Ellen Berg, geboren 1969, studierte Germanistik und arbeitete als Reiseleiterin und in der Gastronomie. Heute schreibt und lebt sie mit ihrer Tochter auf einem kleinen Bauernhof im Allgäu.
Ihre bisherigen Romane »Du mich auch. Ein Rache-Roman«, »Das bisschen Kuchen. (K)ein Diät-Roman«, »Den lass ich gleich an. (K)ein Single-Roman«, »Ich koch dich tot. (K)ein Liebesroman« und »Gib’s mir Schatz. (K)ein Fessel-Roman« waren große Erfolge.
Ihr neuer Roman »Zur Hölle mit Seniorentellern. (K)ein Rentner-Roman« erscheint im Frühjahr 2014.
Jetzt erst rächt!
Seniorenteller und Rentnerbingo, das ist doch öde. Elisabeth und ihre schrägen Freunde im Altersheim haben da ganz andere Pläne: raus aus dem Heim und rein ins Leben. Nur woher kriegen sie das nötige Kleingeld für ihre Fluchtaktion? Legal, illegal – total egal! Mit Witz, Charme und einer ordentlichen Portion krimineller Energie beginnt der irre Trip in die Freiheit.
Elisabeth ist siebzig und eigentlich noch ganz fit. Doch das Leben scheint gelaufen, als ihre Töchter sie gegen ihren Willen in ein Altersheim stecken. Endstation? Aber doch nicht mit Elisabeth! Bald schon schmiedet sie Fluchtpläne, zusammen mit einigen skurrilen Mitbewohnern. Einer von ihnen ist ein rasend attraktiver älterer Herr, der ihr Herz im Sturm erobert. Die eigenwilligen Senioren träumen vom goldenen Herbst im sonnigen Süden. Fragt sich nur, wie sie an genügend Geld für ihre Flucht kommen. Wild entschlossen hecken sie einen kriminellen Plan aus.
Einmal im Monat informieren wir Sie über
Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:
https://www.facebook.com/aufbau.verlag
Zur Hölle mit Seniorentellern!
(K)ein Rentner-Roman
Inhaltsübersicht
Über Ellen Berg
Informationen zum Buch
Newsletter
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Epilog
Leseprobe
Impressum
Es gibt Tage, die sollte man am besten aus dem Kalender streichen und dann ganz schnell vergessen. Dies war so ein Tag. Seit langem hatte Elisabeth sich vor ihrem siebzigsten Geburtstag gefürchtet, aber was gerade passierte, übertraf ihre schlimmsten Alpträume. Nein, sie hatte ihren Geburtstag nicht feiern wollen. Und was machten ihre drei erwachsenen Töchter? Quälten sie mit einer »Überraschungsparty«. Nun saß sie in einem furchtbaren Lokal, eingeklemmt zwischen Gästen, die sie größtenteils gar nicht kannte, während die liebe Verwandtschaft abwechselnd Schneisen durchs Kuchenbüfett pflügte und sich in taktlosen Reden überbot.
Als ob es nicht schon reichte, siebzig zu werden. Siebzig! In ihrem Herzen war sie keinen Tag älter als siebzehn, jedenfalls fühlte es sich oft so an. Leider schien das außer Elisabeth niemandem aufzufallen, wie den unvermeidlichen Reden zu entnehmen war.
»Alle wollen alt werden, aber keiner will alt sein«, tönte ihr Schwiegersohn Klaus-Dieter gerade. »Immerhin haben wir Respekt vor dem Alter – solange es sich um Rotwein und Antiquitäten handelt.«
Sehr witzig. Klaus-Dieter war Anfang fünfzig, ein rotgesichtiger, korpulenter Mann, der ein ausgeprägtes Talent besaß, sich zur Wurst zu machen. Zur Feier des Tages trug er einen zu engen schwarzen Anzug und eine schwarze Krawatte. Er sah aus, als wäre er im Konfirmationsanzug zu einer Beerdigung angetreten.
Und war es das nicht auch, eine Beerdigung? Jedenfalls taten alle so, als ob Elisabeth Schliemann schon mit einem Bein im Grab stünde. Brüllten ihr ständig was ins Ohr, obwohl sie überhaupt nicht schwerhörig war. Erkundigten sich besorgt nach ihrem Gesundheitszustand, obwohl sie sich mopsfidel fühlte. Und dann diese Kindergartensprache, als sei das Hirn spätestens mit sechzig im Dämmermodus. Aber am schlimmsten war der Versuch, ihr Alter auf die lustige Tour zu kommentieren.
In Klaus-Dieters glasigen Augen sah man die Distanzlosigkeit eines Mannes, der zu viel Prosecco und zu wenig Grips im Kopf hatte. Offenbar war er fest entschlossen, die Rolle des Partykrachers zu spielen. »Kommt eine Frau zum Arzt: Herr Doktor, wie alt kann ich werden? Fragt der Arzt: Rauchen Sie? Nein, antwortet die Frau. Trinken Sie? Nein. Männergeschichten? Niemals! Sagt der Arzt: Wieso wollen Sie dann alt werden?«
Wieherndes Gelächter fegte über die Kaffeetafel. Die Gäste, neben ein paar Verwandten allesamt Freunde von Elisabeths Töchtern und Schwiegersöhnen, klopften sich auf die Schenkel. Schon klar, dachte Elisabeth. Für euch bin ich scheintot. Die überflüssige Alte mit dem Ticket für den Friedhof.
Ihr Groll steigerte sich unaufhörlich. Warum war keiner auf die Idee gekommen, ihre alte Schulfreundin Heidemarie einzuladen? Oder wenigstens ein paar Bekannte aus ihrer Wandergruppe? Nie hatte sie sich so einsam gefühlt wie in dieser angeheiterten Gästeschar, die sie deutlich spüren ließ, dass sie zwar der Ehrengast war, aber schon lange nicht mehr richtig dazugehörte.
Seufzend betrachtete sie die silberne Siebzig, die direkt vor ihrer Nase in einem scheußlichen Strauß gelber Chrysanthemen steckte. Dann wanderte ihr Blick durch das Lokal. Es war im altdeutschen Landhausstil eingerichtet – ausgeblichene Gobelinsessel, vergilbte Häkelgardinen, nachgemachte Petroleumlampen. Als ob dieses Museum des schlechten Geschmacks gerade richtig für eine Frau ihres Alters sei.
Wenigstens war Klaus-Dieter endlich mit seiner Rede fertig. Schwer atmend sank er auf den Stuhl gegenüber und sah Elisabeth erwartungsvoll an. Mit diesem fragenden Blick, den Männer nach dem Liebesakt aufsetzen: Na, wie war ich? Elisabeth schaute demonstrativ an ihm vorbei und fixierte die billige Pseudo-Petroleumlampe, die hinter seinem geröteten Gesicht von der Decke baumelte. Aber so leicht ließ sich Klaus-Dieter nicht ignorieren.
»Ein Knaller, meine Rede, was?«, grinste er breit. »Und das beste Geschenk kommt erst noch. Hat Suse es dir schon erzählt? Das mit dem Platz im Seniorenheim?«
Susanne, seine Frau und Elisabeths älteste Tochter, verpasste ihm einen unsanften Seitenhieb mit dem Ellenbogen. Um Gottes willen, falscher Text!, signalisierte ihr entsetzter Gesichtsausdruck.
Von einem Moment auf den anderen begann Elisabeths Herz wild zu klopfen. Krampfhaft umklammerte sie ihre Handtasche, bemüht, sich ihre aufsteigende Panik nicht anmerken zu lassen. »Seniorenheim? Wovon redest du?«
Klaus-Dieter schüttelte verlegen den Kopf, Susanne schwieg peinlich berührt. Elisabeths Älteste war eine attraktive Frau Ende vierzig, mit nussbraunem Pagenschnitt und lebhaften blauen Augen. Es war Elisabeth immer ein Rätsel gewesen, was ihre Tochter ausgerechnet an diesem unerträglichen Klaus-Dieter fand. Jegliche Farbe war inzwischen aus Susannes Gesicht gewichen. Schuldbewusst kniff sie die Lippen zusammen.
»Suse?« Elisabeths Stimme bebte vor Erregung. »Kannst du mir bitte mal erklären, was hier los ist?«
Plötzlich war es totenstill an der Geburtstagstafel. Alle Gäste verfolgten gespannt, was sich am Tischende abspielte, wo eine versteinerte Jubilarin sichtlich um Fassung rang.
Susanne räusperte sich. »Eigentlich wollten wir es dir erst morgen sagen. Na ja, was soll’s, jetzt weißt du es ja sowieso schon. Wir finden, dass du allmählich zu alt wirst, um allein zu leben. Ich meine, seit Papa tot ist …«
»… geht es mir blendend«, vervollständigte Elisabeth den Satz.
Das stimmte. Sie hatte ihren leicht tyrannischen Mann nie vermisst, seit der Himmel freundlicherweise beschlossen hatte, ihn eines Morgens nicht mehr aufwachen zu lassen. Walther war von Beruf Polizist und privat ein schwer zu ertragender Kontrollfreak gewesen. Ein Schnüffler vor dem Herrn, misstrauisch, pedantisch, bevormundend. Nach seinem Ableben war Elisabeth richtiggehend aufgeblüht. Sie wanderte, tanzte und belegte Kurse an der Volkshochschule. Über ihr Alter dachte sie selten nach. Warum auch? Sie fühlte sich großartig, ihr Verstand funktionierte einwandfrei. Es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen.
»Was heißt hier blendend?«, mischte sich Gabriele ein. Sie war hochblond, gertenschlank und ein Jahr jünger als Susanne, aber mindestens so patent und selbstbewusst wie ihre ältere Schwester. Nie um ein kesses Wort verlegen, riss sie die Diskussion an sich. »Stimmt, Mama, du bist noch ganz gut beieinander. Fragt sich nur, wie lange noch. Und dann? Wir haben alle unsere eigenen Familien. Wer soll für dich einkaufen, wenn du nicht mehr laufen kannst? Wer soll dir helfen, deine Wohnung in Ordnung zu halten? Und wenn du, äh, inkontinent wirst …«
»Schluss jetzt!«, schnitt Mara ihr das Wort ab. Elisabeths Nesthäkchen war die Einzige in diesem Töchtertrio, die so etwas wie Taktgefühl besaß. Aufgebracht blies sie sich eine rötlichblonde Locke aus der Stirn. »Es ist Mamas Geburtstag, schon vergessen? Solche Dinge sollten wir nicht bei einer Feier besprechen.«
Ein unangenehmes Schweigen legte sich über den Tisch. Nur eine Wespe, die taumelnd von Teller zu Teller flog, summte munter vor sich hin. Elisabeth war am Boden zerstört. Es war ein Komplott, ein mieses, feiges Komplott! Hinter ihrem Rücken wollte man über ihre Zukunft entscheiden. Aber da hatte sie auch noch ein Wörtchen mitzureden.
»Danke, Mara«, sagte sie leise. »Aber du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich hier in aller Gemütsruhe Sahnetorten verdrücke, wenn ich weiß, dass ihr mich klammheimlich ins Altersheim verfrachten wollt.«
»Seniorenresidenz«, verbesserte Susanne ihre Mutter. »Wir hatten dich schon seit längerem auf die Warteliste gesetzt. Und da gestern ein Insasse gest…, nun ja, jedenfalls wird eine Wohnung frei. Du wirst es lieben. Das volle Programm: Seniorentanz, Seniorenlesekreis, Seniorenteller. Ein wahres Paradies für die ältere Generation.«
Jedes Wort traf Elisabeth wie ein Boxhieb ins Sonnengeflecht. »Ich will aber nicht in so ein Heim, wo alle nur auf den Tod warten«, protestierte sie. »Dafür fühle ich mich einfach noch zu jung.«
Genau das richtige Stichwort für den ewig witzelnden Klaus-Dieter. »Falsch«, konterte er grinsend. »Auf die Resterampe kommt man schneller, als man denkt. Ein Mann ist so alt, wie er sich fühlt, eine Frau ist so alt, wie sie sich anfühlt!«
Keiner wagte, offen loszulachen, aber ein paar Gäste feixten verstohlen. Elisabeth reichte es. Diese Party war eine einzige Demütigung. Wütend sprang sie auf und marschierte schnurstracks zur Toilette, eisern bemüht, ihre Tränen zurückzuhalten. Glücklicherweise war der Vorraum der Damentoilette leer. Kraftlos stützte sie sich auf den Rand eines Waschbeckens und schaute in den Spiegel.
War sie wirklich fällig fürs Heim? Was sie sah, wirkte zwar nicht gerade taufrisch, aber alles andere als reif für die Resterampe. Frisch geföntes graues Haar umrahmte ihr Gesicht mit den ausdrucksvollen blauen Augen. Auf ihrer bemerkenswert glatten Haut hatte der Geburtstagsprosecco einen rosigen Schimmer hinterlassen. Ihr leichtes Übergewicht kaschierte sie geschickt mit einem rot-weiß gepunkteten Wickelkleid. Alles in Ordnung so weit. Nur, dass die anderen offenbar nichts weiter in ihr sahen als eine hilflose Greisin, die schnellstens entsorgt werden musste.
Traurig horchte Elisabeth auf das Gelächter aus dem Festsaal. Vermutlich schoss Klaus-Dieter gerade die nächste Pointe über alte Leute ab. Das war nicht ihre Party. Das war auch nicht ihre Welt. Und plötzlich wusste sie, was zu tun war.
* * *
Elisabeth machte sich nicht mal die Mühe, nach ihrem Mantel zu suchen. So, wie sie war, huschte sie nach draußen auf die Straße. Dort atmete sie erst einmal tief durch. Sollten die doch feiern, bis ihnen die Torte zu den Ohren herauskam. Ohne mich, dachte sie grimmig und winkte ein Taxi heran, das gerade um die Ecke bog. Es hatte kaum angehalten, als Elisabeth auch schon den hinteren Wagenschlag aufriss, sich auf den Rücksitz fallen ließ und knallend die Tür hinter sich zuschlug.
»Was ist?«, rief sie dem Fahrer zu. »Worauf warten Sie? So fahren Sie schon los!«
Seelenruhig drehte sich der Taxifahrer zu ihr um. »Nun mal langsam, junge Frau, wohin soll’s denn gehen?«
Erst jetzt sah Elisabeth, dass es ein älterer Herr war, mit schlohweißem Haar und einem Gesicht, in das ein zweifellos wechselvolles Leben tiefe Falten gegraben hatte. Neugierig musterte er die aufgewühlte alte Dame, auf deren Wangen sich hektische rote Flecken abzeichneten.
»Einfach losfahren«, zischte Elisabeth. »Hauptsache, weg von hier.«
»Haben Sie was angestellt?«, erkundigte sich der Fahrer belustigt. »Ladendiebstahl, Bankraub oder so was?«
Unruhig spähte Elisabeth zum Eingang des Lokals. Ob man ihr Verschwinden schon bemerkt hatte? Sie warf dem Mann einen drohenden Blick zu. »Wenn Sie jetzt nicht auf der Stelle losfahren, steige ich wieder aus.«
»Schon gut.« Brummelnd legte er den Gang ein. »Also Richtung Hauptsache-weg-von-hier. Wird sofort erledigt.«
Ohne weitere Vorwarnung schoss er mit einem Kavalierstart los und steuerte so rasant die nächste Kurve an, dass Elisabeth sich am Vordersitz festhalten musste, um nicht zur Seite geworfen zu werden. Wer auch immer dieser Mann war, er musste früher Rennfahrer gewesen sein. Hupend und blinkend raste er durch den dichten Verkehr, vollführte halsbrecherische Überholmanöver und rammte fast einen Bus, bevor er schließlich mit einer Vollbremsung zum Stehen kam.
»Und jetzt?«, fragte er, während er seinen Rückspiegel so einstellte, dass er Elisabeth sehen konnte.
Gute Frage. Leider hatte sie keinen blassen Schimmer, was sie antworten sollte. Zurück in ihre Wohnung wollte sie nicht. Die Aussicht, den Rest des Tages allein auf der Couch zu verbringen, war wenig verlockend. Was dann?
Ratlos zuckte sie mit den Schultern. »Irgendwohin. Haben Sie einen Vorschlag?«
Ein feines Lächeln glitt über das Gesicht des Fahrers. »Mit Verlaub, Sie sehen so aus, als ob Sie einen Schnaps gebrauchen könnten.«
Einen Schnaps? Elisabeth trank fast nie Alkohol. Der Prosecco, mit dem man auf ihren Geburtstag angestoßen hatte, war im Grunde schon zu viel des Guten gewesen. Ihr Kopf saß ziemlich wacklig auf den Schultern, ihre Knie fühlten sich an wie Zuckerwatte.
Wieder musste Elisabeth an die Feier denken. Bestimmt suchte man schon nach ihr. Eine Sekunde lang überlegte sie, ihr neues Handy aus der Tasche zu holen, um ihre Töchter anzurufen. Das Handy war ein Geburtstagsgeschenk von Susanne. Ein »Seniorenhandy« mit großen bunten Tasten. Es sah aus wie ein Spielzeug für Zweijährige. Bei der blauen Taste hatte Susanne ihre eigene Nummer eingespeichert, alles sollte angeblich kinderleicht sein. Schon deshalb hatte Elisabeth überhaupt keine Lust, das Handy zu benutzen.
Sie schluckte. »Hm, ich weiß nicht …«
»Verstehe.« Wieder lächelte der Fahrer. »Sie wissen nicht wohin, und Sie wissen nicht, was Sie wollen. Ist doch schon mal ein Anfang. Ich möchte ja nicht aufdringlich sein, aber ich könnte Sie in eine nette kleine Kneipe kutschieren, wir kippen einen zusammen, und dann bringe ich Sie nach Hause.«
Hui, der ging aber ran. Was sollte man davon halten? Unschlüssig beäugte Elisabeth das Gesicht des Mannes im Rückspiegel. Er wirkte völlig harmlos. Fast sogar sympathisch. Was hatte sie schon zu verlieren? Egal, wie jung sie sich fühlte, sie war definitiv nicht mehr in dem Alter, in dem sie unsittliche Übergriffe befürchten musste.
»Also gut«, lenkte sie ein. »Aber nur einen einzigen Schnaps. Und könnten Sie bitte etwas langsamer fahren? Mir ist jetzt schon ganz schlecht.«
»Zu Befehl, Lady.« Er salutierte scherzhaft. »Falls irgendwer hinter ihnen her war, haben wir ihn eh längst abgehängt.«
»Waren Sie mal Rennfahrer?«, platzte sie heraus.
»Nee, bei den Johannitern, Rettungswagen. Da lernt man so einiges. Erste Hilfe zum Beispiel.«
»Aha.« Nun musste auch Elisabeth lächeln. »Ihre Erfahrungen mit Erster Hilfe scheinen sich vor allem auf hochprozentige Getränke zu beziehen.«
»Ist nicht die schlechteste Rettungsmaßnahme«, erwiderte der Taxifahrer lässig, während er den Wagen wieder in Bewegung setzte. »Man kann Sorgen zwar nicht in Alkohol ertränken, aber man kann sie wenigstens drin schwimmen lassen.«
Was Alkohol betraf, hatte Elisabeth nicht mal das Seepferdchen. Dafür aber mehr Sorgen, als irgendwer gebrauchen konnte. Altersheim, hämmerte es in ihrem Kopf. Meine eigenen Kinder wollen mich loswerden. Sie unterdrückte ein Schluchzen. Was sollte sie bloß tun? Auf keinen Fall würde sie in so eine dämliche Seniorenresidenz ziehen, nur weil gerade irgendwer gestorben war.
Zehn Minuten später hielt das Taxi vor einer Kneipe, über der ein grell blinkendes Neonschild verkündete, man kehre hier »Bei Inge« ein. Das Haus sah heruntergekommen aus, von der Kneipentür blätterte die Farbe ab. Noch vor einer Stunde hätte Elisabeth geschworen, dass sie niemals solch einen billigen Schuppen betreten würde.
Der Fahrer stieg aus, umrundete den Wagen und hielt Elisabeth ritterlich den Schlag auf. »Benno«, sagte er und streckte ihr die Hand hin. »Kannst ruhig du zu mir sagen. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Noch vor einer Stunde hätte Elisabeth ebenfalls geschworen, niemals einen Wildfremden zu duzen.
»Lissy«, antwortete sie. »Danke, Benno. Du bist ein echter Gentleman. Das Vergnügen ist ganz meinerseits.«
»Also gut, Lissy, dann mal rein in die gute Stube.«
Die Kneipe erwies sich als eine schummrige, aber gemütliche Angelegenheit. In dem winzigen Schankraum drängten sich ein paar blankgeschrubbte Holztische, an den dunkel getäfelten Wänden hingen alte Blechschilder. Dominiert wurde das Ganze von einem Tresen, hinter dem eine mittelalte, rothaarige Frau residierte. Sie war in schwarzes Leder gekleidet.
»Hi Benno«, begrüßte sie Elisabeths Begleiter. »Haste etwa heute ’ne Eroberung dabei?«
»Das ist Lissy, und wir brauchen einen Schnaps«, erwiderte er knapp. »Am besten, einen Klaren.«
Sie setzten sich an einen der Tische. Mittlerweile war Elisabeth nicht mehr so sicher, ob dieser kleine Ausflug eine gute Idee gewesen war. Was tat sie eigentlich hier? Hatte sie komplett den Verstand verloren? Am besten, sie machte sich aus dem Staub, bevor es peinlich wurde.
Aber schon kam Inge hinter dem Tresen hervor, mit wiegenden Hüften und einem Tablett, auf dem zwei beängstigend große Gläser mit einer durchsichtigen Flüssigkeit standen. Die hautenge Ledermontur betonte die üppigen Kurven der Wirtin. Auf ihrem Dekolleté baumelte ein blutroter Herzanhänger.
»Wohl bekomm’s«, sagte sie und stellte die Gläser auf den Tisch. Aufmunternd lächelte sie Elisabeth zu, wobei sie einen silbernen Eckzahn entblößte. Dann wogte sie hinter den Tresen zurück.
»Ex«, befahl Benno. »Sonst kriegt man das Zeug nicht runter.« Er hob sein Glas und prostete Elisabeth zu. »Auf dich!«
Sie verzog den Mund. »Hm, ich glaube …«
»Nich lang schnacken, Kopf in’n Nacken!« Benno setzte das Glas an und trank es in einem Zug aus. »Jetzt bist du dran.«
»Also schön. Aber beschwer dich bitte nicht, wenn du mich liegend nach Hause transportieren musst. Ich vertrage nämlich nichts.«
Todesmutig stürzte Elisabeth das Getränk hinunter. Es brannte fürchterlich in der Kehle, verätzte ihre Magenwände und trieb ihr heiße Tränen in die Augen. Hustend stellte sie das Glas auf den Tisch zurück. Dabei bemerkte sie, dass sie mittlerweile ernsthafte Probleme mit der Feinmotorik hatte. Nicht gut. Gar nicht gut. Zeit, zu gehen!
»Hast dir einen Supertypen angelacht«, rief ihr Inge vom Tresen aus zu. »Benno ist ein Brenner, und das Beste ist: Er kann kochen! Italienisch! Wenn du seine Pasta isst, machst du ihm garantiert einen Heiratsantrag.«
»Danke für den Tipp.« Elisabeth reichte es. Sie kramte ihr Portemonnaie heraus. »Ich muss los. Und ich bezahle, keine Widerrede. Heute ist nämlich mein Geburtstag.«
»Ach nee.« Benno kniff die Augen zusammen. »Dann alles Gute zum Vierzigsten.«
Das war natürlich ein völlig übertriebenes Kompliment. Bei jedem anderen hätte Elisabeth die Nase gerümpft über so viel Schmierlappigkeit. Aber Benno konnte man es einfach nicht übelnehmen.
»Sehr nett, vielen Dank. Schade nur, dass meine Töchter so tun, als wäre ich mindestens hundert. Für die bin ich ein Grufti.«
Benno schien keine Mühe zu haben, eins und eins zusammenzuzählen. »Dann bist du also vor deinen Töchtern geflohen?«
Verblüfft über so viel Geistesgegenwart, starrte Elisabeth ihn an. »Volltreffer.«
»Aber das ist doch noch nicht alles, oder?«, fragte Benno.
Jetzt brach es aus Elisabeth heraus wie Lava aus einem Vulkan. Alles erzählte sie, von der lieblosen Feier bis zu Klaus-Dieters geschmacklosen Sprüchen. Von ihrer Enttäuschung, ihrem Zorn, von dem hinterhältigen Seniorenheim-Plan. Zwei Schnäpse und eine halbe Stunde später ging es ihr wesentlich besser. Benno hatte aufmerksam zugehört, sie nicht ein einziges Mal unterbrochen. Es tat gut, jemandem sein Herz auszuschütten. Dummerweise hatte sich Elisabeth währenddessen dermaßen zugeschüttet, dass sich alles um sie drehte.
»Ich glaubich mussma wirglllich los«, presste sie mit dem letzten Rest Contenance hervor. Sie drehte sich zum Tresen um, wo Inge mit stoischer Ruhe Biergläser polierte. »Die Rechnnnung, bidde!«
»Geht aufs Haus, Geburtstagskind«, widersprach die Wirtin. »Kannst jederzeit wiederkommen und dich revanchieren.«
»Du musst was essen«, befahl Benno. »Ich gehe jetzt in die Küche und koche Spaghetti für dich.«
Dieser Satz war das Letzte, woran sich Elisabeth erinnerte, als sie Minuten, vielleicht auch Stunden später von einem messerscharfen Schmerz geweckt wurde. Und von etwas, das wie »Schnell, einen Krankenwagen« klang.
»Binnich krank«, murmelte sie matt.
Unter größter Anstrengung öffnete sie die Lider und blinzelte in grelles Licht. Eigentümlich verdreht lag sie im Hausflur, direkt vor ihrer Wohnungstür. Ihre rechte Hüfte schmerzte so stark, dass ihr sofort wieder schwarz vor Augen wurde. Als sie das nächste Mal erwachte, beugte sich ein Sanitäter in einer feuerroten Jacke über sie.
»Oberschenkelhalsbruch, schätze ich«, sagte er dumpf.
Neben ihm kniete Frau Wollersheim, Elisabeths Nachbarin, im rosa Frotteebademantel und mit schreckgeweiteten Augen. »Frau Schliemann! Hören Sie mich?«
»Binnich schwerhöhrich«, murmelte Elisabeth mit schwerer Zunge. »Wieso’n denkn alle …«
»Hat ganz schön geladen, die Dame«, grinste der Sanitäter.
»O Gott, was ist denn nur passiert?« Frau Wollersheim war außer sich. »Frau Schliemann, haben Sie die Telefonnummern Ihrer Töchter dabei?«
Fahrig wühlte Elisabeth in ihrer Handtasche, angelte das Seniorenhandy heraus und drückte auf den blauen Knopf. »Suuuse? Jaaa-ch binnns. Hicks. Nu regdich malbiddenich auf. Die brinnng mich jetzt ins, hicks, Dings, na, Krannngenhaus.«
Eine wütende Welle aus Fragen und Vorwürfen quoll aus dem Handy. Elisabeth reichte es dem Sanitäter. »Sagense netterweise, wohinnse mich fahrn?«
Es war vernünftig, was sie tat. In Anbetracht ihres Zustandes war es sogar überraschend vernünftig. Und der schrecklichste Fehler ihres Lebens. Das dämmerte ihr allerdings erst, als sie am nächsten Morgen erwachte, in einem Krankenhausbett, umringt von ihren drei Töchtern.
»Was hast du dir bloß dabei gedacht?«, fauchte Susanne, kaum dass Elisabeth zu sich gekommen war.
Gabriele stemmte die Hände in die Hüften. »Und wie du riechst, ekelhaft, wie eine ganze Kneipe!«
Nur Mara fragte mitfühlend, wie es ihr gehe. Elisabeth hatte keine Antwort darauf. Sie war völlig benommen von dem Medikamentencocktail, der durch einen Infusionsschlauch in ihren Arm floss. Vor ihren Augen verschwammen die Gesichter der drei Frauen zu einem bunten Aquarell.
»Fassen wir mal zusammen«, hörte sie wie aus weiter Ferne Susannes resolute Stimme. »Erst verlässt sie heimlich ihre eigene Geburtstagsparty, dann betrinkt sie sich, und nun hat sie auch noch einen Oberschenkelhalsbruch. Mama ist orientierungslos, nicht mehr zurechnungsfähig und wird nach menschlichem Ermessen für immer gehbehindert sein. Ich weiß nicht, was ihr denkt, aber meiner Meinung nach sollte sie vom Krankenhaus direkt ins Seniorenheim ziehen.«
»Nein, nein, nein!«, rief Elisabeth verzweifelt. »Es war alles ganz anders. Ich will in meiner Wohnung bleiben, hört ihr?«
Niemand antwortete. Alles, was sie wahrnahm, war konspiratives Gemurmel, das wie eine Gewitterwolke über ihr schwebte.
Es gibt eben Tage, die man aus dem Kalender streichen sollte. Doch dieser siebzigste Geburtstag ließ sich weder löschen noch würde ihn Elisabeth jemals vergessen. Denn es war der Tag, an dem ein missgünstiges Schicksal und drei wild entschlossene Töchter ihr die Freiheit raubten.
Das Leben war wunderbar, wenn man fliegen konnte. Elisabeth schwebte mit der Anmut einer Schwalbe über der besonnten Küste. Das Meer glitzerte, ein Blütenhauch streifte sie, und sie ging etwas tiefer, um auf einem Oleanderbusch zu verweilen. Im Handumdrehen wechselte sie die Gestalt, setzte einen Sonnenhut aus gelbem Stroh auf und schlenderte über die Strandpromenade, vorbei an Eisverkäufern und spielenden Kindern. Sie war erfüllt von der Leichtigkeit des Seins, von einer unbändigen Lebenslust. Am liebsten hätte sie getanzt.
Warum eigentlich nicht? Ein Orchester stimmte schon seine Instrumente, ein überwältigend gut aussehender Kavalier in einem hellen Sommeranzug verbeugte sich vor ihr, umfasste zart ihre Taille, und sie tanzten mit bloßen Füßen im Sand. Er roch gut, dieser Herr. Elisabeth schmiegte sich in seine Arme, fasziniert von dem kleinen Menjoubärtchen auf seiner Oberlippe. Cha-Cha-Cha! Seine locker gebundene, rot-weiß gepunktete Fliege tanzte im Rhythmus der unwiderstehlichen Musik, machte sich selbständig und flatterte davon, bevor …
»Hallo, aufwachen.«
Eine weibliche Stimme. Sie kam aus einer anderen Welt. Langsam, ganz langsam kehrte Elisabeth in die Realität zurück. Ihr Körper fühlte sich plötzlich bleischwer an, vor ihren Augen tanzten zuckende Sterne. Was auch immer die Ärzte ihr hier verabreichten, die Medikamente versetzten sie in einen Drogenrausch, der sich gewaschen hatte. Oder war das etwa schon das Ende des berühmten Tunnels gewesen, den Sterbende beschreiben, nachdem man sie ins Leben zurückgeholt hat? Ein paradiesisches Jenseits, hell und heiter, mit Blumen und Musik?
»Wer stört meine Totenruhe?«, murmelte sie.
»Ich bin’s, Schwester Klara. Übrigens, Frau Schliemann, Sie sind nicht tot.«
»Dann wecken Sie mich erst wieder auf, wenn ich’s bin.« Elisabeth wollte weiterschlafen, weiterträumen, von Sonne, von südlichen Stränden und einem unwiderstehlichen Kavalier.
»Nee, nee, Frau Schliemann, Zeit für die Untersuchung.«
Diesmal war es eine männliche Stimme. Widerstrebend schlug Elisabeth die Augen auf. Neben Schwester Klara stand Dr. Weber, ein junger, tiefgebräunter Arzt, der ungeduldig auf seine Armbanduhr schaute. Seit der Operation untersuchte er sie täglich. Seiner Miene nach zu urteilen, war er allerdings nicht gerade begeistert von Elisabeths Genesungsfortschritten.
Sie zog die Bettdecke ein Stück zur Seite. Der Mediziner streifte sich Latexhandschuhe über, tastete konzentriert ihre rechte Hüftgegend ab, dann richtete er sich auf. »Sie werden einen Rollstuhl brauchen, Ihre Töchter haben sich schon darum gekümmert.«
»Einen Rollstuhl.« Elisabeths Stimme wurde brüchig. »Aber – aber Sie haben doch gesagt, dass ich bald wieder laufen kann.«
»Hat leider nicht geklappt«, sagte der Arzt, während er die Latexhandschuhe auszog und auf den Nachtschrank warf. »Tja, aus einem ramponierten Oldtimer kann selbst ich keinen Porsche mehr zaubern.«
»Ist das etwa Ihre Art, mich aufzuheitern?«
Dr. Weber verschränkte die Arme vor seinem blütenweißen Arztkittel und setzte ein verschmitztes Grinsen auf. »Alte Leute sind wie alte Autos – etwas undicht, geben komische Geräusche von sich und sind nun mal nicht die schnellsten.«
Er war der Einzige im Zimmer, der herzhaft über diese Bemerkung lachte. Wieder sah er auf seine Armbanduhr, einen chromblinkenden Chronometer, der sicher ein Vermögen gekostet hatte. »Ich habe in den vergangenen zwei Wochen getan, was möglich war. Länger können wir Sie nicht hierbehalten. Bis elf Uhr muss das Zimmer geräumt sein.«
Jetzt war Elisabeth hellwach. »Das heißt, ich bin – entlassen?«
Der Arzt nickte, mit diesem unverbindlichen Wird-schon-wieder-Blick. »Alles Gute. Probieren Sie’s mit ein bisschen Gymnastik. Könnte helfen.« Und schon war er verschwunden.
So ein gefühlloser Kerl. Elisabeth hätte ihm gern eine Standpauke gehalten, über den hippokratischen Eid und ein paar andere Dinge, die der Arztberuf ihrer Meinung nach mit sich brachte. Eine Portion Menschlichkeit zum Beispiel. Aber Dr. Weber gehörte offenbar zu der Sorte Medizinern, die sich mit den gebrochenen Knochen anderer Leute nur beschäftigten, um das Ferienhaus im Süden zu finanzieren. Jedenfalls hatte er bei seinen Visiten mehr Worte über seine dämliche Finca auf Ibiza verloren als über Elisabeths Oberschenkelhals. Nun warf er sie auch noch in hohem Bogen raus.
»Und für den habe ich mir heute die Beine rasiert«, grollte Schwester Klara. »Gefühllos, aalglatt, ein echter Flegelfall. Wo andere ein Herz haben, hat der eine Tiefkühltruhe.« Ihr pausbäckiges Gesicht nahm einen kummervollen Ausdruck an. »Schade, dass Sie uns verlassen, Frau Schliemann. Aber Sie freuen sich bestimmt, dass Sie wieder nach Hause dürfen, oder?«
»Sicher, ich freue mich«, antwortete Elisabeth matt.
Dabei hatte sie Angst, richtig Angst, zum ersten Mal in ihrem Leben. Solange sie im Krankenhaus war, musste sie sich keine Gedanken über die Zukunft machen. Aber heute war die Schonfrist jäh beendet. Und nun?
Sie fühlte sich wie aus dem Nest geschubst. Fröstelnd sah sie sich in dem weiß-getünchten Einzelzimmer um. Zwei Wochen hatte sie hier zugebracht. Zwei lange Wochen, in denen immer mal wieder Besuch hereingeschneit war: ihre Töchter, ihre Enkelkinder, sogar zwei, drei Bekannte aus der Wandergruppe. Alle hatten ihr versichert, sie sehe prächtig aus. Alle hatten Blumen mitgebracht, der Tisch am Fenster bog sich unter Sträußen, die in billigen Krankenhaus-Vasen aus Plastik steckten. Und alle hatten die Patientin im Unklaren darüber gelassen, wie es weitergehen würde.
Mehrfach hatte Elisabeth ihre Töchter beschworen, sie unter keinen Umständen in das Seniorenheim zu verfrachten. Die Reaktion war immer die gleiche gewesen: unbestimmtes Lächeln, vage Ausflüchte, beruhigendes Schultertätscheln.
Das Frühstück, das Schwester Klara wenig später brachte, kam Elisabeth vor wie eine Henkersmahlzeit. Der Appetit war ihr gehörig vergangen. Sie nahm nur einen Schluck von dem dünnen, lauwarmen Pfefferminztee. Beklommen sah sie der Schwester zu, die damit begonnen hatte, den Nachtschrank auszuräumen. Klara war ein Engel in Hellblau, immer freundlich, immer geduldig, mit einem eigenwilligen Humor. Manchmal hatten sie zusammen gekichert wie Teenager. Dann hatte Elisabeth fast vergessen, in welch misslicher Lage sie sich befand.
»Sie werden mir fehlen, Schwester Klara«, sagte sie, während sie den schwenkbaren Tisch mit dem Frühstückstablett von sich schob. »Ehrlich.«
Die Krankenschwester angelte sich einen Becher Joghurt vom Tablett. »Och, ich war doch nur Ihr Pausenclown. Sie haben Ihre Familie und bestimmt auch ganz viele Freunde.« Sie riss den Deckel auf und leckte ihn ab, bevor sie den Joghurt genussvoll auslöffelte.
»Das Problem in meinem Alter ist, dass einem die Freunde wegsterben«, seufzte Elisabeth. »Und wenn sie noch leben, erkennen sie einen nicht wieder.«
»Na, immerhin haben Sie drei Töchter.«
»Die haben ihr eigenes Leben, Mann, Kind, Beruf. Susanne arbeitet bei einem Steuerberater, Gabriele ist Maklerin, Mara ist der kreative Kopf einer Werbeagentur. Außerdem wissen sie alles besser und würden mich am liebsten ins Altersheim abschieben. Ohne mich. Ich werde es allein hinkriegen.«
»Ganz bestimmt.« Schwester Klara holte einen kleinen Zettel aus ihrem Kittel, kritzelte etwas darauf und reichte ihn Elisabeth. »Das ist meine Telefonnummer, falls Sie Hilfe brauchen. Einkaufen, duschen oder so was. Ich verdiene mir ein bisschen nebenher damit.«
»Danke, Sie sind ein Schatz.« Elisabeth faltete den Zettel zusammen und ließ ihn in ihre Handtasche auf dem Nachttisch fallen. »Könnten Sie mir bitte beim Anziehen helfen? Im Schrank müssten meine Sachen sein.«
Schwester Klara ging zum Wandschrank und holte das rot-weiß gepunktete Kleid heraus. Bewundernd hielt sie es hoch. »Alter Falter! Ich finde es super, dass Sie sich noch so modisch anziehen.«
»Nun ja, ich hab’s nicht so mit Stützstrumpf-Beige«, erwiderte Elisabeth mit einem gewissen Stolz.
In der Tat sah es in ihrem Kleiderschrank zu Hause ausgesprochen farbenfroh aus. Sie hatte nie verstanden, warum sich Menschen ab sechzig in sandfarbenen Freizeitjacken und steingrauen Popelinemänteln unsichtbar machten. So wie ihr Mann Walther. Beim Anblick des Kleides wurde ihr jedoch heiß und kalt. Unversehens war alles wieder da. Die unterirdische Geburtstagsfeier. Ihre Flucht. Ihr feuchtfröhlicher Ausflug mit – wie hieß er noch? Bernd? Bodo? Sie kam einfach nicht auf den Namen. Damit hatte jedenfalls alles angefangen. Was hatte sie sich da bloß eingebrockt?
Halte durch, sprach sie sich Mut zu. Du schaffst das schon. Komm erst mal auf die Beine. Fragte sich nur, wie. Allein das Anziehen war eine Tortur, obwohl Schwester Klara ihr geschickt half. Von gehen, laufen oder gar tanzen konnte überhaupt keine Rede sein. Sie hatte einen schlechtverheilten Oberschenkelhalsbruch und nach zwei Wochen Bettruhe den Muskeltonus verkochter Spaghetti. Fit war was anderes.
Plötzlich ging alles ganz schnell. Susanne erschien, einen Rollstuhl vor sich herschiebend. In Windeseile packte sie Elisabeths Sachen zusammen und hievte ihre Mutter mit Hilfe von Schwester Klara in den Rollstuhl. Währenddessen plauderte Susanne unablässig über das Wetter, über die Grippe-Epidemie im Büro und darüber, ob man möglicherweise den einen oder anderen Blumenstrauß mitnehmen sollte.
»Du hast es also gewusst«, unterbrach Elisabeth den Redefluss. »Dass ich heute entlassen werde. Und mir kein Sterbenswort gesagt?«
»Es kam – unverhofft.«
Eine glatte Lüge, das wussten sie beide.
»Suse«, Elisabeth klammerte sich so fest an die Griffe des Rollstuhls, dass ihre Knöchel weiß hervortraten, »wohin bringst du mich?«
Ihre Tochter zwinkerte nervös. Sie trug einen gutgeschnittenen grauen Hosenanzug, ihr nussbrauner Pagenkopf war perfekt frisiert. Nur ihr Lächeln wirkte irgendwie schief.
»Du wirst es lieben, versprochen. Dort wird man sich bestens um dich kümmern.«
»Dort …?« Fragend hob Elisabeth die Augenbrauen.
»Schwester Klara, würden Sie uns bitte allein lassen?«, bat Susanne.
Die Krankenschwester nickte. Auf ihren Zügen malte sich pures Mitleid. »Alles Gute, Frau Schliemann.«
»Nehmen Sie bitte einen Blumenstrauß mit, den größten«, sagte Elisabeth. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll.«
Schwester Klara schüttelte traurig den Kopf. »Nein, nein, die Blumen sind doch für Sie. Alles Gute noch mal. Passen Sie auf sich auf. Und melden Sie sich, wenn Sie etwas brauchen, ja? Sie sind mir wirklich ans Herz gewachsen, wissen Sie …«
Unschlüssig blieb sie stehen, so als wollte sie noch etwas sagen. Aber nach einem kurzen Blickwechsel mit Susanne drückte sie Elisabeth nur die Hand und lief hinaus. Sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, kühlte die Stimmung merklich ab.
»Eine allzu redselige Person«, befand Susanne. »Für wen hält die sich? Aber du hättest sie wohl am liebsten adoptiert, was?«
»Suse, sieh mich bitte an. Du bringst mich doch nach Hause, oder?«
»Wozu? Die Seniorenresidenz ist erstklassig«, sprudelte Susanne los. »Wir haben deinen Krempel ausgemistet, den Umzug organisiert, alles eingeräumt, die Gardinen aufgehängt, ein orthopädisches Bett besorgt, ehrlich, das war eine Riesenarbeit, du solltest uns dankbar sein.«
Die Worte prasselten auf Elisabeth nieder wie ein Eiswürfelschauer. »Nein«, protestierte sie. »Ich will in meine Wohnung!«
»Da sind Gabriele, Mara und ich ganz anderer Auffassung«, erwiderte Susanne. »Mama, sieh den Tatsachen ins Auge. Es ist das Beste so.«
»Für mich oder für euch?«, fragte Elisabeth scharf.
Susanne holte tief Luft. Zwischen ihren akkurat gezupften Augenbrauen erschien eine Zornesfalte. »Wie hat sich Madame das denn vorgestellt? Im vierten Stock ohne Fahrstuhl? In einer Wohnung, die so vollgestopft ist, dass man sich kaum darin bewegen kann, geschweige denn mit einem Rollstuhl?«
»Was heißt überhaupt ausgemistet?«, rief Elisabeth. »Ihr habt doch wohl nichts weggeworfen, oder?«
In diesem Moment steckte Gabriele den Kopf zur Tür herein, in Jeans und roter Lederjacke. »Beeilt euch mal ein bisschen. Ich habe ein behindertengerechtes Taxi bestellt, es wartet schon unten.«
Hinter ihr erschien Mara. »Draußen ist es kalt, man muss ihr eine Decke überlegen.«
»Sie braucht keine Decke, ich habe ihr einen Mantel mitgebracht«, widersprach Gabriele.
»Und was ist mit Schuhen? Sie hat ja nur Puschen an«, warf Susanne ein.
»Halt, stopp!« Mit all ihrer Willenskraft stemmte sich Elisabeth halb im Rollstuhl hoch. »Will vielleicht mal jemand hören, was ich möchte?«
Die drei verstummten überrascht.
»Ihr bringt mich sofort in meine Wohnung«, sagte Elisabeth mit tonloser Stimme. »Und dann holt ihr die Möbel zurück und den übrigen ›Krempel‹, wie ihr meine Sachen netterweise nennt. Aber dalli, wenn ich bitten darf.«
Susanne sah Gabriele an, Gabriele warf Mara einen unsicheren Blick zu, und Mara betrachtete eingehend die Spitzen ihrer Schlangenlederpumps, die sie zu einem eleganten schokoladenbraunen Kostüm trug.
»Also gut, ich sag’s ihr.« Gabriele straffte ihre Schultern. »Deine Wohnung ist schon neu vermietet, Mama. Der Bruder von Frau Wollersheim ist eingezogen. Ein echter Glücksfall. Normalerweise ist es nämlich gar nicht so einfach, auf die Schnelle einen Nachmieter zu finden.«
Elisabeth war wie vor den Kopf geschlagen. Meine Wohnung, dachte sie, während sich ihre Augen mit Tränen füllten, meine schöne Wohnung!
»Das werde ich euch nie verzeihen«, flüsterte sie. »Mein eigen Fleisch und Blut hintergeht mich. Und schickt mich ins Heim.«
Mara ging in die Hocke, beruhigend streichelte sie die Hände ihrer Mutter. »Schau es dir doch erst mal an. Ich finde es ganz, ganz toll. Wirklich.«
»So toll, dass du selbst einziehen würdest?«, fragte Elisabeth bitter. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Mutter, es ist ein Traum«, schwärmte Gabriele, die als Maklerin gewohnt war, ihren Kunden noch die schäbigste Hundehütte als Märchenschloss zu verkaufen. »Ein Neubau in Bestlage, ruhig, mit günstiger Verkehrsanbindung.«
»Und denk doch mal: Seniorenlesekreis, Seniorentanz, da bleibt kein Wunsch offen«, beteuerte Mara.
»Wie soll ich denn bitte schön tanzen in meinem Zustand?«, stieß Elisabeth hervor.
»Abmarsch«, befahl Susanne. »Diese Diskussion führt zu nichts.«
Und los ging’s über die endlosen Krankenhausflure, in denen es nach Bohnerwachs, Desinfektionsmitteln und Verzweiflung roch.
* * *
Die Seniorenresidenz Bellevue übertraf Elisabeths schlimmste Befürchtungen. Von außen hatte das mehrstöckige Gebäude gar nicht so übel ausgesehen mit seiner weißgestrichenen Fassade und den Balkonen, über denen rot-weiß gestreifte Sonnenmarkisen hingen. Doch sobald sie das Heim betreten hatten, fühlte sich Elisabeth wie im Wartezimmer von Doktor Tod. Überall in der zugigen, unpersönlichen Eingangshalle lungerten uralte Leute herum. Manche starrten apathisch vor sich hin, andere führten Selbstgespräche, ein paar begafften stumpf die Neuankömmlinge. Es war einfach trostlos. Und wie es roch! Dagegen waren die Krankenhausflure eine Parfümerie gewesen. Elisabeth witterte eine unheilvolle Mischung aus Hoffnungslosigkeit und Langeweile. Über weitere Aromen wollte sie lieber gar nicht erst nachdenken.
»Hey, super, da wären wir!«, sagte Susanne viel zu begeistert, um glaubwürdig zu sein. »Ich habe Bescheid gesagt, man erwartet uns schon.«
Gabriele und Mara schwiegen. Elisabeth stand unter Schock. Sie war ja selbst nicht mehr die Jüngste, hatte es jedoch immer vermieden, sich mit dem Thema Alter zu beschäftigen. Auch an den üblichen Seniorenbespaßungen hatte sie nie teilgenommen. Keine Kaffeefahrten. Keine bunten Nachmittage, bei denen man gutgläubigen Rentnern überteuerte Rheumadecken andrehte. Elisabeth hatte ein aktives, selbstbestimmtes Leben geführt. Jetzt war sie in einem deprimierenden Greisenreservat gelandet. Sie konnte kaum atmen, so schwer wurde es ihr ums Herz.
Eine ziemlich korpulente Dame in den Fünfzigern segelte auf sie zu. »Sie müssen Frau Schliemann sein. Ihre Töchter haben mir schon so viel von Ihnen erzählt! Ich bin Annette Fröhlich, die Direktorin. Herzlich willkommen.«
Frau Fröhlich trug ihr dunkelblondes Haar raspelkurz, ihr linkes Ohrläppchen zierte ein Ohrring aus bunten Plastikperlen. In der knallgelben Grobstrickjacke und ihrem blau-rosa geblümten Jeansrock wirkte sie eher wie eine Kindergärtnerin. Mit ausladenden Gesten zeigte sie auf den Eingangsbereich. »Und? Wie gefällt es Ihnen bei uns?«
Elisabeth betrachtete die abwaschbaren, türkisfarbenen Plastiksessel, den Empfangstresen, auf dem eine verstaubte Topfpflanze vor sich hin kümmerte, die klinisch weißen Raufaserwände, an denen scheußliche abstrakte Drucke hingen.
Sie seufzte. »Ich habe Tankstellen gesehen, die stilvoller eingerichtet waren.«
»Mama!« Susanne knetete verlegen ihre Hände. »Nichts für ungut, Frau Fröhlich, meine Mutter muss die neue Situation erst mal verarbeiten.«
»Ja, ja, das wird schon«, bekräftigte die Direktorin, völlig unbeeindruckt von Elisabeths katastrophaler Laune. »Ihr Appartement liegt im fünften Stock, nach Süden, Frau Schliemann. Jetzt beginnen die sonnigen Zeiten! Sie werden sich hier sehr wohlfühlen!«
Ein alter, kahlköpfiger Herr in einer grauen Strickweste schlurfte vorbei. Er streifte den Rollstuhl mit einem feindseligen Blick durch seine Hornbrille. »Schon wieder ein Rolli«, schimpfte er. »Dauernd fahren die einem in die Hacken. Könnten Sie vielleicht mal für die gehobene Klientel sorgen, die der Prospekt des Hauses versprochen hat, Frau Direktorin?«
»Einen wunderschönen guten Tag, Herr Martenstein«, rief die Heimleiterin übertrieben laut. Dann senkte sie die Stimme. »Ein netter Mann. Sie werden sich bestimmt anfreunden. Er war früher Oberstudiendirektor am Gymnasium. Überhaupt haben wir hier ein sehr gehobenes Publikum.«
In diesem Moment ertönte in einer Ecke des Empfangsbereichs erregtes Geschrei. Drei ältere Damen zankten sich, dass es nur so schepperte. Eine grell geschminkte Greisin in einem nachtschwarzen seidenen Morgenmantel löste sich aus der Gruppe und stolzierte laut fluchend in Richtung Empfangstresen. Als sie Elisabeth entdeckte, blieb sie stehen.
»Glückwunsch«, sagte sie spitz. »Sie haben die Eintrittskarte für ein unwürdiges Schauspiel gelöst.« Schrill auflachend raffte sie ihren Morgenrock zusammen und stürmte hinaus.
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Wo soll das enden, wenn es schon so anfängt?«
»Fräulein Fouquet war früher Opernsängerin«, erklärte die Direktorin. »Sie liebt das Drama. Kein Grund zur Beunruhigung.«
»Nur, dass wir uns richtig verstehen«, erwiderte Elisabeth eisig. »Das hier mache ich nur so lange mit, bis ich wieder laufen kann. Dann ziehe ich sofort aus. Klar so weit?«
Frau Fröhlich tauschte bedeutungsvolle Blicke mit Susanne, Gabriele und Mara. »Natürlich. Selbstverständlich.«
Dabei verstand sich von selbst, dass niemand im Ernst annahm, Elisabeth würde jemals wieder woanders wohnen als in der Seniorenresidenz Bellevue.
»Wir gehen dann mal nach oben«, beschloss Susanne. »Sobald meine Mutter in ihren eigenen vier Wänden ist, sieht die Welt schon ganz anders aus.«
Leider sah die Welt noch weit düsterer aus, als Elisabeth ihr Appartement in Augenschein nahm. Es war winzig. Ein Wohnklo mit Schlafnische. Nur ein Bruchteil ihrer Möbel hatte hineingepasst. Eine Schuhkommode blockierte den kleinen Vorflur. Im Wohnzimmer quetschten sich ihre rote Samtcouch, ihr Küchentisch nebst vier Stühlen, ein Bücherregal und ein Vitrinenschrank auf engstem Raum zusammen. Das Schlafzimmerchen, eine bessere Besenkammer, wurde fast völlig von einem monströsen orthopädischen Bett eingenommen – in allen möglichen Varianten elektrisch verstellbar, wie Susanne demonstrierte. Statt Elisabeths großem Kleiderschrank aus weißem Schleiflack stand ein hässlicher, schmaler Schrank aus Kunststoff in der Ecke. Schon ein erster flüchtiger Blick genügte, um festzustellen, dass nur zwei Bilder den Umzug überlebt hatten, dass jede Menge Garderobe verschwunden war, dass Bücher, Fotoalben, Geschirr, Nippes und tausend andere Dinge fehlten.
»Wo sind meine ganzen Sachen geblieben?«, fragte sie fassungslos.
»Ach, weißt du, bei eBay kann man heutzutage …«, begann Mara, doch Gabriele schnitt ihr das Wort ab. »Haben wir eingelagert. Bekommst du alles zurück, wenn du wieder ausziehst.«
Elisabeth glaubte ihr kein Wort. Aber sie war zu schwach, um weiter nachzuhaken. Überhaupt fühlte sie sich noch ziemlich wacklig. Nach den ereignislosen Tagen im Krankenhaus war das hier etwas viel auf einmal.
Mara öffnete den Kleiderschrank. »Wir haben ein bisschen aussortiert, die Tanzkleider wirst du ja nicht mehr brauchen. Und sieh doch, Papas Uniform ist auch noch da, als Erinnerungsstück.«
»Na toll«, sagte Elisabeth.
Ausgerechnet die dämliche Polizeiuniform. Als wollte sie täglich daran erinnert werden, wie Walther sie drangsaliert hatte.
»Tja, ich müsste dann mal los«, verkündete Susanne. »Mein Chef hat mir nur einen halben Tag freigegeben.«
Gabriele hüstelte. »Ich komme mit, bin schon spät dran mit meinem Kosmetiktermin.«
»In der Agentur warten sie längst auf mich«, sagte Mara. »Bevor ich gehe, bringe ich dich noch in den Speisesaal, Mama. Um zwölf gibt es Mittagessen, da kannst du gleich deine Mitbewohner kennenlernen.«
»Nichts da, ich esse hier, allein«, knurrte Elisabeth.
Was sie unten in der Eingangshalle gesehen hatte, reichte ihr vollauf. Sie wusste nicht, was schlimmer war: die leeren, völlig ausdruckslosen Gesichter oder die verbiesterten, zänkischen Gestalten.
Aber Mara hatte den Rollstuhl schon in Richtung Flur bugsiert. »Mach das Beste draus, Mama. Knüpf ein paar Kontakte. Das bringt dich auf andere Gedanken.«
Kontakte? In diesem Irrenhaus?
Innerlich kochend ließ sich Elisabeth zum Speisesaal fahren. Etwas anderes blieb ihr auch gar nicht übrig, sie konnte ja schlecht die Beine in die Hand nehmen und fliehen. Unablässig fragte sie sich, wie das alles hatte passieren können. Sicher, in ihrem Leben waren einige Klippen zu meistern gewesen, doch alles hatte sich immer zum Guten gefügt. Im Rückblick war ihre Vergangenheit nahezu perfekt. Bis auf die Tatsache, dass sie zur Gegenwart geführt hatte.