Der erste Eindruck, den ich selbst von der Hypnose hatte, war ein ganz anderer als alles, was ich Ihnen eben beschrieben habe. Bis zum Supermarkt-Experiment war es für mich ein langer, spannender Weg voller Erfahrungen. Ein Weg der vielen kleinen Schritte. Genauso wie die Hypnose selbst eine Abfolge von vielen winzigen Schritten ist. Hypnose ist ein Prozess. Und jeder einzelne Schritt hat seinen Sinn.
Den ersten davon habe ich ganz zufällig getan. Leser meines ersten Buches Ich kenne dein Geheimnis wissen es schon: Meine Mutter hatte mir als Kind zur Belohnung für einen Zahnarztbesuch ein Buch geschenkt, das sie auf dem Flohmarkt gefunden hatte. Darin ging es um Gedankenlesen, um Telepathie – und eben um Hypnose. Der Autor war Erik Jan Hanussen-Steinschneider, besser bekannt als einfach »Hanussen«, der berühmteste Hellseher der Zwanzigerjahre. Durchaus nicht nur eine Lichtgestalt, ganz im Gegenteil. Aber von seinen dunklen Machenschaften mit den Nazis hatte ich als Zwölfjähriger noch keine Ahnung. Ich war fasziniert von den magischen Dingen, die in diesem Buch beschrieben waren, und sog sie in mich auf. Und nicht nur das: Ich übte.
Endlich kam der große Tag: eine Party bei einem Freund. Ich konnte einen anderen Jungen innerhalb von nur einer halben Minute in tiefste Trance versetzen. Doch ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken (übrigens ein ganz wichtiger Punkt bei der Hypnose – immer Contenance bewahren). Stattdessen suggerierte ich ihm, er sei ein vollkommen steifes Brett. Auch das funktionierte hervorragend. Er war so unbeweglich, dass andere Partygäste vorsichtig auf ihn draufklettern konnten. Der Erfolg verlieh mir Mut. Ich experimentierte mit weiteren Suggestionen: Ich »klebte« die Hände der Hypnotisierten an ihrem Hinterkopf fest. Oder an der Schulter oder an der Nase. Ich ließ sie albern kichern und vorübergehend ihren eigenen Namen vergessen. Dass man die Hypnose auch für nützliche Dinge einsetzen kann, kam mir damals noch nicht in den Sinn. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: Es war für mich als Teenager durchaus nützlich, die anderen beeindrucken zu können. Vor allem die Mädchen. Allerdings können Sie Hypnosetechniken deutlich subtiler beim Flirten einsetzen. Dafür müssen Sie keine Riesenshow abfackeln, das geht ohne viel Aufwand. Doch dazu später mehr.
Hypnose ist keine Hexerei. Sie ist für jeden erlernbar. Jedenfalls wenn man weiß, was man tun muss. Sie ist deshalb erlernbar, weil sie, bildlich gesprochen, an den »Rezeptoren« unserer Psyche andockt. Sie kennt die geheimen Eingänge. Per Hypnose haben wir direkten Zugang zur wichtigsten Schaltzentrale des Menschen, dem Unterbewusstsein (oder, wie es ganz korrekt heißen müsste, dem Unbewussten). Über das Unterbewusstsein können wir Probleme an der Wurzel packen. Wir können uns von unseren Problemen distanzieren und sie dann aus der Beobachterposition neu bewerten. Wir können uns auf Glücklichsein einstellen. Darauf, mehr Sport zu machen. Darauf, nicht mehr zu prokrastinieren, also chronisch alles aufzuschieben, oder darauf, ein paar Kilo abzunehmen. Das Unterbewusstsein ist unser Autopilot. Es hat keine eigene Meinung. Es tut automatisch das, worauf es programmiert ist, und sorgt dafür, dass sich das, woran wir glauben, erfüllt.
Vielleicht erinnert Sie das jetzt an einen der Megaseller der letzten Jahre, die Bestellungen beim Universum, The Secret oder wie sie alle heißen. Bücher, in denen sich die sehr poetische Weisheit findet, dass wir im Universum alle miteinander verbunden sind. Weiter heißt es, das Universum serviere uns, woran wir intensiv denken. Vielleicht haben Sie das ausprobiert. Wahrscheinlich hat es tatsächlich funktioniert, das ist sehr gut möglich. Allerdings gibt es keinen mysteriösen Magneten in unserem Kopf, der anzieht, was wir denken. Unsere Wünsche werden uns (wahrscheinlich) auch nicht vom Universum erfüllt. Es ist viel magischer: Das erledigen wir selbst. Oder, besser gesagt, unser Unterbewusstsein. Was sich dort abspielt, ist tatsächlich magisch. Hier werden die unsichtbaren Fäden gezogen, die unsere Aufmerksamkeit, unser Denken, unser Handeln lenken. Auf diese Weise erschafft unser Unterbewusstsein unsere Wirklichkeit. Unsere Welt. Uns.
Genau darum ist es so wichtig, das Unterbewusstsein mit genau dem Stoff zu füttern, der unser Leben schöner, bunter und reicher macht. Dazu muss man drei Dinge wissen. Erstens, wie das Unterbewusstsein arbeitet. Zweitens, wie man verhindert, dass es von anderen ungefragt mit Junkfood vollgestopft wird, das uns nicht guttut. Drittens, wie man die guten Dinge hineinbefördert. Und wie all das geht, erkläre ich Ihnen jetzt.
Wiederholung ist eine der effektivsten Grundtechniken der Hypnose.
Vor einiger Zeit gab es ein Experiment in einer amerikanischen Studentenzeitung. Bei diesem Versuch hatte man über ein ganzes Semester hinweg immer wieder Nonsens-Wörter in der Zeitung verteilt, die in keiner Sprache der Welt irgendetwas bedeuten. Solche Wörter könnten zum Beispiel »Upru« oder »Mulofa« gewesen sein. Einige dieser Buchstabenfolgen hat man oft gedruckt, andere nur hin und wieder. Später sollten die Studenten, die keine Ahnung hatten, dass es sich um reine Phantasiegebilde handelte, bewerten, welche dieser Wörter etwas Positives bedeuteten und welche etwas Negatives. Das Ergebnis war erstaunlich: Hinter den häufig gedruckten Wörtern wurden positive Bedeutungen vermutet, hinter den selten gedruckten negative. So simpel funktioniert das allererste Beurteilungssystem in unserem Gehirn!
Eine solche Beurteilung entsteht folgendermaßen: Wenn wir das erste Mal etwas wahrnehmen – ein Wort, ein Gesicht, eine Werbeanzeige, einen Song –, wird eine flüchtige Spur in unserem Gehirn angelegt. Falls wir der Sache anschließend nicht noch einmal begegnen, verblasst diese Spur ganz schnell wieder. Falls wir aber mit der Sache bald zum zweiten Mal konfrontiert werden, werden die Nervenverknüpfungen stabiler. Beim dritten Mal haben wir schon eine richtige »Rille«. So geht es weiter, bis der neue Inhalt fest verankert ist. Dieser Prozess läuft ohne unser Zutun ab, dagegen können wir uns nicht wehren.
Selbst ursprünglich erschreckende Dinge werden mit der Wiederholung normal und werden nicht mehr als bedrohlich wahrgenommen. Stellen Sie sich vor, Sie fahren eine Straße entlang und sehen ein brennendes Auto. Dann erschrecken Sie natürlich erst einmal. Wenn Sie am nächsten Tag dieselbe Strecke fahren und treffen an derselben Stelle wieder auf ein brennendes Auto, ist der Schreck schon nicht mehr so groß – wenn uns nicht parallel dazu etwas Unangenehmes passiert. Irgendwann ist das nur noch »die Stelle, wo Autos brennen«. Wir gewöhnen uns an alles.
Es geschehen aber noch andere Dinge.
Erstens: Nach der Verankerung wird das, worum es geht, schneller wahrgenommen als seine Umgebung. Zweitens: Es wird plötzlich positiv bewertet und für wahr gehalten. Einfach so, ohne jede Überprüfung. So wie die Wörter in der Studentenzeitung.
Das Interessante dabei ist: Es ist egal, ob das, worum es geht, bewusst oder unbewusst wahrgenommen wurde. Im Supermarkt-Experiment hatten die Kandidaten nach dem Waschmittel, der Marmelade und den Eiern gegriffen, neben denen die Worte »Liebe« und »Kraft« auftauchten. Solche Worte lassen sofort ein gutes Gefühl entstehen. Je häufiger wir sie lesen, umso tiefer wirken sie. Dass die Testeinkäufer die gleichen Worte am Eingang schon gesehen hatten, daran konnten sie sich nicht erinnern. Gewirkt haben sie trotzdem.
Forscher haben herausgefunden, dass unser Gehirn das Hormon Dopamin ausschüttet, wenn wir etwas bewusst oder unbewusst wiedererkennen. Dopamin hat eine amphetaminähnliche Wirkung. Es macht high.
Dieser Dopingeffekt wird von der Werbung und den Medien genutzt. Der »Anchorman« ist der Nachrichtensprecher, dessen Gesicht wir unzählige Male gesehen haben. Auch bei Gesichtern wirkt Wiederholung, der Anchorman ist uns vertraut. Ihm kaufen wir die Nachrichten besonders bereitwillig ab. Kein Sender würde diese wichtige Figur leichtfertig austauschen. Denken Sie daran, wie schwierig es war, einen Nachfolger für Thomas Gottschalk bei Wetten, dass …? zu finden. Gottschalk moderierte nicht einfach diese Sendung, er war diese Sendung. Ein solches Erbe anzutreten, erfordert Mut, denn es ist klar, dass ein ungewohntes Gesicht erst einmal Ablehnung riskiert.
In sozialen Netzwerken rollt die Wiederholungslawine besonders schnell. Eine beliebige Mini-Meldung kann in Twitter oder auf Facebook blitzschnell von den Usern kopiert werden, tausend- und sogar millionenfach. Dadurch werden wir mit einer Meldung unendlich oft berieselt. Selbst wenn die Information aus ein und derselben Quelle stammt, fühlt sich auf diese Weise sogar eine Medien-Ente, also eine falsche Meldung, plötzlich wahr an.
Ganz besonders ist das der Fall, wenn die Meldung auch noch von Leuten verbreitet wird, denen wir vertrauen: unseren Freunden und unserer Familie. Längst gibt es darum auch Social-Media-Experten, die sich im Internet unters Volk mischen. Sie lancieren gezielt Mitteilungen, um Meinung zu machen oder Produkte zu bewerben. Virales Marketing nennt sich das. Es heißt deshalb so, weil es sich wie ein Virus vermehrt und in unseren Kopf eindringt. Unser Unterbewusstsein fragt nicht, wo die Nachricht aufgegabelt wurde und ob sie nur kopiert ist. Es reagiert erst mal automatisch.
In grauer Vorzeit war dieser Mechanismus sinnvoll. Wenn unsere sammelnden und jagenden Vorfahren zum ersten Mal einen unbekannten Trampelpfad begingen, waren sie besonders wachsam und vorsichtig. Unbekanntes konnte Gefahr bedeuten. Wachsam und vorsichtig zu sein, ist allerdings sehr zeitraubend. Wer hinter jedem Baum eine Säbelzahntigermeute vermutet oder eine Fallgrube, wer den Untergrund prüft, um nicht einzusacken, der pirscht nur sehr langsam voran. Je öfter unsere Ahnen den Weg gingen, ohne dass etwas Schlimmes passiert war, umso besser konnten sie ihn einschätzen. Sie wussten: Hier droht keine Gefahr. Wir waren ja schon an diesem Ort, und es ist nichts passiert. Und so konnten sie wieder zum Eigentlichen übergehen: der Nahrungsbeschaffung.
Bekanntes signalisiert dem Unterbewusstsein Vertrauenswürdigkeit. Es weiß nun mal nichts von den Multiplizierungseffekten der modernen Medien. Davon hat nur das Bewusstsein eine Ahnung, und das wird erst mal nicht gefragt.
In der psychologischen Disziplin der Entscheidungsforschung spricht man inzwischen von System I und System II, die maßgeblich an der Entstehung von Entscheidungen beteiligt sind. Das System I haben Sie gerade kennengelernt: unsere Intuition. Die Intuition reagiert unmittelbar. Ohne Nachdenken. Schauen Sie sich bitte einmal die Zeichnung an:
Und? Was sehen Sie? Welche Linie ist länger, welche kürzer? Vielleicht kennen Sie dieses kleine Experiment schon und wissen, dass beide Linien gleich lang sind. Trotzdem, Sie können sich anstrengen, wie Sie wollen – die Linie mit den offenen Enden sieht nun mal länger aus. Hier beharrt System I auf seinem Recht.
Das System I kennt keine Statistik und ist im Bruchteil einer Sekunde sicher, die richtige Antwort zu kennen. Selbst, wenn es die falsche ist.
Noch ein Beispiel: Stellen Sie sich einen Familienvater vor, der sich um seine Familie und Kinder kümmert und der auch sonst sozial sehr aktiv ist. Ein Mann, der seiner Arbeit gewissenhaft nachgeht. Einer, der sich nebenbei noch im Umweltschutz engagiert. Würden Sie diesen Mann spontan eher als liberal oder als konservativ einschätzen? Die meisten tippen hier auf einen liberalen Zeitgenossen, auch wenn Menschen mit den aufgezählten Eigenschaften statistisch gesehen politisch häufiger konservativ ausgerichtet sind – das schreibt Daniel Kahnemann in seinem Buch Thinking Fast and Slow.
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