Andrea Heistinger • Alfred Grand
Biodünger
selber machen
Regenwurmhumus • Gründüngung • Kompost
Nur wenn wir Pflanzen als Ganzes wahrnehmen und die unsichtbaren Wurzeln mitdenken, können Pflanzen ertragreich wachsen.
© 2014 by Löwenzahn in der Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck
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Internet: www.loewenzahn.at
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ISBN 978-3-7066-2748-1
Umschlag- und Buchgestaltung sowie grafische Umsetzung: Judith Eberharter, Eine Augenweide, www.eine-augenweide.com
Fotografien:
André Giesemann: 90 li
Alfred Grand: 13 u, 14, 15, 19, 21, 22, 25, 28, 30, 31 o/li, 31 re, 38, 39, 40, 42, 43, 44, 45 re, 46 o, 46 m, 47 o, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 71, 74, 76, 79, 80 o, 81 re, 84, 86 u, 89, 91, 93 u, 94, 97, 98, 99, 100, 103, 104 o, 106, 107, 108, 111 o, 111 m, 112, 113, 116 u, 117, 118, 125, 132, 135, 139, 142 re, 146, 147 u, 149
Andrea Heistinger: 18, 23, 31 u/li, 34, 35 re, 36, 37, 41 u, 45 l, 46 u, 47 u, 49, 70, 72, 73, 75, 77, 80 u, 82, 83 o, 85, 86 o, 87, 90 re, 93 o, 93 m, 109, 110, 115, 116 o, 120, 124, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 133, 134, 140, 141, 142 l, 145
Doris Steinböck: Titelbild, 1, 8, 10, 13 o, 16, 17, 24, 27, 35 li, 41 o, 111 u, 150, 151, 152
René Roeschke: 12
Greenway Consulting CIC: 81 li, 83 u, 102, 104 u
Brigitte Vogl-Lukasser: 147 o
Zeichnungen:
Stefan Emmelmann: 20, 23, 24, 26, 88, 89, 90, 92, 99, 101, 103, 112, 116, 125
Katharina Heistinger: 55, 56, 57, 59, 63, 66, 134
Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.loewenzahn.at
Inhalt
Vorwort Alfred Grand
Vorwort Andrea Heistinger
Einleitung
Über dieses Buch
Biologisch düngen heißt, den Boden pflegen
Was ist Humus?
Ist mein Gartenboden fruchtbar?
Pflanzen können Nährstoffe aktiv aus dem Boden lösen
Wie kann man Regenwürmer im Boden fördern?
Wie, warum und welche Biodünger selbst herstellen
Warum Biodünger selbst herstellen?
Biodünger für jeden Anlass
Biodünger-Bestimmungsschlüssel
Welche Methode, Biodünger selbst herzustellen, ist für Sie die richtige?
Biodünger für neue Gärten
Biodünger für Wochenendhaus-Gärten
Biodünger für den Balkon
Welcher Biodünger ist für wen der richtige?
Wie viel Dünger für welche Pflanze?
Wie viel Dünger in welche Teile des Gartens?
Das Düngen des Gemüsegartens
Die Bodenuntersuchung
Düngen von Gemüse
Welche Wirkung haben die einzelnen Nährstoffe?
Den Boden hacken
Kompost und Wurmhumus als Dünger
Die Wirkung von Gründüngung
Düngen von Obstbäumen
Düngen von Rasen und Wiese
Düngen von Getreide im Garten
Düngen von Topfpflanzen
Regenwurmhumus – mehr als nur Dünger
Was Regenwurmhumus alles kann
Was Regenwurmhumus enthält
Wurmhumus als Torfersatz für Pflanzerden
Über den Regenwurm
Die verschiedenen Regenwürmer
Regenwurmarten
Drei verschiedene Regenwürmer – drei verschiedene Lebensweisen
Vom Körperbau der Regenwürmer
Wie Würmer atmen
Wie sich Regenwürmer paaren
Im Schutz des Kokons
Wie alt Regenwürmer werden
Wie sich Regenwürmer fortbewegen
Wie sich Regenwürmer in die Erde bohren
Wie der Regenwurm mit seiner Außenwelt kommuniziert: Die Sinnesorgane des Regenwurms
Die Verdauung des Regenwurms
Der Wurmhumus
Fressen – Verdauen – Ausscheiden
Johann Zaller – ein Ökologe erzählt über seine Forschungen zu Regenwürmern
Wurmkompostierung
Die Wurmkiste
Welche Größe soll eine Wurmkiste haben?
Was ein Kompostwurm zum Leben braucht
Die Wurmkompostierung starten
Das Futter der Kompostwürmer
Die Ernte des fertigen Wurmhumus
Aufbereiten des Wurmhumus
Lagerung von Wurmhumus über den Winter
Flüssigdünger ernten
Die verschiedenen Bauarten der Wurmkiste
Wurmkisten kaufen oder selber bauen
Fertige Systeme
Selbstbau-Systeme
Bauanleitung für eine Wurmkiste aus Holz
Kompostkisten für Schulen und Kindergärten
Kompostkisten für Gemeinschaftsgärten
Das 5-Sterne-Bewertungssystem für die Wurmkiste
Die Regenwurmkiste direkt im Hochbeet: Die Humusbox
Der Einbau der Humusbox ins Hochbeet
Die Humusbox im Sommer
Die Humusbox im Herbst
Die Humusbox im Winter
Die Humusbox im Garten
Die kleine Schwester der Humusbox: das Humusrohr
Hotbox und Wormbox – Heißrotte und Wurmkompostierung
Die Zutaten bei der Hotbox-Kompostierung
Die Hotbox befüllen
Die ideale Befüllung der Hotbox
Wenn etwas schiefläuft
Von der Hotbox in die Wormbox
Die Bauweise der Hotbox
Komposttee: Aktive Mikroorganismen
Was ist Komposttee?
Wie wirkt Komposttee?
Komposttee selber machen
Der klassische Komposthaufen: Die Heißrottekompostierung
Kompostieren, aber richtig
Der richtige Kompostplatz
Was kann verkompostiert werden?
Kompostzusätze und Impfmaterial
Das richtige „Aufsetzen“ der Kompostmiete
Kompostieren in Kompostern
Der Rotteprozess – was im Haufen vor sich geht
Umsetzen oder nicht?
Die arbeitssparende Kompostvariante
Fehlerquellen
Das Ausbringen des Kompostes
Unreifer Kompost
Helga Wagner – eine Kompost-Pionierin im Interview
Mulchen als Flächenkompost
Mulch düngt
Mulch unterdrückt Unkräuter
Mulch schützt den Boden vor der Sonne und hält die Feuchtigkeit im Boden
Mulch schafft einen Temperaturausgleich
Mulch reduziert den Gießaufwand
Mulch schützt vor Bodenerosion
Mulch hilft den Boden gesund zu halten
Mulch erleichtert die Arbeit
Eine kleine Mulch-Anleitung
Fruchtfolge
Fruchtfolgen aufschreiben
Einige Grundregeln der Fruchtfolge
Gründüngung
Wie die Gründüngung düngt
Einarbeiten der Gründüngung
Einige Grundregeln der Gründüngung
Der Anbau von Begrünungsmischungen
Selbstgefertigte Dünge-Pflanzenjauchen
Einfach zubereitet
Wie verwendet man Pflanzenjauchen?
Arthur Schnitzer – ein Bio-Pionier im Interview über Pflanzenjauchen
Biodünger kaufen: Bewertungs- und Auswahlkriterien
Einige Beispiele für organische Dünger
Über die Autoren
Weiters haben am Buch mitgewirkt
Verwendete und weiterführende Literatur
Weiterführende Informationen im Internet
Bezugsadressen
Vorwort von Alfred Grand
Warum jemand, der Biodünger verkauft, ein Buch darüber schreibt, wie man Biodünger selber machen kann
Das Wissen über die Vorgänge im Boden ist selbst unter Bauern und Bäuerinnen, die meist schon seit Generationen ihre Felder bewirtschaften, kaum vorhanden. Nur auf den Unis werden solche Themen angesprochen und abgehandelt, ebenso auf Vorträgen und Seminaren für Biobauern und -bäuerinnen. Ich erinnere mich noch, als ich Walter Wenzel bei einem Workshop kennenlernen durfte. Er ist Professor für Bodenschutz und Bodenmanagement an der Universität für Bodenkultur. Ich hatte vorher schon über Wurzelexsudate (also Substanzen, die die Pflanzen ins Erdreich abgeben) und deren Aufgabe in der Kommunikation und Ernährung des Bodenlebens gelesen. Ich war mir nicht sicher, ob das alles wahr sei (im Internet kann man ja so einiges lesen). Daher habe ich ihn gefragt, ob es denn stimmt, dass die Pflanze über die Wurzelsäfte mit dem Bodenleben kommuniziert. „Ja, natürlich funktioniert das so“, hat er gemeint, und in der Folge hat er mir noch viel mehr Interessantes über die Vorgänge erzählt. Aber warum ist dieses Wissen noch nicht bei den Bauern und Bäuerinnen angekommen? Ehrlich gesagt, ich kann diese Frage selbst nicht zur Gänze beantworten, aber ich glaube, es ist an der Zeit, selbst einen Beitrag zu leisten, dieses Wissen in das Bewusstsein aller Pflanzenfreunde zu bringen, egal ob Blumenkistelgärtner oder Großbauer. Es gibt Bestrebungen der Industrie, die dazu führen, dass den Menschen die Lebensmittelproduktion entgleitet. Ziel ist, Abhängigkeiten zu schaffen. Das vorliegende Buch soll helfen, die Unabhängigkeit des Einzelnen zu erhalten, um Lebensmittel selbst produzieren zu können, wenn man dies will oder braucht. Darum habe ich, gemeinsam mit Andrea Heistinger, dieses Buch geschrieben. Ein Buch, das praktische Anleitung sein soll, aber auch Inspiration! All die beschriebenen Vorgänge in der Natur sollen Bewusstsein schaffen für das vielfältige Leben rund um uns. Wir brauchen diese Vielfalt, egal ob es sich dabei um die Vielfalt an Kulturpflanzen handelt oder die Vielfalt an Bodenleben.
Ein Buch zu schreiben, war immer ein Traum von mir, eines dieser ominösen Lebensziele, die man sich selbst steckt. Die Idee dazu gab es ja bereits vor einiger Zeit, sie wurde wegen Zeitmangel wieder verworfen, und ohne das Engagement und die Zielstrebigkeit von Andrea Heistinger wäre dieses Buch nie entstanden. Mit ein wenig Druck und viel Verständnis hat sie es geschafft, mir alle Informationen zu entlocken, um daraus ein leicht zu lesendes und gleichzeitig informatives Buch zu verfassen. Sie ist für die meisten Formulierungen verantwortlich und hat Familie und Arbeit locker unter einen Hut gebracht, ohne den Überblick zu verlieren. Auch die Kommunikation mit dem Verlag hat sie zur Gänze übernommen, ich musste nur noch Inhalt und Fotos beisteuern! Ihr enormes Wissen, ihre Erfahrungen, ihre Kontakte, aber vor allem ihr Gespür für unser Thema waren sehr hilfreich! Danke Andrea, ohne dich wär's einfach nicht gegangen!
Umso mehr freut es mich, dass Sie dieses Buch jetzt in Ihren Händen halten, ich hoffe, das Lesen macht genauso viel Spaß wie das Schreiben!
Dass es überhaupt dazu gekommen ist, habe ich vielen Menschen zu verdanken. Neben all den Menschen, die mich inspiriert haben, vor allem meinen Eltern, die mich in fast allen Ideen unterstützt haben (außer darin, Motorradmechaniker zu werden!), und besonders meiner geliebten Frau Marion, die mich nicht nur immer, sondern speziell auch dann unterstützt, wenn mal nicht alles so läuft, wie Herr Grand sich das gerade vorstellt.
Auch unsere Freunde, Partner und Partnerinnen in Schottland, Marion Jess und Ronald Gilchrist von der Firma GREENWAY, deren Erfahrungen wir die Idee des Hotbox-Wormbox-Systems verdanken, seien hier erwähnt, sie sind wahre Freunde! Natürlich möchte ich mich auch beim Verlag und bei allen Menschen bedanken, die mitgeholfen haben, dass dieses Buch veröffentlicht werden konnte.
Ein besonderer Dank gilt meinem Geschäftspartner Leopold Fischer. Er sorgt dafür, dass der kaufmännische Teil unserer gemeinsamen Firma abgedeckt ist, dass ich mit jemandem die offenen Fragen diskutieren kann, und er gibt mir die Freiheit, das zu tun, was ich gern mache: erforschen und entwickeln, und mit den Händen bis zu den Ellbogen tief im Kompost, im Regenwurmhumus und in der Erde stecken!
Alfred Grand, Absdorf
Vorwort und Dank von Andrea Heistinger
Die Arbeit an diesem Buch war ein Geschenk. In vielerlei Hinsicht. Sich mit dem Thema Düngen zu beschäftigen, heißt, sich zu den Wurzeln der Pflanzen zu begeben. Oft habe ich mir während der Arbeiten an diesem Buch gewünscht, dass ich mit den Pflanzen sprechen und sie direkt fragen könnte, welches „Futter“ sie denn am liebsten hätten. Oder dass ich hören und sehen könnte, wie Wurzeln auf der Suche nach Wasser und Nährstoffen in den Boden eindringen. Diese Fähigkeit ist uns Menschen leider nicht gegeben. Oder doch? Vielleicht können wir es ein kleines bisschen lernen. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls gewonnen, als ich im Zuge des Recherchierens und Schreibens Menschen kennenlernen durfte, die sich in ihren Werken lange und intensiv mit dem Thema beschäftigt und sich eng mit der Lebensweise von Pflanzen verbunden haben. Etwa die wunderbare Arbeit von Lore Kutschera und Erwin Lichtenegger, die ihr Leben in sorgfältigster archäologischer Grabungsarbeit den Wurzeln der Pflanzen gewidmet haben und uns unzählige Zeichnungen von verschiedenen Wurzelsystemen überließen. Oder dem Wissenschaftler und Regenwurmforscher Johann Zaller, der sich als Ökologe mit dem Leben der Regenwürmer und ihren Ausscheidungen, dem Regenwurmhumus, beschäftigt. Oder Arthur Schnitzer, der sich seit vielen Jahrzehnten mit Pflanzenjauchen auseinandersetzt und meint, dass der „aktive“ Boden die beste Düngung ist. Oder Helga Wagner, die ihr Leben der Frage gewidmet hat, wie man feinsten Kompost aus dem Grünschnitt einer Großstadt erzeugen und wie man im Garten wirklich fruchtbaren Kompost produzieren kann.
Besonders bedanken möchte ich mich bei Alfred Grand. Für das Vertrauen, das er mir entgegengebracht hat, und für die angenehme Zusammenarbeit. Alfred Grand ist Biobauer und arbeitet seit vielen Jahren daran, wie man Regenwürmer so halten kann, dass wir ihre fruchtbaren Ausscheidungen ernten und Pflanzen damit düngen können. Dank seiner Arbeit gibt es nun Produkte – wie die von ihm entwickelte Wurmkiste „Meine kleine Farm“ –, mit deren Hilfe wirklich jeder Balkongärtner und jede Terrassengärtnerin die in der Küche anfallenden Blätter, Schalen, Kaffeesatz und andere organische „Abfälle“ in besten Dünger verwandeln kann. Alfred Grand ist Tüftler und Netzwerker. Er gibt sich mit einfachen Antworten nicht zufrieden und arbeitet doch ständig daran, komplexe Zusammenhänge in simple Anleitungen zu gießen. In den letzten 30 Jahren hat es immer wieder Menschen gegeben, die erkannt haben, wie wichtig Regenwürmer für die Fruchtbarkeit der Böden sind und dass man organische Abfälle mit ihrer Hilfe und mittels Wurmkisten in hochwertigen Dünger verwandeln kann. Doch so richtig breit Fuß gefasst hat diese Methode bislang nicht. Dank der Arbeit von Alfred Grand und seinem schottischen Partner Ron Gilchrist gibt es nun einfache und praktikable Systeme, die für jedermann und jederfrau handhabbar sind. Sie könnten – neben Kühlschrank, E-Herd und Geschirrspüler – zur Standardausstattung eines jeden Haushalts werden. Unmöglich, denken Sie? Ja, das dachten wohl auch die meisten Zeitgenossinnen und -genossen von Carl von Linde, der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine Erfindung auf die Welt brachte, die es möglich machte, ganzjährig aus Wasser Eis herzustellen, und der damit den Grundstein für unseren heutigen Kühlschrank legte.
In meinem Namen und im Namen von Alfred Grand: Herzlichen Dank an alle, die an diesem Buch mitgewirkt haben. An Anita Winkler und Dorothea Zanon vom Löwenzahn Verlag, mit dem ich nun schon seit über zehn Jahren verbunden bin. An die Grafikerin Judith Eberharter, die die Inhalte und Zusammenhänge des Themas so schön aufbereitet hat. An Stefan Emmelmann und Katharina Heistinger für ihre Zeichnungen. An Helga Wagner, Johann Zaller und Arthur Schnitzer für ihre wertvollen Beiträge.
Danke an meinen Mann Gebhard, der mich immer wieder bei den Arbeiten zum Buch unterstützt hat, an unsere Kinder Fortunat und Frederick, dass sie ihre Mutter mit den Büchern teilen, und an alle aus unserem Netzwerk, die uns dabei unterstützen, eine berufstätige Familie zu sein.
Andrea Heistinger, Schiltern
Alfred Grand kontrolliert seine Regenwürmer in der Produktionshalle für Regenwurmhumus.
Wie es kam, dass ich nicht Motorradmechaniker, sondern Biobauer wurde – eine persönliche Einleitung von Alfred Grand
Ich war gerade dabei, den zweiten Jahrgang der Weinbauschule in Klosterneuburg zum zweiten Mal negativ abzuschließen. Als mich meine verzweifelten Eltern fragten, was ich mit diesem Schulerfolg einmal werden möchte, war meine Antwort klar: Motorradmechaniker!
Ich bin ihnen heute noch dankbar, dass sie nach einem kurzen Tobsuchtsanfall weise und beharrlich genug waren, mich – Schulwechsel inklusive – weiterhin als Landwirt ausbilden zu lassen. In der Weinbauschule in Retz bin ich dann das erste Mal mit der Kompostierung, und auch mit der Idee der biologischen Landwirtschaft in Berührung gekommen. Bereits damals war ich von der cleveren Art der Biobauern begeistert, die viele Dinge aus einer ganz anderen Perspektive betrachteten als ihre konventionellen Kollegen.
Als ich Jahre später begann, einen Kompostplatz zu planen, wollte ich diesen so gestalten, dass ich die entstehende Wärme als Heizung nutzen konnte. Ich habe mich im damals gerade aufkommenden Internet nach Ideen umgesehen und bin immer wieder auf das Thema „Vermicomposting“ gestoßen. Dass es sich um die Kompostierung mit Hilfe von Regenwürmern handelte, wusste ich noch nicht, aber die Lobpreisungen des dabei entstehenden Regenwurmhumus machten mich neugierig. Ich besorgte mir Literatur aus den USA und machte mich an die Arbeit. Eine Wurmkiste war schnell gebaut und ein paar Regenwürmer konnte ich gleich auf der Wiese finden!
Drei Wochen später waren alle Würmer tot. Meine Recherche ergab: Ich hatte eine falsche Art von Regenwürmern verwendet.
Genau diese Recherchen waren es, die mich sozusagen immer tiefer in die „Erde“ gezogen haben, die mir den Kreislauf der Natur mit all seinen kleinen Wundern und in all seiner Perfektion näher brachten. Teil dieser Recherche war eine Reise nach Kalifornien im Jahr 1999. Wir hatten verschiedene Besuche auf Regenwurmfarmen vereinbart, unter anderem auch einen Termin bei einem Regenwurmspezialisten der hochangesehenen Universität Berkeley nahe San Francisco. Dort angekommen, zeigte man uns zwei vertrocknete Wurmkisten, die angeblich Teil eines aussichtsreichen Kleinversuchs gewesen waren. Da man uns die Enttäuschung anscheinend ansah, wurden wir noch zum Lunch in die Mensa der Universität gebeten. Während des Essens schwärmte uns der Wissenschaftler vor, wie man die Wurmkompostierung – die in den USA ja eigentlich nur eine Zucht von Regenwürmern für Angler ist – einsetzen könne, um Biomüll zu hochwertigem Dünger zu verarbeiten. Eine Maßnahme, die nicht nur verschiedene positive Auswirkungen auf die Umwelt habe, sondern eben auch ein hochwertiges Produkt hervorbringe, welches wiederum eine Reihe höchst positiver Eigenschaften besitze.
Super, da hatte sich die Reise nach Berkeley ja doch noch ausgezahlt. Diese Informationen waren sehr vielversprechend. Als wir mit unserem Essen fertig waren und die Reste zurückgeben wollten, kam die Ernüchterung: Keine Idee von Mülltrennung, der ganze Rest vom Lunch, das Plastikbesteck (inklusive Verpackung), Plastikteller, Plastikbecher und die Essensreste landeten in einem Behälter. Dem Wissenschaftler war das ziemlich peinlich, ein knappes „Leider sind wir noch nicht so weit“ war ihm noch zu entlocken.
Für uns stand fest: Die Wurmkompostierung hatte ihre Heimat viel eher in Europa, eigentlich in Österreich, das zu dieser Zeit in Hinblick auf getrennte Sammlung und Kompostierung der organischen Reste schon weit fortgeschritten war. Ich hatte ein klares Ziel: Ich wollte die Wurmkompostierung in Österreich und Europa etablieren!
In den nächsten Jahren versuchten wir, wie viele andere auch, unser Glück in Bodenmieten (direkt am Boden aufgebrachte flache Komposthaufen), die zwar prinzipiell funktionierten, aber leider kaum Regenwurmhumus für die Vermarktung hergaben. Versuche mit unterschiedlichen Systemen brachten nicht die Erfolge, die wir uns erwartet hatten, obwohl ich vom Konzept der Wurmkompostierung begeistert war.
Regenwurm und fertiger Wurmhumus.
Fertig abgepackter Regenwurmhumus.
Die Arbeit der Regenwürmer und des gesamten Bodenlebens überzeugte mich sogar so sehr, dass ich beschloss, unsere Landwirtschaft auf biologische Wirtschaftsweise umzustellen. Die Wurmkompostierung, die zu diesem Zeitpunkt (2006) noch als Teil des Bauernhofs betrieben wurde, war jedoch wenig produktiv und ich musste eine Entscheidung treffen.
Luzerneheu und Pferdemist werden gemeinsam kompostiert und dann den Würmern verfüttert.
Auch im großen Stil kann man Biodünger selber machen: Vor dem Weizen wuchs Luzerne auf dem Feld und erntete jede Menge Stickstoff aus der Luft.
So entwickelten wir unser eigenes, kontinuierlich arbeitendes Wurmkompostsystem. Das war der erste Schritt in Richtung einer professionellen Produktion. Dieses System, VERMIC genannt, ermöglichte es uns erstmals, größere Mengen in gleichbleibender Qualität zu erzeugen, ein echter Durchbruch, um Regenwurmhumus auch im Handel anbieten zu können. Durch die Ausgliederung der Düngerproduktion im Jahr 2010 in die VERMIGRAND Naturprodukte GmbH, die ich gemeinsam mit meinem Partner Leopold Fischer gegründet hatte, war es mir möglich, noch mehr Energie in die Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet zu stecken. Wir konnten VERMIC weiter verbessern. Und haben unser Produktionsverfahren als Lizenz mittlerweile in mehrere Länder in Europa und sogar nach Asien verkauft.
Ich habe 15 Jahre benötigt, um mir das Wissen und die Erfahrung anzueignen, hochwertigen Biodünger herzustellen. Je mehr ich mich mit Erde und Kompost beschäftige, desto mehr lerne ich dazu und dieses Wissen möchte ich weitergeben, um Ihnen zu zeigen, dass die Produktion von hochwertigen biologischen Lebensmitteln, sowohl in kleinem als auch in großem Stil möglich ist, und zwar auf nachhaltige Weise und ohne die Natur und Umwelt dabei zu verbrauchen. Leider wurde in den vergangenen Jahrzehnten wenig zu Fragen der biologischen Landwirtschaft geforscht. Aber dieser Trend kehrt sich um und die letzten zehn Jahre brachten bereits eine Vielzahl an Erkenntnissen, die uns helfen, sorgsam mit unseren Ressourcen, vor allem dem Boden umzugehen.
Ein Beispiel dafür ist der Weltagrarbericht. Diese Studie wurde von der FAO, der Food and Agriculture Organization der UNO, in Auftrag gegeben, über 400 Wissenschaftler aus 150 Ländern waren daran beteiligt. Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Langfristig wird es nicht möglich sein, die Weltbevölkerung mit Hilfe der industrialisierten Landwirtschaft zu ernähren. Die einzige Möglichkeit ist eine nachhaltige Bewirtschaftung, wie diese durch Biolandwirtschaft gewährleistet ist.
Die Umstellung auf eine biologische Bewirtschaftungsweise sieht man den Böden schon nach wenigen Jahren an. Die organischen Reste verschwinden rascher von der Oberfläche, die Aktivität des Bodenlebens kehrt zurück und die Pflanzen müssen wieder mehr mit dem Bodenleben kommunizieren, um alle notwendigen Nährstoffe zu mobilisieren und sich vor Krankheiten zu schützen (ja, auch dafür ist oft das Bodenleben zuständig). Dies bewirkt eine höhere Stresstoleranz und so zeigen die Bioäcker in schwierigen Jahren erst ihr Potential. Normal sagt man, dass konventionelle Äcker im Durchschnitt um 20 bis 25 Prozent höhere Erträge liefern. Wenn es aber über viele Wochen hinweg nicht regnet, es im Sommer besonders heiß ist, oder auch wenn es zu kalt ist und die Pflanzen nicht optimal weiterwachsen können – dann schrumpfen die Ertragsunterschiede zwischen Feldern, die intensiv mit Mineraldünger und Pestiziden behandelt werden, und solchen, die biologisch bewirtschaftet werden. Und immer öfter haben Biobauern die gleichen oder sogar höhere Erträge als ihre konventionellen Kollegen.
Wie kann das sein, fragen Sie?
Der Schlüssel liegt im Bodenleben. Dieses benötigt die Pflanze, um Nährstoffe – die zwar vorhanden, aber für die Pflanze nicht nutzbar sind – verfügbar zu machen. Die Pflanze bedient sich hier des Bodenlebens, versorgt und füttert es, und im Gegenzug mobilisiert das Bodenleben der Pflanze die benötigten Nährstoffe. Die Kommunikation erfolgt über die Wurzeln durch sogenannte Wurzelexsudate, also Substanzen, die die Wurzeln ins Erdreich abgeben.
Biobauern fördern Regenwürmer im Boden. Diese hinterlassen düngende Regenwurmhäufchen.
Wenn die Pflanze genug Nährstoffe verfügbar hat (zum Beispiel durch leicht lösliche Mineraldünger), reduziert sie die Zusammenarbeit mit dem Bodenleben. Macht Sie das über einen längeren Zeitraum (weil immer Mineraldünger in ausreichender Menge verfügbar ist), verkümmert das Bodenleben richtiggehend.
Tritt dann aber eine Stresssituation ein, kann die Pflanze nicht auf das Bodenleben zurückgreifen. Anders auf biologisch bewirtschafteten Flächen: Hier kann sie dies sehr wohl und dementsprechend haben Biobauern eben manchmal die gleichen oder sogar bessere Erträge ohne Einsatz von Mineraldüngern und Pestiziden, allein durch das Wiederherstellen und Bewahren der Bodenfruchtbarkeit.
Hier knüpft auch die Frage an, was der Beitrag der Forschung zu diesen Themen sein könnte. Andrea Heistinger hat mir während der Arbeiten zu diesem Buch die Frage gestellt, welche Forschungsaufträge ich vergeben würde, wenn ich dazu die Möglichkeit hätte. Nun, ich würde viel mehr Feldforschung mit Regenwürmern selber betreiben. Ich glaube, da wartet noch so manche Überraschung. Natürlich ebenso in Hinblick auf die Wirkweise und die verschiedenen Wirkfaktoren des Regenwurmhumus. Vor kurzem erst habe ich wieder einen sehr positiven Bericht über den Einsatz unseres Regenwurmhumus auf Golfplätzen bekommen. Mit Regenwurmhumus und Kohle im Quarzsand kann der Platz nun um zwei Wochen früher genutzt werden, da der Rasen auf den Abschlägen wieder viel rascher anwächst. Das hatte bisher einfach keiner probiert. Und die Zahl der weiteren Möglichkeiten ist groß, doch leider gibt es dazu viel zu wenig Forschung. Ich bin mir sicher, dass Wurmhumus auf manchen Anwendungsgebieten auch nicht so optimal ist, aber das müsste man ebenso austesten. Komposttee ist ein anderes großes Thema, bei dem noch viel Forschungsbedarf herrscht: Was sind die wichtigen Wirkmechanismen bei den einzelnen Anwendungen? Welche Rolle spielen die Pflanzenhormone wirklich? Und um das Ganze dann noch ein wenig komplexer zu machen: Welche Einflüsse haben Bewirtschaftung, Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und wie wirkt sich das auf die Zusammensetzung des gesamten Bodenlebens aus? An einer Forschungsrichtung „Biodünger“ müssten viele Disziplinen beteiligt sein: Zoologie, Bodenforschung, Pflanzenbau, Ökologischer Landbau, Landwirtschaft, Spezialkulturen, Ökologie, Biologie, Landtechnik, Betriebswirtschaft und schließlich Netzwerkforscher, welche die Forschungsergebnisse der einzelnen Disziplinen miteinander verknüpfen können. Essentiell wäre eine bessere Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis. Und es müsste geförderte Landwirtschafts-Forschungsbetriebe geben, die transparent arbeiten, jederzeit besucht werden können und dann als Best-Practice-Betriebe fungieren.
Über dieses Buch
Dieses Buch versteht sich als Nachschlagewerk und als Wegbegleiter zur Frage, wie Sie Ihre Pflanzen und Ihren Garten gut düngen. Zu verstehen, wie wir als Gärtnerinnen und Gärtner die Voraussetzungen dafür schaffen können, dass Pflanzen gut wachsen, ist ein Prozess. Bei all den Antworten, die wir mit diesem Buch geben, bleiben an manchen Stellen auch weiterführende Fragen offen. Diesen Mut zur Lücke müssen wir aufbringen, und trotz der offenen Fragen gibt es ein beruhigendes Grundverständnis, das diesem Buch, wie dem biologischen Landbau, zugrunde liegt: Auch wenn wir noch lange nicht alle Vorgänge verstehen, die in einem fruchtbaren Boden Nährstoffe binden und wieder freisetzen, wissen wir doch, dass es das Bodenleben und die vielen Humusstoffe sind, die diese Prozesse ermöglichen. Biogärtner arbeiten nicht – wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich – mit leicht löslichen und rasch verfügbaren Kunstdüngern. Wir schaffen die Voraussetzungen für die vielschichtigen Kreisläufe zwischen Boden und Pflanze. Dieses Beziehungsgeflecht als Wechselwirkung zu verstehen und zu stärken, ist die Kunst des biologischen Gärtnerns und des Biolandbaus.
Egal, ob Gemüse, Obst oder Blumen: Sie wachsen umso üppiger, je fruchtbarer der Boden ist.