

1. Auflage 2014
Alle Rechte vorbehalten
© 2014 W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-021209-1
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-025964-5
epub: ISBN 978-3-17-025965-2
mobi: ISBN 978-3-17-025966-9
Das Buch wendet sich an Studierende, die sich für Berufe in pädagogischen Institutionen qualifizieren, wie auch an pädagogische Fachkräfte in der Praxis. Der Bereich der Beobachtung spielt in pädagogischen Einrichtungen eine zunehmend wichtige Rolle. Dabei geht es zum einen um die Beobachtung von Kindern, aber auch im Rahmen von Personal- und Qualitätsmanagement wird – gerade in Bezug auf kommunikative und pädagogische Prozesse – Beobachtung als relevantes Verfahren der Erkenntnisgewinnung genutzt.
Professionelle Beobachtung unterscheidet sich dabei deutlich von Alltagsbeobachtung. Um fundierte Beobachtungsergebnisse pädagogischen wie auch organisationalen Entscheidungen zugrunde legen zu können, sind ein spezifisches Professionswissen wie auch praktische Beobachtungskompetenzen erforderlich. Aus diesem Grund sind in diesem Buch nicht nur Beobachtungsverfahren aufgeführt, die angesichts der Fülle von Instrumenten insbesondere im Bereich der kindbezogenen Beobachtung sowieso eher exemplarischen Charakter haben, sondern es wird ausführlich auch auf methodische und wissenschaftliche Grundlagen zur Thematik eingegangen.
Im ersten Kapitel erfolgt die Begründung der Relevanz von Beobachtung im Kontext pädagogischer Institutionen, die durch unterschiedliche Entwicklungen in den letzten Jahren forciert wurde. Kapitel 2 geht dann auf die methodischen Grundlagen von Beobachtung ein. Es folgen Kapitel zu den Bereichen kindbezogene Beobachtung, Evaluation und Qualitätssicherung sowie Personalmanagement. In diesen Kapiteln werden zunächst die Beobachtungsfelder und -spezifika erläutert, danach kommen unterschiedliche Beobachtungsverfahren zur Darstellung. Da nicht für jede Fragestellung ein adäquates Beobachtungsverfahren existiert, geht es im sechsten Kapitel um das Vorgehen bei der Konstruktion von Beobachtungsverfahren.
Dieses Kapitel gibt einen Überblick darüber, welche Funktionen mit der professionellen Beobachtung in pädagogischen Einrichtungen verbunden sind. Dazu betrachten wir zunächst Bildungspläne, Vorgaben und aktuelle Entwicklungen, die Funktion und Bedeutung der Beobachtung in der pädagogischen Arbeit umreißen. Beobachtungen im pädagogischen Bereich werden aus verschiedenen Anlässen durchgeführt. Wegen der großen Bandbreite der Fragestellungen, die Beobachtungen verlangen, werden differenzierte methodische Ansprüche an die Personen gestellt, die eine Beobachtung planen, durchführen und auswerten. (Diese Personen werden im folgenden Text als Beobachter bzw. Beobachterin bezeichnet; die männliche und weibliche Form werden – wie auch bei anderen geschlechtsspezifischen Formulierungen – abwechselnd benutzt).
Einige Beispiele für Beobachtungsanlässe:
• Der Stand der Entwicklung in unterschiedlichen Kompetenzbereichen jedes einzelnen Kindes soll dokumentiert und den Eltern kommuniziert werden. Ein Projekt ist geplant. Welche Interessen haben die Kinder gerade, an denen das Projekt anschließen könnte?
• Das soziale Umfeld einer Kita hat sich stark verändert. Wie kann die Kita weiter entwickelt werden, welche Stärken und Schwächen hat sie?
• Ein Kind spricht wenig. Ist eine spezifische Förderung erforderlich?
• Der Träger einer Kita hat leistungsorientierte Bezahlung eingeführt. Die Leiterin der Einrichtung muss dazu eine objektive Bewertung der Mitarbeiter durchführen.
• In einer Kindertagesstätte wurde zusätzlich ein Krippenbereich eingerichtet. Es soll überprüft werden, an welchen Stellen die Pädagoginnen noch Bedarf an Personalentwicklungsmaßnahmen (z. B. in Form von Hospitationen, Qualifizierungsmaßnahmen, Teamcoaching) haben.
• Ein Bewerber kommt zwei Wochen in die Einrichtung, um zur Probe zu arbeiten. Soll er übernommen werden?
Beobachtung im pädagogischen Kontext, insbesondere die Beobachtung von Kindern, hat in pädagogischen Einrichtungen schon immer eine Rolle gespielt. In den letzten Jahren ist die Bedeutung gestiegen, die Hauptursachen dafür sind
• die verstärkte Akzentuierung der Bildungsfunktion von Kindertageseinrichtungen als Konsequenz des PISA-Schocks. Alle Bundesländer haben Bildungspläne erstellt, die unterschiedliche Bildungsbereiche beschreiben. Beobachtung und Dokumentation sind zentrale Elemente bei der Umsetzung des Bildungsauftrags;
• die Einführung des New Public Management in öffentlichen Institutionen, die mit einer größeren Eigenständigkeit wie auch Verantwortungsübernahme auf der Ebene der einzelnen Einrichtung verbunden ist. Das heißt unter anderem auch, dass Evaluation und Qualitätssicherung sowie Personalentwicklung an Bedeutung gewinnen. Auch hier geht es primär um die Beobachtung pädagogischer Prozesse, jedoch mit dem Fokus auf die Mitarbeiterinnen.
Die folgenden Abschnitte gehen deshalb auf die Themen Bildungsprogramme, Qualitätssicherung und Evaluation sowie Personalentwicklung in Hinblick auf das Erfordernis, systematische Beobachtungen durchzuführen, ein.
Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) definiert in §22(3) [Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) – Kinder und Jugendhilfe] die drei Funktionen Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindertageseinrichtungen: Ihr Auftrag bezieht sich somit nicht nur auf das Betreuen von Kindern, sondern ein Wandel hin zu Bildungseinrichtungen wurde vollzogen. Das Forum Bildung – ein Arbeitsstab der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung – hat unter Hinzuziehung von Expertengruppen zu Beginn des Jahrtausends zwölf Empfehlungen für Reformen im deutschen Bildungswesen publiziert. Die erste Empfehlung bezieht sich auf die Frühe Förderung. Die Autoren plädieren für einen Ausbau institutioneller Früher Förderung: »Weichen für Bildungschancen und damit für Lebenschancen werden bereits früh gestellt. Insbesondere die Motivation und die Fähigkeit zu kontinuierlichem und selbstgesteuertem Lernen sind früh zu wecken. Neben dem wichtigen Lernen in der Familie sind die Möglichkeiten der Kindertageseinrichtungen zur Unterstützung früher Bildungsprozesse deutlich besser zu nutzen« (Arbeitsstab Forum Bildung, 2001, S. 5).
Die Expertinnen empfehlen unter anderem eine intensivere Interessenförderung von Kindern (Naturwissenschaften, Technik, Fremdsprachen und musischkreativ), die Überprüfung der Möglichkeit des kostenlosen Besuchs von Kindertageseinrichtungen sowie die Definition und Umsetzung des Bildungsauftrags von Kindertageseinrichtungen. Verbunden mit der Realisierung des Bildungsauftrags sind neben der Definition von Bildungszielen auch die Reform und Aufwertung der Aus- und Weiterbildung des pädagogischen Personals und verstärkte Forschungsaktivitäten in der Frühpädagogik.
Die verpflichtende Erstellung von Bildungsplänen wurde zwei Jahre später, im Jahr 2004, formuliert, und zwar im gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen, der sowohl von der Jugendministerkonferenz als auch der Kultusministerkonferenz beschlossen wurde. Primäres Ziel dieser Initiative ist es, Grundlagen »für eine frühe und individuelle Förderung der Kinder zu schaffen« (Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2004, S. 2). Mit diesen Plänen ist der Auftrag verbunden, den zugrunde gelegten Bildungsbegriff zu präzisieren, den Bildungsauftrag der Einrichtungen zu beschreiben und damit für Transparenz und Orientierung zu sorgen. Gleichzeitig sollen sie ausreichend pädagogische Freiräume für träger- und einrichtungsspezifische Schwerpunktsetzungen einräumen.
Als pädagogische Setzung lässt sich dem Rahmen entnehmen, dass individuelle Unterschiede berücksichtigt sowie spielerische und erkundende Lernformen umgesetzt werden. Die Förderung ist ganzheitlich anzulegen und nicht isoliert nach Fächern oder Wissenschaftsdisziplinen vorzunehmen. Dennoch wird eine Beschreibung von Themenfeldern als sinnvoll erachtet.
In diesem Sinne sind im Rahmen die folgenden Bildungsbereiche angeführt
• Sprache, Schrift, Kommunikation
• Personale und soziale Entwicklung, Werteerziehung/religiöse Bildung
• Mathematik, Naturwissenschaft, (Informations-)Technik
• Musische Bildung/Umgang mit Medien
• Körper, Bewegung, Gesundheit
• Natur und kulturelle Umwelten
Mit der Förderung der Kinder in den Bildungsbereichen ist das Erfordernis systematischer Beobachtung verknüpft: »Die Kinder sollen daraufhin beobachtet werden, was ihre Stärken und Schwächen in dem jeweiligen Bildungsbereich sind, wie sie Anregungen aufnehmen und wie sie sich damit beschäftigen. Systematische Beobachtung und Dokumentation der kindlichen Entwicklungsprozesse sind erforderlich« (Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2004, S. 5).
In allen Bundesländern wurden Bildungspläne entwickelt, die Bildungsbereiche, Bildungsziele und Bildungsprozesse sowie deren Rahmenbedingungen enthalten. Diese Dokumente unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ausführlichkeit, des Ausmaßes ihrer Verbindlichkeit wie auch des Titels (Bildungsempfehlungen, -programm, Grundsätze, Leitlinien). Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Bildungsauftrag der Einrichtungen explizieren und damit erstmals gemeinsame, institutionsübergreifende Richtlinien existieren.
Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass in allen Bildungsprogrammen systematische Beobachtung und Dokumentation als zentrale Komponenten der Förderung kindlicher Bildungsprozesse enthalten sind.
Viernickel und Schwarz (2009) haben im Rahmen einer Expertise zur pädagogischen Fachkraft-Kind-Relation die Bildungspläne aller Bundesländer analysiert und Anforderungen an die Arbeit von pädagogischen Fachkräften extrahiert. Anforderungen, die sich dem pädagogischen Personal in mindestens 12 der 16 Bundesländer stellen, werden von den Autorinnen als konsensfähige Qualitätsziele der Bildungsarbeit bezeichnet. Unter diesen 33 Kategorien beziehen sich 14 auf die kindbezogene Beobachtung und Dokumentation (s. Übersicht
Tab. 1).
Tab. 1: Konsensfähige Qualitätsziele in der Dimension Beobachtung und Dokumentation (Viernickel & Schwarz, 2009)

Qualitätsziel Anzahl Bundesländer
Die anderen Ziele thematisieren Sprache und Sprachentwicklung, Zusammenarbeit mit Familien, die Gestaltung des Übergangs Kita-Schule sowie Qualitätssicherung und -entwicklung.
Um die Vielfalt und Diversität der verschiedenen Bildungspläne und die damit verbundene Unterschiedlichkeit der Integration von Beobachtungsprozessen – und den an diese gestellten Erwartungen – zu verdeutlichen, wird im Exkurs »Bildungsbegriff und Relevanz von Beobachtung« auf drei verschiedene Bildungspläne Bezug genommen. Anschließend wird exemplarisch ein Projekt für einen zentralen Bildungsbereich aller Bildungspläne, die Sprachentwicklung, dargestellt, in dem Beobachtung eine wichtige Rolle spielt.
Exkurs: Bildungsbegriff und Relevanz von Beobachtung in zwei exemplarischen Bildungsplänen
Die Bildungsvereinbarung NRW (Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen) ist im Jahr 2003 als erster deutscher Bildungsplan für den Primarbereich in Kraft getreten. Der wissenschaftliche Hintergrund der Vereinbarung ist im Buch »Bildung beginnt mit der Geburt. Ein offener Bildungsplan für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen« (2. Aufl., 2005) von Schäfer (Professor für Frühe Kindheit und Familie an der Universität zu Köln) publiziert. Bildung gemäß dieser Vereinbarung umfasst nicht nur die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten, sondern es geht »in gleichem Maße darum, Kinder in allen ihnen möglichen Entwicklungsbereichen (…) zu begleiten, zu fördern und herauszufordern. Die Entwicklung von Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit und Identität ist Grundlage jedes Bildungsprozesses« (Ministerium für Schule, Jugend und Kinder, 2003, S. 6). Zentral sind dabei die so genannten Selbst-Bildungspotentiale der Kinder, die u. a. Differenzierung von Wahrnehmungserfahrung, innere Verarbeitung durch Eigenkonstruktionen, Fantasie und Denken, soziale und Umweltbeziehungen, Lernen in Sinnzusammenhängen und forschendes Lernen umfassen. Bildung in diesem Sinne ist Selbstbildung. Diese wird im Brandenburger Bildungsplan noch genauer definiert: »Kinder beginnen von Geburt an, sich aktiv ein Bild von der Welt zu machen. Sie nutzen dafür alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und drücken dies in vielfältiger Art aus. Aus sich selbst heraus besitzen Kinder umfassende Fähigkeiten, sich zu bilden. Ob sie diese Bildungsfähigkeiten entwickeln können, hängt vorrangig von den Bildungsmöglichkeiten ab, die ihnen die Umwelt bereitstellt« (Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, 2004, S. 2).
Beobachtung kommt im nordrhein-westfälischen Plan als beobachtende Wahrnehmung vor. Als Grundlage für eine zielgerichtete Bildungsarbeit soll diese auf die kindlichen Möglichkeiten sowie die Vielfalt kindlicher Handlungen, Vorstellungen, Ideen, Werke etc. fokussiert sein und schriftlich dokumentiert werden. Schäfer (2005) spricht sich dabei gegen eine Beobachtung mit gerichteter Aufmerksamkeit aus, die sich auf theoretisch abgesicherte Verhaltensbereiche bezieht, weil dabei andere relevante Aspekte keine Beachtung finden. Stattdessen plädiert Schäfer für eine Beobachtung mit »ungerichteter Aufmerksamkeit«: Der Beobachter soll bereit sein, möglichst viel und mit möglichst offenen Perspektiven wahrzunehmen und auch für Unerwartetes offen sein. Wahrnehmendes Beobachten sei ein konstruktives Vorgehen, bei dem die beobachtende Person alle ihre Sinne und auch ihre Emotionen mit einbezieht und sich empathisch in das Kind hineinversetzt. Die Gefühle der beobachtenden Person sollen aufmerksamkeitslenkend sein – da diese biografisch geprägt sind, ist Selbstreflektion von Relevanz. Beobachtung sollte gemäß Schäfer grundsätzlich teilnehmend und nicht distanziert verlaufen. Subjektivität gehört nach Auffassung Schäfers zur Beobachtung, sollte aber bewusst gemacht und reflektiert werden. Die Implikationen und die Vor- und Nachteile der jeweiligen Vorgehensweise werden in Kapitel 2 differenziert dargestellt. Aus der Sicht der Autorinnen ist ein Konzept wie »ungerichtete Aufmerksamkeit« kritisch zu betrachten. Begründungen für die skeptische Einschätzung, dass es sich hier um einen Widerspruch in sich handelt, ergeben sich aus den methodischen Überlegungen, die in den nachfolgenden Teilen dieses Buches ausgeführt werden.
Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen und Staatsinstitut für Frühpädagogik, 2006, federführend dabei Fthenakis, ehem. Direktor des Bayerischen Staatsinstituts für Frühpädagogik und Professor für Entwicklungspsychologie und Anthropologie an der Freien Universität Bozen) sieht Bildung dagegen als sozialen ko-konstruktiven Prozess, an dem sich Erwachsene und Kinder aktiv beteiligen. Der soziale und kulturelle Kontext, Kommunikation und Interaktion spielen dabei eine wichtige Rolle. Entsprechend ist die Funktion des erwachsenen pädagogischen Personals eine andere als bei den Bildungsansätzen, die Selbstbildung ins Zentrum stellen. »Bildung und Erziehung sind ein auf Dialog ausgerichtetes Geschehen, in dem sich Kinder und Erwachsene als Partner respektvoll begegnen« (S. 35). Die Verantwortung der Erwachsenen umfasst neben feinfühliger und liebevoller Zuwendung auch »klare Erwartungen, anregende Impulse, angemessene Unterstützung« (S. 35). Neben der Schaffung anregender Lernumgebungen und der Gestaltung dialogischer Interaktionen mit den Kindern sollen die pädagogisch Tätigen sich selbst bezüglich ihrer Haltungen, Werte und Authentizität reflektieren. Weiterhin ist dem bayrischen Bildungsplan gemäß reflektierende Beobachtung Aufgabe von Erwachsenen. Diese soll getragen sein »von einer kompetenzorientierten Grundhaltung, die danach fragt, was Kinder schon alles können, wissen und verstehen« (S. 35), wobei sie aber auch Stärken und Schwächen des beobachteten Kindes deutlich machen. Als Ziele von Beobachtung werden u. a. benannt, das Kind besser zu verstehen und seine Lern- und Entwicklungsverläufe zu erkennen. Auch sollen die Ergebnisse von Beobachtung Grundlage für Gespräche mit dem Kind darstellen (auch zur Unterstützung selbst gesteuerter Lernprozesse), für die Planung pädagogischer Angebote, für die professionelle Selbstreflexion sowie für die Kommunikation mit Eltern, Kollegen sowie Fachdiensten und Schulen.
Jede Einrichtung hat in Bayern den Auftrag, ein Beobachtungskonzept zu erarbeiten, das die folgenden drei Ebenen beachtet:
• Produkte bzw. Ergebnisse kindlicher Aktivitäten wie Bilder und gebastelte Objekte,
• freie Beobachtungen wie situationsbezogene Beschreibungen kindlichen Verhaltens,
• strukturierte Formen der Beobachtung, die hier als »Bögen mit standardisierten Frage- und Antwortrastern« (S. 466) bezeichnet werden.
Leitend bei der Auswahl von Beobachtungsinstrumenten sollen in Bayern Forschungsstand sowie die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität sein. Systematische Beobachtungen sollen möglichst von zwei Personen unabhängig voneinander durchgeführt werden. Die Schritte Beobachten/Beschreiben, Interpretieren/Diskutieren und Bewerten/Entscheiden werden klar voneinander getrennt und nacheinander durchlaufen.
Exkurs: Beispiel für Beobachtung im Bildungsbereich Sprache
Ein Beispiel für differenzierte Beobachtung als Basis für Sprachförderung ist das Projekt SISMIK des Instituts für Frühpädagogik in Bayern (vgl. Ulich, o.J., Ulich & Mayr, 2008). Im folgenden Auszug aus der Internetseite des Projekts werden die Ziele der Beobachtung erläutert:
Wir haben versucht, diese Beziehung zwischen Beobachtung und Förderung unmittelbarer und konkreter zu gestalten und zwar auf verschiedenen Ebenen:
Schwerpunkte der Sprachförderung: die verschiedenen Situationen
Wir haben Beobachtungssituationen ausgewählt, die alle sehr wichtig für die Sprachentwicklung sind: das Gespräch (mit Kindern, mit der Erzieherin), die Bilderbuchbetrachtung, das Erzählen von Geschichten, Sprach- und Reimspiele, oder auch die Wertschätzung der Familiensprache des Kindes. So wird mit dieser Auswahl (in der sich unser Konzept von Sprachförderung spiegelt) bereits eine entsprechende Schwerpunktbildung bei der Sprachförderung angeregt – dies berichten auch Fachkräfte, die den Bogen ausprobiert haben.
Konkrete Entwicklungs- und Erziehungsziele im Bereich Sprache
In dem Bogen werden verschiedene Aspekte und Niveaus von positiver sprachlicher Entwicklung angesprochen. Das heißt, die Fragen sind nicht nur Beobachtungshinweise, sondern auch Anhaltspunkte für konkrete Erziehungsziele im Bereich der Sprachförderung: z. B. aktives Zuhören, Fragen stellen, von Fernem erzählen, ein Gedicht aufsagen, Freude an einer fremden Sprache.
Wie kommt das Angebot bei Kindern an? Wie engagiert sind sie?
Wenn ich als Erzieherin ein Kind z. B. bei Reimspielen beobachte und feststelle, dass es kaum auf das Angebot reagiert, dass es sich nicht engagiert, dann sagt mir das zum einen etwas über das Kind, zum anderen aber auch etwas über das pädagogische Angebot. Denn es stellt sich ganz konkret die Frage: Wie könnte ich dieses Angebot so verändern, dass das Kind sich aktiv beteiligt?
Diese Rückmeldung zum Angebot kann sich auch auf mehrere Kinder beziehen. Ich nehme mir als Fachkraft beispielsweise die Bilderbuchsituation vor und merke: Vor allem die jüngeren Migrantenkinder sind bei der Bilderbuchbetrachtung eher wenig beteiligt. Dann kann ich überlegen, ob ich die Kleingruppe anders zusammensetze, das Bilderbuch häufiger wiederhole, die Geschichte auch auf Tonkassette oder als Puppenspiel anbiete usw.
Aus: http://www.ifp.bayern.de/projekte/sismik-beschreibung.html
Das Projekt SISMIK hat das Ziel, Sprachförderung von Kindern, deren Muttersprache nicht deutsch ist, zum Programm zu machen. Die Beobachtungen der pädagogischen Fachkräfte zum Sprachstand der Kinder sind dabei sowohl Voraussetzung für die Intervention als auch Teil der Methode zur Förderung. In Alltagssituationen der Kindertageseinrichtung, z. B. Frühstückspause, Bilderbuchbetrachtung, werden die Pädagoginnen aufgefordert, das Sprachverhalten der Kinder zu protokollieren. Durch die strukturierte Anleitung zur Beobachtung wird zunächst die Ausgangsbasis näher beschrieben, auf der die Sprachförderung ansetzen kann. Die Gestaltung der Fördermaßnahme wird darauf aufgebaut, was ein Kind an Kompetenzen mitbringt. Die Beobachtung des Kindes bzw. aller Kinder über den Förderzeitraum hinweg ist zugleich ein Instrument, um den Fortschritt zu überprüfen, aber auch, um die veranlassten Maßnahmen an die Entwicklungen anzupassen. Am Ende der Maßnahme kann auf der Basis der dokumentierten Beobachtung nachvollziehbar dargestellt werden, von welchem Ausgangspunkt aus wie und mit welchem Ergebnis gearbeitet worden ist. Damit sind individuelle Förderpläne objektivierbar und können zur Kommunikation zwischen den Vertretern der pädagogischen Einrichtung und den Eltern, aber auch zwischen verschiedenen pädagogischen Institutionen (z. B. Kindergarten und Grundschule) genutzt werden.
Das Neue Steuerungsmodell oder New Public Management ist ein Sammelbegriff für landesspezifisch unterschiedlich adaptierte Ansätze der Verwaltungsreform. Zentrale Aspekte dieses Modells sind (vgl. Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung in Köln, 1996):
• eine klare Aufgabenteilung zwischen Vertreterinnen der Politik, die als Auftrag- und Kapitalgeber fungieren, und der Einrichtung, die Auftragnehmer ist. Die Politik legt die Ziele fest und definiert Produkte – z. B. Kinderbetreuung in einer bestimmten Zeit, Sprachförderung oder Zusammenarbeit mit Eltern. Die Einrichtung ist verantwortlich für das Vorgehen zur Zielerreichung, die Ergebnisse und die Art der Ressourcennutzung. Die Koordination zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erfolgt in Form von Kontraktmanagement: In verbindlichen Zielvereinbarungen werden konkret Produkte sowie zur Verfügung gestellte Ressourcen (wie finanzielle Ausstattung, Personal, Gebäude etc.) festgelegt.
• Output-Steuerung: Der traditionelle Weg der Steuerung in der öffentlichen Verwaltung erfolgt über die Inputs, die eine Organisation erhält, ohne zu betrachten, ob diese effizient und sinnvoll verwendet werden (Input-Steuerung). Die Output-Steuerung dagegen verlangt, dass die Ergebnisse einer Einrichtung fokussiert werden, d. h. die Qualität und Quantität der Produkte oder Dienstleistungen.
• Wettbewerb (Eltern als Kunden): Die Einführung von Wettbewerbsmechanismen wird als wichtiger Antrieb für die Weiterentwicklung von Einrichtungen gesehen. Eltern werden als Kunden betrachtet, die das Angebot auswählen, das ihre Bedürfnisse am ehesten befriedigt und damit Einfluss auf die Qualität der Einrichtungen nehmen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Neue Steuerungsmodell den Einrichtungen mehr Autonomie und Handlungsspielraum überträgt. Im Gegenzug haben die Organisationen Ergebnisverantwortung und sind zur Rechenschaftslegung verpflichtet. Das Neue Steuerungsmodell beansprucht, dass die einzelne Einrichtung die ihr übertragene Eigenverantwortung dazu nutzt, ein gemeinsames Profil auszubilden und sich als Institution weiterzuentwickeln. Dies impliziert eine Standardisierung pädagogischer Vorgehensweisen innerhalb einer Organisation, die über Organisations-, Personal- und Qualitätsentwicklungsmaßnahmen erreicht wird (Krems, 2008).
Entsprechend verändern sich Rolle wie auch das Aufgabenspektrum von Leitungen. Anstelle des primus inter pares (Erster unter Gleichen), der in erster Linie Verwaltungsarbeiten vornimmt und den Mitarbeiterinnen den Rücken freihält, impliziert das Neue Steuerungsmodell eine dominantere Position der Führungskraft, die Verantwortung für die pädagogischen Prozesse trägt und diese auch steuert. Zentraler Bestandteil der Entwicklungsarbeit in Kindertageseinrichtungen ist die (Weiter-)Entwicklung und Umsetzung von Konzeptionen. Konzeptionelle Entwicklungsarbeit betrifft vor allem die Felder
• Bildungsmanagement, d. h. die Organisation, Steuerung, Gestaltung und Evaluation von Lern- und Entwicklungsprozessen (Schuster, Viernickel & Weltzien, 2006),
• Familienorientierung: Verfahren der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft, Familienbildung, Elternbeteiligung,
• Vernetzung, beispielsweise mit anderen Einrichtungen, aufnehmenden und abgebenden Einrichtungen, der Kinder- und Jugendhilfe, regionalen Partnern wie Musikschulen, Vereinen etc.
Neben einem veränderten Rollenverständnis sind auch neue Formen beruflichen Handelns erforderlich. Im Aufgabenbereich von Leitungen sind – neben dem bereits erwähnten Bildungsmanagement – die folgenden Funktionsfelder hinzugekommen bzw. haben an Relevanz gewonnen (Haderlein & Berg, 2007):
• Qualitätsmanagement
• Personalmanagement
• Haushaltsmanagement und
• Öffentlichkeitsarbeit.
In den Bereichen Qualitäts- und Personalmanagement spielt systematische Beobachtung eine zentrale Rolle, wie in den folgenden Abschnitten ausgeführt wird.
Qualitätssicherung und Evaluation haben mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodells bzw. des New Public Managements große Bedeutung für pädagogische Institutionen gewonnen und sind verpflichtend vorgeschrieben. Der entsprechende Paragraph im Sozialgesetzbuch (§ 22a, SGB VIII, Absatz 1) lautet: »Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und weiterentwickeln. Dazu gehören die Entwicklung und der Einsatz einer pädagogischen Konzeption als Grundlage für die Erfüllung des Förderungsauftrags sowie der Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Evaluation der Arbeit in den Einrichtungen.«
Exkurs: Was ist Qualität?
Qualität leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet Beschaffenheit. Die ursprünglich neutrale und rein beschreibende Bedeutung (wie ist etwas beschaffen?) hat sich um eine bewertende Komponente erweitert. So wird pädagogische Qualität beispielsweise als Beschaffenheit und Güte von Strukturen, Prozessen und Ergebnissen institutioneller (Früh-) Erziehung gesehen (Roux, 2006). In der in Europa als bindend eingeführten Normenstandardisierung DIN EN ISO 9000 wird Qualität definiert als »Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt« (Deutsches Institut für Normung, 2005, S. 13). Wer definiert, was Güte ist bzw. welche Anforderungen zu erfüllen sind?
Fthenakis (1998, 2003) weist darauf hin, dass Qualität kein einheitliches Konstrukt ist und benennt die drei folgenden Qualitätsperspektiven:
• Qualität als relativistisches Konstrukt: Qualität in diesem Sinne impliziert die verschiedenen Werte, Normen, Überzeugungen, Wünsche und Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen (z. B. Kinder, Eltern, Träger, pädagogisches Personal, Gesellschaft). Die Definition von Qualität ist deshalb von den beteiligten Gruppen in einem kontinuierlichen Klärungsprozess auszuhandeln, die unterschiedlichen Interessen sind auszubalancieren.
• Qualität als dynamisches Konstrukt sieht Qualität als bewegliches Konzept, das sich in einem konstruktiven und stetigen Prozess verändert. Qualität hat entsprechend einen transitorischen Charakter, Qualitätsstandards sind relativ und nicht dauerhaft festgelegt. Abwandlungen des Qualitätsbegriffs erfolgen beispielsweise aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen oder kultureller Unterschiede. Zentral sind deshalb eine kontinuierliche Reflektion, Perspektiverweiterung, Diskussion und Adaption der Qualitätsauffassungen.
• Qualität als mehrdimensionales, strukturell-prozessuales Konstrukt: Hier wird von der Existenz bestimmter Qualitätskriterien ausgegangen, die die Qualität einer Einrichtung indizieren. Die Kriterien sind heterogen und lassen sich in verschiedene Dimensionen kategorisieren. Zentral für diesen Ansatz ist es, fundiert relevante Qualitätsindikatoren auf der Grundlage theoretischer Modelle und empirischer Studien zu identifizieren. Fthenakis weist hier insbesondere auf die Relevanz hin, pädagogische Prozessqualität als Gesamtheit der Interaktionen und Erfahrungen des Kindes sowie der Interaktionen zwischen pädagogischem Personal und Eltern in der Institution – neben strukturellen Variablen wie Gruppengrößen und Qualifikationsgrad – verstärkt in den Fokus zu nehmen.
Für den Bereich der Elementar- und Frühpädagogik wird häufig ein Qualitätsmodell herangezogen, das ursprünglich von Donabedian (1980) entwickelt und in adaptierter Form 2005 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Zwölften Kinder- und Jugendbericht publiziert wurde (
Abb. 1).
Es handelt es sich dabei um ein Input-Throughput-Output-Modell.
Den Input bilden:
• die Strukturqualität, die räumlich-materiale und soziale Rahmenbedingungen umfasst. Elemente sind z. B. die Ausstattung und Größe der Institution, Gruppengrößen und Erzieher-Schlüssel, Qualifikation des Personals sowie dessen Arbeitsbedingungen (z. B. Vor- und Nachbereitungszeiten) und
• die Orientierungsqualität, d. h. normative Orientierungen, Leitvorstellungen, Überzeugungen und Werte, die dem konkreten pädagogischen Handeln zugrunde liegen. Von Relevanz hierfür sind Curriculum, Kriterienkataloge wie auch die einrichtungsspezifische Konzeption.
Der Output in diesem Modell ist die Prozessqualität, die sich u. a. zusammensetzt aus
• Entwicklungs- und bildungsbereichspezifischen Anregungen für die Kinder
• Interaktion zwischen pädagogischem Personal und Kindern
• Interaktion der Kinder untereinander
• Elternarbeit
• Beobachtbaren Effekte der pädagogischen Arbeit
Zwischen Input und Prozessqualität wird die Management- und Organisationsqualität als wichtige intermittierende Variable zwischengeschaltet. Verwiesen wird hier auf Qualitätsmanagementsysteme; eine weitere Aufschlüsselung zugehöriger Variablen erfolgt nicht. Die Kontextqualität unterstützt die Prozessqualität durch externe Faktoren wie Fachberatung, Fortbildung und Trägermaßnahmen. Der Output bezieht sich vor allem auf Effekte der Bildungs- und Entwicklungsförderung der Kinder sowie auf die Zufriedenheit der Eltern.
Kritisch an diesem Modell ist die Zuordnung bzw. Bezeichnung der Konstrukte sowie die Unidirektionalität der Ursache-Wirkungsketten: So wird beispielsweise die Prozessqualität als Teil des Outputs gesehen, Prozess- und Ergebnisvariablen

Abb. 1: Bereiche pädagogischer Qualität bei Kinderbetreuungsangeboten und Effekte bei Kindern und Familien, adaptiert nach Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005).
(Effekte der Arbeit) sind in diesem Bereich vermengt und werden gemeinsam als Prozessqualität bezeichnet. Die Orientierungsqualität wird als Teil des Inputs gesehen, obwohl diese auch durch Management und den Prozess beeinflusst wird (und im Sinne von pädagogischem Management auch beeinflusst werden soll), z. B. in Form der Konzeption. Auch Merkmale des anderen Input-Faktors, der Strukturqualität, können durchaus vom Management und dem pädagogischen Personal beeinflusst werden, beispielsweise die gezielte Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen, die Gestaltung der Einrichtung usw.
Die Entwicklung von Institutionen erfolgt gemäß dem Organisationsentwicklungszyklus (Becker & Langosch, 2002; Elke, 2007; French & Bell, 1995), der strukturell den Vorgaben des Neuen Steuerungsmodells entspricht (Krems, 2008). Das Leitbild bildet den Orientierungsrahmen für Entwicklungsmaßnahmen. Es macht Aussagen über bereits praktizierte und angestrebte Grundhaltungen der Organisationskultur und fasst die Grundsätze bezüglich Bildung, Erziehung sowie Betreuung zusammen und gibt dem gemeinsamen Arbeiten einen Sinnzusammenhang.
Der Zyklus selbst beinhaltet eine Bestandsaufnahme in der Einrichtung. Zur Erreichung dieser Ziele werden Maßnahmen geplant, durchgeführt und evaluiert. Sollten die angezielten Ergebnisse nicht erreicht worden sein, ist eine erneute Maßnahmenplanung und ggf. eine Adaption der Zielsetzung erforderlich. Der Zyklus schließt sich mit einer weiteren Bestandsaufnahme (
Abb. 2).
Der Leitung kommt dabei eine zentrale Rolle als change agent zu, der den Wandel initiiert und vorantreibt. Leitung in diesem Sinne fokussiert auch Qualität und Ausrichtung der pädagogischen Arbeit und wirkt bei individuellen Abweichungen auf eine Angleichung im Sinne der organisationalen Ziele hin.
Der gemeinsame Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen schreibt Evaluation der pädagogischen Arbeit als notwendigen Prozess für die kontinuierliche Sicherung und Weiterentwicklung von Qualität fest. Benannt werden explizit Verfahren der Selbst- und Fremdevaluation (Gemeinsamer

Abb. 2.: Organisationsentwicklungszyklus.
Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen, KMK 2004). Aus der bereits erwähnten Expertise von Viernickel und Schwarz (2009,
Kap. 1.1) resultiert, dass in den meisten Bundesländern interne Evaluation sowie ein Qualitätssystem in den Bildungsplänen verpflichtend festgeschrieben sind.
Fast alle Träger von Kindertageseinrichtungen haben deshalb Qualitätsmanagementsysteme eingeführt. Qualitätsmanagement umfasst (gemäß der Definition der DIN EN ISO, Deutsches Institut für Normung, 2005) aufeinander abgestimmte Tätigkeiten zum Leiten und Lenken einer Organisation, die darauf abzielen, die Qualität der produzierten Produkte oder der angebotenen Dienstleistung zu verbessern. Esch, Klaudy, Micheel und Stöbe-Blossey (2006) haben eine Klassifizierung von Qualitätskonzepten in der Kindertagesbetreuung vorgenommen, aus der auch die Heterogenität der Ansätze deutlich wird. Als zentrales Differenzierungskriterium legen die Autorinnen die Dimension top-down versus bottom-up zugrunde. Top-down heißt, dass die Qualitätssicherung und -entwicklung von übergeordneten Instanzen – wie dem Träger oder einer Behörde – vorgenommen werden. Innerhalb der top-down-Verfahren unterscheiden die Autorinnen zwischen Verfahren, die sich an allgemein akzeptierten pädagogischen Standards orientieren, und solchen, die sich auf spezifische pädagogische Konzepte beziehen.
Bottom-up-Verfahren legen einen organisationsinternen Qualitätsanspruch zugrunde, orientieren sich an den dargestellten Prinzipien der Organisationsentwicklung und stellen somit eine Partizipation des pädagogischen Personals wie auch der Kundenseite sicher. Die bottom-up-Verfahren werden danach unterschieden, ob sie auf fachübergreifenden, normierten Instrumenten [z. B. ISO 9000 ff., EFQM (European Foundation for Quality Management, 2003) in Kopplung mit trägerspezifischen Vorgaben] beruhen oder aber ausschließlich in der pädagogischen Fachdiskussion konzipiert wurden.
Das top-down-Konzept als isoliertes Vorgehen widerspricht dem Grundgedanken des New Public Managements. Dennoch finden sich Verfahren, die entsprechend vorgehen. Sie können – im Sinne neuer Steuerungsverfahren – auch ergänzend als Akkreditierungsverfahren oder Instrumente der externen Evaluation die institutionsinterne Qualitätssicherung vervollständigen bzw. ihr wichtige Impulse aus einer Außensicht heraus geben. Das in Kapitel 4.2.2 vorgestellte Verfahren KES-R stellt ein solches allgemeines Steuerungsverfahren dar, welches konzeptübergreifend und orientiert an allgemein anerkannten Standards pädagogische Qualität erfassen soll.
Auch bottom-up-Verfahren können top-down-Elemente integrieren, z. B. wenn ein Qualitätsmanagement-Verfahren und ein spezifisches Leitbild vom Träger vorgegeben sind, gleichzeitig aber eine hohe Beteiligung von Mitarbeiterinnen sowie Eltern beinhaltet. Ein Beispiel für ein fachspezifisches Organisationsentwicklungsverfahren ist das vom Kronberger Kreis für Qualitätsentwicklung (1998) erarbeitete Konzept »Qualität im Dialog entwickeln«, das sich an der Perspektive von Qualität als dynamischem Konstrukt (vgl. Exkurs Was ist Qualität?) orientiert.