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Auf dem Planeten Selva ist es zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Eine Gruppe von Siedlern hat dort eine Kolonie gegründet, ohne zu ahnen, dass sie dabei in den Lebensraum anderer intelligenter Wesen vordringt. Denn schon Jahre zuvor ist eine Handvoll Klingonen – damals noch Kinder – auf Selva gestrandet. Die Überlebenden eines Raumschiff-Absturzes haben in den Wäldern des jungen Planeten eine primitive, aber funktionierende Gemeinschaft aufgebaut.

 

Captain Jean-Luc Picard und die Enterprise-Crew haben den Auftrag, dem Morden ein Ende zu machen. Vor allem Lieutnant Worf bemüht sich, Kontakt zu den jungen Klingonen zu finden, um sie zu einem friedlichen Zusammenleben mit den Föderations-Siedlern zu bewegen. Doch einige der Kolonisten sabotieren die Bemühungen der Enterprise-Offiziere. Offensichtlich können sie sich nur eine Lösung des Problems vorstellen: die »Wilden« vollständig auszurotten …

 

Über das Buch

Widmung

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

 

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JOHN VORNHOLT

 

 

 

KRIEGSTROMMELN

 

Star Trek

The Next Generation

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

 

 

 

 

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www.diezukunft.de

 

 

 

Für meine Kumpel

Barbara Beck

und

Steve Robertson.

 

 

 

»Wo die Kriegstrommel ruft,

schweigt das Gesetz.«

 

Altes irdisches Sprichwort

Kapitel 1

 

Schlagartig verstummte ein wirrer Chor von Vogelrufen, als drei Frauen und drei Männer eine stark mit Dickicht bewachsene Lichtung betraten. Sie trugen Körbe, Eimer, Decken und verschiedenartiges Handwerkszeug. Alle sechs hatten schlichte, braune Kleidung aus handgenähten Materialien sowie schwere Stiefel an, wie es sich für Siedler auf einer urtümlichen Welt empfahl. Ihre Stimmen klangen leise, als ob sie sie aus Respekt vor dem durchaus einem Dom vergleichbaren Blätterdach des Waldes dämpften. Die hohen, schwarzen Bäume hatten jeder einen Durchmesser von ungefähr einem Meter.

Die wenigen Worte, die man hören konnte, galten dem schönen Wetter, drehten sich um Kinderstreiche oder waren Geplauder, wie es sich unter Nachbarn ergab.

Zwei Frauen machten sich in der Mitte der Lichtung daran, die knöchelhohe Schicht aus Blättern, Zweigen und Ästen fortzufegen, die seit dem letzten heftigen Regen den Waldboden bedeckte. Danach breiteten sie ordentlich eine Decke aus und packten den Inhalt aus den Picknickkörben.

Unterdessen teilten sich die vier übrigen Personen in zwei Gruppen auf: eine aus zwei Männern und eine aus einem Mann und einer Frau. Sie stellten die Körbe und das Werkzeug bei den Bäumen ab und besahen sich die dicken Baumstämme genauer. Bald störte Gehämmer den Waldfrieden. Die zwei Gruppen schlugen Zapfhähne tief in die Baumstämme. Während die Frauen gefüllte Eier und Sandwiches auf der Decke auslegten, hängten die vier anderen Siedler Eimer unter die Zapfhähne; dabei spekulierten sie über die Qualität des Safts, den sie gewannen.

Plötzlich durchdrang ein animalisches Kreischen die idyllische Waldesruhe. Zwischen den Bäumen sprang eine nackte Gestalt hervor und mitten in das bereitgelegte Essen. Sie war haarig, aber nicht behaart genug, um ein Affe zu sein. Auf der Stirn der Kreatur sah man eindeutig erkennbare Höcker.

Eine der beiden Frauen auf der Decke ergriff die Flucht, doch die andere langte auf den Boden ihres Picknickkorbs und holte einen Handphaser heraus. Aber anscheinend war das Geschöpf auf diese Maßnahme gefasst. Wüst attackierte es sie, schlug sie mit einem schwungvollen Hieb nieder und prügelte dann auf sie ein, bis sie reglos dalag. Dann wurden die Picknickkörbe, die Essutensilien und jedes in Reichweite befindliche Bröckchen Nahrung von dem Klingonen zusammengerafft.

Denn um einen Klingonen handelte es sich ganz offensichtlich bei dem Wesen.

Erschrocken wollten die anderen Menschen einschreiten, doch ehe sie der Frau zu Hilfe eilen konnten, kamen mit Geheul weitere nackte Klingonen aus dem Wald geschwärmt. Sie fielen wie ein Wolfsrudel über die Menschen her.

Die Konfrontation entartete zu einem blutigen Handgemenge, bei dessen Anblick Captain Picard sich vor Unbehagen im gepolsterten Sessel wand. Aber er nahm den Blick kein einziges Mal vom Bildschirm. Er hatte schon Klingonen bei Gewalttätigkeiten gesehen, doch so etwas noch nie. Klingonen waren Krieger, die das Kämpfen als Hochgenuss empfanden. Gleichzeitig jedoch schätzten sie Rituale und Waffentechnologie, legten Wert auf Regeln für Krieg und Kampf.

Dagegen standen die abgemagerten, ungepflegten Klingonen in dieser visuellen Aufzeichnung kaum höher als Tiere. Sie knurrten wie Bestien. Sie kratzten und bissen, statt die Auseinandersetzung ehrlich und aufrecht zu führen.

Das Ziel des Überfalls waren unverkennbar die Picknickkörbe und Nahrungsmittel, denn der zuerst auf die Lichtung gestürmte Klingone suchte schleunigst damit das Weite. Seine Kameraden hatten offenbar nur die Aufgabe, seine Flucht zu decken. Sobald er fort war, versuchten sie nämlich, sich eilends ebenfalls abzusetzen und zu zerstreuen.

Drei Menschen lagen still, alle blutüberströmt, auf dem Boden. Ein stämmiger Mann jedoch wollte die Klingonen nicht ungestraft entwischen lassen. Er taumelte ihnen hinterher und zückte einen Handphaser. Unterschiedslos schoss er auf die Flüchtenden. Der grelle Strahl der Waffe traf einen Klingonen geradewegs in den Rücken. Er torkelte um die eigene Achse und sank zusammen. Der Getroffene war so klein, dass es sich nur um einen Jugendlichen handeln konnte.

Nun wechselte die Szene. An dieser Stelle ließ sich die erste offenkundige Löschung von Aufnahmen bemerken. Kolonisten schleppten den benommenen klingonischen Gefangenen in eine ummauerte Siedlung. Er hinkte und war mit blauen Flecken übersät. Jemand hatte ihm einen Lumpen um die Hüfte geschlungen, so dass er nicht mehr völlig nackt umherlief. Die Schwellungen und Blutergüsse seines Gesichts konnten unmöglich von einem Sturz oder dem Phaserschuss verursacht worden sein.

Der Junge wirkte, als wäre er auf den Tod gefasst. Sein zerschlagenes Gesicht behielt einen stolzen, trotzigen Ausdruck. Mit dieser Miene, dachte Picard, sah er tatsächlich wie ein Klingone aus, nicht wie ein Geschöpf des Waldes.

»Ende der visuellen Aufzeichnung«, sagte eine tiefe Stimme.

Der Bildschirm erlosch, und die Beleuchtung im Beobachtungszimmer der Enterprise schaltete sich wieder ein. An dem ovalen Tisch saßen die vertrauenswürdigsten Mitglieder der Crew: Der Erste Offizier Will Riker, Commander Data, Dr. Beverly Crusher, Commander Geordi LaForge, Counselor Deanna Troi, Fähnrich Ro Laren und Transporterchef O'Brien. Der massige Bärtige, der mit dem Phaser auf den Klingonenjungen gefeuert und ihn gefangengenommen hatte, stand in der Nähe. Doch die Blicke aller Anwesenden fielen jetzt auf den breitschultrigen Sicherheitsoffizier am unteren Ende des Tischs, Lieutenant Worf.

Der Klingone saß zusammengesunken in seinem Sessel. Seine Atmung ging keuchend, während er immer noch die inzwischen dunkle Mattscheibe anstarrte.

Einer nach dem anderen wandten die Versammelten schließlich den Blick von Worf. Eine Ausnahme bildete der Mann an der Vorderseite der Räumlichkeit. Raul Oscaras musterte den hochgewachsenen Klingonen voller Hass.

»Lieutenant Worf«, knirschte er, »wollen Sie noch immer leugnen, dass es Klingonen sind, von denen wir angegriffen werden?«

Die Zähne zusammengebissen, setzte Worf sich auf. »Nein, nicht. Gleichzeitig ist jedoch offensichtlich, dass Sie einen schweren Verstoß gegen die Starfleet-Vorschriften begangen und Ihren Gefangenen misshandelt haben.«

»In dem Jahr, seit wir auf Selva sesshaft sind«, erwiderte Oscaras, »hat diese nomadisierende Klingonenbande uns zweiundvierzigmal überfallen. Wir haben elf Tote zu beklagen. Neunundsechzig Personen sind verletzt worden. Unsere Kinder können die Siedlung nicht verlassen, um in den wunderschönen Wäldern des Planeten zu spielen, weil befürchtet werden muss, dass sie ermordet werden. Unseren Wissenschaftlern ist es unmöglich, Selvas einheimisches Leben zu erforschen. Unsere Mediziner haben keine Möglichkeit, nach für Medikamenten geeigneten Pflanzen zu suchen. Als wir uns auf Selva niedergelassen haben, hatten wir keine einzige Phaserwaffe dabei. Heute ist der Replikator ständig in Betrieb, um neue Exemplare zu produzieren. Nur bewaffnete Gruppen trauen sich noch aus der Siedlung. Und da glauben Sie, wir sollten diese Wilden verhätscheln?«

Ehe Worf etwas entgegnen konnte, hob der Captain eine Hand, um die Situation zu entschärfen. »Es nutzt nichts, wenn wir uns gegenseitig Vorwürfe machen«, sagte er. »Mr. Oscaras …«

»Präsident Oscaras«, berichtigte ihn der Mann.

»Präsident Oscaras«, fing Picard von vorn an, »wir bedauern Ihr unerfreuliches Schicksal. Neu-Reykjavik ist eine Föderationskolonie. Starfleet hat uns geschickt, um das Problem zu beheben. Egal was Sie gegenwärtig von Klingonen halten, ich darf Ihnen versichern, dass das keine typischen Klingonen sind. Ich habe geraume Zeit bei Klingonen verbracht und dort nie ein derartiges Betragen erlebt. Sie sind ein Kriegervolk, ja. Aber sie beachten strenge Verhaltensregeln und haben sehr viel Stolz. Sie benehmen sich nicht wie wilde Tiere.«

Oscaras blickte, das Kinn verkrampft, durchs Sichtfenster aufs atemberaubend weite Sternenmeer hinaus. »Ich wünschte, Sie könnten ihre Kriegstrommeln hören«, sagte er halblaut. »Sie trommeln stundenlang, manchmal die ganze Nacht lang. Die Kinder weinen, niemand kann schlafen. Wir haben versucht, sie zu verjagen. Aber sie sind quasi mit dem Wald eins geworden. Sie übernachten in den Bäumen oder buddeln sich in die Erde ein. Trotz allem, was Sie sagen, Captain: Sie sind Tiere. Sie müssen uns helfen, sie zur Strecke zu bringen.«

»Ich verstehe das einfach nicht«, äußerte Riker. Verstimmt beugte er sich vor. »Die Föderation fördert ausschließlich Kolonien auf unbewohnten Planeten. Waren die Klingonen schon dort, als Sie eingetroffen sind, oder sind sie erst später aufgekreuzt?«

Der klobige Mann schnitt eine mürrische Miene.

»Wir hatten Selva – neben anderen Planeten – drei Jahre lang observiert. Es sind keinerlei Anzeichen intelligenten Lebens entdeckt worden. Sie können sich die Untersuchungen anschauen. Aber jetzt, nachdem wir gesehen haben, wie die Klingonen im Wald hausen, ist klar, dass sie sich vor uns versteckt hatten. In den ersten paar Monaten der Besiedlung fiel uns nichts auf, nur ab und zu fehlte dies oder das. Es gibt heimische Tiere auf dem Planeten. Deshalb haben wir angenommen, die selvanischen Faultiere oder Maulwurfsratten hätten Nahrung stibitzt. Aber dann sind diese Klingonen wohl mutiger geworden. Die Überfälle fingen an. Zuschlagen und abhauen, immer dieselbe Methode. Sie sind nie um Kontaktaufnahme bemüht gewesen. Von Anfang an haben sie gewaltsam geraubt, was sie wollten.«

Grimmig nickte Picard. »Dann ist es für uns das erste Gebot, schnellstens herauszufinden, woher sie gekommen sind.« Er wandte sich an Worf. »Lieutenant, ich schlage vor, Sie setzen sich mit dem klingonischen Oberkommando in Verbindung und klären, wie es möglich ist, dass sich auf Selva Klingonen aufhalten.«

Worf zuckte zusammen, als wäre er aus einem Zustand der Besinnung geschreckt worden. »Jawohl, Sir«, antwortete er, indem er aufstand. »Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich die Nachforschungen unverzüglich einleiten.«

»Einverstanden«, sagte Picard.

In offensichtlicher Erleichterung verließ Worf das Beobachtungszimmer. Kaum hatte die Tür sich hinter ihm geschlossen, beugte sich Raul Oscaras über den Konferenztisch.

»Captain Picard«, meinte er, »wenn ich offen sprechen darf: Ich bezweifle, dass man in dieser Angelegenheit Ihrem Klingonen vertrauen kann.«

Die Lippen straff zusammengepresst, warf Jean-Luc Picard dem Gast einen bösen Blick zu.

»Erstens, Präsident Oscaras, ist er nicht mein Klingone. Er ist ein Klingone, der im Dienst Starfleets steht, und zudem ein wertvolles Mitglied unserer Crew. Ich versichere Ihnen, dass er wegen der Vorgänge auf Selva ebenso unglücklich wie Sie ist. Zweitens: Sollten die Ermittlungen ergeben, dass die Klingonen vor den Siedlern auf Selva gewesen sind, haben Sie durch die Errichtung einer Kolonie auf einem bewohnten Planeten gegen die Erste Direktive verstoßen.«

»Wir haben nichts gewusst!«, entgegnete Oscaras empört.

Data hob den Kopf. »Unwissenheit schützt nicht vor Strafe«, zitierte er einen alten Grundsatz.

»Gott steh mir bei …!«, stöhnte Oscaras. »Warum hat man von allen Raumschiffen Starfleets ausgerechnet Sie geschickt?« Sein wütender Blick fiel von Data auf Fähnrich Ro, die verlegen den knochigen Wulst zwischen ihren Augen berührte. »Die Hälfte Ihrer Besatzung besteht ja nicht aus Menschen.«

»Das stimmt«, sagte Fähnrich Ro. »Aber wir kommen irgendwie zurecht.«

Andeutungsweise schmunzelte Will Riker, bevor seine Miene wieder ernst wurde. »Präsident Oscaras, an Ihrer Stelle würde ich mir solche Gedankengänge erst gar nicht angewöhnen«, warnte er den Selvaner. »Täglich begegnet die Föderation neuen nichtmenschlichen Völkern. Manche sind nicht einmal humanoid. Es mag sein, dass Ihre Siedlung zu hundert Prozent von Menschen bewohnt wird. Dies gilt aber ganz offenkundig nicht für Ihren Planeten.«

Der klotzige Mann seufzte und senkte den Kopf. »Ich bitte um Entschuldigung«, nuschelte er. »Wenn man monatelang das Opfer eines Guerillakriegs ist, wird man wohl leicht ein bisschen … unvernünftig. Sie müssen uns dabei helfen, irgendeine Lösung zu finden.«

Captain Picard nickte und erhob sich aus dem Sessel. »Das werden wir tun«, beteuerte er. »Zur Zeit ist es auf Ihrer Seite des Planeten Nacht. Wahrscheinlich möchten Sie zu den Siedlern zurückkehren. Wir betreiben unsere Recherchen und beamen am Morgen eine Landegruppe hinab.«

Oscaras deutete eine Verneigung an. »Vielen Dank, Captain.«

»Mr. O'Brien ist unser Transporterchef. Er sorgt dafür, dass Sie wohlbehalten nach Hause gelangen.«

»Bitte hier entlang«, sagte O'Brien, indem er zur Tür strebte.

»Eine Frage noch«, rief Deanna. »Ist der gefangene Klingone zwecks Befragung abkömmlich?«

»Ja«, gab Oscaras zur Antwort. »Aber er schweigt sich aus. Wir haben es sowohl mit dem Universaltranslator wie mit Zeichensprache versucht.«

Nachdem O'Brien den übelgelaunten Besucher aus dem Beobachtungszimmer geleitet hatte, wandte Picard sich an seinen Offiziersstab. »Ich ersuche um Vorschläge«, sagte der Captain.

»Wenn es Ihnen recht ist«, sagte Data, »möchte ich gerne Lieutenant Worf bei den Nachforschungen behilflich sein.«

»Von mir aus«, antwortete Picard. »Sichten Sie für den Fall, dass in diesem Raumsektor ein Notruf oder etwas anderes auf verschollene Klingonen hinweist, auch die Starfleet-Archive.«

Geordi meldete sich zu Wort. »Ich führe eine vollständige Sensorsondierung des Planeten durch. Vielleicht gibt's dort noch mehr, wovon die Siedler nichts wissen.«

»Fähnrich Ro wird Sie unterstützen«, ordnete der Captain an. Sorgenvoll schüttelte er den Kopf. »Beverly, welchen Eindruck hatten Sie von dem … Vorfall?«

Die rothaarige Bordärztin runzelte die Stirn. »Einiges an der Aufzeichnung stört mich. Um die Aufnahmen gemacht haben zu können, muss außerhalb der Lichtung ein Beobachtungsposten gewesen sein. Und dann kommt jemand zum Picknick ausgerechnet dorthin? Und haben Sie gesehen, wie mager und unterernährt die Klingonen waren? Man könnte wirklich fast glauben, die Siedler hätten den Überfall provoziert.«

»Sie wussten, dass die Klingonen in der Umgebung waren«, meinte Deanna Troi. »Sie wollten Beweismaterial. Ich habe gespürt, dass Präsident Oscaras ein sehr gerissener Mensch ist. Es kann sein, dass er die Überfälle zum Anlass genommen hat, um in der Kolonie seine Macht zu festigen.«

»Ja, das ist denkbar«, bestätigte Picard. »Und man hat sich reichlich Zeit gelassen, bis Starfleet benachrichtigt worden ist. Nummer Eins, wir beide befehligen die Landegruppe. Wer begleitet uns?«

Riker schaute sich um, ehe er die Frage beantwortete. »Counselor Troi, Dr. Crusher und Data. Normalerweise nähme ich auch Worf mit, aber …«

»Aber wir lassen Lieutenant Worf lieber an Bord«, sprach Picard die Überlegung seines Ersten Offiziers aus, »bis wir wissen, wie viele Siedler so wie Präsident Oscaras über Klingonen denken. Fähnrich Ro, ich wünsche, dass Sie ebenfalls mitkommen.«

Knapp nickte die gertenschlanke Bajoranerin. »Danke, Sir.«

»Dann ist alles klar«, sagte Picard. »Die Landegruppe trifft sich in zehn Stunden in Transporterraum drei.«

»Es ist besser, wir schlafen uns alle noch mal gründlich aus«, riet Dr. Crusher. »Möglicherweise müssen wir dort unten ganz schön aufgeweckt vorgehen.«

 

Worf stieß ein Brummen der Ungeduld aus. Er verheimlichte seinen Verdruss über den Archivar, der ihn warten ließ, nicht im geringsten. Auf dem Bildschirm der Waffenkonsole gab es nichts als das zackige klingonische Staatswappen zu sehen.

Der Lieutenant musste einräumen, dass man bei den Klingonen weder die besten noch die gewissenhaftesten Archivare antraf. Zudem gewöhnten die wenigen Klingonen, die diesen unbeliebten Beruf wählten, sich oft eine unglaubliche Arroganz an. Dieser schlaksige Archivar war dermaßen griesgrämig, dass sich dafür selbst der niedrigste klingonische Attentäter geschämt hätte.

Das Bild kippte, und als nächstes sah Worf den Archivar wieder auf seinem Sitz Platz nehmen. »Die angeforderte Information ist als geheim eingestuft«, teilte er in boshaftem Ton mit. »Wir dürfen sie nicht an die Föderation weiterleiten. Sie müssen sich wegen der Freigabe an die Sicherheitsorgane wenden oder eine Sondergenehmigung des Rates einholen.«

»Ich möchte lediglich eine Information über eine Handvoll Flüchtlinge«, stellte Worf mit Knarrstimme fest. »Es geht um vor zehn Jahren stattgefundene Ereignisse. Damals gab es eine Anzahl von Übergriffen der Romulaner auf die Kapor'At-Kolonien.«

»Alle dortigen Kolonien wurden aufgegeben«, versetzte der Archivar. »Kapor'At ist vollständig geräumt worden.«

»Ja, das weiß ich«, fauchte Worf. Trotz seines Ärgers versuchte er sich zu beherrschen. »Diese Information ist auch in der Geschichte der Föderation verzeichnet. Aber was ist aus den Klingonen geworden, die vor den romulanischen Feindseligkeiten flüchten mussten? Könnten sie ins Plyrana-System geflohen sein? Es befindet sich direkt zwischen Kapor'At und den Heimatwelten.«

»Es ist ein Siedlungsabkommen mit den Romulanern abgeschlossen worden«, entgegnete der Archivar in gelangweiltem Tonfall. »Die Geheimhaltung aller Aufzeichnungen ist Bestandteil der Vereinbarung.«

»Aber jeder weiß doch darüber Bescheid«, knurrte Worf. »Es steht doch in der offiziellen Föderationsgeschichte. Zweifellos müssen Informationen über den Aufbruch der Flüchtlinge und ihren Verbleib vorhanden sein.«

»Es sind welche da«, gestand der Bürokrat. »Sie sind aber geheim.«

Gerade als Worf vor Wut platzen wollte, trat Data an seine Seite. Der Androide neigte den Kopf über den Bildschirm. »Guten Tag«, grüßte Data.

»Wer sind Sie?«, erkundigte sich der klingonische Archivar.

»Lieutenant Commander Data«, antwortete der Androide. »Ist Ihnen bekannt, dass in Absatz drei von Artikel siebenhundertneunundvierzig des Allianzvertrags zwischen dem klingonischen Imperium und der Föderation ein freizügiger Austausch aller und jeder Informationen festgelegt steht, die zur Auffindung und Rettung gestrandeter Flüchtlinge beitragen können? Wir verfolgen die Absicht, durch bewaffnete Ausschreitungen der Romulaner heimatlos gewordene, verschollene Klingonen aus ihrer Misere zu retten. Dies Vorhaben hat vor allen Erwägungen der Datensicherheit Priorität.«

»Sind Sie sicher?«, fragte der Klingone mit sichtlichen Bedenken.

»Sie behaupten, Archivar zu sein«, sagte Data. »Schlagen Sie im Vertrag nach.«

»Die erwünschte Information ist zehn Jahre alt«, murrte der Klingone. »Wieso versuchen Sie heute noch, sie zu retten?«

»Wieso versuchen Sie«, lautete Datas Gegenfrage, »uns bei ihrer Rettung zu behindern?«

Der Archivar schnitt eine grämliche Miene. »Öffnen Sie Ihre Datenübertragungsfrequenz. Ich übermittle Ihnen die Daten. Ich wüsste es zu schätzen, wenn Sie die Weitergabe vertraulich behandeln.« Der Bildschirm erlosch.

Eilig gab Worf der Konsole den Befehl zur Entgegennahme einer Subraum-Nachricht ein. Sobald die Bestätigung erfolgte, ließ er sich im Sessel zurücksinken. Er schaute Data an und nickte ihm zu. »Danke. Sie haben genau gewusst, wie mit ihm geredet werden muss.«

»Ich verstehe die Denkweise der Bürokraten vorzüglich«, sagte der Androide. »Mit festen Regeln und Vorschriften fühlen sie sich am wohlsten. So wie ich.«

»Aber im Gegensatz zu Ihnen«, antwortete Worf, »möchten sie lieber nicht selbst denken.«

»Vielen Dank«, sagte Data. »Ich fasse das als Kompliment auf. Welche Ermittlungsergebnisse erwarten Sie?«

»Ich habe mir die visuelle Dokumentation der Selva-Siedler noch zweimal angesehen und an mehreren Stellen gestoppt. Ich schätze den ältesten darauf erkennbaren Klingonen auf etwa fünfzehn terranische Jahre. Erwachsene habe ich keine bemerkt. Wie schon der Captain klarzustellen versucht hat: Das Verhalten dieser Gruppe ist untypisch für Klingonen.«

»Die Ursache dürfte sein, dass sie ohne die Vorzüge der klingonischen Traditionen aufgewachsen sind«, meinte Data. »Darum sind ihre aggressiven Tendenzen nicht kanalisiert worden.«

»Genau«, brummte Worf. »Im Kriegsfall ist es bei den Klingonen Brauch, die jüngsten Kinder fortzuschicken. Alle anderen bleiben und melden sich zum Kampfeinsatz. Zum Kampf bis in den Tod, wenn es sein muss. Deshalb habe ich hinsichtlich kriegerischer Auseinandersetzungen um klingonische Kolonien vor rund zehn Jahren nachgeforscht. Das Kapor'At-Sonnensystem ist von Klingonen besiedelt worden, aber die Romulaner beanspruchen es für sich. So wie sie es immer machen. Folglich war ein Konflikt unabwendbar. Die Romulaner führten eine Reihe von Überfällen durch und zwangen schließlich die Klingonen zum Verlassen des Sonnensystems. Dokumente der Föderation erwähnen den Konflikt und die Besiedlung. Sie enthalten jedoch keine Einzelheiten über Evakuierungsraumschiffe und Flüchtlinge. Kapor'At ist ungefähr zweiundvierzig Lichtjahre von hier entfernt. Also ist es vorstellbar, dass ein Evakuierungsraumschiff nach Selva verschlagen worden ist.«

Data nickte und betrachtete Worfs Konsole. »Die Datenübertragung ist abgeschlossen«, konstatierte er. »Möchten Sie, dass ich die Informationssammlung durchsehe? Ich kann es in fünf Prozent der Zeit erledigen, die Sie bräuchten.«

»Damit bin ich gern einverstanden«, stimmte Worf zu. »Ich will mich lieber gut ausschlafen, bevor morgen früh die Landegruppe hinabgebeamt wird.«

Data kopierte die eben übermittelten Informationen. »Sie gehören diesmal nicht zur Landegruppe«, sagte der Androide.

»Nicht?« Worf war höchst überrascht.

»Der Captain möchte bei den Siedlern die Stärke der antiklingonischen Stimmung ausloten, bevor er Sie mit solchen Einsatzbedingungen konfrontiert«, erklärte Data. Er sah die kompakten Datenpakete fast so schnell durch, wie der Computer sie entpacken und auf die Bildfläche projizieren konnte.

»Vielleicht sollte ich ihm dafür dankbar sein«, brummte Worf leise. Er schaute sich auf der Kommandobrücke um. Nur Besatzungsmitglieder der Ablösungsschicht waren anwesend. Sie konzentrierten sich auf die Beibehaltung des Orbits um Selva. »Wenn Menschen einmal gegen Klingonen Hass entwickelt haben, kann man ihre Einstellung kaum noch ändern.«

»Daraus wird auch umgekehrt ein Schuh«, entgegnete der Androide. »Trotz der siebzig Jahre Frieden bleibt die eingefleischte Antipathie bei beiden Völkern eine starke Emotion. Da, ich glaube, ich habe die Information gefunden, die Sie suchen.«

Data trat von der Konsole zurück und ermöglichte Worf das Betrachten des Bildschirms. »Während der schlimmsten Angriffe brachte die Der'Nath-Kolonie achtundvierzig kleine Kinder an Bord eines Frachters nach Kling«, las Worf den Text laut ab. »Der Frachter ist dort nie eingetroffen. Ebenso wenig wurde je ein Wrack geborgen. Es wird vermutet, dass das Frachtraumschiff von den Romulanern vernichtet worden ist.«

»Ich glaube, dass Ihre Theorie stimmt«, sagte Data. »Falls der Frachter von den Romulanern nur beschädigt wurde, kann er das hiesige Sonnensystem durchaus noch erreicht haben.«

»Der Frachter gehörte zur ChunDab-Klasse«, stellte Worf fest. »Das heißt, es könnte in Selvas Atmosphäre eingetaucht sein. Kein Kind war damals älter als sechs Jahre. Dies korrespondiert mit dem heutigen Alter der Klingonen in der visuellen Dokumentation sichtbaren. Der Pilot dürfte die erstbeste erreichbare Landmasse angesteuert haben. Also ist es logisch, dass das Frachtschiff in Küstennähe gelandet sein müsste.«

»Sollte sich erweisen, dass die verwilderten Klingonen Überlebende des Frachters sind«, wollte Data wissen, »wie würden die Klingonen in dieser Angelegenheit offiziell reagieren?«

Worf furchte die höckrige Stirn. »Das ist schwer vorauszusagen. Aufgrund der Weise, wie die damaligen Vorgänge vertuscht und die Aufzeichnungen als Geheimsache eingestuft worden sind, nehme ich an, dass der Rat das Zurückweichen vor den Romulanern als Blamage empfindet. Vielleicht haben die Romulaner die Kapor'At-Siedler ausbezahlt oder mit dem Rat eine Geheimabmachung über die Abtretung Kapor'Ats getroffen. Wie Sie wissen, gibt es zwischen Romulanern und gewissen klingonischen Fraktionen verdeckte Machenschaften. Außerdem ereigneten sich diese Vorfälle in einer für das Imperium sehr unsicheren Periode.«

»Sie wollen damit der Ansicht Ausdruck verleihen«, folgerte Data, »der Rat wünscht vielleicht gar nicht, dass die Überlebenden gefunden werden und alle Welt an die Geschehnisse um Kapor'At erinnert wird.«

Versonnen nickte Worf. »Ich glaube, wir sollten den Captain wecken.«

 

Captain Picard saß auf der Bettkante, in einen beigefarbenen Morgenmantel gehüllt. Aufmerksam lauschte er, während Worf und Data ihm Informationen, Theorien und Schlussfolgerungen in Bezug auf die geheimnisvollen klingonischen Jugendlichen vortrugen. Anschließend trat er zur Computerkonsole seines Quartiers und sah die erhaltenen, angeblich geheimen Daten selbst ein.

»Wir können von der Annahme ausgehen, dass wir es mit den verschollenen Kindern zu tun haben«, stimmte er zu. »Aber solange wir nicht das Wrack des Frachters aufgespürt oder die Kinder anhand ihrer medizinischen Daten identifiziert haben, bleibt das reine Theorie.«

»Captain, es ist unbedingt erforderlich, dass wir mit dem Gefangenen sprechen«, sagte Worf. »Er ist der Schlüssel zur Lösung des Rätsels.«

»Oscaras weiß es zwar noch nicht«, bemerkte Picard, »aber wir werden den Jungen in unseren Gewahrsam nehmen. Und wenn nur zu seinem Schutz.«

»Ich habe erfahren, dass ich der morgigen Landegruppe nicht angehöre«, antwortete Worf. »Früher oder später muss aber jemand hinunter und die Jugendlichen lokalisieren. Logischerweise bin dafür ich die richtige Person.«

»Ganz meine Meinung«, pflichtete Picard ihm bei. »Vorher sollte aber geklärt sein, wie weit die Siedler mit uns kooperieren. Data, welche Rechte haben die Klingonen laut Vorschrift?«

Der Androide hob den Kopf. »Die Klingonen sind Verbündete der Föderation und genießen deshalb die gleichen Rechte wie Föderationsbürger«, erteilte er Auskunft. »Da ihre Anwesenheit auf Selva der Ankunft der Kolonisten zeitlich vorangegangen ist, dürfen sie gemäß gesetzlicher Ausführungsbestimmung Nummer dreitausendeinhundertvierundvierzig, Abschnitt fünf, Absatz acht nicht gegen ihren Willen von dem genannten Planeten entfernt werden. Unter normalen Umständen hätten die Siedler zur Niederlassung ihre Erlaubnis gebraucht.«

Picard seufzte und rieb sich die Augen. »Ich glaube, wir schieben die juristische Problematik auf, bis wir die beiden Gruppierungen soweit zur Vernunft gebracht haben, dass sie sich nicht mehr gegenseitig umbringen. Sich mit Oscaras und den Siedlern zu einigen, wird schwierig genug. Aber wie kommen wir mit einer Horde Jugendlicher zurecht, die allein im Wand aufgewachsen ist?«

»Wir drei sprechen Klingonisch, Captain«, sagte Data. »Falls die Überlebenden Kenntnisse ihrer Muttersprache behalten haben, können wir uns mit ihnen verständigen. Wenn wir sie mit Insignienkommunikatoren ausstatten, die die Universaltranslator-Funktion enthalten, sind sie dazu imstande, jedes Crewmitglieder und jeden Kolonisten zu verstehen.«

»Wir dürfen mit der Aktion nicht mehr warten«, behauptete Worf hartnäckig. »An Bord des Raumschiffs waren Mädchen und Jungen. Sie erreichen jetzt das Alter, in dem sie selbst Kinder haben können.«

»Und in dem sie ihre Verhaltensmuster und gesellschaftlichen Regeln endgültig festlegen«, fügte Data hinzu. »Zu unserem Vorteil ist, dass die Erste Direktive für Verbündete keine Gültigkeit hat. Alle Klingonen sind unsere Verbündeten, ob sie es wissen oder nicht.«

Picard schob das Kinn nach vorn. »Wir müssen sie ausfindig machen und ihnen helfen, so gut wir dazu in der Lage sind«, erklärte er. »Lieutenant Worf, bitte informieren Sie das klingonische Oberkommando über unseren Verdacht. Wir müssen ihm die Gelegenheit lassen, eine Empfehlung zu geben.«

»Jawohl, Sir«, sagte Worf.

»Und Sie, Data, speichern die Koordinaten, wenn wir mit dem Gefangenen reden«, befahl der Captain. »Dann können wir ihn jederzeit heraufbeamen.«

 

Im Maschinenraum der Enterprise betrachtete Fähnrich Ro am System-Hauptdisplay bunte Grafiken und gradierte Computerdarstellungen. Sie sah sich ehrfurchterregende Berge, Ozeane, Schluchten und andere geologische Formationen aus sonst unzugänglichen Blickwinkeln an, zum Beispiel die Unterseite eines Vulkans. Der Bordcomputer sammelte enorme Datenmengen. Aber Ro hatte schon die Durchsicht auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Vorerst wollte sie sich nur einen allgemeinen Eindruck verschaffen, um zu sehen, ob die laufende Sensorsondierung irgendwelche planetaren Besonderheiten anzeigte.

Commander Geordi LaForge betätigte sich auf der anderen Seite des System-Hauptdisplays. Beide stießen sie gleichzeitig auf die Computerwiedergabe der Erdbebenrisse und tektonischen Kontinentalplatten.

»Es ist ein sehr junger Planet«, stellte Ro nachdenklich fest. »Kein Wunder, dass er bisher kein denkendes Leben hervorgebracht hat. Er befindet sich noch in der Evolution.«

»Ja …« Geordi runzelte die Stirn. »Diese Kontinentalplatten passen nicht gerade wie 'n Puzzle zusammen. Was halten Sie von dem Gebiet, das sich die Kolonisten ausgesucht haben?«

»Reichlich Wasser«, antwortete die Bajoranerin. »Sie siedeln auf dem geologisch ruhigsten Kontinent. Die Niederlassung liegt nahe genug am Meer – die Distanz beträgt ungefähr zwanzig Kilometer –, um die Vorteile warmer Strömungen zu nutzen. Gleichzeitig ist sie ausreichend entfernt, um keine Schäden durch Stürme zu erleiden. Schließt man die vierzig Prozent der planetaren Oberfläche aus, die von Gletschern bedeckt sind, bleibt wenig stabile Landmasse übrig. Einen Wolkenkratzer möchte ich da unten nicht bauen. Trotzdem bin ich der Auffassung, die Siedler haben die Sache richtig angepackt. Mein Volk existiert in weit ungemütlicheren Verhältnissen.«

»Ich wette, dass der Ozean durchweg lebensfeindlich ist«, meinte Geordi. »Er enthält erhebliche Bestandteile an Salz und Mineralien. Wie das Tote Meer auf der Erde. Aber diese vielen Heißwasserquellen und Vulkane müssen für eine ganz beträchtliche Erwärmung sorgen.«

»Dann ist es wohl wie in einem riesigen Kurort«, sagte Ro. Für eine Sekunde verzog sich ihr gewöhnlich ernstes Gesicht zu einem Schmunzeln. »Ich würde mir die Zustände gerne mal ansehen.«

»Ich auch«, gestand Geordi. »Der ganze Planet verkörpert quasi das Gegenteil der Erde. Das Wasser ist warm und für Leben ungeeignet, während es auf dem Land kalt ist und ausgedehnte Gletscher gibt. Ich glaube auch, dass die Siedler die günstigste Gegend gewählt haben.«

»Nur sind die Klingonen vor ihnen dagewesen.«

Geordi ließ ein Aufseufzen hören. »Ich bin mir nicht sicher, dass der Captain das Problem lösen kann. Jedenfalls behalte ich den Planeten unter Beobachtung, während Sie unten sind. Vielleicht erkenne ich ja doch noch irgendwas Auffälliges. Wenigstens kann ich Ihnen regelmäßig 'ne Wettervorhersage durchgeben.«

»Es kann sein, dass die Aktion schwierig wird«, äußerte Ro mehr im Selbstgespräch als zu Geordi. »Am besten gehe ich nun ins Bett.«

Der Chefingenieur lächelte. »Passen Sie drunten gut auf sich auf, Fähnrich«, ermahnte Geordi sie.

Die Bajoranerin rang sich ein Grienen ab. »Haben Sie gemerkt, dass ich in der Landegruppe der Vorzeige-Fremdling bin?«

Geordi zuckte mit den Schultern. »Tja, irgendwann müssen die Kolonisten einfach kapieren, dass kein Volk allein im Universum ist. Ich glaube, der Captain nimmt Sie auch aus anderen Gründen mit. Meines Erachtens hat er mit Ihnen eine überlegte Wahl getroffen. Wahrscheinlich bringen Sie für beide Parteien Verständnis auf … beziehungsweise für jeden, der sich auf einer neuen Welt abrackert, um etwas aufzubauen.«

»Manchmal wünsche ich mir, wir Bajoraner wären mehr wie die Klingonen«, sinnierte Ro. »Wären wir aggressiver, verstünden wir wie Wilde zu kämpfen, bräuchten wir uns nicht von einem zum anderen Planeten scheuchen zu lassen. Aber jetzt ist es zu spät … Wir sind zivilisiert.«

»Kann doch jedem passieren«, sagte Geordi. »Geben Sie auf sich acht.«

»Klar, Commander. Gute Nacht.«

Fähnrich Ro machte sich auf den langen Weg zu ihrem auf Deck 8 gelegenen Quartier. Sie benutzte keine Turbolifts, um ein wenig Bewegung zu haben. Sie spazierte durch zahllose Korridore, durch leere Laboratorien und Sportstätten. Zu guter Letzt erreichte sie Deck 10. Dort betrat sie die größte und beliebteste Freizeiteinrichtung der Enterprise, den Gesellschaftsraum des Vorderdecks. Diese Lokalität war das Reich ihrer besten Freundin an Bord des Raumschiffs, der geheimnisvollen Wirtin Guinan.

Um diese späte Stunde herrschte im Gesellschaftsraum mehr Ruhe als normalerweise; nur das Schimmern der Sterne, das man durch die Fenster sehen konnte, belebte die Räumlichkeit. An der Backbordseite schwebte unter dem Raumschiff die rostbraune Kugel des Planeten Selva.

Einige Augenblicke lang verharrte Ro am Fenster und besah sich den Planeten. Endlich bemerkte sie neben sich eine exotisch gekleidete Person.

»Aus der Gerüchteküche verlautet, dass du in einigen Stunden hinabbeamst«, sagte Guinan.

»Ja, stimmt«, bestätigte Ro. »Eigentlich sollte ich schlafen. Ich kann's aber nicht.«

»Warum nicht?«, fragte Guinan. »Ist doch 'n ganz leichter Auftrag: Überwindung von Fanatismus und Furcht.«

»Klarer Fall.« Die Bajoranerin seufzte und verschränkte die Arme auf der Brust.

»Besonders der Furcht vor dem anderen.«

»Dem anderen?«

»Dem Fremden«, sagte Guinan. »Dem Ungewohnten. Vor dem, der sich nicht an dieselben Regeln wie man selbst hält. Du bist dein Leben lang die Andersartige gewesen. Und nun sollst du Menschen lehren, sich davor nicht zu fürchten.«

»Ich bezweifle, dass mir dafür genug Zeit bleibt«, entgegnete Ro. »Ich glaube nicht, dass der Captain die Absicht hat, mich unten einzubürgern.«

Guinan war auch dieser Ansicht. »Ich bezweifle, dass der Captain überhaupt schon weiß, was er will. Aber ich habe das Gefühl, für dich wird es kein normaler Einsatz. Ich ahne, dass du drunten dringend gebraucht wirst.«

»Ich bin bloß zum Vorzeigen dabei«, murrte Ro. »Man schleppt mich mit, um den Siedlern zu verdeutlichen, dass wir friedlich zusammenleben können. Counselor Troi, Dr. Crusher, Captain Picard … das sind die Leute, die wirklich zählen.«

»Auf seine Weise zählt jeder«, erwiderte Guinan. »Man muss Vorbild sein. Soll ich dir einen Tee zubereiten, der dir beim Einschlafen hilft?«

»Nein«, sagte die Bajoranerin. »Zum Nervössein habe ich keinen Grund. Ich bin sicher, dass ich bald wieder von dem Einsatz abkommandiert werde. Voraussichtlich komme ich noch morgen zurück. Dann kann ich dir erzählen, wie es unten aussieht.«

»Vielleicht.« Geheimnisvoll lächelte Guinan. »Egal wann, bitte lass dich blicken und erzähl's mir. Ich bin sehr neugierig.«

»Ich verspreche es dir«, antwortete Ro. »Gute Nacht.«

»Angenehme Träume«, sagte die Wirtin der Enterprise.

Kapitel 2

 

Die aus drei Frauen, zwei Männern und einem Androiden bestehende Landegruppe materialisierte im Flirren lichter Säulen durcheinandergewirbelter Moleküle auf dem zentral gelegenen Platz der Ortschaft Neu-Reykjavik, Planet Selva. Dann machten sich Captain Picard, Commander Riker, Lieutenant Commander Data, Fähnrich Ro, Dr. Crusher und Counselor Troi daran, das kleine Dorf in Augenschein zu nehmen. Es war die Heimat von etwas über zweihundert Seelen.

Weil Deanna Troi einiges über das Bekenntnis der Siedler zu Genügsamkeit und schlichtem Dasein gelesen hatte, war sie auf den Anblick eines bescheidenen Weilers gefasst gewesen, einen Ort vielleicht aus Lehmhütten und mit Rasen gedeckten Häuschen. Statt dessen stand sie jetzt mitten in einer Festung.

Die Wohnbauten und öffentlichen Gebäude waren hässlich und aus rostigem, verzinktem Metall errichtet worden. Mindestens fünfzehn Meter hoch ragte rundum die gleichfalls aus verstärkten Metallplatten gebaute Mauer der Kolonie empor; Stacheldraht und geschärfte Metallzacken krönten die Mauerkonstruktion. Jede Ecke der Mauer und das überdachte Tor wurden von Türmen geschützt, die Ähnlichkeit mit geschlossenen Hochsitzen hatten.

Auf dem Dorfplatz wuchsen drei schwarze Bäume. Doch im Vergleich zum üppigen Sprießen der übrigen Flora, die man außerhalb der metallisch glänzenden Mauer wuchern sah, wirkten sie einsam und verlassen. Die Bäume auf dem Platz und die in unmittelbarer Nähe der Mauer hatte man rigoros beschnitten – wahrscheinlich damit niemand aus ihrem Geäst über die Mauer springen konnte.

Nahebei stand ein sechs- oder siebenjähriges Kind und glotzte die Ankömmlinge voller Staunen an. »Kommt ihr, um die Trommler zu töten?«, erkundigte sich das Mädchen.

Will Riker kniete sich hin und blickte der Kleinen in die Augen. »Wir haben nicht vor, irgendwen zu töten«, stellte er klar. »Wir wollen für Frieden sorgen. Ist das nicht viel schöner?«

»Nee.« Entschieden schüttelte das Kind den Schopf. »Mein Vati sagt, es gibt kein' Frieden, bis dass sie tot sind.«

Ehe dieser beunruhigende Wortwechsel fortgesetzt werden konnte, umringten zahlreiche erwachsene Siedler sowie Kinder sämtlicher Altersstufen die Landegruppe. Alle trugen sie die gleiche schlichte, braune, aber praktische Bekleidung. Und samt und sonders hatten sie die argwöhnische Miene aufgesetzt, die aussagte: Wir haben kein Vertrauen zu Fremden. Für Deanna Trois Empfinden ähnelten sie wegen ihrer Verdrossenheit Gefangenen, ein Eindruck, den der Stacheldraht und die Mauer noch verstärkten.

Der Counselor fiel auf, dass mehrere Kolonisten Fähnrich Ro angafften, als ob sie ihr am allerwenigsten trauten. Doch die schlanke Bajoranerin schien die Blicke gar nicht zu bemerken. Sie las die Messdaten ihres Tricorders ab.

Präsident Oscaras bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge. »Willkommen!«, tönte er laut. »Hätten wir gewusst, wann Sie eintreffen, wäre es möglich gewesen, eine offizielle Begrüßungsfeier vorzubereiten.«

»Wir möchten Ihr gewohntes Leben nicht durcheinanderbringen«, gab Picard zur Antwort, indem er sich zum Lächeln zwang.

Voller Bitterkeit schüttelte Oscaras den Kopf.

»Da gibt's kein Problem. Wir führen sowieso kein normales Leben, weil niemand sich noch aus dem Ort wagt. Ursprünglich hatten wir die Absicht, unsere Existenz ausschließlich auf die Reichtümer dieses Planeten zu stützen. Der Saft der Bäume könnte die Grundlage sein. Nur haben die Wilden es uns unmöglich gemacht. Unser Replikator sollte uns lediglich zur Überbrückung der Zwischenzeit dienlich sein, bis wir Pflanzungen angelegt und die erste Ernte eingebracht haben. Jetzt sind wir in jeder Beziehung von ihm abhängig; er produziert alles, von Kleidern bis zu Nahrungsmitteln. Ich habe Ihnen ja schon auf dem Schiff erzählt, dass wir nie den Wunsch hatten, Phaser zu fabrizieren. Aber auch damit versorgt uns jetzt der Replikator.«

»Verfügen Sie über einen Transporter?«, fragte Data nach.

»Nein«, lautete Oscaras Auskunft. »Das ist ein Zugeständnis, das ich verworfen habe. Wenigstens bleiben wir fit, wenn wir zu Fuß gehen und unsere Sachen tragen.«

Beverly Crusher ging in die Knie, um das kleine Mädchen zu untersuchen, mit dem Riker vorhin gesprochen hatte. Sie lächelte freundlich, während sie den medizinischen Tricorder vom schmutzigen Gesicht der Kleinen bis zu ihren Stelzenbeinen hinabbewegte.

»Ich bin Ärztin«, klärte Beverly das Kind auf. »Ich will nur mal nachschauen, ob du dich auch wohl fühlst. Gefällt es dir hier?«

»Ich möchte nach Hause«, sagte das Mädchen wahrheitsgemäß. »Zurück nach Island.«

Eine rothaarige Frau, die wie eine erwachsene Version der Kleinen aussah, fasste sie an den Schultern und erteilte ihr eine Rüge. »Dein Zuhause ist hier, Senna. Das weißt du doch ganz genau. Du sollst nicht dauernd quengeln.«

»Sie hat mich ja gefragt«, begehrte das Mädchen auf.

»Außerdem gibt es hier eine Menge Leute«, sagte ein junger Mann, »die gerne nach Hause zurückkehren würden.«

Seine Äußerung hatte ein lautstarkes Gemisch von Buhrufen und gedämpfter Zustimmung zur Folge.

»Schluss mit dem Gequatsche!«, schnauzte Oscaras. Rasch bewirkte sein strenger Blick Schweigen. »Die Enterprise ist nicht gekommen, damit man sich unser Gejammer anhört oder uns zur Erde zurückfliegt. Sie ist da, um diesen Planeten bewohnbar zu machen, indem sie das Geschmeiß ausmerzt, das uns plagt.«

Diese Behauptung rief Beifall hervor. Picard schaute voller Missbehagen die anderen Landegruppenmitglieder an; dann stieß er ein Räuspern aus. Er räusperte sich so lange, bis der Jubel verebbte.

»Es ist mir sehr unangenehm, Ihnen das mitteilen zu müssen«, sagte der Captain, sobald Schweigen herrschte, »aber die Klingonen haben auf diesen Planeten ein ebenso großes Anrecht wie Sie. Vieles weist darauf hin, dass sie Kriegsflüchtlinge und Überlebende einer Raumschiff-Bruchlandung sind. Ist das der Fall, leben sie hier schon neun Jahre länger als Sie. Unser Vorhaben ist, mit ihnen in Verhandlungen zu treten und sie zu einem friedlichen Zusammenleben mit Ihnen zu überreden.«

Etliche Pfiffe der Ablehnung und höhnisches Gelächter quittierten Picards Worte. Andere Siedler standen fassungslos da und stierten ihre Besucher an, als hätten sie zwei Köpfe.

Deanna spürte eine verwirrende Vielfalt von Emotionen, deren Bandbreite von Verzweiflung und Sichfügen bis zu Wut und Ungläubigkeit reichte. Dies hier war eindeutig nicht die glücklichste Kolonie der Föderation. Die Counselor mahnte sich angesichts des Drucks, unter dem diese Menschen wegen der ständigen Gefahr von Überfällen schon lange lebten, zum Mitgefühl. Sie versuchte, sich die Freude auszumalen, die sie beim ersten Betreten dieser gänzlich naturbelassenen Welt empfunden haben mussten. Und dann hatten – nach dem Einsetzen der Angriffe – Furcht und Fanatismus um sich gegriffen.

»Da können Sie genauso gut mit den Bäumen reden«, spottete ein Kolonist.

Eine Frau ließ ihren Zorn an Oscaras aus. »Versprochen haben Sie uns, Sie würden uns helfen. Aber in Wirklichkeit sind Sie auf ihrer Seite … auf der Seite der Wilden!«

Der Präsident schnitt ein böses Gesicht.

»Ich habe angekündigt, dass ich bei der Föderation Hilfe anfordere, mehr nicht. Man weiß ja gar nicht, mit wem wir's zu schaffen haben. In dem Raumschiff darf sogar ein Klingone mitfliegen. Aber wenigstens sind diese Leute so anständig, uns mit seinem Besuch zu verschonen. Sollen sie doch in den Wald hinausziehen und die Klingonen suchen. Dann merken sie bald, dass es keine Möglichkeit des friedlichen Umgangs mit diesen Bestien gibt.«

Dieser Vorschlag fand offenbar nicht jedermanns Billigung. Lauter Streit brach aus. Viele Kolonisten entfernten sich aus der spontanen Bürgerversammlung; ihre Mienen widerspiegelten Unwillen und Resignation.

Deanna fühlte sich dazu gedrängt, etwas zu tun oder zu sagen, was die schlechte Stimmung auflockern könnte. Die Betazoidin deutete auf die stählerne Palisade, die die Niederlassung einfriedete.

»Wir möchten Ihnen dazu verhelfen, dass Sie diese Mauer niederreißen können«, rief sie. »Ist es nicht das, was Sie wollen? Dass Sie sich freizügig auf dieser Welt bewegen können, die Sie selbst sich erwählt haben? Noch mehr Tote und noch tieferer Hass werden dahin nicht den Weg ebnen.«

»Können Sie sie nicht einfangen?«, fragte die rothaarige Mutter des etwa sechsjährigen Mädchens. »Befördern Sie sie zu ihrem Volk zurück. Das ist eine Lösung, die uns recht wäre.«

Mehrere Siedler schlossen sich dem Einfall an und befürworteten ihn. Picard streckte die Hände in die Höhe, um sich Gehör zu verschaffen.

»Wir kontaktieren das klingonische Oberkommando, um es über die hiesige Situation zu informieren«, erklärte er. »Im Moment haben wir allerdings erst sehr wenig mitzuteilen. Also müssen wir vorher die selvanischen Klingonen finden und mehr über sie in Erfahrung bringen. Ich muss Sie nachdrücklich darauf hinweisen, dass eine Gefangennahme der Klingonen und ihre Vertreibung von diesem Planeten gegen ihren Willen auf jeden Fall nur das wirklich allerletzte Mittel sein kann.«

»Überlassen Sie uns bessere Scanner und wirksamere Waffen!«, schrie ein untersetzter Mann. »Dann räumen wir ohne Ihre Unterstützung mit denen auf!«

Aufgrund der vielstimmigen Beifallsrufe musste Deanna den Rückschluss ziehen, dass dies wohl der bislang populärste Vorschlag war. Oscaras schüttelte, seinen Gästen zugewandt, den Kopf; möglicherweise vertrat er die Ansicht, gegen diese Stimmungslage, wie unsinnig sie sich auch äußerte, sei nichts zu machen.

»Da sehen Sie Marta«, sagte er, indem er auf eine bildhübsche Blondine wies. »Sie hat beim ersten Überfall ihren Mann verloren. Das ist Joseph. Seine Frau gehörte einem Forscherteam an, das die Lebensweise der Maulwurfsratten untersuchte … So lautet unser Name für das weitverbreitetste Säugetier des Planeten. Nur wegen der Verpflegung in ihrem Rucksack wurde sie totgeschlagen. Und fragen Sie Lucius nach dem Andenken, dass er von seiner Begegnung mit den Trommlern zurückbehalten hat: eine Narbe, die vom Hals bis zum Bauchnabel verläuft. Und du, Edward … Was ist deinem Sohn zugestoßen?«

Ein alter Mann leckte sich über die trockenen Lippen, bevor er antwortete. »Sie haben ihn zerfleischt … wie wilde Tiere.«

Captain Picard schluckte, ehe er dazu Stellung nahm. »Wir sind nicht hier, um diese Gräuel zu rechtfertigen. Sie leben seit vielen Monaten mit derlei schrecklichen Vorkommnissen. Wir hören davon erst heute. Aber die Klingonen sind Bundesgenossen der Föderation. Die Gesetze schützen sie.«

»Aber sie kennen doch gar kein Gesetz!«, widersprach Marta.

»Dann sind sie nicht wie Klingonen erzogen worden«, erläuterte Picard. »Was wissen Sie denn eigentlich über sie? Nichts. Nur dass sie Sie angreifen und Nahrung rauben. Haben Sie ihnen jemals Lebensmittel überlassen? Je versucht, mit ihnen Frieden zu schließen?«

Der Greis namens Edward wackelte mit dem Kopf. »Du hast recht, Oscaras. Sollen sie in den Wald gehen. Wenn sie erst ein paar Söhne und Töchter verloren haben, kommen sie schon zur Vernunft.«

»Vielleicht sollten wir nun mit dem Gefangenen reden«, empfahl Data.

Eine dunkelhäutige Frau näherte sich Data und beschnüffelte ihn misstrauisch. »Was bist denn du für einer?«, fragte sie.

»Ein Androide«, gab Data Auskunft. »Erschaffen wurde ich durch Dr. Singh …«

»Data, wir wollen uns jetzt nicht damit aufhalten«, unterbrach ihn der Captain. »Es bleibt noch genug Zeit, um uns gegenseitig kennenzulernen. Präsident Oscaras, ich glaube, es ist ratsam, wir nehmen uns den Gefangenen so bald wie möglich vor.«

»Kommen Sie mit«, forderte der Bärtige die Landegruppe auf. »Ich zeige Ihnen unterwegs noch rasch die Siedlung.«

Oscaras führte seine Gäste an den größten der rostigen Metallbauten vorüber, deren Ansammlung Deanna wie eine Festung vorkam.

»In dem Gebäude sind unser Replikator, die Subraum-Funkanlage, das wissenschaftliche Labor und das Krankenrevier untergebracht«, erklärte Selvas Präsident. »Ich glaube, da gibt's nichts, was Sie nicht kennen. Familien haben eigene Wohnhäuser. Die jüngeren, ungebundenen Männer und Frauen haben Schlafsäle auf der anderen Seite des Platzes. Das lange Gebäude dort hinten ist unser gemeinschaftlicher Speisesaal. Es dient aber auch als Gerichtssaal und Freizeitzentrum. Nach unserer ursprünglichen Planung sollten die Familien weit über das Waldgebiet verteilt leben, in großzügigen Wohnsitzen mit viel Land rundherum. Aus naheliegenden Gründen mussten wir den Plan aufgeben. Gegenwärtig leiden wir unter Platzmangel. Darum mussten wir die Familien sogar zum Verzicht auf weitere Kinder auffordern, bis unser Problem behoben ist.«

»Ist Ihnen bekannt, wie viele Klingonen dort leben?«, fragte Riker, indem er auf den Wald deutete.

»Sie kommen in kleinen Grüppchen«, antwortete Oscaras. »Wir haben nie mehr als eine Handvoll auf einmal gesehen.«