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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 1928

 

Unheimliche Korrago

 

Einsatz mit der GOOD HOPE III – TLD-Agenten im Kampf um Leben und Tod

 

von Hubert Haensel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Seit das Heliotische Bollwerk im Solsystem sabotiert wurde, sind Menschen von der Erde gezwungen, sich in fremden Galaxien zu behaupten. Dabei haben es die Bewohner von Kalkutta-Nord noch gut getroffen: Sie leben im Zentrum einer freundlich gesinnten Hochzivilisation.

Ganz anders stellt sich der Sachverhalt für jene Menschen dar, die mit einem Teil von Terrania-Süd verschwunden sind. Rund 200.000 Terraner sind im Jahr 1290 Neuer Galaktischer Zeitrechnung in der fremden Whirlpool-Galaxis auf sich allein gestellt.

Glücklicherweise konnten erste Schwierigkeiten schnell beseitigt werden. Der Kontakt zu den Thorrimern, auf deren Planeten die Terraner leben, gestaltete sich als sehr angenehm. Handelskontakte konnten geknüpft werden, der Ausbau der selbständigen Nation Alashan – wie sich die unfreiwillige Kolonie nunmehr nennt – schritt rasch voran. Sogar ein Versuch der barbarischen Dscherro, die Menschen auszuplündern, konnte abgewehrt werden.

Mittlerweile ist auch Perry Rhodan zur Nation Alashan gestoßen. Der unsterbliche Terraner, der unlängst zum Sechsten Boten von Thoregon ernannt wurde, ist auf der Spur von Shabazza, dem mysteriösen Gegner der Menschheit. Zugleich muss Rhodan eine Spur der SOL finden, seines uralten Raumschiffes, das angeblich zuletzt für Shabazza unterwegs war.

Andere Bewohner der Nation Alashan sind anderweitig aktiv: Fee Kellind und die Besatzung der GOOD HOPE III treiben Handel auf fremden Planeten – und sie stoßen dabei auf UNHEIMLICHE KORRAGO ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Fee Kellind – Die Kommandantin der GOOD HOPE III stößt auf einen unheimlichen Gegner.

Jon Cavalieri – Der Ortungschef der GOOD HOPE III kämpft in Eis und Schnee ums Überleben.

Lethos SeGuera – Der TLD-Agent setzt sein Leben für andere aufs Spiel.

Tuja'Kjom'Gru – Ein Stammbeauftragter der Kre'Painer.

Ursa Kormani – Ein Pilot mit Facettenaugen.

1.

 

Die Zeit schien stillzustehen; im orangefarbenen Widerschein der untergehenden Sonne hing der Lastengleiter wie eingefroren über der felsigen Einöde. Sein Schatten klebte auf der Hochebene, und nur gelegentlich war ein leichtes Zittern zu erkennen.

Fels und spärliche Vegetation, so weit das Auge reichte, eine gigantische Fläche im Zentrum eines Hunderte von Kilometern durchmessenden Ringgebirges. Welche Kräfte mochten einst diesen Teil des Planeten geformt haben?

Mit einem Seitenblick auf die Kontrollen überzeugte sich Fee Kellind davon, dass der TLD-Frachtgleiter wirklich mit annähernd tausend Stundenkilometern flog. Für menschliche Sinne war die Bewegung wegen des monotonen Hintergrunds kaum wahrnehmbar.

Die Abenddämmerung wich der beginnenden Nacht und ihren fremden Sternbildern. Fee fragte sich, ob die Menschen von Alashan diese markanten Konstellationen je akzeptieren würden; sie selbst konnte es nicht. Die Erinnerung an ihren in Terrania zurückgebliebenen Lebensgefährten schmerzte. Mehr als zwanzig Millionen Lichtjahre trennten sie voneinander – und diese kosmische Distanz würde irgendwann selbst die verklärteste Erinnerung töten. Eines Tages würde Fee vielleicht gezwungen sein, eine neue Beziehung einzugehen und zu vergessen.

»... das werde ich niemals zulassen.«

»Was meinst du?«, murmelte Ursa Kormani. Auch der Pilot schien in Gedanken weit weg gewesen zu sein.

»Ich habe nur laut gedacht«, antwortete Fee, ärgerlich auf sich selbst.

Draußen, in der Dämmerung, geriet eine riesige Tierherde in Panik. Die Schemen stoben nach allen Seiten auseinander, als der Gleiter dicht über sie hinwegschoss. Lediglich Sekunden währte die flüchtige Begegnung.

»Eine Herde doppelköpfiger Zweibeiner«, bemerkte der Pilot. »Sie haben ausgesehen wie ausgemergelte Laufvögel.«

Ursa Kormani grinste schräg, als er sich umwandte. Dieses herausfordernde Grinsen war seine Art, die körperlichen Veränderungen überzukompensieren, die der Unfall vor nunmehr fast zwei Jahren hinterlassen hatte. Fee kannte die Holographien seines verbrannten Schädels und des Oberkörpers und wusste, dass nur die sofortige Operation Ursa gerettet hatte.

Einige Kilogramm molekular porosiertes Terkonit ersetzten seither seine Wangenknochen, den Kiefer und die Rippen sowie beide Arme. Weshalb Ursa sich dagegen ausgesprochen hatte, seine Arme aus geklonten Zellen in Nährstofftanks nachwachsen zu lassen, hatte er nie erklärt. Auch nicht, warum er darauf bestanden hatte, seine Augen in Facettenbauweise nachzubilden, obwohl Implantate längst nicht mehr als solche erkennbar waren. Vielleicht hatte ihn das Ungewöhnliche gereizt – immerhin gab es in der Wohnung des Piloten nahe dem Goshun-See einen Raum, in dem Zehntausende Insekten präpariert und pedantisch geordnet in Schaukästen lagen.

Fee war eine der wenigen, die Ursas heimlichen Schatz hatten sehen dürfen; sie wusste auch, dass die Käfer, von denen keiner weniger als fünf Zentimeter maß, ausschließlich aus dem heimischen Orion-Arm stammten. Die Artenvielfalt allein in der Milchstraße wäre erdrückend gewesen. Aber all das schien inzwischen eine Ewigkeit weit zurückzuliegen, in einer anderen Welt und einer anderen Zeit ...

Es war dunkel geworden. Kormani drosselte die Geschwindigkeit und schaltete die Reliefdarstellung auf die Frontverglasung um.

»Noch siebzig Minuten bis zum Ziel.«

Schnarchgeräusche aus dem hinteren Teil der Kabine veranlassten Fee Kellind, sich umzuwenden. Lethos SeGuera blinzelte und war sofort hellwach – TLD-Agenten wie er, die Einsätze auf den unterschiedlichsten Welten hinter sich hatten, spürten es instinktiv, wenn sie beobachtet wurden.

»Ich feilsche seit über dreißig Stunden mit den Eingeborenen um jeden Container voll Waren«, seufzte SeGuera leidenschaftslos. »Das ist nicht gerade die Art von Arbeit, die ich mir erträumt ...«

»Ortung!«, meldete Jon Cavalieri. »Einfallende aktive Tasterimpulse.«

Sekundenbruchteile später war alles wieder wie zuvor. Der Gleiter flog jetzt zwischen zwei annähernd parallel verlaufenden Höhenzügen.

Kre'Pain war eine hochtechnisierte Welt. Andernfalls hätte Fee Kellind niemals die GOOD HOPE III hier gelandet, um mit den industriellen Produkten von Alashan Handel zu treiben und sie gegen dringend benötigte Waren einzutauschen, die man bislang nicht selbst fertigen konnte – sei es, weil die Kapazität dafür fehlte oder weil die geringe Stückzahl eine Eigenproduktion nicht lohnte.

Cavalieri, der dunkelhäutige Zweimeterriese, stieß einen überraschten Pfiff aus. »Da ist es wieder. Irgendwer scheint sich für uns zu interessieren.«

»Ein Raumschiff im Orbit?«

»Kein Raumschiff.« Cavalieri schüttelte den Kopf.

»Und wennschon ... Wir haben nichts zu verbergen. Jedenfalls fast nichts.« Fee Kellind wischte mit ihrer Rechten über die wulstig veränderte Stirnpartie.

Ihr Haar war zum überwiegenden Teil unter der Maske verschwunden. Wohl fühlte sie sich so nicht, aber die Tarnung musste sein. Denn irgendwo in dieser weitgehend unbekannten Region des Kosmos lauerte ein Gegner, von dem man nur den Namen kannte: Shabazza. Vermutlich wusste er von der Existenz eines terranischen Stadtteils in DaGlausch, doch dass die Nation Alashan eigene Aktivitäten entwickelte, durfte aus Sicherheitsgründen nicht publik werden.

»Geh tiefer, Ursa!«, verlangte Cavalieri.

Bis eben war der Lastengleiter dicht über der Schattenlinie geflogen, nun sank er ab in das untere Drittel der Schlucht, in dem schon undurchdringliche Schwärze herrschte. Die hoch aufragenden Felswände sollten weitgehend vor Fremdortung schützen.

»Hm.« Wortgewaltig war der Chef der Ortung der GOOD HOPE III nie gewesen. Sein nachdenklicher Laut zwang Fee, sich zu ihm umzuwenden.

Cavalieri entblößte sein lückenhaftes Gebiss. Mit wenigen Schaltungen öffnete er neue syntrongesteuerte Funktionsfelder, zugleich schürzte er missbilligend die Lippen. »Ein hochfrequenter Puls tastet uns ab.«

»Was soll's? Falls die Kre'Painer auf einem der nahen Gipfel eine Ortungsstation ...«

Cavalieri schüttelte den Kopf. »Diese hochfrequente Energie entspricht nicht Kre'Pain-Technik, nicht dem Stand jedenfalls, den wir kennen.« Seine Schaltungen holten mehrere Auswertungsgrafiken auf den Monitor. »Das ist nicht einmal DaGlausch-Technik, aber ich kriege raus, woher ...«

»Finger weg von den Tastern!«, platzte Fee Kellind heraus.

Im ersten Moment sah es aus, als wolle Cavalieri protestieren, dann nickte er zögernd. Sekunden später erloschen die fremden Orterimpulse. Die Auswertung der aufgezeichneten Muster lieferte ein Ergebnis, das selbst Fee nicht erwartet hatte.

»Da prügeln sich die Käufer schier um unseren ZZ-89«, seufzte Cavalieri kopfschüttelnd, »dabei ist das Gerät, das hier zum Einsatz kam, leistungsfähiger. Ein solches Instrument dürfte es nach unserem Kenntnisstand in der ganzen Doppelgalaxis nicht geben.«

Vorübergehend vergaß die Kommandantin ihre Maske und wollte sich an der Stirn kratzen – hart stieß sie mit allen sieben Fingern gegen die vermeintlichen Knochenwülste.

»Das ist Hightech, wie sie nicht einmal in der Milchstraße allgemein zur Verfügung steht. Über derartige Hochfrequenzorter verfügen außer dem TLD nur Flottenschiffe wie die PAPERMOON und einige andere.«

»Die Messwerte sind nicht völlig identisch. Charakteristische Nebensignaturen zeigen abweichende Oszillationen.«

»Geschenkt!« Fee winkte großzügig ab. »Wer immer da aktiv wurde, er konnte davon ausgehen, dass seine Ortertätigkeit unbemerkt bleibt.«

Um Cavalieris Mundwinkel zuckte es verhalten. Hätte er die eigenen Taster auf die Quelle ausgerichtet, wären der oder die Unbekannten sofort aufmerksam geworden. Deshalb hatte Fee ihn zurückgehalten.

Die Blicke von zehn Augenpaaren ruhten auf der Kommandantin. Jeder an Bord des Gleiters erwartete in dem Moment eine ganz bestimmte Entscheidung. Doch die Frau schüttelte den Kopf.

»Ich sehe keine Veranlassung, unsere Pläne umzustoßen«, sagte sie. »Der oder die Unbekannten konnten nicht erkennen, dass wir Menschen aus der Milchstraße sind. Ich gehe zwangsläufig davon aus, dass die fremde Orterstation der Regierung von Kre'Pain nicht bekannt ist, dass da also irgendwer im verborgenen operiert. Uns kann das egal sein, solange wir nicht unmittelbar betroffen sind.«

»Keine besonderen Sicherheiten?«, fragte SeGuera verblüfft.

»Nicht im Augenblick. – Jon, du meldest sofort, falls wir wieder abgetastet werden. Das wäre alles.«

 

*

 

Längst hatte der Frachtgleiter das Ringgebirge hinter sich gelassen, ohne dass eine zweite Ortung verzeichnet worden war. Wer immer hinter dem Hochfrequenzpuls steckte, die einsame Maschine schien ihn nicht zu interessieren.

Zuerst hing nur ein undefinierbarer fahlgrüner Schimmer am Horizont, doch wuchs er rasch zu einem ausgedehnten Lichtermeer unterschiedlicher Intensität. Sobald die Sonne Kre unterging, verwandelten sich die Siedlungen der Kre'Painer in nebelverhangene Orte der Regeneration. Sechzehn Standardstunden währte eine solche Phase, während der keines der Hybridwesen die Nähe der Plattformen verließ. Vielleicht fürchteten sie die Nacht mit den schwach funkelnden Sternen am Himmel.

Kre'Pain war eine eigentümliche Welt, der zweite Planet von insgesamt fünf, 479 Lichtjahre von Thorrim entfernt. Ihre Umlaufbahn lag am äußeren Rand der Biosphäre und war darüber hinaus den Schwerkrafteinflüssen eines Gasriesen von doppelter Jupitergröße ausgesetzt, der in Intervallen zwischen fünf und sieben terranischen Standardjahren Kre'Pain bedrohlich nahe kam.

In viereinhalb Wochen stand eine solche Begegnung bevor. Der Bordrechner der GOOD HOPE III hatte eine Bahnabweichung um knapp eine halbe Million Kilometer hin zum Zentralgestirn errechnet – ausreichend, um die Durchschnittstemperatur um 0,2 Grad Celsius zu erhöhen.

Kre'Pain besaß keine polaren Eiskappen. Überhaupt waren freie Wasservorkommen selten, es gab weder Ozeane noch größere Seen; lediglich aus einigen Gebirgsgletschern entsprangen größere Flüsse, die aber jeweils schon nach wenigen hundert Kilometern in den trockenen Ebenen versickerten.

Mit weiter gedrosselter Geschwindigkeit näherte sich der Lastengleiter dem grünen Flirren, das einen weiten Landstrich ausfüllte. »Stamm Vier« war die Bezeichnung der planetaren Intelligenzen für diese eher kleine Siedlung, bei der es sich, den Auskünften zufolge, um einen erst seit wenigen Jahrhunderten knospenden Ableger handelte.

»Feldschirm aktiviert!«, meldete Ursa Kormani.

Staubschleier wirbelten auf, und innerhalb weniger Augenblicke entstand eine ausgedehnte Windhose, die sogar Geröll vom Boden sog und Hunderte Meter hoch in die Atmosphäre trug. Der Gleiter wurde eingehüllt von irrlichternden Entladungen verglühender Materie.

Ebenso abrupt endete der von Fäulnisgasen erzeugte heiße Aufwind. Ein gärender Schlammsee erstreckte sich unter der Maschine, eine brodelnde Masse, die ringförmig jede der neun Siedlungen umgab. Pflanzliche Enzyme zersetzten den Fels in einem langwierigen Prozess und schufen so die Voraussetzung dafür, dass die Wurzeln des »Stammes« ausreichend Nahrung fanden.

»Der Umwandlungsprozess ist noch nicht tief vorgedrungen, weil unter uns ausgedehnte Platinvorkommen liegen«, stellte Jon Cavalieri fest. »Außerdem scheint die Ebene vor Jahrmillionen Meeresboden gewesen zu sein – ich habe gigantische Mengen von Manganknollen in der Anzeige.«

Die grüne »Suppe« setzte die normale Sichtweite inzwischen bis auf wenige Dutzend Meter herab. Nur die vorgeschalteten Filter und Infrarotoptiken durchdrangen die nächtliche Erscheinung.

Von den Thorrimern hatte Fee Kellind die Koordinaten des Kre-Systems erhalten. Die neuen Freunde der Nation Alashan bezeichneten Kre'Pain vielsagend als »Welt der Einsamkeit und des grünen Nebels«, was sie in der Vergangenheit aber nicht daran gehindert hatte, in unregelmäßigen Abständen Handelsschiffe zu den Kre'Painern zu schicken.

Nicht nur einsam, sondern kahl und trostlos war diese Welt außerhalb der abgegrenzten Siedlungen. Und was nach wie vor als »Nebel« bezeichnet wurde, war nichts anderes als die mikroskopisch feinen Bruchstücke abgestorbener Pflanzenzellen, die von den nächtlich veränderten Temperaturverhältnissen aufgewirbelt wurden. Menschliche Atemwege reagierten darauf mit übersteigertem Nies- und Hustenreiz, aber die Kre'Painer sogen die Fragmente gierig in sich auf, enthielten sie doch Enzyme, die ihre psychischen und physischen Kräfte stärkten.

Unter dem Gleiter erstreckten sich die ersten Förderanlagen. Stählerne Tunnelsysteme wurden in den Schlamm vorgetrieben, die im Wurzelbereich frisch aufgelöste Masse wurde hochgepumpt und oberirdisch über engmaschige Gittersysteme geleitet. In einer Art galvanischem Verfahren wurden dem zähen Brei hochwertige Elemente entzogen und in ihren festen Aggregatzustand zurückverwandelt. Die Kre'Painer balancierten dabei auf einem schmalen Grat, denn einerseits benötigte ihre hochentwickelte Zivilisation immer mehr Rohstoffe, andererseits durften sie den »Stämmen« gerade diese Nahrung nicht entziehen, wollten sie das weitere Wachstum ihrer Städte nicht gefährden. Drei abgestorbene Ableger auf Kre'Pain bedeuteten eine überaus eindringliche Mahnung.

Fee Kellind hatte mit der GOOD HOPE III eine der toten Siedlungen angeflogen; die tiefe Wunde in der Planetenoberfläche war aus dem Weltraum nicht zu übersehen gewesen. Jahrzehntausende würden vergehen, bis Sand und Geröll den mehr als dreißig Kilometer durchmessenden Krater wieder aufgefüllt hatten und eines Tages vielleicht ein neuer Ableger sprießen würde. Derzeit bildeten noch bleiche, abgestorbene Wurzelstränge ein bizarres Geflecht, nicht viel anders als ausgeglühte Stahlträger einer Stadt, die im atomaren Inferno vergangen war. Zwischen ihnen ruhten die mumifizierten Körper vieler Kre'Painer wie ein Mahnmal alles Vergänglichen.

An solche Dinge verschwendeten die halb pflanzlichen, halb aus Fleisch und Blut bestehenden Intelligenzen keinen Gedanken. Sie kannten keinen Totenkult, auch Begriffe wie »gut« und »böse« waren ihnen fremd, damit konnten sie nichts anfangen.

»Sie werden uns lange ein Rätsel bleiben«, murmelte Fee Kellind.

Etliche Arbeiter waren inzwischen auf den Gleiter aufmerksam geworden und richteten ihre Sinnesfäden in die Höhe. Einige hoben die dreigeteilten Tentakel und spreizten die Finger zum Gruß.

»Die Nachricht von unserem Kommen hat sich schnell verbreitet«, stellte eine Frau im Hintergrund der Kabine fest.

»Stamm Eins« war die größte und älteste Siedlung, die einzige, in der versteinerte Pflanzen die Landung von Raumschiffen erlaubten. Außer der GOOD HOPE III standen dort noch die Schiffe einiger anderer Völker, die selbst in den Archivdaten der Thorrimer nur mit nichtssagenden Bemerkungen verzeichnet waren.

Mit der Handelswelt Kristan hatte Kre'Pain indes wenig Ähnlichkeit; der Planet wirkte eher wie eine Oase der Ruhe und Gemütlichkeit. Wichtig für Fee Kellind und ihre Leute war allein, dass sie qualitativ hochwertige Hochenergie-Steuerelemente kaufen konnten, die zwar vergleichsweise plump konstruiert, aber mit den terranischen Systemen kompatibel waren.

Solche Steuerelemente wurden unter anderem für die Herstellung von Paratron-Projektoren benötigt ... An Bord der GOOD HOPE III wurde längst spekuliert, dass für den Krisenfall Robinson eine größere Anzahl von Paratrons produziert werden sollte. Dafür war wohl auch das Howalgonium gedacht, das zuletzt von Kristan nach Alashan transportiert worden war. Aber weder Gia de Moleon noch Stendal Navajo hatten bisher mehr als geheimnisvolle Andeutungen von sich gegeben.

Kormani landete den Gleiter auf einem Blatt nahe dem Zentralstamm. Dort waren schon mehrere offene Maschinen der Kre'Painer abgestellt.

 

*

 

Es war lästig und ungewohnt, sieben Finger anstatt nur fünf in die geänderten hauchfeinen Handschuhe des SERUNS zu stecken. Auch der Helm saß enger als für gewöhnlich, um nicht zu sagen, er war lästig geworden.

»Erbsensuppe« wogte ringsum. Fee Kellind versuchte, die schwebenden Zellpartikel zur Seite zu wischen, doch der Erfolg blieb von kurzer Dauer. Zwei solcher Nächte hatte sie schon auf »Stamm Eins« erlebt – bei Tag war alles völlig anders.

Schatten näherten sich, und Fee aktivierte die Infrarotoptik. Sofort wurden die Schemen zu deutlichen Gestalten, die der Pikosyn des SERUNS auf die Helminnenseite projizierte.

Die Kre'Painer wirkten auf den ersten Blick humanoid. Sie bewegten sich auf zwei Beinen, hatten einen länglichen Körper und zwei lange, tentakelartige Armfortsätze. Erst bei näherem Hinsehen fiel auf, dass ein faustdickes Büschel dünner Sinnesfäden dort aus den Schultern wuchs, wo beim Menschen der Hals mit dem Kopf saß.

Der SERUN registrierte in unmittelbarer Nähe eines Kre'Painers jeweils schwach veränderte Werte der Umgebungsstrahlung. Da diese Wesen nicht über Augen im eigentlichen Sinn verfügten, schien ihre Art des Sehens mit dieser Veränderung zusammenzuhängen. Dennoch war es Fee bislang nicht möglich gewesen, eine eindeutige Aussage zu treffen.

»Willkommen auf Stamm Vier«, übersetzte die Translatorfunktion. »Wir wurden von den technischen Leistungen unterrichtet, die Sie anbieten wollen.«