Meine Dramen
Ludwig Tieck
Inhalt:
Ludwig Tieck – Biografie und Bibliografie
Leben und Tod der heiligen Genoveva
Personen.
Der gestiefelte Kater
Personen.
Prolog
Erster Akt
Zwischenakt
Zweiter Akt
Zwischenakt
Dritter Akt
Epilog
Ritter Blaubart
Personen.
Prolog
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Die verkehrte Welt
Symphonie
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt
Prinz Zerbino
Prolog
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt
Sechster Akt
Epilog
Meine Dramen, L. Tieck
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849637729
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Dichter der romantischen Schule, geb. 31. Mai 1773 in Berlin, gest. daselbst 28. April 1853, Sohn eines Seilermeisters, besuchte seit 1782 das damals unter Gedikes Leitung stehende Friedrichswerdersche Gymnasium, wo er sich eng an Wackenroder anschloß, und studierte darauf in Halle, Göttingen und kurze Zeit in Erlangen Geschichte, Philologie, alte und neue Literatur. Nach Berlin zurückgekehrt, lebte er von dem Ertrag seiner schriftstellerischen Arbeiten, die er größtenteils im Verlag des Aufklärers Nicolai veröffentlichte. So erschienen in rascher Reihenfolge die Erzählungen und Romane: »Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten« (Berl. 1795, 2 Bde.), »William Lovell« (das. 1795–96, 3 Bde.; vgl. Haßler, L. Tiecks Jugendroman »William Lovell« und der »Paysan perverti« des Rétif de la Bretonne, Dissertation, Greifsw. 1903) und »Abdallah« (das. 1796), ferner Novellen meist satirischen Inhalts in der Sammlung »Straußfedern« (1795–98), worauf er, seinen Übergang zur eigentlichen Romantik vollziehend, die bald dramatisch-satirische, bald schlicht erzählende Bearbeitung alter Volkssagen und Märchen unternahm und unter dem Titel: »Volksmärchen von Peter Lebrecht« (das. 1797, 3 Bde.) veröffentlichte. Den größten Erfolg errangen unter diesen Dichtungen die unheimlich düstere Erzählung »Der blonde Eckert« und das phantastisch-satirische Drama »Der gestiefelte Kater«. Die Richtung, die in seinen Schriften immer deutlicher hervortrat, mußte ihn in schroffen Gegensatz zu Nicolai sowie zu Iffland, dem Leiter des Berliner Theaters, bringen, während die Romantiker ihn begeistert anpriesen als ein Genie, das Goethe ebenbürtig sei. Nachdem er sich 1798 in Hamburg mit einer Tochter des Predigers Alberti verheiratet hatte, verweilte er 1799–1800 in Jena, wo er zu den beiden Schlegel, Hardenberg (Novalis), Brentano, Fichte und Schelling in freundschaftliche Beziehungen trat, auch Goethe und Schiller kennen lernte, nahm 1801 mit Fr. v. Schlegel seinen Wohnsitz in Dresden und lebte seit 1802 meist auf dem Gute Ziebingen bei Frankfurt a. O., mit dessen Besitzern (erst v. Burgsdorff, dann Graf Finkenstein) er eng befreundet war. Doch unterbrach er diesen Aufenthalt durch längere Reisen nach Italien, wo er die deutschen Handschriften der vatikanischen Bibliothek studierte (1805), sowie nach Dresden, Wien und München (1808–10). Während dieses Zeitraums waren erschienen: »Franz Sternbalds Wanderungen« (Berl. 1798), ein die altdeutsche Kunst verherrlichender Roman, an dem auch sein Freund Wackenroder Anteil hatte, »Prinz Zerbino, oder die Reise nach dem guten Geschmack« (Jena 1799), und »Romantische Dichtungen« (das. 1799–1800, 2 Bde.) mit dem Trauerspiel »Leben und Tod der heil. Genoveva« (separat, Berl. 1820) sowie das nach einem alten Volksbuch gearbeitete Lustspiel »Kaiser Octavianus« (Jena 1804), weitschweifige Dichtungen, in denen das erzählende und namentlich das lyrische Element überwiegt, aber aus einem Gewirr mannigfaltigster metrischer Ausdrucksformen gelegentlich doch echte Schönheit hervorleuchtet (vgl. Ranftl, L. Tiecks »Genoveva« als romantische Dichtung betrachtet, Graz 1899). Von den zahlreichen Übersetzungen und Bearbeitungen fremder Werke, die T. damals veröffentlichte, seien erwähnt: die fehlerhaften »Minnelieder aus der schwäbischen Vorzeit« (Berl. 1803), die gelungene Verdeutschung des »Don Quichotte« von Cervantes (das. 1799–1804, 4 Bde.), die wertvolle Übersetzung einer Anzahl Shakespeare zugeschriebener, aber zweifelhafter Stücke u. d. T.: »Altenglisches Theater« (das. 1811, 2 Bde.) u. a. Auch gab er u. d. T.: »Phantasus« (Berl. 1812–17, 3 Bde.; 2. Ausg., das. 1844–45, 3 Bde.) eine Sammlung früherer Märchen und Schauspiele, vermehrt mit neuen Erzählungen und dem Märchenschauspiel »Fortunat«, heraus, welche die deutsche Lesewelt lebhaft für T. interessierte. Das Kriegsjahr 1813 sah den Dichter in Prag; nach dem Frieden unternahm er größere Reisen nach London und Paris, hauptsächlich im Interesse eines großen Hauptwerks über Shakespeare, das er leider nie vollendete. 1819 verließ er dauernd seine ländliche Einsamkeit und nahm seinen Wohnsitz in Dresden, wo nun die produktivste und wirkungsreichste Periode seines Dichterlebens begann. Trotz des Gegensatzes, in dem sich Tiecks geistige Vornehmheit zur Trivialität der Dresdener Belletristik befand, gelang es ihm, hauptsächlich durch seine fast allabendlich stattfindenden dramatischen Vorlesungen, in denen er sich als Meister in der Kunst des Vortrags bewährte, einen Kreis um sich zu sammeln, der seine Anschauungen von der Kunst als maßgebend anerkannte. Als Dramaturg des Hoftheaters (seit 1825) gewann er eine bedeutende Wirksamkeit, die ihm freilich durch Angriffe der Gegenpartei mannigfach verleidet wurde. In der Novellendichtung, der sich T. in dieser Dresdener Zeit vor allem widmete, leistete er zum Teil Vortreffliches; aber er bahnte auch jener bedenklichen Gesprächsnovellistik den Weg, in der das epische Element fast ganz hinter dem reflektierenden zurücktritt. Zu den bedeutendsten zählen: »Die Gemälde«, »Die Reisenden«, »Der Alte vom Berge«, »Die Gesellschaft auf dem Lande«, »Die Verlobung«, »Musikalische Leiden und Freuden«, »Des Lebens Überfluß« u. a. Unter den historischen haben »Der griechische Kaiser«, »Dichterleben«, »Der Tod des Dichters« und vor allen der großartig angelegte, leider unvollendete »Aufruhr in den Cevennen« Anspruch auf bleibende Bedeutung. In allen diesen Novellen befriedigt nicht nur meist die einfache Anmut der Darstellungsweise, sondern auch die Mannigfaltigkeit lebendiger und typischer Charaktere und der Tiefsinn der poetischen Idee. Sein letztes größeres Werk: »Vittoria Accorombona« (Bresl. 1840), entstand unter den Einwirkungen der neufranzösischen Romantik und hinterließ trotz der Farbenpracht einen überwiegend peinlichen Eindruck.
T. übernahm in Dresden auch die Herausgabe und Vollendung der von A. W. v. Schlegel begonnenen Shakespeare-Übertragung (Berl. 1825–33, 9 Bde.), doch hat er selber nur die Anmerkungen beigesteuert. Die Übersetzungen A. W. v. Schlegels (s. d.) wurden zum Teil mit eigenmächtigen Änderungen wieder abgedruckt, die übrigen Stücke übersetzten Tiecks Tochter Dorothea (geb. 1799) und Wolf Graf von Baudissin (s. d.). Diese beiden verdeutschten auch noch sechs weitere Stücke des alten englischen Theaters, die T. als »Shakespeares Vorschule« (Leipz. 1823–29, 2 Bde.) mit ausführlicher literarhistorischer Einleitung herausgab. Ebenso stammen aus dieser Zeit mehrere mit Einleitungen versehene Ausgaben von Werken deutscher Dichter, auf die er die Aufmerksamkeit von neuem hinlenken wollte. So hatte er schon 1817 eine Sammlung älterer Bühnenstücke u. d. T.: »Deutsches Theater« veröffentlicht (Berl., 2 Bde.). Dann gab er die hinterlassenen Schriften Heinrichs v. Kleist (Berl. 1821) heraus, denen die »Gesammelten Werke« desselben Dichters (das. 1826, 3 Bde.) folgten, ferner Schnabels Roman »Die Insel Felsenburg« (Bresl. 1827) und die »Gesammelten Schriften« von J. M. R. Lenz (Berl. 1828, 3 Bde.). Aus seiner dramaturgisch-kritischen Tätigkeit erwuchsen die wertvollen »Dramaturgischen Blätter« (Bresl. 1825–26, 2 Bde.; Bd. 3, Leipz. 1852; vollständige Ausg., das. 1852, 2 Tle.). 1837 verlor T. seine Frau, seine Tochter Dorothea starb 21. Febr. 1841. In demselben Jahre wurde er vom König Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin berufen, wo er, durch Kränklichkeit zumeist an das Haus gefesselt, ein zwar ehrenvolles und sorgenfreies, aber im ganzen sehr resigniertes Alter verlebte. Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Romantiker« (Bd. 17). Seine »Schriften« erschienen in 20 Bänden (Berl. 1828–46), seine »Kritischen Schriften« in 2 Bänden (Leipz. 1848), »Gesammelte Novellen« in 12 Bänden (Berl. 1852–54), »Nachgelassene Schriften« in 2 Bänden (Leipz. 1855). »Ausgewählte Werke« Tiecks gaben Welti (Stuttg. 1886–1888, 8 Bde.), Klee (mit Biographie, Einleitungen und Anmerkungen, Leipz. 1892, 3 Bde.) und Witkowski (mit Einleitung, das. 1903, 4 Bde.) heraus. Aus Tiecks Nachlaß, der sich in der Berliner Bibliothek befindet, veröffentlichte Bolte mehrere Übersetzungen englischer Dramen, unter andern »Mucedorus« (Berl. 1893). Die Ungleichheit von Tiecks Leistungen ist z. T. auf sein improvisatorisches Arbeiten zurückzuführen, das ihn selten zu reiner Ausgestaltung seiner geist-, phantasie- und lebensvollen Entwürfe gelangen ließ; die Gesamtheit seiner Schriften verrät deutlich die Weite und Größe seines Talents. R. Köpke, der T. in den letzten Berliner Jahren nahe stand, veröffentlichte eine ausführliche Biographie u. d. T.: »Ludwig T., Erinnerungen aus dem Leben etc.« (Leipz. 1855, 2 Bde.). Vgl. außerdem H. v. Friesen, Ludwig T., Erinnerungen (hauptsächlich aus der Dresdener Zeit, Wien 1871, 2 Bde.); »Briefe an Ludwig T.« (hrsg. von K. v. Holtei, Bresl. 1864, 4 Bde.); Ad. Stern, Ludwig T. in Dresden (in dem Werk »Zur Literatur der Gegenwart«, Leipz. 1880); Steiner, Ludwig T. und die Volksbücher (Berl. 1893); Garnier, Zur Entwicklungsgeschichte der Novellendichtung Tiecks (Gieß. 1899); Mießner, L. Tiecks Lyrik (Berl. 1902); Ederheimer, Jak. Böhmes Einfluß auf T. und Novalis (Heidelb. 1904); Koldewey, Wackenroder und sein Einfluß auf T. (Leipz. 1904); Günther, Romantische Kritik und Satire bei Ludwig T. (das. 1907). – Tiecks Schwester Sophie T., geb. 1775 in Berlin, verheiratete sich 1799 mit Aug. Ferd. Bernhardi (s. d.), von dem sie 1805 wieder geschieden wurde, lebte dann in Süddeutschland und mit ihren Brüdern, dem Dichter und dem Bildhauer, längere Zeit in Rom, später in Wien, München und Dresden. 1810 schloß sie eine zweite Ehe mit einem Esthländer, v. Knorring, dem sie in dessen Heimat folgte, und starb dort 1836. Sie hat außer Gedichten, z. B. dem Epos »Flore und Blanchefleur« (hrsg. von A. W. v. Schlegel, Berl. 1822), auch Schauspiele und einige Romane, wie »Evremont« (hrsg. von Ludw. T., das. 1836), geschrieben.
Ein Trauerspiel
Der heilige Bonifatius.
Karl Martell, Majordomus des fränkischen Reichs.
Eudo, Herzog von Aquitanien.
Siegfried, Pfalzgraf im Trierlande.
Genoveva, seine Gemahlin.
Schmerzenreich, sein Sohn.
Matthias, Siegfrieds Bruder.
Kunz, dessen Vetter.
Golo, Siegfrieds Hofmeister.
Wolf, ein alter Ritter.
Otho.
Günther.
Drago, Hausmeister Siegfrieds.
Benno,
Wendelin, Diener.
Gertrud, Golos Amme.
Else, ihre Tochter.
Dietrich,
Heinrich, Schäfer.
Grimoald, ein Köhler.
Winfreda, eine Hexe.
Hidulfus, Bischof von Trier.
Ein Kapellan Siegfrieds.
Ein Arzt.
Hauptleute, Knechte, Krieger, Erscheinungen, Kinder, Bürger von Avignon.
Abdorrhaman, Mohrenkönig.
Zulma, dessen Geliebte.
Derar,
Ali, Anführer.
Hauptleute und Krieger.
Ein Unbekannter.
Eine Kapelle schwach erleuchtet.
DER HEILIGE BONIFATIUS tritt mit Schwert und Palmenzweige herein.
BONIFATIUS.
Ich bin der wackre Bonifatius,
Der einst von Englands Ufern in die Wälder
Der Deutschen, Christus' heilgen Glauben brachte.
Schon war Italia von dem Glanz erleuchtet,
Hispania kniete vor dem Kreuze nieder,
In Frankreich wie in Deutschland war die Kirche
Auf ihren festen Säulen schon gegründet:
Nur blieb das Volk der Sachsen roh und wild.
Ich kam mit Friedensbotschaft, unermüdet
Und redlich war mein Streben für den Herrn.
Ich war es, der die roh zerstreuten Kräfte
Zuerst dem Heilgen Vater Roms verband:
Drauf ging ich in die Wildnis zu den Friesen
Und starb alldort den Tod der Märtyrer.
Mein Name ward an Gar öl Magnus' Hofe
Mit lautem Preis genannt, der Strom der Zeit
Trug mich auf seinen mannigfaltgen Wogen
Und immer hieß ich noch Deutschlands Apostel.
Das Alter sprach von mir, und meiner dachte
Die Jugend mit des Herzens Innigkeit;
Man zählte mich den großen Helden zu,
Die schon in frühern Zeiten für die Wahrheit,
Für Christus ihren Tod den Sündern gaben. –
Nun kehr ich wieder
Und oftmals geht in dieser späten Zeit
Mein Geist umher und schaut nach Christen um,
Und wenn ich die Gesinnung und die Herzen
Der Menschen prüfe, die an selber Stätte wohnen,
Wo sonst die Tempel standen mit den Bildern,
Wo sonst in Andacht stille Seelen knieten,
Wo sonst der Englein süßer Othem
In Bitt und Klage der Bedrängten floß
Und Feuerfunken in die Herzen goß: –
Und wenn mein schweres Auge nunmehr schaut,
Wie keiner sich und Gotte mehr vertraut
Und auf dem Sande seine Wohnung baut,
Wie wenige nur meinen Namen kennen,
Die wenigen ihn nur mit Mitleid nennen,
Die schlimmeren mit Höhnen und mit Spott
Und lachen drob, daß ich geglaubt an Gott,
Geglaubt, daß er mich in die Wüste sandte
Und mich zu seinem Prediger ernannte:
Ja, wenn ich sehe, daß der frevle Mut
Verachtet der Apostel heilges Blut
Und selbst der Heiland ihnen dünkt nicht gut:
So wend ich härmend und voll Zorn den Blick
Und geh in die Verborgenheit zurück.
Gesang des Priesters aus der Ferne.
Jetzt wird ein Spiel euch vor die Augen treten,
O laßt den harten Sinn sich gern erweichen,
Daß ihr die Kunde aus der alten Zeit,
Als noch die Tugend galt, die Religion,
Der Eifer für das Höchste, gerne duldet.
Alsbald wird ein Gedicht vor euch erscheinen:
Leben und Tod der heilgen Genoveva,
Die noch vor Zeiten Carol Magnus' lebte.
Als Majordomus herrschte Karl Martellus,
So zubenamt von seiner Tapferkeit,
Er war ein Hammer für der Christen Feinde.
Jetzt sind in Spanien Mohren eingebrochen,
Die Mahoms Zeichen auf die Tempel pflanzen,
Sie stürzen ungezähmt ins fränksche Reich;
Da schickt er Herold' aus durch seine Staaten,
Da schickt er Schreiben in des Reichs Provinzen
Und bietet auf die Grafen, Ritter, Herrn,
Daß alle sich dem Reichspaniere fügen
Und ihm den Abdorrhaman schlagen helfen.
Das Aufgebot ist auch nach Trier kommen,
Wo Siegfried lebt als wackrer Graf und Ritter.
SIEGFRIED tritt mit seinem Gefolge auf, sie gehen durch die Kapelle, einige von dem Gefolge bleiben zurück.
Da geht der edle Mann zum Streit gewappnet,
Doch will er vorher beichten, Sakramente
Empfahen aus des Priesters heilger Hand.
So seid nun aufmerksam und laßt euch gern
In alte deutsche Zeit zurücke führen. –
Geht ab.
Grimoald, Benno, Wendelin.
GRIMOALD. Es ist noch früh am Tage, alles ist ruhig draußen und im Schlosse brennen noch die Lichter.
BENNO. Man kann kaum um sich schaun, und die Ampel wirft nur einen matten Schimmer durch die Kirche.
GRIMOALD. Ich bin von draußen aus meiner Köhlerhütte herein kommen, um meinen Sohn noch einmal zu schauen und ihm auf seinem Feldzuge Lebewohl zu sagen. Wer weiß, ob ich ihn wiedersehn mag; jetzt empfängt er das heilige Abendmahl und Absolution.
WENDELIN.
Sprecht leiser, Lieben, in dem Kreuzgewölbe,
Und betet für euch still: Ave Maria,
Und kreuzigt eure Brust, daß ihr nicht so
Die heilge Kirchenruhe stört und plaudert.
GRIMOALD.
Bist du denn älter, daß du so darfst sprechen?
Schweig stille, junges Blut, laß andre reden,
Die mehr erfahren in der Welt und klüger.
BENNO.
O laß ihn, denn er ist ein halber Pfaff
Und wäre besser, bei der Meß zu dienen
Dem Priester, als ein Rittersknecht zu sein.
GRIMOALD.
Die Sonne kommt herauf, die bunten Fenster
Erhellen sich – es ist die vierte Stunde.
's ist einem seltsam in der ruhgen Kirche,
Seht die Gewölb, die Bilder in den Fenstern,
Die alten Chör, Gemälde an den Pfeilern,
Altäre da, die Ampel aus der Mitten.
Ich war hier lange nicht zugegen, ehrbar
Dünkt mich der Ort, die christliche Versammlung
Sie muß sich hier gar sehr erbaut befinden.
WENDELIN.
Warum begehrst du nicht zur Kirche öfter?
GRIMOALD.
Der Weg aus meinem Wald ist ziemlich weit
Und vielerlei hab ich im Holz zu schaffen,
Denn leicht ist nicht mein Handwerk, und ein Köhler
Darf nicht viel müßig sein, die Hände schonen;
Ich bin nicht aufgelegt zum Beten, Singen,
Da geh ich manchmal wohl zur Waldkapelle,
Wo unsre Heilge Jungfrau bildlich steht,
Und tu die Andacht, wie sich's schicken will.
BENNO.
Glaubt mir, es kömmt auch all auf eins hinaus.
GRIMOALD.
Die Mönche sind zum Beten in der Welt,
Ritter und Knecht um wacker dreinzuschlagen,
Wir aber mit der Hand uns zu ernähren.
WENDELIN.
Doch mag sich alles gut zusammenfügen.
GRIMOALD.
Sagt an, was hat das Bild hier zu bedeuten?
WENDELIN.
Es stellt den heiligen Laurentius vor,
Der in des Feuers Schmach den Leib verzehrte,
Die Seele in des Himmels Raum verklärte,
Die Heiden legten ihn in Feuerbrunst,
Die Seele stand in lichter Himmelbrunst,
Wie sich Elias hob im Himmelsfeuer,
Ward er erhoben durch ein irdisch Feuer,
Sie wollten ihm die härtste Qual bereiten
Und gaben ihm des Himmels Seligkeiten.
GRIMOALD.
Es hat doch immer böse Leut gegeben.
So zieht der wackre Graf auch gegen Heiden,
Die unser Land, die Christenheit bedrohn.
WENDELIN.
Auf dieser Tafel steht Sebastian,
Seht her, an einen Baum ist er gebunden,
Die Brust entblößt, ein Ziel den wilden Schützen.
Die Kriegesknechte, die in blinder Wut
Ein Spiel mit seinem frommen Herzen treiben:
Er sieht mit heitern Augen nach dem Himmel,
Er weiß dort wohnt der Vater, dort der Sohn,
Für den er alles gern erduldet, leicht
Gibt er den Leib den blinden Wütern hin.
Den Leib wohl können sie, doch nie den Glauben töten.
GRIMOALD.
Sind denn die wilden Männer nicht gestraft?
Wie kann es Gott erdulden, daß die Kinder,
Die ihm die liebsten sind, gemartert werden?
BENNO.
Wer weiß, ob alles sich so hat begeben.
GRIMOALD.
Das denk ich auch, es ist wohl lange her.
Siegfried kommt mit seinem Gefolge zurück der Kapellan begleitet sie.
KAPELLAN.
So wird euch Gott mit seinem Schirm geleiten.
Wie ihr für Christum Leib und Leben waget,
Des Herren Engel steht zu eurer Seiten,
Und wenn ihr nicht im schweren Kampf verzaget,
Wird er voran zu eurem Besten streiten.
Zieht hin mit meinem Segen. Seht, es taget;
Gott mit euch, fürchtet nichts auf blutgen Bahnen,
Euch stärkt das rote Kreuz in euren Fahnen.
Sie gehen alle ab.
Freies Feld mit Bergen.
Heinrich und Dietrich, zwei Schäfer.
HEINRICH. Spielen und singen wir das Lied noch einmal?
DIETRICH. Es ist nicht so gar leicht.
HEINRICH. Ich will wieder anfangen, denn ich habe gar großes Gelust zur Kunst. – Heda! Tyras! Pfeift. Treib die Schafe am Abhange da herunter. Waldmann! – von der Saat. – Nun, wenn du willst. – Singt.
Dicht von Felsen eingeschlossen,
Wo die stillen Bäschlein gehn,
Wo die dunkeln Weiden sprossen,
Wünsch ich bald mein Grab zu sehn. –
DIETRICH. Warum hältst du ein im Singen?
HEINRICH. Sieh, da drüsben den Reiter auf dem weißen Hengste! Hurra! was das Pferd Sprünge den Berg herunter macht!
DIETRICH. Wer ist der Herr?
HEINRICH. Kennst du den Golo nicht, den Hofmeister des Grafen Siegfried? Ein edler Herr, sieh, wie ihm der bunte Federbusch im Winde flattert! wie stolz er auf dem Rosse sitzt! wie es sich unter ihm mit herrlichen Sprüngen gebärdet! – Still, mir deucht er singt.
GESANG draußen.
Reit ich beim roten Schein
In den frischen Morgen hinein,
Dünk ich mir König zu sein.
Der grüne Hain
Macht mit dem Winde Gruß und Nicken,
Von Bergen steigt ein herrliches Erquicken.
DIETRICH. Der Herr hat eine schöne Stimme.
HEINRICH. Er kann alles: er singt, er musiziert, er kann Gemälde machen und Reimweisen. – Jetzt reitet er zum Bache – sieh! es springt hinüber – o weh! da liegt das stolze Roß am Ufer – er steigt herab –
Golo tritt auf.
HEINRICH. Habt Ihr keinen Schaden genommen, Herr Ritter?
GOLO. Nein, ich weiß nicht, was den Hengst im Sprunge irrte.
DIETRICH. Ihr reitet, mit gnädiger Erlaubnis, ein wenig allzu keck – ich habe für Euch gezittert.
GOLO. Ihr macht, daß ich lache; ich habe das Reiten nicht anders gelernt. – Ihr sangt, wenn mich mein Gehör nicht trügt, laßt euch nicht stören; fahre fort, mein lieber Heinrich.
HEINRICH. Wenn Ihr es so haben wollt.
Dicht von Felsen eingeschlossen,
Wo die stillen Bächlein gehn,
Wo die dunklen Weiden sprossen,
Wünsch ich bald mein Grab zu sehn.
Dort im kühlen abgelegnen Tal
Such ich Ruh für meines Herzens Qual.
Hat sie dich ja doch verstoßen,
Und sie war so süß und schön!
Tausend Tränen sind geflossen,
Und sie durfte dich verschmähn –
Suche Ruh für deines Herzens Qual,
Hier, ein Grab im einsam grünen Tal.
Hoffend und ich ward verstoßen,
Bitten zeugten nur Verschmähn –
Dicht von Felsen eingeschlossen,
Wo die stillen Bächlein gehn,
Hier im stillen einsam grünen Tal,
Such zum Tröste dir ein Grab zumal –
GOLO. Ein trübseliges Lied und höchst klägliche Weise, die sich meines Ohrs so leise bemeistert hat, so mein Herz überwältigt, daß ich mich kaum der Tränen enthalten kann. – Aber wie bist du leichtfüßiger Knabe so schwermütig geworden?
HEINRICH. Ach es ist nicht meine Art so, Herr; Dietrich hat mir nur das Lied gelehrt, weil mir die Weise so besonders gefiel, und weil ich gern alle schönen Gesänge singen möchte: es ist ein altes Lied, das ein verstoßner unglücklicher Liebhaber gedichtet hat.
GOLO. Da habt ihr beide ein Geschenk, damit ihr bei frischem Mut zum Singen bleibt.
HEINRICH. Großen Dank, gnädiger Herr, nun will ich Euch ein anderes singen, das ich selbst gereimet habe; nimm die Schalmei, Dietrich, und blas eins dazu.
DIETRICH bläst.
HEINRICH singt.
Himmel blau
Hellbegrünte Frühlingsau,
Lerchenlieder,
Zur Erde nieder.
Frisches Blut,
Zur Liebe Mut,
Beim Gesang
Hüpfende Schäfchen auf Bergeshang.
Froh und zufrieden
Mit mir und der Welt,
Was Gott mir beschieden
Mein Liebchen hienieden;
Die Sorgen im Dunkel weit von mir gestellt.
Wie fern liegt dies Tal
Von der Welt Herrlichkeit,
Hier wohnen zumal
Nur Fried und Freud.
Ach Herzeleid –
Wie weit
Um Geld und Größe das nagende Herzeleid!
Nun ist es Mai,
Sie ist mir treu,
Und fährt auch Frühling und Sommer hin
Und wenn ich auch nicht mehr Bräutigam bin,
Kommt Sommerszeit doch balde zurück
Und Ehestand ist noch schöneres Glück.
Frisch und froh
Ohne Ach! und Oh!
Vergehen
Verwehen
Die Tage mir so! –
Seht, das habe ich ganz besonders für mich eingerichtet.
Grimoald kommt.
GRIMOALD. Grüß euch Gott, Schäfer, ihr mögt wohl in Frieden das Glück des Landlebens preisen, mein Sohn ist fort.
GOLO. Ist der Graf schon aufgebrochen?
GRIMOALD. Noch stehen die Ritter und Knechte im Schloßhofe versammlet, mein Sohn Traugott unter ihnen.
GOLO. Ist die schöne Gräfin schon aufgestanden?
GRIMOALD. Die edle Genoveva zeigte sich einmal auf dem Altan, in einer Stunde wollen sie alle aufbrechen; ich konnte nicht länger bleiben, denn ich muß zu meinen Meilern. – Lebt wohl, ich gehe in den einsamen Wald, zu meiner leeren Hütte; mein Traugott ist nicht mehr dort, um mich zu erwarten. Geht ab.
GOLO. Lebt wohl. Geht ab.
HEINRICH. Ein schöner, edler Herr, hat er uns da nicht ein Goldstück verehrt?
DIETRICH. Wenn er mit dem Zuge ginge, könnte was Großes aus ihm werden. Sieh, da rennt er nach dem Schlosse zurück. Ich habe noch keinen so schönen Junker, solange ich lebe, gesehen.
HEINRICH. Die Jugend und die Freude sehn ihm aus den Augen, er ist nicht wie die übrigen, man muß ihm gut werden, wenn er einen nur ansieht. Er bleibt nun zurück, um das Schloß des Grafen in Obacht zu nehmen, der Herr Siegfried setzt ein großes Vertrauen auf ihn.
DIETRICH. Er ist noch so jung und hat schon ein so großes Glück gemacht.
HEINRICH. Alles Gesinde steht unter seinem Befehl in der Abwesenheit des Grafen, ja auch der alte Ritter, der ihn zuerst in das Schloß gebracht hatte, Herr Wolf.
DIETRICH. Wenn er nur nicht so unbändig ritte, wie leicht kann er Schaden nehmen.
HEINRICH. O daran denkt er nicht, und das begegnet ihm auch nicht. – Komm, wir wollen nach dem kleinen Walde gehn, unsere Herde hat sich entfernt. – Sie gehen.
Saal auf dem Schlosse.
Graf Siegfried und Genoveva.
SIEGFRIED.
Nun sammle dich, liebwertestes Gemahl,
Und zeige dich als eine deutsche Frau.
Nicht diese Tränen – warum willst du weinen?
GENOVEVA.
Werd ich dich jemals, jemals wiedersehn?
SIEGFRIED.
Als Sieger kehr ich bald zur Heimat wieder.
GENOVEVA.
Dann bin ich tot, so spricht mein armes Herz.
SIEGFRIED.
Du sollst nicht jammern; ruft mich nicht die Pflicht?
Mein Lehnsherr, unser guter lieber König,
Der tapfre Mann, der große Majordomus,
Der längst ein Schrecken seiner Feinde war?
Du stehst im Bündnis mit den blinden Heiden,
Wenn deine Seufzer, deine Tränen mich zu halten
Versuchen, vorwärts solltest du mich treiben;
Sieh, Frankreich zittert vor den Sarazenen,
Schon haben sie Hispania unterjocht,
Schon sind sie Meister von den südlichen
Provinzen Frankreichs, dräuen nun dem Rhein.
Von dort das Heidentum, nicht weit von uns
Die Sachsen, in der deutschen Christenheit
Nur zu oft Zwiespalt, Haß: da muß der Mann
Sich fest dem Mann verbünden, daß das neue Kreuz
Nicht umgerissen Götzenbildern weiche,
Daß von den armen Menschen die Erlösung,
Die teur erkaufte, blutbesiegelte,
Nicht wieder in den alten Wahn verschwinde,
Da müssen wir so Blut wie Leben opfern,
Mit unserm Blut das heilge Kreuz besprengen,
Damit es höher wachse, weiter glänze,
Und jeder Tropfen unsers roten Bluts
Ist dann ein neues Siegel unserm Glauben!
GENOVEVA.
Ja Christ hat uns zu seinem Dienst geworben,
Er ist für unser Seelenheil gestorben.
Seitdem ist Tod ein blütenvolles Leben;
Im Sterben hat uns Christ Geburt gegeben,
Wer wollte nicht den Leib der Erde bringen,
Die Seele zum Erlöser aufzuschwingen. –
SIEGFRIED.
Nun, warum denn willst du zurück mich halten?
GENOVEVA.
Nicht halten, nein zum Ruhm möcht ich dich treiben,
Zu widerstehn den feindlichen Gewalten.
Doch zittr' ich hier allein zurückzubleiben: –
Es schweben vor mir furchtbare Gestalten,
Ich muß an seltsam gräßlich Elend gläuben,
Mir ist als harrte mein ein tiefes Trauern,
Als trieben Geister mich aus diesen Mauern.
So jung sah ich schon manche trübe Stunde,
Und mehr noch stehn und warten auf dein Scheiden,
Kein Vater gab den Segen unserm Bunde,
Die Mutter starb, ich kannte kaum die beiden,
Noch fühlt die Brust den Schmerz von dieser Wunde
Und sieh, da wachsen schon die neuen Leiden,
Das liebste Gut, dich selbst muß ich verlieren,
Und soll in diesem Jammer mich regieren.
Drago tritt auf.
DRAGO.
Verzeiht, mein edler Graf, wenn ich Euch störe.
SIEGFRIED.
Hausmeister, sei willkommen: willst du was?
DRAGO.
Noch einmal Abschied nehmen, einmal noch
Die teure Hand an meine Lippen drücken,
Dann will ich Euch des Herren Schutz befehlen.
SIEGFRIED.
Warum tut ihr denn alle so gar ängstlich?
's ist nicht das erstemal, daß wir entboten,
's soll nicht, mit Gottes Hülf, das letzte sein.
DRAGO.
Wir alle sind in seine Hand gegeben,
Er sei in Ewigkeit gelobet. Amen.
Golo und Wolf treten auf.
SIEGFRIED.
Nun sieh, da kommt der wackre Golo auch,
Und Wolf, der Alte, mich noch mal zu grüßen;
Lebt wohl, ihr Freunde, Gott behüt euch alle.
GENOVEVA.
So gehst du von mir, Herr, Gemahl, mein Leben,
So ist die Stunde nun, der Augenblick,
Der längst gefürchtete, gekommen wirklich?
DRAGO.
Mein lieber Herr, mein wackrer, edler Graf –
SIEGFRIED.
Du weinst? Ein Mann und Tränen?
DRAGO.
Laßt sie fließen,
Ich weiß es ganz gewiß, wir sehn uns nimmer.
SIEGFRIED.
Ihr alle wollt mir nur mein Herz beschweren.
Geh fort von mir, kindisch gesinnter Mann.
Drago ab.
WOLF.
Herr Siegfried, seht, ich will nicht klagen, weiß
Ist dieser Schädel, alt und mürb mein Herz,
Die Arme kraftlos, blöd mein Auge; keck
Darf ich es sagen, fahret wohl, seid glücklich,
Auch wenn wir uns nicht wiedersehn.
SIEGFRIED.
Du, Wolf,
Ich weiß es, gingest gern mit mir zu streiten.
WOLF.
So tät ich, wär nicht meine Zeit vorüber,
Wem wird's nicht in den Adern warm beim Namen
Des Helden Karl? dem Hammer, dem Martellus,
Dem Würger aller Frankenfeinde, ihm
Dem Blitze Gottes möcht ich gerne folgen.
Doch Abend ist's mit mir geworden und
Kein Sohn geht für mich in das schöne Feld,
Wo unsre Christenfahnen wehn, den Arm
Ins Sarazenenblut zu tauchen.
GOLO.
Dennoch,
Mein Vater (duldet diesen Namen gern,
Denn Ihr habt mich an Kindes Statt genommen),
Soll ich den Grafen nicht ins Feld begleiten,
Ihr beiden edlen Freunde wart dagegen.
SIEGFRIED.
Du bleibst zu Haus und bist des Hauses Stütze,
Hofmeister über mein Gesinde, Vogt
Des Schlosses, meines teuern Weibes Hüter.
Gern hätt ich dich in mein Gefolg genommen,
Gern, lieber Knab, dich bei mir streiten sehn;
Doch weil ich keinen kenne, dessen Treue,
Des Herz mir so von Herzen ist ergeben,
So hab ich dich gewählt, zurückzubleiben;
Dem Vaterland kannst du hier wenig nutzen,
Doch mir als Freund magst du hier alles sein:
Mein Schützer, mein Berater und mein Auge.
GOLO.
Die Seele wäre in der tiefsten Hölle,
Im letzten Abgrund ewiglich verdammt,
Die taub und fühllos für die große Liebe,
Die Ihr seit lang zu mir getragen, bliebe.
Ja gerne füg ich mich und bleib zurück,
Ich schirme Euch das allergrößte Glück,
An Worten arm, an Taten sollt Ihr kennen
Den treuen Knecht, und mich den treusten nennen.
Trompeten von außen.
SIEGFRIED.
Wir weilen im Gespräch, die Reiterei
Ist aufgesessen, alle Mannschaft schon
Im Zuge – nun in Gottes Namen denn.
GENOVEVA.
O Siegfried! – Golo, Wolf, laßt uns allein. –
Golo und Wolf ab.
SIEGFRIED.
Was willst du Genoveva? Wahrlich, nicht
Erkenn ich wieder, was du vordem warst.
GENOVEVA.
O mein Gemahl, seit wenig Monden erst,
Auf viele Monden mir zum Leid entrissen,
Ach! könntest du die Herzensqualen wissen,
Die meine junge Brust wie Dolche schneiden,
Du trügst Erbarmen mit den bittern Leiden.
SIEGFRIED.
Die Liebe fühl ich, doch ich muß nun fort.
GENOVEVA.
Du gehst, mein Licht, mein Trost, mein Leben, Hort?
O nimm mich mit dir in das blutge Feld,
Wer soll dein pflegen, deine Wunden heilen?
Wer kümmert sich um dich mit treuer Sorgfalt,
Wer achtet wohl auf deine leisen Wünsche?
Wer möchte deinen Schlummer doch bewachen,
Wenn nicht dein treues Weib zugegen ist?
SIEGFRIED.
Sprich nicht dergleichen Worte, Genoveva.
Sollt ich dem weibschen Römer gleich, ins Lager
Ein neuvermähltes Weib denn mit mir führen,
Daß alle alten Krieger auf mich deuten
Und spöttelnd sagen: seht, er könnt sein Herz
Nicht zwingen, mehr als Krieg gilt ihm die Frau:
Wie dürft ich doch Martellus' Antlitz schauen?
Nein, Genoveva, mach mich nicht erzürnen,
Und lern von mir wie man entbehren soll.
GENOVEVA.
O mögt Ihr mich nicht lebend wiederfinden,
Wenn nicht die treuste Liebe aus mir spricht,
Die Bitte gab kein weltlicher Gedanke,
Kein ungeziem'nder Wunsch auf meine Lippen.
Siegfried, die Welt ist einsam mir und öde,
Die Mauern schaun auf mich mit grimmgen Zügen,
Kaum seid Ihr fort, so tritt aus jedem Winkel
Ein Unhold auf mich zu, ich suche Schutz
Und finde keinen, keinen als in Euch.
Ihr dürft nicht bleiben, darum nehmt mich mit,
O ja, Ihr werdet, ja Ihr müßt es tun.
SIEGFRIED.
Schweig, Weib, es kann nicht sein, es soll nicht sein;
Darf ich ins Lager ein Gespötte bringen?
GENOVEVA.
Bist du so rauh, Gemahl, so wenig freundlich,
Dem schwachen, kranken Weibe? – Nun so höre,
Ich will die Zunge zwingen, es zu sagen:
Ich fühle mich seit wenig Wochen Mutter.
SIEGFRIED.
Daher kommt dir so Angst wie leere Furcht,
Ich freue mich und zieh mit doppelm Mut,
Und kehre froher heim, den Sohn zu finden,
Drum sei der Bitte Torheit dir verziehn,
Leb wohl! noch einen Kuß, und diesen noch.
Genoveva wird ohnmächtig.
O schwaches Weib! Ermuntre dich, sei mutig!
Wie, Genoveva?
GENOVEVA.
Lebe wohl! –
SIEGFRIED.
Leb wohl! –
Geht ab.
GENOVEVA.
Er geht, ich bin mit meinem Gram allein.
Das Heer draußen singt.
So streiten wir für Gott den Herrn,
Gehn in den Feind von Herzen gern,
Fleug uns voran, o teurer Christ,
Der du uns Heil und Retter bist.
Golo kömmt zurück.
GOLO.
Ihr habt wohl, Gräfin, den Gesang vernommen?
Sie ziehn mit frischem Herzen fröhlich fort,
Bald ist der Feind besiegt, sie kommen heim. –
Ihr sprecht nicht, und ich seh die stillen Tränen,
Die Ihr mir lieber noch verbergen möchtet.
Schaut um Euch, wie der Frühling aufgegangen,
Im jungen Laube neues Leben spielt,
Wie hold in ihrer Blut die Bäume prangen,
Im Zweig der Vogel sich vergnüglich fühlt,
Schon färben sich der Blumen zarte Wangen,
Die Winterfrost im dunkeln Hause hielt,
Allseitig fühlt die Welt ein muntres Regen
Und drängt sich süß dem Frühlingsglanz entgegen.
Von Bergen ab die silbern Bächlein kommen
Und tanzen in die grünen Täler munter,
Den Nachtigallen ist die Furcht benommen,
Sie singen laut den dunkeln Wald hinunter,
All süße Farben sind nun angeglommen,
Der Garten wird von tausend Blumen bunter,
Mit Strahlen ist die ganze Welt umzogen,
Um jede Blume spielt ein Regenbogen.
Genoveva geht ab.
GOLO.
Dem Troste ist die holde Brust verschlossen,
Doch ist es Pflicht, man läßt sie nicht allein,
Jetzt ist die Schwermut um sie ausgegossen,
Doch sucht sie bald den zarten Frühlingsschein,
Dann wird ihr tiefer Gram hinweggeflossen
Nur lieblich dämmernde Erinnrung sein.
Ich will ihr nach hinab zum Garten gehen,
Allein darf sie nicht sein mit ihren Wehen.
Geht ab.
Vor dem Schlosse.
Heinrich, Else.
ELSE. Die Gegend ist leer an Menschen, alles ist in den Krieg gezogen.
HEINRICH. Nun gibt es bald schöne Neuigkeiten von da und von dort, wie die Feinde geschlagen sind, wer von den Unsrigen im Treffen geblieben ist.
ELSE. Du bist immer munter, immer vergnügt.
HEINRICH. Wie sollt ich es anders? Wenn meine Schafe zur Ruhe gebracht sind, habe ich in der ganzen Welt nichts zu sorgen; auf dem Felde denk ich an dich und unsre Liebe, schnitze einen künstlichen Stock, oder dichte ein Lied für uns; ich weiß, daß du mich liebst, ich fühle, wie ich dir gut bin, was bleibt mir da noch zu sorgen übrig?
ELSE. Und du liebst mich recht von Herzen?
HEINRICH. Von Herzen und mit meiner ganzen Seele. Laß mich nur, ich spare jetzt, wo ich mag und kann, in einem Jahre kauf ich mich aus der Leibeigenschaft, dann hab ich meine eigene kleine Herde, dann bist du mein Weibchen und dann ist diese Erde mein Himmelreich.
ELSE. Ach Heinrich! ist denn das alles so gewiß?
HEINRICH. So gewiß mir deine Liebe ist, denn nichts anders kann uns trennen, als dein Wille. Was geht mir ab? Wär ich jetzt ein Freier gewesen, so hätte ich mit in den Krieg gemußt, und dann waren alle unsre Hoffnungen geendigt.
ELSE. Lebe wohl, lieber Knab, meine Mutter möchte uns gewahr werden.
HEINRICH. Leb wohl. –
Beide ab.
Fränkisches Lager.
Otho, Günther und zwei andre Hauptleute.
GÜNTHER. Was mag Karl denken, und im Sinne führen, daß er sein Heer ohne Schanzen, ohne Verteidigung hier dem Feind gegenüberlegt?
ERSTER HAUPTMANN. Eine Schlacht ist unvermeidlich, wenn er sich nicht tiefer ins Land zurückzieht.
ZWEITER HAUPTMANN. Eine Schlacht? Und bedenkt Ihr denn nicht, daß die Heiden zehnmal stärker sind, als wir?
OTHO. Wer fragt, wie stark sie sind? Wenn Karl es befiehlt, so schlagen wir; wenn er es uns heißt, so siegen oder sterben wir. Der Untertan muß nie die Plane seines Obern meistern.
ERSTER HAUPTMANN. Ei du böser und höchst verdrüßlicher Kriegsmann, sollen wir denn nicht einmal sprechen, wie es uns einfällt?
OTHO. Nein, denn ihr macht dadurch euch und andre weibisch. Was geht den Diener die Überlegung an? Er ist der Arm, sein Feldherr das Haupt: was dieser gebietet muß er verrichten, sein größter Stolz sei, diese Verrichtung gut auszuführen, dann ist er im Felde zu gebrauchen; wenn ihr aber klügelt und dahin und dorthin zweifelt, so seid ihr schon halb verloren.
GÜNTHER. Ei du wärst dem Bischof Bonifatius ein willkommener Schüler, solcher Leute bedarf er, um das geistliche Regiment einzurichten.
OTHO. Hütet euch, Freunde, anders als mit Ehrerbietung von dem großen Manne zu reden; ihr seid nicht gestellt, ihn zu begreifen oder zu tadeln, begnügt euer einfältiges Gemüt, ihn von Herzen hochzuhalten.
ERSTER HAUPTMANN. Der Feldherr!
OTHO. Der stattliche, herrliche Mann. O du edle Stütze des fränkischen Reichs! Seht, seine Miene ist voll Zorn, o laß es den Sarazenen entgelten, nicht den Christen.
Karl Martell kommt mit dem Gefolge.
KARL.
So weit sind wir in Frieden fortgezogen,
Nun stehn wir in des Feindes Angesicht,
Nicht länger gilt's zu zögern und zu harren,
Die meisten Herrn und Grafen sind zugegen,
Der edle Herzog Aquitaniens ist
Mit seinem frischen Heere angelangt.
OTHO.
Die Bundsgenossen alle sind zugegen,
Vasallen, Untertanen, keiner fehlt,
Nur Siegfried, Pfalzgraf in dem Trierlande,
Er zögert noch zu kommen.
KARL.
Siegfried ist
Ein treuer Mann, und hat das Aufgebot
Gewiß zuletzt erfahren, denn er wäre,
Zuerst entboten, auch zuerst zugegen.
Der Herzog von Aquitanien kommt.
HERZOG.
Nun großer Martell, beim allmächtgen Gott,
Ich dürste recht zur Seite dir zu kämpfen!
Was warten wir noch länger, warum ruhn
Die Schwerter noch in ihren Scheiden, daß
Die Felder nicht, die Berge von dem Hall
Geschlagner Waffen, Schilderklang ertönen?
KARL.
Bezähm den Mut, o dreimal edler Jüngling,
Verzeih, daß ich mit diesem Namen grüße,
In deiner Jugend seh ich Heldentaten,
Zum Ruhm der Christenheit, zur Glorie
Der heiligen Religion, in zarten Knospen
Noch schlummern, die Gelegenheit, die Stunde
Sehnsüchtig heiß erwarten aufzubrechen,
Damit die Welt dem neuen Glanz erstaune.
HERZOG.
Lenk meinen Arm und den ergebnen Sinn,
Mein Geist ist deinem Geiste untertan,
Lehr mich das große Kriegeshandwerk, Held,
Der zu den Waffen nur geboren ward,
Die fabelhafte Zeit, die vorgen Helden
Von Rom und Griechenland, Theoderich
Samt Alarich, selbst Attila zu verdunkeln.
Dir streb ich nach mit allen meinen Kräften,
Zwar überzeugt, dich niemals zu erreichen,
Doch schon zufrieden, wenn du nur zuweilen
Mir Beifall winkst auf meinem rauhen Wege.
KARL.
Beschämt mich nicht mit diesen Schmeichelein,
Gebt mir die Hand, mein edler Herzog, seid
Für Gott und Christum in dem Streite wacker,
Und Gott und Christus krönen Euch mit Ruhm.
HERZOG.
O Ruhm, du Palme der erhabnen Geister,
Du schönster Thron, aus lauter Glanz erbaut,
Sei du mein Preis am heißesten der Tage,
So will ich wie der allerkühnste Falke
Mit jugendlichen Schwingen zu dir schießen,
Und noch Gefahr, noch Tod soll mich erschrecken.
OTHO.
Mein Feldherr, von dem Sarazenenheere
Sind jetzt Gesandte allhier angelangt,
Sie bitten, daß du sie doch hören magst
Und ihnen Sicherheit gewähren.
KARL.
Laßt
Sie kommen, sicher sind sie durch den Stand,
Durch heilges Recht, das selbst die Heiden ehren,
Vielmehr denn wir, die wir uns Christen nennen.
Derar und Ali treten mit Gefolge auf, Diener bereiten für Karl einen Sessel, die Ritter und der Herzog stellen sich ihm zur Seite.
KARL.
Nun redet Männer, was zu sagen not tut.
DERAR.
Beim Allah, der auf uns herniederschaut,
Bist du der Mann, auf den der fränksche Thron,
Der lang erschütterte, die Hoffnung setzt?
Bist du es, den sie ihren Helden nennen,
Mit dessen Namen sie den Feinden drohn?
KARL.
Ich bin der Karl, den unser König sandte,
Der Ungebühr, von euch erzeugt, zu steuren;
Den Freunden wird es wohl, wenn sie mich anschaun,
Doch seid ihr Feinde, sollt ihr diesen Arm,
Mein gutes Schwert empfinden: aber wart
Ihr nur gesandt, die Frage zu verhören?
DERAR.
Abdorrhaman hat uns hiehergesendet,
Der für die Lehre des Propheten streitet,
Er läßt dir seinen Gruß entbietend sagen:
Was willst du doch der Armen nicht verschonen,
Die dir aus weit entlegnen Landen folgten?
Glaubst du, es werde einer deiner Schar
Entrinnen, und den Tod der andern künden?
O laß die Torenhoffnung fahren, sieh
Die tausend halben Monde, die Paniere,
Die hunderttausend und noch hunderttausend!
Ihr denkt doch nicht zur Heimat umzukehren,
Ihr wähnt doch nicht das Schlachtfeld zu behaupten?
Wie Sternenmacht unzählbar unser Heer,
Gestärkt, ermutigt durch den hohen Glauben
An Mahom, hochbeseligt durch Verheißung –
Wie wird es doch das kleine zage Häuflein
Umzingeln und erdrücken, das nur kam
Die Rüstung uns zur Beute herzuschleppen,
Zu unserm Prunk die buntgestickten Fahnen,
Zur Sklaverei die nicht ermord'ten Ritter
Und Grafen und dich Übermütgen selbst.
HERZOG.
Bei Gott, du feiger Mohr, dafür will ich
Dir Bart samt Haupt vom schnöden Rumpfe reißen.
KARL.
O laß ihn sprechen, stehn wir alle doch
In jenes Hand, der alles sieht und lenkt.
DERAR.
Drum läßt Abdorrhaman dir dies entbieten:
Da er, dein Freund und aller Christen Freund,
Gern ihres Lebens, ihres Blutes schont,
So magst du dich mit deinem Haufen retten,
Er fordert nur die Waffen eurer Scharen,
Und daß eu'r keiner gegen ihn sich stellt
In diesem Jahr, damit er ungehindert
Durch Frankreichs Ebnen ziehen mag und frei
Den Lauf der Flüsse und das Land besuchen:
Er ist von Gott zum Herrscher auserkoren,
Ihr aber seid zu Dienern ihm geboren.
KARL aufstehend.
Bei Gott, ich mag nicht gern mit Hochmut sprechen,
Auch ziemt sich Stolz für keinen Christen nicht,
Doch muß ich mich am Übermütgen rächen,
Das schwör ich hier bei diesem Sonnenlicht!
Nicht soll die künftge Nacht zur Erden steigen,
Ich habe ihn dann unter mich gebracht,
Noch morgen soll sich die Erklärung zeigen,
Ob größer Mahoms oder Christus' Macht.
Ungläubge Hund an allen Sinnen blöde,
Der Christenheit zur Strafe hergesandt,
Als Geißel scharf, für ihre Sünden schnöde,
Und drum besiegtet ihr Hispanias Land.
Doch haben wir uns all zu Gott gekehrt
Und keine Heidenmacht kann uns bezwingen;
Wir sind mit seinem heilgen Wort bewährt,
In seinem Namen muß es uns gelingen.
Ihr Bettler aus Arabiens Wüstenein,
Die nackt gelegen dort im heißen Sand,
Die nie gesehn des Goldes Glanz und Schein,
Die weder Acker, Pflug noch Brot gekannt,
Bis euch empört ein hochverfluchtes Haupt,
Und euch gestellt in die verruchten Rotten,
Daß ihr die teure Christenheit beraubt,
Es wagt, den dreimaleinigen Gott zu spotten;
Euch Tigertieren will ich dies verkünden,
Ihr sterbt auf diesem ebnen Schlachtgefilde,
Oder niemals will ich ferner Gnade finden
Vorm allerteuersten Marienbilde.
Jetzt schweigt, ich will nicht weiter Antwort hören,
Kein Wort, bei Himmelsmacht will ich es schwören,
Ich achte nicht, daß ihr hiehergesandt,
Und morde euch mit meiner eignen Hand.
HERZOG.
Jetzt eilt zurück, verkündigt unser Zürnen
Und fleht vergeblich heut zu den Gestirnen.
OTHO.
Ihr seid gesandt, das schützt euch, lieben Brüder,
Doch morgen sehn wir uns im Felde wieder.
Otho mit den Gesandten ab.
KARL.
Rück bald herauf, du wichtger großer Tag
Und schlinge schnell die kurze Nacht hinweg,
Mir brennt zum Kampf so Herz wie Eingeweide. –
Welch frohes Spiel von Zimbeln und Trompeten,
Welch Freudejauchzen tönt durch unser Lager?
Otho kommt zurück.
OTHO.
Graf Siegfried ist soeben angelangt.
KARL.
Ich dacht es wohl, daß er nicht fehlen würde.
Siegfried tritt auf.
SIEGFRIED.
Da bin ich, edler Fürst, auf dein Gebot,
Doch kam dein Ruf nur spät in unser Schloß;
Gleich macht ich mich zum heilgen Kriege auf.
KARL.
Und geht es allen wohl bei dir daheim?
SIEGFRIED.
Gottlob, ich habe alle wohl verlassen.
Mein junges Weib wollt zwar ein wenig bangen,
Doch hat sie auch sich endlich finden müssen.
KARL.
Du bist vermählt?
SIEGFRIED.
Erst seit drei Monden, Herr.
KARL.
So wünsch ich unsern Feldzug schnell geendigt,
Damit du bald zur Heimat kehren mögst.
SIEGFRIED.
Ich hab 'nen treuen Dienstmann heim gelassen,
Der mir mein Schloß und teures Weib beschirmt.
KARL.
Lebt euer Bischof noch, Hidulf der Weise?
SIEGFRIED.
Er hat Euch seinen Segen mitgeschickt.
KARL.
Ich danke ihm! seid nochmals mir willkommen;
Ich denk, wir gehn schon morgen an das Werk,
Drum rüstet Euch, mein edler, tapfrer Graf,
Ich will noch einmal jetzt das Lager mustern.
Ab mit dem Herzoge und Gefolge.
SIEGFRIED.
Schon morgen? Nun, je früher desto besser,
Je eh'r vollbracht, die Freude desto größer.
OTHO.
Könnt Ihr Euch meiner, teurer Freund, erinnern?
SIEGFRIED.
Ihr seid ja Otho wohl, mein Waffenbruder?
OTHO.
Derselbe.
SIEGFRIED.
Nun so laßt Euch froh umarmen.
Ei wie man unvermutet Freunde trifft!
Kommt mit zu meinem Zelt, wir wollen trinken,
Als Freunde uns beim Becher Willkomm sagen!
Gehn ab.
Siegfrieds Schloß.
Golo, Benno.
GOLO. Wo ist die Gräfin?
BENNO. In ihrem Zimmer, mit dem alten Kaplan in einer Andachtsübung.
GOLO. Die edle Frau! Immer denkt sie nur an ihren fernen Gatten; wollte Gott, wir könnten etwas ersinnen, ihren Gram zu zerstreuen.
BENNO. Wenn Ihr sie nicht fröhlich machen könnt, so ist es der ganzen Welt unmöglich.
GOLO. Wie meinst du das?
BENNO. Je nun, ich meine, daß Euer lustiger vergnügter Umgang, Euer helles Auge, Euer wackres Ansehn dem traurigsten Menschen das Herz erfrischen müssen. Wenn Ihr so dreinschaut und lacht einem entgegen, so fühlt jedermann einen frischen Mut in seiner Brust.
GOLO. Du schilderst mich wie einen leichtsinnigen Toren.
BENNO. Bewahre, gnädiger Herr, ich kann die Worte freilich nicht so recht setzen –
GOLO. Nimm! ich weiß, du trinkst gern; – wo ist der Hausmeister Drago?
BENNO. Er sitzt mit dem Wendelin drinne ob einem heilgen Buche, ich weiß aber nicht, wovon es handelt. – Gehabt Euch wohl, ich will einen Krug Wein auf Eure Gesundheit leeren. Geht ab.
GOLO.
Was willst du hier? Weiß ich doch wahrlich nicht
Weswegen ich hiehergekommen bin;
Wie unsichtbare Mächte hält es mich
Umstrickt und lenkt die Schritte, wenn ich träume
Hieher, und wie ein Nachtwandler erwach ich
Und finde mich, wo ich am mindsten dachte.
Was soll es denn, daß ich mich nicht beherrsche?
Ich fühl's, das leichte Leben nimmt den Abschied,
Es schleicht das Blut in meinen Adern, nimmer
Will Wein mir schmecken; keine Fröhlichkeit,
Gesellschaft, nichts will mich fortan erquicken;
Mein schönes Roß ist mir zuwider, alles,
Was sonst mir auf den andern Tag so Freude
Wie Lust versprach, ist mir dahingeschwunden.
Zu träge bin ich Waffenwerk zu treiben,
Zu trübe, Lieder zu dichten und zu singen,
Nicht Weis und Reim will mir wie sonst gelingen.
Es muß sich ändern! soll in jungen Tagen
Mein Leben mir so ungenossen schwinden?
Ich möchte mich mit eignen Fäusten schlagen;
Die alte Kraft, sie soll sich wiederfinden!
Ich will, du goldner Wein, zu dir mich flüchten,
Ich muß die alten Liebesreime singen,
Ich will in frischer Jugend wieder dichten,