H E N N I N G R I T T E R
N O T I Z H E F T E
BERLIN VERLAG
H E N N I N G R I T T E R
N O T I Z H E F T E
BERLIN VERLAG
Für Reimar Klein
V O R B E M E R K U N G
Dieser Band enthält Notizen aus den Jahren 1990 bis 2009. Es handelt sich um eine Auswahl, etwa ein Zehntel der Aufzeichnungen. Notiert wurden die Einfälle und Reflexionen in Notizhefte, von denen sich im Lauf der Jahre ein halbes Hundert ansammelte. An eine Veröffentlichung war lange nicht gedacht. Dann verlockten Stetigkeit und Abwechslungsreichtum der Notizen, sie Freunden zugänglich zu machen, die zu einer Veröffentlichung rieten.
Sich dazu zu entschließen wurde leichter gemacht durch eine Erfahrung, die jeder kennt, der über längere Zeit hin Notizhefte führt. Nach und nach übernimmt das Notizbuch die Regie, es bestimmt, was jeweils in die Folge der Aufzeichnungen aufgenommen wird. Es gibt also einen Türhüter, der eine subtile, für den Schreibenden kaum merkliche Zensur ausübt, die verhindert, daß man alles schreiben kann, was man will. Dieses muß zunächst die Schwelle des Notizheftes überschreiten. So ergibt sich eine Kontinuität von Motiven und Impulsen, die über lange Zeit Bestand haben kann und für den Schreibenden nicht unbedingt deutlicher faßbar ist als für den hinzukommenden Leser.
Diese hinter dem Rücken des Autors vollzogene Objektivierung hatte nun ihrerseits einen gewissen Sog. Neben der beruflichen Tätigkeit als Redakteur mit ihrem täglichen Lese- und Schreibpensum hatte die unreglementierte Lektüre eine wachsende Anziehungskraft. Ihre Freiheit und Spontaneität verlockten zu immer neuen Ausflügen zu Lieblingsautoren und in Lieblingsepochen.
Auch in den Lektüren zeigt sich eine gewisse Vorbestimmung. Es gibt Bücher, für die im Bewußtsein des Lesers ein Platz freigehalten ist. Jedenfalls wird diese Illusion rückblickend erzeugt. Andererseits gibt es freie Räume im Bewußtsein, von denen man zu wissen glaubt, durch welche Lektüren sie gefüllt sein wollen. Anhaltende Lektüre ermöglicht beide Arten geistiger Erfahrung. Einmal erschließt sie Leerräume des Bewußtseins, ein anderes Mal räumt sie im überfüllten Bewußtsein auf. Jedesmal erlebt der Leser eine andere Geschichte. Zu der einen wie der anderen Erfahrung möchten die vorliegenden Notizen anregen.
Frankfurt im Juni 2010