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Meinen Kindern Merle und Moritz gewidmet.

Impressum
Copyright © 2011 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek
Gestaltung und Satz: Ravenstein + Partner, Verden
Lektorat der Originalausgabe: Maren Müller

Coverfoto: Dr. Richard Maurer
Fotos im Innenteil: Neddens-Tierfoto, sofern nicht anders angegeben
Zeichnungen: Maria Mähler, sofern nicht anders angegeben

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6241-2

Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Die Autorin und der Verleger haften nicht für eventuelle Schäden an Mensch und Pferd, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen.

Inhalt

Zum Geleit

Vorbemerkung: Wie ich Osteopathin wurde

Allgemeiner Teil: Theoretische Grundlagen

Kurzporträt: Was ist Osteopathie?

Historie

Die osteopathischen Grundregeln

Ein Ausflug in die Anatomie des Pferdes

Skelett und Bandapparat

Gelenke

Muskulatur

         Aufbau eines Muskels

         Wie ein Muskel arbeitet

Faszien

Nerven

Innere Organe

Biomechanik: Was sich wie bewegt

Was bewegt? Die Muskulatur

Was wird bewegt? Die Gelenke

         Gelenke der Gliedmaßen

         Gelenke der Wirbelsäule

         Gelenke des Schädels, PAM

Was sind Blockaden und wie entstehen sie?

Wie arbeitet ein Osteopath?

Beweglichkeitstests

Korrektur der Blockaden

         Techniken

         Nachbehandlung und Arbeitsanweisung an den Reiter

Spezieller Teil: Das Pferd im Einzelnen betrachtet

Kopf und Genick

Zungenbein und Kiefergelenk

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Genick

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Der Hals

Dritter bis sechster Halswirbel

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Die besondere Rolle des siebten Halswirbels

Schultergürtel und Vorderbein

Vom Schulterblattknorpel bis zum Ellbogen

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Vom Unterarm bis zum Huf

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Die Brustwirbelsäule

Der Widerrist

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Die Sattellage

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Der Brustkorb

         Anatomie

         Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Passt der Sattel?

Die Lendenwirbelsäule

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Die Bauchmuskeln und die Leiste

Kreuzbein und Becken

Das Kreuzbein

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Das Becken

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Die Hinterhand

Hüftgelenk, Oberschenkelbereich und Knie

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

         Tests und Übungen

Unterschenkel, Sprunggelenk und Zehe

         Anatomie und Biomechanik

         Typische Blockaden und ihre Auswirkungen

Schlussbetrachtung

Anhang

Dankeschön

Literaturverzeichnis

Zum Geleit

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Wir kennen Dr. Sabine Sachs, seit sie 1996 aus dem Norden nach Hessen zog und hier ihre Pferdepraxis eröffnete. Erschien uns ihre Entscheidung, zusätzlich eine Ausbildung zur Pferdeosteopathin zu absolvieren, zunächst als mutig, so zeigte sich doch sehr schnell, dass sie damit richtig lag. Ihre ganzheitliche Betrachtungsweise versetzt sie in die Lage, fast alle Probleme von Pferd und Reiter lösen oder zumindest erklären zu können. Sie kann damit vielen Pferden helfen, sich wohler zu fühlen und gesund zu werden oder zu bleiben. Wir schätzen ihr Fachwissen und ihre souveräne Art, den Dingen auf den Grund zu gehen (selbst spätabends am Telefon!).

Viele unserer eigenen Dressurpferde sowie Pferde unserer Kunden werden von ihr als Osteopathin präventiv betreut oder bei Bedarf behandelt. Damit hat sie einen großen Anteil an der Leistungsbereitschaft und Arbeitsfreude und nicht zuletzt an den Erfolgen dieser vierbeinigen Sportler. Für diese professionelle Arbeit möchten wir uns gern bedanken.

Langen, Kronenhof, im Januar 2011

Katja Lange, Pferdewirtschaftsmeisterin

Stefan Lange, Pferdewirtschaftsmeister, Delegierter der hessischen Berufsreiter

Als ich in den Achtziger- und Neunzigerjahren mehrere längere Aufenthalte als Bereiter und Trainer in den USA hatte, lernte ich dort die Osteopathie kennen. Es überraschte mich, dass die großen Springställe schon damals sehr eng mit Osteopathen zusammenarbeiteten und nach großen Turnieren die vorsorgliche osteopathische Behandlung der Pferde üblich war. So konnte oft durch die Beseitigung kleiner Blockaden größeren Problemen vorgebeugt werden.

Mittlerweile gehört es auch bei uns in Deutschland zum guten „Horsemanagement“, dass neben der unverzichtbaren Schulmedizin die Osteopathie und andere alternative Heilmethoden in die optimale medizinische Versorgung der Pferde mit einbezogen werden.

In über 40 Jahren Arbeit als Trainer und Ausbilder habe ich reichlich positive Erfahrungen mit der Osteopathie gesammelt, auch bei schulmedizinisch austherapierten Pferden. Seit 2004 befindet sich mein Hauptstützpunkt in Frankfurt, wo ich zu meiner größten Zufriedenheit mit Dr. Sabine Sachs zusammenarbeite.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leser, dass Sie durch dieses Buch ein tieferes Verständnis für die Möglichkeiten der Osteopathie erlangen – zum Wohle Ihrer vierbeinigen Sportkameraden.

Frankfurt, im Januar 2011

Karl-Josef Münz, Hessischer Landestrainer für Springreiter, Goldenes Reitabzeichen

Vorbemerkung: Wie ich Osteopathin wurde

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Im Winter 1996/97 stürzte mein junges Pferd beim Toben in der Halle nach einem spektakulären Bocksprung, stand wieder auf und war lahm.

Die Lahmheit verschwand nach meiner Behandlung, das Pferd blieb aber irgendwie schief und machte sich beim Reiten fest, was vorher nie der Fall gewesen war. Auch zwei Monate Auszeit auf der Koppel änderten daran nichts. Keiner meiner Nachbarkollegen wusste Rat und auch Massagen halfen nicht wirklich.

Im Sommer 1998 las ich in einer Pferdezeitschrift von dem neu gegründeten Deutschen Institut für Pferdeosteopathie (DIPO) in Dülmen. Es war eine Reportage über die Zwischenprüfung des ersten Kurses und über den Dozenten Pascal Evrard und seine Art, Pferde zu behandeln. Dabei ging es um ein Pferd mit einer schulmedizinisch austherapierten Lahmheit. Pascal fand und löste diverse Blockaden und am Ende der Behandlung lief das Pferd schon besser. Am Ende des Artikels lief ich auch – und zwar zum Telefon. Es war eine reine Bauchentscheidung, DAS wollte ich lernen! Vielleicht war es das, was ich schon so lange wissen wollte. Ich ergatterte den letzten freien Platz im zweiten Kurs der Schule und wenige Wochen später ging es los.

Am ersten Kurswochenende „warnte“ Pascal uns, die Osteopathie würde unser Leben verändern. Und das hat sie! Nicht nur, dass sie inzwischen beinahe 90 Prozent meiner täglichen Arbeit ausmacht, sie hat alle meine Sinne geschärft und verfeinert, und zwar in einem Ausmaß, wie ich es kaum für möglich gehalten hätte.

Ich habe Pascal Evrard, der leider viel zu früh durch einen Autounfall verstarb, und seinem Freund und Weggefährten Janek Vluggen sehr viel zu verdanken. Janek lehrt und arbeitet in den Niederlanden und USA (www.vluggeninstitute.com) und steht einer kleinen Gruppe von Pascal-Schülern gelegentlich für exklusive Fortbildungen zur Verfügung.

Mittlerweile arbeite ich in meiner Pferdepraxis im elften Jahr neben der Schulmedizin mit Osteopathie und behandle so etwa 2500 bis 3000 Pferde jährlich. Anfangs waren es überwiegend Freizeitpferde, oft solche, die seit Jahren nicht in Ordnung und medizinisch austherapiert waren. Inzwischen gehören viele Sport- und Berufsreiter zu meinen Kunden und ich bekomme die Pferde meist schon früh vorgestellt, erheblich früher, als ich sie als Tierärztin allein sehen würde. Oft kann ich helfen, bevor eine Lahmheit auftritt. Viele Turnierpferde werden mir regelmäßig gezeigt, damit aus einer kleinen Blockade gar nicht erst ein Rittigkeitsproblem oder eine Lahmheit wird. Dadurch trage ich dazu bei, dass diese Pferde lange Zeit gesund und schmerzfrei Leistung bringen können; eine sehr befriedigende Erkenntnis.

Allerdings bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig Reiter aller Sparten und Ausbildungsstände über die Anatomie ihres Sport- und Freizeitpartners und über biomechanische Zusammenhänge wissen!

Mit diesem Buch möchte ich dazu beitragen, Missverständnisse zwischen Reiter und Pferd zu vermeiden, das gegenseitige Zuhören zu verbessern und damit feines, harmonisches Reiten zu ermöglichen.

Mein Ziel ist es also, dass der Reiter, wenn „der Bock nicht linksrum läuft“, zum Telefon anstatt zur Gerte greift!

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Allgemeiner Teil: Theoretische Grundlagen

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Kurzporträt: Was ist Osteopathie?

Die Osteopathie ist keine medizinische Heilmethode, sondern eine Ergänzung zur Schulmedizin. Sie ist eine Form der manuellen Therapie, das heißt, das einzige Instrumentarium ist die menschliche Hand, lediglich stellenweise verfeinert durch auf Reflexpunkte gesetzte angespitzte Holzstäbchen.

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Solche Stäbchen aus Holz oder Edelstahl werden als verfeinerte Fingerspitzen auf Reflexpunkte gesetzt.

Wenn durch osteopathische Behandlung Blockaden aufgespürt und gelöst und die Beweglichkeit aller Strukturen im Körper wiederhergestellt werden, gibt dies dem Pferd Balance und Gleichgewicht zurück und ermöglicht harmonische, schwungvolle Bewegungen und volle Leistungsfähigkeit. Selbst Anomalien wie Stellungsfehler, Narben und ausgeheilte Verletzungen stören weniger oder gar nicht, wenn sie beweglich sind.

Die Osteopathie betrachtet immer den Körper als Ganzes, da alle Strukturen miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Fundierte Kenntnisse in Anatomie, Biomechanik und Medizin sind unabdingbare Grundlagen für osteopathisch tätige Therapeuten.

Poetisch ausgedrückt ist Osteopathie die Kunst, mit den Händen zu hören, zu fragen und zu antworten.

Historie

1874 erfand der amerikanische Arzt Dr. Andrew Taylor Still (1828–1917) die Osteopathie für den Menschen, nachdem er den Zusammenhang zwischen Beweglichkeitsverlust und Krankheit beziehungsweise Wiederherstellung der Mobilität des Skeletts und Heilung entdeckte. Der Begriff „Osteopathie“ ist eigentlich irreführend, da er übersetzt „Krankheit der Knochen“ bedeutet.

1939 entwickelte ein weiterer amerikanischer Arzt, Dr. William Garner Sutherland (1873–1954), die Craniosacral-Therapie, als er die Beweglichkeit der Schädelknochen und das „Schwappen“ der Hirnflüssigkeit in einem von Puls und Atmung unabhängigen Rhythmus (PAM, primärer Atemmechanismus) entdeckt hatte.

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Craniosacral-Therapie entspannt und wird von den meisten Pferden genossen.

1970 übertrug der französische Tierarzt Dominique Giniaux (1944–2004) die Humanosteopathie auf das Pferd.

1983 entwickelte John Edwin Upledger (*1932) das craniosacrale System für den ganzen Körper und 1985 stellte Jean-Pierre Barral (*1944) die viszerale Therapie vor. An der Übertragung dieser Techniken auf das Pferd sowie ihrer Weiterentwicklung arbeitet Janek Vluggen mit großer Energie.

Die Osteopathie ist also eine vergleichsweise junge Therapieform, die noch ständig verfeinert und weiterentwickelt wird.

Die osteopathischen Grundregeln

1. Die Abhängigkeit von Struktur und Funktion

Der Zustand einer Struktur ist entscheidend für ihre Funktion. Ein schief ausgeschnittener Huf führt zu statischen Veränderungen im ganzen Bein. Umgekehrt bestimmt die Funktion die Struktur. Ein korrekt gerittenes Pferd ist überall gut bemuskelt, ein schlecht gerittenes sieht auch entsprechend aus.

2. Die arterielle Regel

Nur wenn ein freier Blut- und Lymphfluss gewährleistet ist, kann der Stoffwechsel einer Struktur ihre biologische Funktion ermöglichen.

3. Die Einheit des Körpers

Die verschiedenen Körperteile bilden ein Ganzes, alle Strukturen und Funktionen sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Eine Lahmheit hinten links kann sich auf vorn rechts auswirken, Blockaden im Genick führen zu einer Beweglichkeitseinschränkung der Hinterhand, eine verminderte Zwerchfellbeweglichkeit bremst den Leberstoffwechsel und so weiter.

4. Die Selbstheilung des Körpers

Der Körper ist darauf ausgerichtet, ein bestmögliches Gleichgewicht zu halten. Dazu tragen ein funktionierender Stoffwechsel und ein intakter Blutkreislauf entscheidend bei. Tritt ein Trauma oder ein Infekt ein, reagiert der Körper mit all seinen Kräften, um das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen. Das gelingt aber nicht immer, es bleiben chronische Erkrankungen oder Narben zurück. Diese sind als Beweglichkeitsverluste tastbar. Wird die Mobilität der betroffenen Strukturen wiederhergestellt, kann der Körper erstaunliche Selbstheilungskräfte freisetzen. Auch wenn solche Strukturen ihre frühere „Jungfräulichkeit“ nicht wiedererlangen, so ist ihre Funktion nach einer osteopathischen Behandlung meistens so weit verbessert, dass Schmerzfreiheit möglich ist. Der Osteopath ermöglicht also dem Organismus, sich selbst zu regulieren.

Ein Ausflug in die Anatomie des Pferdes

Für das Verständnis der Erklärungen im speziellen Teil dieses Buches sind anatomische Grundkenntnisse erforderlich. Die wichtigsten Fakten sollen hier kurz zusammengefasst werden.

Skelett und Bandapparat

Das knöcherne Skelett bildet das stabilisierende Gerüst des Körpers. Es schützt innere Organe, dient als Mineralstoffspeicher und im Knochenmark werden rote und weiße Blutzellen gebildet. Wo immer zwei Knochen aufeinandertreffen, befindet sich ein Gelenk, das Bewegung ermöglicht.

Im ersten Lebensjahr des Pferdes ist das Knochenwachstum am stärksten, mit dem sechsten Lebensjahr ist es weitgehend abgeschlossen. Die Form der Knochen ist sehr unterschiedlich: Der Schädel ist aus vielen kleinen, überwiegend platten Knochen zusammengesetzt. An den Gliedmaßen befinden sich zum Teil sehr lange Röhrenknochen, die einen markgefüllten Schaft und an jedem Ende ein Gelenk haben. An manchen Gelenken finden wir zusätzlich kleine Knochen als Sehnenrollkörper oder Sehnenansätze, sogenannte Sesambeine.

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Grundkenntnisse der Pferdeanatomie sind auch für Reiter wichtig. Zumindest einige der hier gut sichtbaren Muskeln sollte man kennen. (Foto: Fotolia.de/ogolne)

Die Wirbel schließlich sind mehr oder weniger würfelförmige Gebilde mit diversen Fortsätzen daran. Die nach oben gerichteten Dornfortsätze sowie die seitlich angesetzten Querfortsätze bieten Ansatzstellen für Muskulatur. Die Wirbel des Kreuzbeins sind zu einem einzigen, dadurch sehr stabilen Knochen zusammengewachsen.

Das (Längen-)Wachstum der Knochen findet in bestimmten Bereichen statt, den Wachstumsfugen. Diese schließen sich im Alter zwischen drei und fünf Jahren. Beim jungen Pferd reagieren sie empfindlich auf Belastung, können sich entzünden, bei Unfällen auch abreißen.

Knochen sind lebende Strukturen und unterliegen ständigen Umbauprozessen. Das ausgewachsene Pferd kommt zwar mit dem Mineralstoffgehalt gängiger Fertigfuttermittel aus, kann aber bei mangelnder Bewegung (oder zehrender Krankheit) Knochensubstanz auch wieder abbauen. Die Mineralisierung ist also nicht nur von der Nährstoffzufuhr abhängig, sondern auch von der Bewegung. Das heißt für das Reitpferd, dass regelmäßiges Training auf verschiedenen Böden der Gesunderhaltung des Skeletts dient.

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Der Oberarmknochen eines Pferdes. Er gliedert sich in den Schaft und die beiden Gelenkenden. (Foto: Thomas Sachs)

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Der sechste Halswirbel eines Pferdes. Die Halswirbel haben noch keine Dornfortsätze, aber diverse Querfortsätze. (Foto: Thomas Sachs)

Das Gleiche gilt für den Bandapparat. Überall da, wo im Körper starke, minimal elastische Haltefunktionen gefragt sind, gibt es Bänder, also an allen Gelenken und an den inneren Organen. Wobei die Stärke der Bänder vorteilhaft, die minimale Elastizität jedoch eher nachteilig ist. Werden diese Bänder stärker beansprucht, als ihre Fasern erlauben, kommt es zur Dehnung oder gar zum Riss. Da Bänder kaum durchblutet sind, heilen sie nach Verletzungen schlecht.

Aber genau wie Knochen sind Bänder keine starren Strukturen, sondern trainierbar. Viel Bewegung auf unterschiedlichen Böden verbessert die minimale Elastizität und stärkt das ganze Band. Umgekehrt lassen schon vier Wochen Boxenruhe Bänder, und übrigens auch Sehnen, im Querschnitt deutlich abnehmen.

Gelenke

In Gelenken treffen zwei oder mehr Knochen aufeinander. Je nach Form und Funktion werden straffe, Scharnier- und Kugelgelenke unterschieden. Das Bewegungsausmaß eines Gelenks wird von der Form der Gelenkfläche, dem zugehörigen Bandapparat und den ansetzenden Muskeln bestimmt. Narbig ausgeheilte Verletzungen und Arthrosen schränken die Beweglichkeit eines Gelenks ebenfalls ein.

Es gibt straffe Gelenke, die von Bindegewebe oder kurzen starken Bändern zusammengehalten werden und kaum oder keinen Knorpel, keine Gelenkhöhle und wenig Beweglichkeit haben. Diese Gelenke finden sich zum Beispiel zwischen den Schädelknochen und am Becken.

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Schematische Darstellung eines synovialen Gelenks.

Synoviale Gelenke an der Wirbelsäule und an den Gliedmaßen haben als Scharnier- oder Kugelgelenke eine deutlich größere Beweglichkeit. Die Gelenkflächen der Knochen sind hier zur Stoßdämpfung mit Knorpel überzogen. Diese glatte, harte und gleichzeitig elastische Schicht besitzt keine Nerven und Blutgefäße. Das bedeutet, dass reine Knorpelverletzungen nicht schmerzhaft sind und sehr langsam heilen. Ein stecknadelkopfgroßer Defekt braucht mehrere Monate, um sich zu schließen!

In Ermangelung von Blutgefäßen ist die Ernährung des Knorpels abhängig von der Bewegung des Gelenks. Dabei wird ernährende Gelenkschmiere (Synovia) in den Knorpel gepumpt. Diese reibungsmindernde, wasserreiche Gelenkflüssigkeit wird im Inneren der Gelenkkapsel gebildet, ist aber nur in ausreichender Menge vorhanden, wenn das Pferd sich permanent bewegt. Frisch aus der Box ist der Wassergehalt der Synovia zu gering, um das Gelenk ausreichend zu schmieren. Zehn Minuten Schrittreiten am Anfang der Arbeit sind daher ein Muss!

Die Gelenkkapsel umschließt das ganze Gelenk und ist in ihrer äußeren Schicht stark bindegewebig durchsetzt, sodass Bänder, Sehnen und Muskeln daran ansetzen können.

Muskulatur

Man unterscheidet grundsätzlich glatte und quer gestreifte Muskulatur. Von der glatten Muskulatur der Eingeweide sowie dem Herzmuskel, die jeweils unwillkürliche, also nicht willentlich steuerbare Muskeln sind, soll hier nicht die Rede sein. Wir widmen uns der quer gestreiften Skelettmuskulatur, die für die Bewegungen zuständig ist. Sie ist grundsätzlich willkürlich steuerbar, wird aber auch von Reflexen aus dem Rückenmark beherrscht, was für die Entstehung und das Fortbestehen von Blockaden von Bedeutung ist.

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Bestandteile eines Muskels.

Aufbau eines Muskels

Jeder Muskel besteht aus Ursprung, Bauch und Ansatz. Form und Größe können dabei sehr unterschiedlich sein. Ursprung und Ansatz sind mit Sehnenfasern am Knochen angewachsen. Die Sehne zwischen Muskelbauch und Ansatz kann sehr lang sein. Ein Beispiel sind die Beugesehnen des Pferdes, die Endsehnen der Beugemuskeln am Unterarm sind.

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Aufbau einer Muskelfaser.

Muskeln sind sehr elastisch und können ihre Länge durch Zusammenziehen (Kontraktion) und Entspannen (Relaxation) erheblich verändern. Der dabei entstehende Zug über die wenig elastischen Sehnen an den Knochen ermöglicht Bewegung.

Der Muskelbauch besteht aus vielen parallel angeordneten Muskelfaserbündeln, die wiederum aus einzelnen Muskelfasern zusammengesetzt sind. Jede Muskelfaser enthält zahlreiche Fibrillen, die aus Myofilamenten, den Eiweißstoffen Actin und Myosin, bestehen. Sie sind hintereinander angeordnet und für die Querstreifung der Muskulatur verantwortlich.