Von Fettnäpfen, Hühneraugen und Ziegelsteinen
Wieso treten wir eigentlich in ein »Fettnäpfchen«, wenn uns etwas Peinliches im Umgang mit unseren Mitmenschen passiert? Ein möglicher Ursprung dieser Redewendung ist die mittelalterliche Sitte, neben dem Küchenofen ein Stück geräucherten Speck oder Schinken hängen zu lassen. Das durch die Hitze abtropfende Fett wurde mit einer kleinen Schüssel aufgefangen, schließlich konnte man damit noch kochen oder die Schuhe putzen. Vor allem nachts trottelte der eine oder andere schon mal gegen den Fettnapf und hinterließ eine unangenehme Bescherung.
Einer anderen Variante nach lässt sich der Ausdruck von der Fettschüssel herleiten, die in Bauernhäusern oft neben der Tür stand, damit sich die Bewohner und Gäste bei schlechtem Wetter die Schuhe nachfetten konnten. Egal welche Variante nun richtig ist, ein verschütteter Napf Fett ist eine ziemliche Sauerei, und auch die Vorstellung, ein Gast würde ungeschickt in das Fettbehältnis steigen und die Schweinerei am Ende noch durchs ganze Haus tragen, ist ziemlich ekelig.
Im Rumänischen benutzt man dasselbe Bild wie im Deutschen, dort treten die Menschen in die Töpfe (a călca în străchini), während sich auf Spanisch eine beeindruckende Auswahl auftut: Man kann mit dem Bein reintreten (meter la gamba), ein Brett ziehen (tirarse una plancha), in den Mörteltrog treten (meter el cuezo) sowie den Huf reinstecken (meter la pezuña) oder wahlweise auch die Hand (meter la pata), wer dies öfter tut, ist ein Metepatas, ein Ausdruck, der sich gar nicht angemessen ins Deutsche übertragen lässt. Angesichts der vielen Ausdrücke fragt man sich: Verhalten sich die Spanier besonders ungeschickt? Oder haben sie einfach nur genug Selbsthumor, darüber ausführlich zu reden? Denn der Spanier strauchelt auch gerne (dar un traspié) und sollte im Haus des Erhängten den Galgenstrick nicht erwähnen (mentar la soga en casa del ahorcado). Genauso bildhaft ist der Ausdruck »ins Schleudern geraten« (pegar un patinazo). Auf Griechisch begeht man schlicht einen dummen Fehler (κάνω γκάфα), während sich die Engländer den Fuß in den Mund stopfen (to put one’s foot in one’s mouth) oder einen Ziegelstein fallen lassen (to drop a brick).
Die Franzosen wiederum – wie könnte es anders sein – beziehen sich aufs Essen: Hier steigt man mit dem Fuß in den Teller (mettre les pieds dans le plat). Alternativ kann man auch eine Dummheit begehen (faire une gaffe). Dieser Begriff unklarer Herkunft hat es in viele Sprachen Europas geschafft: Auch in Italien begeht man eine Gaffe (fare una gaffe), genauso wie in Polen (popełnić gafę), wo allerdings auch noch die Möglichkeit einer Ungeschicklichkeit oder Taktlosigkeit besteht (popełnić niezręczność/nietakt). Auf Slowenisch macht man sich einfach nur lächerlich (osmešiti se) oder blamiert sich (blamirati se). Die Russen wiederum treten jemandem aufs Hühnerauge (наступить на мозоль). Doch nicht alle sind so bildlich. Auf Niederländisch begeht oder schlägt man bloß einen dummen Fehler (een flater slaan, een flater begaan). Die Schweden wiederum treten ins Klavier (trampa i klaveret). Was auf den ersten Blick ein ziemlich zerstörerisches Bild heraufbeschwört, bezieht sich allerdings eher auf den gesellschaftlichen Misston, denn der Ausdruck ist eine verkürzte Form des Satzes »das klingt wie mit Holzpantinen ins Klavier getreten« (det låter trampade i klaveret med träskorna).
In China wiederum lässt der etwas angestaubte Ausdruck chu yangxiang 出洋相 (grob übersetzt: wie ein westlicher Ausländer wirken) tief blicken: Westler galten im Alten China per se als peinlich und tollpatschig – und ehrlich gesagt hat sich daran bis heute nicht viel geändert. Neutraler sind die Ausdrücke shílĭ 失礼 »gegen die (konfuzianischen) Sitten verstoßen« oder, meine illustre Lieblingsvariante, langbei 狼狈: Der Bei 狈 ist dabei ein Fabeltier mit extrem kurzen Vorderbeinen, das sich nur fortbewegen kann, wenn es sich auf einen Wolf (Lang 狼) stützt. Wolf und Bei geben zusammen ein unbeholfenes und peinliches Paar ab.