hatte sie vergessen, sich umzuziehen. Doch wahrscheinlich gab es ohnehin niemanden außer Kantiran, der einen Terraner-Cyno-Mischling körperlich attraktiv finden konnte. Sie alle waren schon rein physisch zu unterschiedlich.
Um sich abzulenken, projizierte Cosmuel per Sprachbefehl ein winziges Holo vor sich. Polm Ombar hatte jedem seiner Gäste Befehlsgewalt über den Zentralrechner der ASH AFAGA gegeben.
Auf dem Holo liefen die aktuellen Kursdaten ab.
Ziel der OREON-Kapsel war die Galaxis Altasinth, in der sich Rosella Rosado befand, das Zentralsystem der Friedensfahrer. 56 Tage Flugzeit waren angesetzt von Hangay nach Altasinth; ein Wert, der von einem gewissen Optimismus zeugte, da die OREON-Kapseln einen maximalen Überlichtfaktor von 150 Millionen ermöglichten. Als Abkürzung planten sie allerdings, drei Bahnhöfe der Friedensfahrer zu nutzen, was durch Transmittersprünge erheblichen Zeitgewinn bedeutete. Die Bahnhöfe Carkan, Sadlaan und Ryvla lagen noch etwa sechs Tage Flugzeit von ihnen entfernt. Am ersten Bahnhof angekommen, hofften sie auf die Nachricht, dass es inzwischen gelungen sein könnte, weitere Bahnhof-Transmitter zu reaktivieren, was die Reisezeit erheblich verkürzen würde.
Cosmuel tat, als studiere sie die Daten auf dem Holo, schaute in Wirklichkeit jedoch durch es hindurch und musterte die Gesichtszüge des Revisors, die sich im gläsernen Tisch spiegelten. Die sechseckige Maserung schien ihr tiefer eingeschnitten als sonst; es verlieh Ombar ein müdes, beinahe depressives Aussehen.
Plötzlich bewegten sich die felsig starren Lippen in der Spiegelung. »Es wird Widerstand in den Reihen der Friedensfahrer geben, gegen den wir anzukämpfen haben. Das kann ich förmlich riechen … weil es so naheliegt und so einfach klingt. Wir wollten ja gegen die Negasphäre kämpfen, werden sie sagen. Der Preis ist hoch, und Chyndor hat ihn gezahlt. Und dann werden sie fordern, dass sich die Friedensfahrer wieder zurückziehen.«
»Ja und?«, fragte Cosmuel. »Dürfen wir uns von Widerstand beirren lassen? Unsere Auffassung der Dinge ist die vernünftige und richtige, deshalb wird sie sich durchsetzen, und wir werden über jeden Widerstand siegen.«
Kantiran schwieg, doch seine Mundwinkel zuckten.
*
Wir sind Friedensfahrer.
Wir gehören weder zu den Kosmokraten noch zu den Chaotarchen. Die Hohen Mächte des Universums haben kein Recht darauf, über uns zu bestimmen, denn wir sind frei. Wir sind Individuen, und wir sind stolz darauf!
Oder etwa nicht?
Sind wir etwa Friedensfahrer geworden, weil wir uns gleichschalten lassen wollen? Oder stehen wir noch zu unserem Credo, das unser ganzes Dasein bestimmt?
Friedensfahrer stiften Frieden, wenn Gewalt und Krieg drohen.
Friedensfahrer verstehen sich als Helfer und Beschützer des Lebens in all seinen Ausprägungen und Mentalitäten.
Friedensfahrer kämpfen nicht gegen Ordnung oder Chaos als kosmische Prinzipien, sondern für das Leben an sich.
So haben wir es gesagt. So habe ich