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Einem solch bedrohlichen und mächtigen Gegner ist Captain Picard auf all seinen Fahrten noch nicht begegnet: Q, ein Geschöpf aus einem anderen Kontinuum, mit dem sich Picard schon bei seiner ersten Mission als Captain der Enterprise konfrontiert sah.

 

In den folgenden Jahren ist Q immer wieder zurückgekehrt, manchmal waren seine Attacken gefährlich, manchmal lediglich widerwärtig – immer jedoch war sein Auftreten von scheinbar grenzenloser Macht begleitet.

 

Doch als Q diesmal auftaucht, kommt er aus einem ganz anderen Grund: Er bedarf Picards Hilfe, da ein anderes Geschöpf aus seinem Kontinuum eine gewaltige Machtquelle entdeckt hat. Dieses abtrünnige Geschöpf heißt Trelane. Und er ist nun unbeschreiblich gefährlich geworden: Nicht nur Picards Schiff steht auf dem Spiel oder die Galaxie oder das Universum – dieses Mal geht es um die Existenz aller Kreaturen …

 

Über das Buch

Widmung

Prolog

Alle an Bord – Faden A

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Fadenwechsel – Faden B

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Fadenwechsel – Faden A

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Fadenwechsel – Faden B

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Fadenservice

Fadenwechsel – Faden A

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Fadensprung – Faden C

Fäden B und C

Faden C

Faden A

Faden B

Fäden B und A

Fäden B und C

Fadenchaos

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Fadenhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

 

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PETER DAVID

 

 

 

Q2

 

Star Trek

The Next Generation

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

 

 

 

 

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www.diezukunft.de

 

 

 

Für Gunter David

 

 

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag

Der Junge sah mit einem Erstaunen zu dem Erwachsenen auf, das nur Kindern vorbehalten ist. Er schien zu glauben, dass der Mann das ganze Universum umfasste.

»Was unternehmen wir heute?«, fragte er.

Der Erwachsene lächelte. Er kannte den Jungen seit seiner Geburt – sogar noch länger. Und eines wusste er ganz genau: Er war ein Kind des Schicksals, ein ganz besonderer Knabe, dem sich zahlreiche Chancen boten. In einer Galaxis voller Möglichkeiten wählte er sicher die vielversprechendste Alternative. Ja, dieses Kind würde sich die ganze Welt zu eigen machen, sie erforschen und auskosten.

Den Jungen erwartete eine phantastische Zukunft.

»Was wir heute unternehmen?«, wiederholte der Erwachsene und erkannte viel von sich selbst in dem schelmischen Lächeln des Kindes. »Nun, es gibt nichts, das wir heute nicht unternehmen könnten.«

Der Knabe runzelte die Stirn. »Das ist eine doppelte Verneinung, oder?«

»Nein, mein Junge«, erwiderte der Erwachsene. »Ich habe nur meinen Worten Nachdruck verliehen.« Er zögerte kurz und fügte dann hinzu: »Weißt du was? Ich überlasse es dir. Was möchtest du heute am liebsten unternehmen? Hast du Lust, eine neue Sonne zu erschaffen? Eine Galaxis zu durcheilen? Dem Universum eine neue Struktur zu geben? Auf welche Weise willst du den heutigen Tag verbringen?«

Der Junge überlegte, während ihn der Erwachsene aufmerksam beobachtete. Schließlich antwortete er:

»Ich möchte verstehen.«

»Was möchtest du verstehen?«

»Alles.«

»Alles?« Einige Sekunden lang war der Mann sprachlos. Vielleicht begriff das Kind die Bedeutung dieses einen Wortes nicht. »Und mit ›alles‹ meinst du …?«

»Alles«, betonte der Junge. Der Erwachsene hörte nun etwas in der Stimme des Knaben, das er bisher nicht vernommen hatte: Hartnäckigkeit – und einen Hauch von Unnachgiebigkeit.

»Alles«, wiederholte der Mann noch einmal. Er richtete den gleichen analytischen Blick auf das Kind, mit dem er auch eine Mikrobe untersucht hätte. »Na schön. Es soll also alles sein.«

»Und was machen wir, nachdem wir alles verstanden haben?«

Diesmal zögerte der Erwachsene nicht. »Dann sterben wir höchstwahrscheinlich.«

ALLE AN BORD

FADEN A

 

Kapitel 1

 

»Jean-Luc, ich möchte dir etwas sagen.« Picard hatte in einem Buch mit Shakespeare-Sonetten gelesen; jetzt ließ er es sinken, lehnte sich im Sessel zurück und hob neugierig die Brauen. Crusher stand in der Tür und verlagerte das Gewicht vom einen Bein aufs andere. Er wirkte verlegen und nervös.

»Gibt es ein Problem?«, fragte Picard. Er wies auf den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs. »Ich helfe dir gern, wenn ich dazu in der Lage bin.«

»Danke, Jean-Luc. Es ist gut, Freunde zu haben, auf die man zählen kann.« Crusher ging mit langen Schritten durch den Raum, nahm Platz und hielt den Rücken kerzengerade. Nach einigen Sekunden stand er wieder auf und wanderte unruhig umher. Picard blieb sitzen und fasste sich in Geduld.

Endlich blieb Crusher stehen und wandte sich ihm zu. »Bald kommt eine Frau an Bord, deren Gegenwart mich beunruhigt.«

»Eine frühere Geliebte?«

»O ja«, bestätigte Crusher. »Ja, das war sie zweifellos. Und ich gebe es nicht gern zu, aber wenn ich heute an sie denke, so regen sich …«

»… nostalgische Gefühle in dir?«, beendete Picard den Satz, als Crusher einige Sekunden lang schwieg.

»In gewisser Weise. Nach all den Jahren. Klingt albern, nicht wahr?«

»Wer ist sie?«, fragte Picard. »Natalie?«

»Nein.«

»Amanda? Lucy? Sag bloß nicht, dass es Lucy ist. Sie hatte es auf mich abgesehen, als die Sache zwischen euch zu Ende ging. Eine ziemlich hartnäckige Dame.«

»Sie genoss einen legendären Ruf«, meinte Crusher.

»Das gilt auch für dich.« Picard lächelte. »Du hast es auf eine erstaunliche Anzahl von Affären und Verhältnissen gebracht, seit …«

Plötzlich verstand er. Er musste nicht einmal den Namen nennen. Eine Andeutung genügte, und Crusher verzog schmerzerfüllt das Gesicht.

»Beverly«, sagte Picard.

Crusher nickte.

Picard wählte die nächsten Worte mit großer Sorgfalt, obwohl er ohnehin nicht zu hastigen, unüberlegten Äußerungen neigte. Immerhin wurde man nicht zum Ersten Offizier des Flaggschiffs von Starfleet befördert, wenn es einem an Fingerspitzengefühl mangelte. Er vermied es, die drohenden emotionalen Verwicklungen anzusprechen. Diese Angelegenheit erforderte ganz besonderen Takt, und deshalb stellte er die unwichtigste aller möglichen Fragen zuerst. »Wann?«

»Die offizielle Mitteilung traf gestern Abend ein. Ich habe den größten Teil der Nacht damit verbracht, darüber nachzudenken. Ich mache heute morgen sicher eine tolle Figur auf der Brücke.«

Picard lächelte voller Anteilnahme. »Ich habe volles Vertrauen zu dir, Captain.«

Crusher lachte leise. »Ich wünschte, das könnte ich auch von mir selbst behaupten. Aber das bleibt unter uns. Wenn dich jemand fragt, so bin ich der Inbegriff von Gelassenheit.«

»Wie es der allgemeinen Auffassung von dir entspricht.«

Picards Besorgnis wich zumindest zum Teil Erleichterung. Crusher schien der Situation mit Galgenhumor zu begegnen, was zweifellos besser war, als sich Depressionen hinzugeben. Vielleicht war dies der richtige Zeitpunkt, um mehr in Erfahrung zu bringen. »In welcher Funktion kommt Beverly … Heißt sie noch immer Crusher?«

Der Captain schüttelte den Kopf. »Nein. Nach unserer Trennung nannte sie sich wieder Howard.«

»Na schön. In welcher Funktion kommt Dr. Howard an Bord unseres schönen Schiffes?«

Crusher lächelte dünn. »Als Erster Medo-Offizier. Für meine Ex ist das Beste gerade gut genug.«

Picard schaffte es nicht ganz, seine Betroffenheit zu verbergen. »Jack, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Zwischen Bordarzt und Captain herrscht eine … spezielle Beziehung. Sie müssen optimal zusammenarbeiten, ein Team bilden. Was dich und Beverly betrifft, ihr habt euch nicht unbedingt in Freundschaft getrennt.«

»Das musst du mir nicht sagen«, entgegnete Crusher bitter. »Ich war dabei, erinnerst du dich?«

»Wir waren beide dabei, Jack.«

»Ich weiß, ich weiß.« Crusher näherte sich wieder dem Stuhl, nahm jedoch nicht Platz. Er stützte sich nur auf die Rückenlehne.

»Weiß Beverly, dass du die Enterprise befehligst?«, fragte Picard. »Immerhin wurde das Schiff gerade erst in Dienst gestellt. Wir sind seit wenigen Wochen im All. Es wäre also möglich …«

»Nein«, widersprach Crusher und schüttelte den Kopf. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sich Beverly versetzen lässt, ohne zu wissen, wer ihr vorgesetzter Offizier sein wird, oder?«

»Nicht die Beverly, die ich kenne«, räumte Picard ein. »Aber warum kommt sie hierher, obgleich sie weiß, dass du der Captain bist?«

»Da fragst du noch?«, erwiderte Crusher. Sein Gesicht war weicher geworden – die Jahre hatten den zuvor kantigen Zügen einige Pfunde hinzugefügt. Das braune Haar lichtete sich, an den Schläfen zeigten sich graue Strähnen – für Picard kein Anlass für Mitgefühl. »Dies ist die Enterprise. Denk nur an die Geschichte, die mit diesem Namen verknüpft ist, an das Prestige – welcher Offizier würde sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen?«

»Ich bestimmt nicht«, sagte Picard. Ein wenig reumütig fügte er hinzu: »Obwohl mir kaum eine Wahl blieb …«

Crusher holte geräuschvoll Luft – auf diese Weise reagierte er oft, wenn man ihn mit unangenehmen Wahrheiten konfrontierte. »Wollen wir wieder damit anfangen, Nummer Eins?«

»Nein, natürlich nicht. Wir sprechen von deinen Problemen, nicht von meinen.« Er bemühte sich, die Bitterkeit aus seiner Stimme zu verbannen, doch es gelang ihm nicht ganz. In Gedanken gab er sich eine Ohrfeige. Er hatte inzwischen eine Menge Übung darin, Enttäuschung und Frustration in Hinsicht auf seine berufliche Laufbahn zu unterdrücken. Er hätte also kein Problem damit haben dürfen, die eigenen Gefühle unter Kontrolle zu halten.

Wenn Crusher die Veränderung in Picards Tonfall bemerkte, so ging er nicht darauf ein. »Meine Probleme sind auch deine Probleme, Jean-Luc«, sagte er. »Ich bin ein großer Anhänger der Ärger-gibt-man-am-besten-weiter-Theorie.« Er legte eine kurze Pause ein und fuhr dann fort: »Nun, wir haben bereits festgestellt, dass es sehr dumm von Beverly wäre, den Posten des Ersten Medo-Offiziers an Bord der Enterprise abzulehnen. Meine entzückende Ex-Frau mag vieles sein, aber dumm ist sie gewiss nicht. Und sie geht keiner Konfrontation aus dem Weg. Für sie kommt es in erster Linie darauf an, ob eine neue Stelle interessant ist. Eventuelle Schwierigkeiten mit dem vorgesetzten Offizier nimmt sie dafür gerne in Kauf.«

Beide schwiegen einen Moment.

»Noch ist sie nicht an Bord«, sagte Picard.

»Ja, das stimmt, Jean-Luc.« Crusher klang erstaunt, so als hätte er daran noch gar nicht gedacht. Er beugte sich vor und fügte mit einem verschwörerischen Flüstern hinzu: »Wir fordern die Crew auf, sich zu verstecken. Wenn Beverly an Bord kommt und niemanden sieht, geht sie vielleicht wieder.«

Crusher sprach diese Worte mit solchem Ernst aus, dass Picard fast laut aufgelacht hätte. »Du weißt, was ich meine.«

»Ja, das weiß ich«, erwiderte Crusher. »Du meinst, dass ich Beverlys Versetzung als Captain der Enterprise verhindern könnte. Indem ich Krach schlage. Du meinst, Starfleet würde mir meine Ex nicht aufzwingen.«

»Nun, leider gibt's da zwei Probleme. Erstens bin ich prinzipiell dagegen, solche Mittel einzusetzen. Und zweitens gibt es niemanden, der für den Job geeigneter wäre als Beverly Howard. Punkt. Sie kann ausgezeichnete Referenzen vorweisen, und die Enterprise und ihre Crew verdienen nichts weniger. Der Teufel soll mich holen, wenn ich in diesem Zusammenhang persönlichen Vorbehalten nachgebe.«

»Das ist sehr anständig von dir, Captain.«

»Von wegen. Ich möchte nur vermeiden, dass die Enterprise nicht den besten Bordarzt bekommt. Weil ich mich sonst beim Tod des ersten Besatzungsmitglieds fragen würde, ob Beverly in der Lage gewesen wäre, die betreffende Person zu retten. Selbst wenn Gott höchstpersönlich erschiene, um auf den Sterbenden herabzusehen und mir zu versichern, dass selbst er nichts hätte tun können – ich würde Beverlys Abwesenheit trotzdem bedauern.«

»Du setzt ziemlich hohe Erwartungen in sie.«

»Oh, sie hat breite Schultern und kann eine solche Last tragen.«

»Und du? Was ist mit dir?«

»Ich schätze, ich muss irgendwie damit fertig werden.«

Crusher ging zur Tür.

»Wenn ich etwas vorschlagen darf …«, sagte Picard.

Der Captain drehte sich um. »Ja?«

»Ich wäre gern bereit, als eine Art Puffer zwischen dir und Beverly zu fungieren. Die meisten Kommando-Angelegenheiten zwischen Captain und Erstem Medo-Offizier könnten über mich abgewickelt werden.«

»Willst du damit andeuten, dass ich ihr nicht gewachsen bin?«

»Ganz und gar nicht. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass ein Captain nicht alles allein regeln kann. Wenn du beschließt, diese spezielle Verantwortung an mich zu delegieren, wäre es mir eine Freude, sie wahrzunehmen.«

Als Crusher nicht sofort antwortete, fügte Picard hinzu. »Ich möchte dir etwas ins Gedächtnis zurückrufen. Du warst rücksichtsvoll genug, um auf meine Bitte hinsichtlich der Kinder an Bord einzugehen. Ich habe dir meine Bedenken anvertraut und dir erklärt, dass ich mit Kindern nur schwer umgehen kann. Du warst bereit, diese besondere Pflicht selbst zu übernehmen. Du hast mir damit einen großen Gefallen getan, für den ich mich jetzt revanchieren möchte.«

Crusher nickte langsam. »Wenn du die Sache so siehst … In Ordnung, Nummer Eins. Aber es soll auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass ich mich verstecke. Wenn der Erste Medo-Offizier den Captain sprechen möchte, so ist er jederzeit willkommen. Versuch nicht, ihr das auszureden. Was die übrige Routine betrifft, so delegiere ich sie an dich.« Bei den letzten Worten breitete der Captain die Arme aus.

»Wie du meinst.«

Crusher dachte noch einige Sekunden länger darüber nach. »Weißt du, eigentlich sind wir dadurch nicht quitt. Immerhin sind recht viele Kinder an Bord. Und es gibt nur eine Beverly Howard.«

»Ja«, bestätigte Picard sofort. »Das stimmt. Es gibt nur eine Beverly Howard.«

FADEN A

 

Kapitel 2

 

Selan sah von den letzten Testergebnissen auf und rieb sich mit dicken Fingern den Nasenrücken. Er blickte aus dem schmalen Fenster, der einzigen Lichtquelle in dem kleinen Büro. Die Sonne neigte sich dem Horizont zu; der Einbruch der Nacht stand bevor. Staub tanzte in den schräg einfallenden Strahlen. Die Wände des Büros zeigten ein ermüdendes Braun, und Selan nahm sich einmal mehr vor, sie neu streichen zu lassen, ehe er in Depressionen versinken würde.

Nach einer Weile stand er auf und streckte sich. Knochen und Muskeln taten ihm weh, und er war darüber verärgert. Er achtete darauf in Form zu bleiben, und als Greis konnte man ihn gewiss nicht bezeichnen – nach romulanischen Maßstäben war er ein Mann in den besten Jahren.

Vielleicht lag es an der Kälte. An diesem Tag gingen die Temperaturen auf Rombus III nicht über sechsundzwanzig Grad Celsius hinaus. Selan rieb sich die Hände, um den Blutkreislauf zu stimulieren. Ja, die Kälte. Er spürte nur ein leichtes Prickeln in den Fingern, mehr nicht.

Wurde es Zeit für eine Untersuchung?

Auf Rombus III gab es die dafür notwendigen Einrichtungen. Nirgends standen modernere medizinische Geräte zur Verfügung. Selan wusste darüber genau Bescheid; schließlich war er selbst maßgeblich an ihrer Installation beteiligt gewesen und arbeitete seit Jahren mit diesen Geräten.

Einer seiner Assistenten kam herein, ein gertenschlanker Cardassianer. Selan sah auf und nickte. »Guten Abend, Turo. Wir bekommen eine kühle Nacht.«

»Gut«, erwiderte Turo. Das Wetter lieferte ihnen immer wieder Gesprächsstoff. Wenn sich der Romulaner wohl fühlte, litt der Cardassianer – und umgekehrt. Der Grund dafür waren die enormen Unterschiede zwischen dem romulanischen und dem cardassianischen Metabolismus.

Das Klima trennte die beiden Männer, aber etwas anderes verband sie.

Das Interesse am Schmerz.

Natürlich nicht an eigenem Schmerz – so etwas wäre abartig gewesen. Nein, ihr Interesse galt ausschließlich dem Schmerz anderer.

Turo führte einen Datenblock bei sich und blickte nun auf das Display. »Soweit ich weiß, haben wir heute Nummer Zweiundzwanzig verloren.«

»Ja«, seufzte Selan. »Das stimmt. Eigentlich schade. Ich bin davon überzeugt, dass sie noch viel mehr ertragen hätte, aber sie gab einfach auf.« Er erhob sich und klopfte Turo auf die Schulter. »Das finde ich so faszinierend an den vielen Spezies, die wir hier untersuchen, mein Freund: die teilweise enormen Differenzen in Bezug auf den individuellen Willen.«

Turo lächelte dünn. »Ich muss Sie berichtigen. Sie gehen von falschen Annahmen aus. Bitte verzichten Sie darauf, mich ›Freund‹ zu nennen. Wenn wir nicht von unseren jeweiligen Regierungen zusammengeführt worden wären, sähe ich kaum einen Sinn darin, mit Ihnen zu reden. Beschränken wir uns auf folgende Feststellungen: Wir teilen eine gewisse Vorliebe für Abscheuliches. Aber mehr steckt nicht dahinter.«

»Offen und ehrlich – wie immer. Vielleicht sollten Sie gelegentlich mehr Takt walten lassen.«

Der Cardassianer neigte den Kopf zur Seite. »Warum?«

Selan lachte kurz – es klang fast wie ein Bellen. Dann blickte er auf den Computerschirm und klopfte gegen die Scheibe. »Wir sollten uns wieder mit Nummer Acht befassen.«

»Halten Sie das tatsächlich für angebracht?«

»Ich glaube, er hat sich inzwischen von unserem letzten Experiment erholt«, sagte Selan nachdenklich. »Seine Ausdauer ist erstaunlich, nicht wahr?«

»Für einen Menschen? Allerdings.« Turo musterte den Romulaner neugierig. »Warum üben Menschen solch eine Faszination auf ihn aus?«

»Ich bin an allen Spezies interessiert«, betonte Selan würdevoll. Er zögerte kurz und nickte. »Aber ich muss zugeben, dass mich Terraner besonders reizen. Habe ich Ihnen von den ersten Exemplaren erzählt, mit denen ich konfrontiert wurde?«

»Nein«, erwiderte Turo. »Wann geschah das?«

Selan lehnte sich an den Schreibtisch und legte die Füße übereinander. »Ich nehme an, Sie haben von Narendra Drei gehört, oder?«

Turo runzelte die Stirn und versuchte, sich zu erinnern – der Name klang vertraut. Schließlich fiel es ihm ein. »Ein klingonischer Außenposten, nicht wahr?«

»Ja. Das behaupteten jedenfalls die Klingonen, als sie sich dort vor zwanzig Jahren niederließen.« Selan schnitt eine Grimasse, ein deutlicher Hinweis darauf, dass er davon nichts hielt. »Natürlich gab es einen strategischen Anlass für die Gründung der angeblichen Kolonie: Die Klingonen wollten uns über das Gebiet der Neutralen Zone hinweg ausspionieren. Oh, natürlich wahrten sie die ganze Zeit über den Anschein der Unschuld. Die Klingonen verstehen sich gut auf Ausflüchte und Vorwände. Aber wir kannten ihre wahren Absichten. Narendra Drei war ein Schlag mitten ins Gesicht des romulanischen Reiches. Uns blieb gar nichts anderes übrig, als Vergeltung zu üben.«

»Natürlich«, sagte Turo, als er Selans Schweigen als Aufforderung zu einem – bestätigenden – Kommentar interpretierte. »Sie wurden ganz offensichtlich auf die Probe gestellt. Tatenlosigkeit wäre Ihnen ohne Zweifel als Schwäche ausgelegt worden.«

»Na bitte!« Selan klopfte sich auf den Oberschenkel. »Sie verstehen! Was seid ihr Cardassianer doch für ein erstaunliches Volk. Nun, wir griffen die Klingonen an, wozu wir fraglos berechtigt waren. Es gelang uns, dem Gegner erhebliche Verluste beizubringen – bis ein Raumschiff der Föderation in den Kampf eingriff. Es handelte sich um eine Einheit der Ambassador-Klasse. Wie war der Name des Schiffes?« Er überlegte. »Ah, ja. Die Enterprise. Unsere Streitkräfte …«

»Sie waren dabei?«, fragte Turo.

»Nur als Beobachter«, erklärte Selan. »Ich gehörte zum engsten Mitarbeiterkreis des Imperators, und deshalb nahm ich häufig an wichtigen Einsätzen teil. Nun, unsere Streitkräfte zerstörten das Schiff, nachdem es bemerkenswert lange Widerstand geleistet hatte. Es kämpfte so gut, dass ein Bündnis zwischen den Klingonen und der verdammten Föderation die Folge war. Das war der negative Aspekt jener Ereignisse. Der positive bestand darin, dass wir, wie ich vorhin schon sagte, den Klingonen erhebliche Verluste beibrachten. Außerdem nahmen wir einige Menschen gefangen, Besatzungsmitglieder der Enterprise. Eine sehr interessante Gruppe. Ich fand sie außerordentlich faszinierend.«

»Wieso?«, fragte Turo.

Selan hob die Hand und fuhr sich nachdenklich mit dem Finger über die Unterlippe. »In Hinblick auf die physiologischen Merkmale sind Terraner fast armselig. Weiche, dünne Haut. Knochen, die unter minimalem Druck brechen. Ein instabiler Blutkreislauf ohne zuverlässige Reservesysteme. Außerdem eine geradezu lächerlich geringe Körperkraft.«

»Ich weiß.« Turo schüttelte den Kopf. »Man fragt sich, wie die Menschen unter solchen Voraussetzungen so viel erreichen konnten.«

»Ganz meine Meinung. Nun, bei den ersten von mir untersuchten Individuen fand ich einen fast unbezähmbaren Willen. Einen Willen, der über die Fragilität ihrer Natur weit hinausging. Vielleicht wollte die Evolution damit einen Ausgleich für die vielen Schwächen schaffen.«

Selan ging zur Tür, und Turo schloss sich ihm an. Gemeinsam verließen sie das Büro und wanderten über den kleinen Hof. »Der Imperator teilte mein Interesse und gewährte mir Unterstützung, als ich vorschlug, diese Basis einzurichten – um die physischen und ethischen Grenzen verschiedener Spezies im allgemeinen und der Menschen im besonderen zu erforschen. Die damaligen Gefangenen von der Enterprise sind natürlich längst tot. Aber der Imperator ist sehr großzügig, er sorgt dafür, dass ich immer neues Material bekomme. Wie dem auch sei, Nummer Acht hat sich als außergewöhnlich und einzigartig erwiesen.«

»Außergewöhnlich und einzigartig?« Turo lachte abfällig. »Er ist phänomenal. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ihn am Leben erhält. Wie lange ist er jetzt schon bei uns? Seit vier Jahren?«

Selan schüttelte den Kopf. »Es sind sechs Jahre, sieben fast.«

Turo pfiff durch die Zähne. »Ist noch etwas von ihm übrig?«

»Das ist ja das Erstaunliche.« Die Stiefel der beiden Männer wirbelten kleine Staubwolken auf. Selan nickte anderen Wissenschaftlern, denen sie begegneten, einen kurzen Gruß zu. »Er verfügt über beispiellose Reserven an innerer Kraft. Vermutlich erinnert er sich nicht mehr daran, wer er ist oder wie er lebte, bevor er hierher kam. Das alles hat er verloren. Seine gesamte geistige Energie ist jetzt auf ein Ziel gerichtet: Er will überleben. Für andere Gedanken ist kein Raum mehr. Vielleicht weiß er nicht einmal mehr, warum er am Leben bleiben will. Dennoch klammert er sich daran fest. Wenn ich ihm in die Augen blicke, sehe ich dort die pure Entschlossenheit.«

Plötzlich legte Turo seinem Begleiter die Hand auf die Brust. Der Romulaner blieb stehen und wartete – dem Cardassianer schien gerade etwas eingefallen zu sein.

»Wie weit würde er gehen, um zu überleben?«, fragte Turo.

»Könnten Sie sich etwas deutlicher ausdrücken?«

»Traf er mit klar ausgeprägten Moralvorstellungen hier ein?«, fragte Turo.

»Und ob.«

»Hat er sie sich bewahrt?«

»Das weiß ich nicht«, erwiderte Selan. »Mein Spezialgebiet ist der Überlebensinstinkt, die Frage, über welche Ausdauer die Angehörigen verschiedener Spezies verfügen, wenn …«

»Ja, ja.« Turo gestikulierte ungeduldig. »Aber was ist mit den subtileren Elementen moralischen Verhaltens?«

»Ich bin Wissenschaftler, kein Philosoph.«

»Nun …« Turo lächelte unheilvoll. »Halten Sie das Bemühen, den eigenen Horizont zu erweitern, nicht für erstrebenswert?«

Selan dachte darüber nach. »Was schlagen Sie vor?«

 

Nummer Acht lebte in einer Welt der Finsternis. Finsternis herrschte nicht nur in seiner Zelle, sondern auch in seiner Seele.

Irgendwann einmal, vor langer Zeit, hatte es Licht gegeben. Er zweifelte kaum daran. An Einzelheiten erinnerte er sich nicht, nur an die damit einhergehende Empfindung. Sein tiefstes Inneres barg das vage Wissen um eine Zeit, in der er mehr gewesen war als jetzt.

Jetzt gab es kein Licht mehr, nur noch Feuer. Feuer im Bauch, hinter den Augen, in seiner Seele. Feuer, das ihn verbrannte und das ihn antrieb, auch wenn der Instinkt nach einem Ende verlangte.

Er war vollkommen verdreckt, denn die anderen hatten ihm nie eine Möglichkeit gegeben, sich zu waschen oder gar zu baden. Er stank. Das lange Haar und der ungestutzte Bart bildeten ein struppiges, verfilztes Durcheinander. Rissige Fingernägel wiesen darauf hin, dass er sie immer wieder abgebissen hatte. Er trug die zerfetzten Reste einer Uniform, die ihm einst viel bedeutet hatte.

Die während der letzten Folterung verursachten Wunden waren inzwischen verheilt, und er spürte auch nicht mehr den Schmerz, den die Elektroden der vergangenen Woche verursacht hatten. Ganz deutlich erinnerte er sich an das Metall überall an seinem Körper, an den Fingern, an der Brust, an den Genitalien. Und dann die Elektrizität. Die eigenen Schreie – so ohrenbetäubend laut, dass er zunächst glaubte, sie stammten von einem anderen Ort, an dem ein armer Teufel schrecklich leiden musste, ja, und wie bedauerlich, dass er ihm nicht helfen, überhaupt nichts für ihn tun konnte.

Als er schließlich begriff, dass die Schreie aus dem eigenen Mund kamen, waren die anderen bereits mit ihm fertig und warfen ihn wieder in seine Zelle, wie ein Bündel Lumpen. Die ganze Zeit über machte sich ein grauhaariger Mann mit spitzen Ohren Notizen, nickte immer wieder und murmelte Bemerkungen wie »Beeindruckend«, »Gut« und »Ja«. Seltsam. Jemand, der Komplimente machte. Normalerweise stellten Komplimente etwas Positives dar. Etwas, über das man sich freuen konnte. Doch der Grauhaarige in der Dunkelheit vermittelte keine Freude. Nein, ganz und gar nicht.

Der Mann zuckte unwillkürlich zusammen, als ihm ein seltsamer Geruch entgegenwehte. Er schnüffelte und erinnerte sich vage an etwas, das einen großen Reiz ausübte …

Ja. Er roch es erneut, etwas deutlicher diesmal. Die Quelle des Aromas näherte sich seiner Zelle und weckte Erinnerungen an eine andere Zeit, ein anderes Leben.

Es handelte sich um den Geruch von gebratenem Fleisch.

Der Mann entsann sich nicht mehr daran, wann er zum letzten Mal ein dickes, saftiges Steak genossen hatte, das einem auf der Zunge zerging. Der Duft berührte nicht den modernen, zivilisierten Menschen in ihm, sondern das Erbe der prähistorischen Ahnen, die am Feuer saßen und Fleisch brieten. (Was für sie ein völlig neues Konzept darstellte. Bisher hatten sie es einfach von den Knochen erlegter Tiere gerissen und roh verschlungen. Der Gefangene hätte nicht gezögert, eine entsprechende Möglichkeit zu nutzen, selbst wenn er imstande gewesen wäre, einen klaren Gedanken zu fassen.)

Gebratenes Fleisch. Seit einer Ewigkeit ernährte er sich nur von fast geschmacklosem Brei.

Die Tür öffnete sich, und der Duft gewann solche Intensität, dass er den Gefangenen beinahe in den Irrsinn trieb.

Und dann wurde etwas in den Raum geschoben.

Eine Frau.

Ihr Erscheinungsbild stieß ihn nicht ab. Solche Dinge spielten für ihn keine Rolle mehr. Sie bestand nur noch aus Haut und Knochen und hatte die Fetzen eines grünen Kleides am Leib.

Der Glanz in den Augen der beiden Gefangenen unterschied sich. Der Blick des Mannes fraß die Frau regelrecht, während in ihren Pupillen ein stummes Flehen glomm: Befreie mich von meiner Qual

Auf dem Gang, unmittelbar hinter der Tür, stand der Romulaner, begleitet von einem Cardassianer. In der rechten Hand ruhte ein Schockstab, mit dem Nummer Acht zurückgetrieben werden konnte – wenn er dumm genug war, sich zu einem Angriff hinreißen zu lassen. In der linken Hand hielt der Romulaner einen Teller, von dem der verlockende Geruch ausging. Ein Duft, der den Gefangenen um die letzten Reste seines Verstands zu bringen drohte.

»Ich habe hier etwas für dich«, sagte der Grauhaarige. »Ein Zeichen meines Respekts, Nummer Acht. Weil du erstaunlich lange durchgehalten hast. Fleisch, so zubereitet, wie du es magst.« Er rümpfte die Nase. »Um es zu bekommen, musst du mir nur einen kleinen Dienst erweisen.«

Der Gefangene kniff die Augen zusammen.

Der Cardassianer holte ein Messer hervor und warf es in die Zelle. Dicht vor dem verdreckten Mann blieb es liegen.

»Töte diese Frau!«, befahl der Romulaner.

Nur die Augen des Gefangenen bewegten sich. Sein Blick huschte zu dem Grauhaarigen, dann zu dem Messer und der Frau und kehrte schließlich zu dem Romulaner zurück.

Die Frau reagierte nicht auf die Worte des grauhaarigen Mannes, obwohl sie einem Todesurteil gleichkamen. Sie verharrte in Apathie.

Nummer Acht regte sich noch immer nicht.

»Sie wird keinen Widerstand leisten, das versichere ich dir«, sagte der Romulaner ruhig. »An Kraft fehlt es ihr ebenso wie an Willen und Entschlossenheit. Du erweist euch beiden einen Gefallen.«

Langsam griff der Gefangene nach dem Messer. Er hockte noch immer auf der anderen Seite des Raums, hob die Klinge und betrachtete sie. Das Metall glänzte im Halbdunkel der Zelle.

 

Draußen wurde es Nacht.

Die Wächter patrouillierten nicht mehr. Sie gingen leise und unauffällig zu Boden. Hände kamen aus der Dunkelheit; Schwerter stießen zu. Nur dumpfes Stöhnen war zu hören – niemand bekam Gelegenheit, zu schreien und Alarm zu schlagen.

Schwarze Gestalten huschten durch die Finsternis und rückten immer weiter vor.

 

Selan wollte zurückweichen und das Kraftfeld in der Tür reaktivieren, um auf Nummer Sicher zu gehen. Doch Turo versperrte ihm den Weg und beugte sich vor, um das Geschehen in der Zelle besser beobachten zu können. Ein grässlicher Gestank herrschte in dem Raum, und Selan machte sich im Geiste eine Notiz, dass das Verlies gereinigt werden musste.

Nummer Acht kauerte in der gegenüberliegenden Ecke. Er hatte das Messer genommen und betrachtete es nachdenklich. Nach einigen Sekunden sah er zu der Frau. Sie bedeutete ihm nichts. Sie stammte nicht einmal von der Erde, sondern von Bajor. Ihr Name lautete Kara oder so ähnlich. Für den Gefangenen gab es nicht den geringsten Grund, sie zu schonen.

Nur moralische Erwägungen konnten ihn daran hindern, sie zu töten. Eine Frau – oder sonst jemanden – umzubringen, nur um Nahrung zu bekommen … An so etwas hätte Nummer Acht in seinem früheren Leben niemals gedacht.

Doch viele Jahre der Folter bewirkten eine Verschiebung der Maßstäbe.

Die Frau rührte sich nicht von der Stelle.

Ebenso wenig der Mann.

Selan musste sich eingestehen, dass Turo recht hatte. Es war tatsächlich sehr stimulierend zu beobachten, ob Nummer Acht seine ethischen Prinzipien aufgab oder nicht. Der Romulaner hielt unwillkürlich den Atem an, und seine Aufregung wuchs.

Nummer Acht bewegte sich.

Wie ein Panther sprang er der Bajoranerin entgegen und stürzte sich auf sie. Die Frau ging zu Boden, ohne einen einzigen Laut von sich zu geben. Mit einem dumpfen Pochen prallte ihr Kopf auf den Stein, und sie blieb erschlafft liegen.

Der Gefangene beugte sich über sie, das Messer zum Zustoßen bereit.

Er hielt die Klinge an den Hals der Hilflosen, zog sie wie bei einem Schnitt zur Seite.

Turo beugte sich noch etwas mehr vor, vermutlich in der Hoffnung, bajoranisches Blut fließen zu sehen.

Das war ein Fehler – der erste von zwei Fehlern, die innerhalb der nächsten sechzig Sekunden begangen wurden.

Nummer Acht fuhr plötzlich herum, und Turo hatte gerade noch Zeit genug zu bemerken, dass der Gefangene das Messer falsch herum in der Hand hielt, an der Klinge – was ihn kaum in die Lage versetzte, jemandem die Kehle durchzuschneiden. Und warum sah er kein Blut?

Der Arm verwandelte sich in einen Schemen, und Turo spürte einen jähen Druck am Kopf. Na endlich, dachte er. Jetzt sehe ich Blut. Allerdings stammte es nicht von der Bajoranerin. Die Frau schien wohlauf zu sein; sie drehte den Kopf, um zur Tür zu sehen. Ihr Hals war unverletzt.

Aber woher stammt dann das Blut?, fragte sich Turo – und begriff plötzlich, dass es aus seinem Kopf floss. Er sah Selan an, dessen Miene gleichermaßen Entsetzen und Faszination zeigte.

Der Cardassianer hob die Hand zu dem Messer, das aus seiner Stirn ragte und dessen Heft noch immer ein wenig vibrierte.

Er starrte Nummer Acht an, dieses verdreckte, bis auf die Knochen abgemagerte menschliche Wrack, und zu seiner eigenen Verblüffung fiel ihm nur dieser Kommentar ein: »Guter Wurf!«

Er versuchte, die beiden Worte zu formulieren, aber es wurde nur ein undeutliches »Nychhhhohhh« daraus. Dann neigte sich Turo nach vorn und war bereits tot, als er der Länge nach auf den steinernen Boden fiel.

Selans Gesicht zuckte wütend, als er den Schockstab hob und vortrat. Alles in ihm verlangte danach, Nummer Acht für sein Verbrechen zu bestrafen.

Das war der zweite Fehler.

Der Gefangene knurrte wie ein Tier und setzte zum Sprung an, um die Hände um den Hals des Romulaners zu schließen, ihn zu erwürgen. Nur eins hinderte ihn daran, seine Absicht in die Tat umzusetzen – er stolperte über den ausgestreckten Arm der Bajoranerin. Nummer Acht strauchelte nur kurz, aber Selan fand Zeit genug, ihn mit dem Schockstab zu berühren. Die Intensität der energetischen Entladung hätte genügen sollen, ihm das Bewusstsein zu rauben: bei einer anderen Person wäre vielleicht sogar der Tod die Folge gewesen.

Doch dieser Mann sank nur auf ein Knie.

Das war alles.

Mehr geschah nicht.

Eine Sekunde später heulte Nummer Acht wie ein wildes Tier, und Selan begriff: Nach all den Jahren hatte er eine Grenze entdeckt, vor der man besser kehrtmachen sollte. Denn auf der anderen Seite wartete ein Geschöpf, das nur aus Gespür und Instinkt bestand. Für diese Mischung aus Fühlen und primitiven Trieben gab es jetzt nur noch ein Ziel: Sie wollte den Tod des Romulaners, ganz gleich, auf welche Weise.

Selan wich zurück.

 

Der Mann sprang an der Bajoranerin vorbei in Richtung Tür.

Selan erreichte den Flur und aktivierte das Kraftfeld. Es entstand genau in dem Augenblick, als Nummer Acht die Schwelle erreichte. Der energetische Vorhang flackerte und schien den Mann aufzuhalten. Doch jahrelange Folter hatte die Schmerztoleranz des Gefangenen auf ein Niveau gehoben, das bisher als unerreichbar galt.

Ungeachtet der Barriere gelang es ihm, einen Fuß vor den anderen zu setzen, obgleich die knisternden Entladungen einen dunklen Schlund öffneten, der das Bewusstsein des Mannes zu verschlingen drohte. Er widerstand der Versuchung, sich der Schwärze hinzugeben, schaffte noch einen weiteren Schritt nach vorn, dann sogar einen dritten – der ihm besonders schwerfallen musste, da er seinen Körper aus dem Wirkungsbereich des Kraftfelds zwang.

Nummer Acht stand nun auf dem Gang. Er keuchte und schnappte nach Luft. Sein Puls raste. Es war ihm tatsächlich gelungen, die energetische Barriere zu durchdringen.

Er versuchte, sich dem grauhaarigen Mann zu nähern.

Da versagten seine Beine.

Sein Körper reagierte einfach nicht mehr. Das völlig überlastete Nervensystem nahm keine Anweisungen mehr vom Gehirn entgegen. Der Gefangene bemühte sich, Arme und Beine zu bewegen, aber statt dessen kippte er um wie zuvor der andere Mann. Er fiel, und sein Gesicht prallte auf den Boden. Nummer Acht spürte keinen Schmerz, nur Zorn über die eigene Hilflosigkeit.

 

Selan lehnte sich an die Wand und rief: »Wachen! Wachen! Hierher, schnell!«

Er wartete darauf, das Geräusch eiliger Schritte zu hören, aber es blieb alles still. Wo mochten die Soldaten stecken?

Nun gut, dann musste er die Sache eben selbst in die Hand nehmen.

»Nummer Acht …«, sagte er kühl und blickte auf den zuckenden Gefangenen hinab. »Dein Verhalten lässt mir leider keine andere Wahl, als dich zu töten.« Er veränderte die Justierung des Schockstabs und wählte die Einstellung für maximale Energie. Das würde genügen, um den Menschen umzubringen – damit konnte man sogar ein Loch in die Wand brennen. »Es ist nichts Persönliches – das will ich betonen. Ob du's glaubst oder nicht: Ich werde dich vermissen. Du warst ein hervorragendes Untersuchungsobjekt.«

Selan streckte den Stab nach dem Terraner aus, der nichts gegen den tödlichen Stoß unternahm.

Trotzdem gelang es Selan nicht, den Mann zu berühren.

Eine lange Klinge zuckte aus dem Dunkel heran und traf den Stab. Es kam zu einer zischenden Entladung, aber der Klingengriff war isoliert und leitete die Energie nicht weiter.

Selan drehte sich um, sah einen neuen Gegner und erbleichte.

Ein Klingone.

Ein junger Mann – das sah der Romulaner auf den ersten Blick. Er trug schwarze Kleidung, und seine Mähne war dicht und lang. Er hielt die schwertartige Waffe mit beiden Händen.

Einige Sekunden lang verharrten Klingone und Romulaner in Reglosigkeit.

»Sie sind Selan«, sagte der Krieger mit tiefer, rauer Stimme.

»Und Sie sind tot«, erwiderte Selan. »Die Wächter …«

»Die romulanischen Soldaten haben keine Möglichkeit mehr, Ihnen zu helfen«, meinte der Klingone. Seine Kampfhaltung war vollkommen. Er stand ein wenig nach vorn geneigt, bereit zum Sprung, wirkte wachsam und gleichzeitig entspannt. »Die anderen Mitglieder meiner Gruppe haben sie erledigt. Sie dürfen im Kampf sterben, wenn Sie es verlangen.«

»Sehr freundlich«, entgegnete Selan. »Woher kennen Sie meinen Namen?«

»Ich habe viele Jahre damit verbracht, mir Ihr Gesicht einzuprägen«, sagte der Klingone. Es klang fast neutral. »Ich bin Worf, Sohn von Mogh. Meine Eltern starben bei dem Angriff der Romulaner auf Narendra Drei, als ich drei Jahre alt war. Soweit ich weiß, haben Sie jene Aktion angeordnet.«

»Sie sind falsch informiert«, stellte der Romulaner fest.

Worf blinzelte überrascht. »Haben Sie den Angriff nicht befohlen?«

»Nein.« Selan schloss die Hand etwas fester um den Schockstab, ohne in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen. »Ich bin Beobachter gewesen, im Auftrag des Imperators.«

»Sie waren also dabei.«

»Ja, aber …«

»Das genügt mir.«

Die Klinge blitzte. Selan hob den Stab, um den Hieb abzuwehren, aber Worf schlug mit solcher Kraft zu, dass die Klinge ihn einfach durchdrang.

Der Energiestab fiel zu Boden.

Eine Sekunde später leistete ihm Selans Kopf Gesellschaft.

Der Rest von Selans Leiche folgte Augenblicke später.

Worf betrachtete sein Werk und genoss die Rache. Von draußen hörte er Schritte. Wenn die Klingonen einen solchen Lärm verursachten, war anzunehmen, dass alle Romulaner und Cardassianer entweder ausgeschaltet oder tot waren. Oder sich nach dem Tod sehnten.

Worf steckte die Waffe an den Gürtel, kniete neben dem zuckenden Gefangenen am Boden, drehte den Unbekannten herum und sah ihm in die Augen.

Der Glanz darin ließ den Klingonen schaudern.

»Armer Kerl«, murmelte er. »Was haben sie nur mit dir angestellt?«

Die Lippen des Fremden bewegten sich, aber er schien sich kaum daran zu erinnern, wie man sprach. Schließlich gelang es ihm, zwei verständliche Worte hervorzubringen: »Nach Hause.«

»Ja.« Worf nickte. »Keine Sorge. Ich bringe Sie nach Hause. Wie heißen Sie?«

Eine Zeitlang starrte der Mann stumm zu ihm empor.

»Deanna.«

Worf runzelte die Stirn. »Das glaube ich nicht. Das klingt wie der Name einer Frau.«

»Deanna«, wiederholte der Fremde. Natürlich handelte es sich nicht um seinen Namen. Aber es war der einzige, der irgendeine Bedeutung für ihn hatte.

Leider erinnerte er sich nicht an den Grund dafür.

FADEN A

 

Kapitel 3

 

»Terminus?«, fragte Picard überrascht. »Ich dachte, wir fliegen nach Farpoint Station.«

Sie befanden sich im Bereitschaftsraum des Captains. Jack Crusher stand auf und trat hinter dem Schreibtisch hervor. Picard hatte noch nie erlebt, dass er dort länger als höchstens eine Minute saß. Jack liebte es, in Bewegung zu sein – angeblich deshalb, weil er dadurch ein schwerer zu treffendes Ziel bot. Jean-Luc fragte sich, wie viel Ernst sich hinter dieser scherzhaft gemeinten Bemerkung verbarg.

»Starfleet hat uns eine neue Order übermittelt – ist ja nicht zum ersten Mal«, erwiderte Crusher. »Wir sollen einen recht interessanten Passagier an Bord nehmen, einen gewissen Lieutenant Commander William T. Riker.«

Picard runzelte die Stirn. »Riker. Den Namen habe ich schon einmal gehört.« Kurz darauf fiel es ihm ein. »Mein Gott! Er galt als vermisst, nicht wahr?«

»Du hast ein gutes Gedächtnis, Jean-Luc. Es passierte vor sechs Jahren. Während einer Forschungsmission der Hood wurde eine Landegruppe auf den Planeten Falcor gebeamt. Unbekannte griffen an und brachten die meisten Angehörigen des Außenteams um. Einige verschwanden, darunter auch Riker.«

»Wenn ich mich recht erinnere, hat diese Sache damals für viel Aufsehen gesorgt, weil man vermutete, dass die Romulaner dahintersteckten. Man befürchtete, der Angriff könnte nur das Vorspiel zu einer neuen Offensive sein.«

»Die damaligen Vermutungen erwiesen sich als richtig.« Crushers Finger trommelten auf den Schreibtisch – diese Angewohnheit hatte er seit seiner Zeit als Schlagzeuger. »Zwar kam es nicht zu einer neuen Offensive, aber die Romulaner steckten tatsächlich dahinter.«

»Riker überlebte sechs Jahre bei ihnen? Das ist erstaunlich.«

»In gewisser Weise hatte er Glück. Sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von ›Glück‹ reden kann. Immerhin war es ausgesprochenes Pech, dass er den Romulanern in die Hände fiel. Die Brüder neigen dazu, ihre Gefangenen zu foltern, bis sie alles Wissenswerte aus ihnen herausgequetscht haben. Nun, in diesem Fall lief die Sache jedoch anders ab. Hier, sieh's dir selbst an.« Crusher drehte den Monitor, so dass Picard die angezeigten Daten sehen konnte. »Eigentlich hätte ich mir die Erklärungen sparen können.«

Picard blickte auf den Bildschirm. »Dieser Selan, der sich mit Riker befasste, bekleidete anscheinend einen ziemlich hohen Posten.«

»Ja, und er war ein Sadist«, fügte Crusher grimmig hinzu. »Im Namen der Wissenschaft führte er die scheußlichsten Experimente durch. Der Kerl wurde am falschen Ort und im falschen Jahrhundert geboren. Er hätte gut ins Nazideutschland des zwanzigsten Jahrhunderts gepasst.«

»Vielleicht hat er wirklich in dieser Zeit gelebt – vorausgesetzt, man glaubt an Reinkarnation.« Picard sah noch immer auf den Monitor. »Riker hatte tatsächlich Glück. Er wurde von einer klingonischen Einsatzgruppe gerettet, die nichts von seinem Schicksal wusste.«

»Die Klingonen kannten Rombus Drei als romulanischen Außenposten. Und mehr brauchten sie nicht zu wissen. Seit ungefähr einem Jahr gehen sie ziemlich systematisch vor. Es gibt da einen jungen Burschen namens Worf, der offenbar immer mehr an Einfluss gewinnt.«

»Worf?«, wiederholte Picard. »Klingt fast wie Wuff.«

Crusher zuckte mit den Schultern. »Eins steht fest, wenn er bellt, geht's rund. Worf hat für ziemlichen Wirbel gesorgt. Brachte den klingonischen Rat auf Vordermann. Er tritt dafür ein, Präventivschläge gegen die Romulaner zu führen und praktisch jede Gelegenheit zu einem Angriff zu nutzen. Inzwischen hat er einige Leute um sich geschart, die seine Auffassung teilen. Auf diese Weise ist eine kleine Streitmacht entstanden. Offiziell missbilligt der Rat ihre Aktionen.«

»Offiziell«, wiederholte Picard. »Aber inoffiziell …«

»Ich vermute, inoffiziell ist man darüber erfreut. Immerhin haben wir es hier mit Klingonen zu tun, Jean-Luc. Wenn der Rat diese Attacken nicht insgeheim begrüßen würde, hätte man Worf längst an die Kandare genommen.«

»Ja, das glaube ich auch«, pflichtete Picard dem Captain bei. »Rombus Drei war also nur der nächste Punkt auf Worfs Liste. Zum Glück für Riker.«

»Für Riker und einige andere ›Gäste‹, denen es mehr oder weniger schlecht ging; man bringt sie derzeit nach Hause zurück. Riker gehört zu Starfleet, und Terminus ist die nächste Basis. Nach Auskunft der Klingonen war er in einem ziemlich schlechten Zustand. Er muss also mit großer Vorsicht behandelt werden.«

Picard nickte, sah erneut auf den Bildschirm und studierte die Angaben über Rikers persönlichen Hintergrund. »Sind die Angehörigen benachrichtigt worden? Er ist verheiratet und hat einen Sohn.«

»Man hat ihnen eine Mitteilung geschickt, ja. Nun, ich dachte …«

Crusher unterbrach sich, als die Sirenen der Alarmstufe Rot heulten. Er sprintete sofort los, verließ den Bereitschaftsraum und kehrte, gefolgt von Picard, auf die Brücke zurück.

Lieutenant Tasha Yar stand an der taktischen Station und wartete nicht darauf, dass der Captain sie um einen Statusbericht bat. »Die Schilde haben sich automatisch aktiviert, Sir.«

Lieutenant Commander Data saß am Navigationspult und sah auf die Displays. »Die Sensoren erfassen eine unbekannte Energiequelle; Kurs zwei-zwei-drei-Komma-sieben. Das energetische Niveau ist beträchtlich.«

»Ein Raumschiff?«, fragte Crusher und nahm im Kommandosessel Platz. »Oder ein natürliches Phänomen?«

»Ich glaube nicht, dass es sich um ein natürliches Phänomen handelt«, erwiderte Data nach einigen Sekunden. »Was auch immer es sein mag, offenbar wird es gesteuert und kommt direkt auf uns zu.«

»Auf den Schirm«, befahl Crusher. »Volle Vergrößerung.«

Das Etwas erschien im großen Projektionsfeld; es raste mit unglaublicher Geschwindigkeit auf die Enterprise zu.

Und dann hielt es plötzlich an.

So abrupt, dass die Brückenoffiziere glaubten, ihren Augen nicht trauen zu können.

»Relativgeschwindigkeit null«, brummte Crusher. Das Föderationsschiff wurde langsamer und hing schließlich bewegungslos vor der glühenden Entität im All.

Die Ausmaße des Objekts blieben nicht konstant. Es wurde mal größer und mal kleiner und veränderte dabei ständig die Form. Manchmal war es rund, dann kantig und eckig.

»Mr. Data …« In Crushers Stimme lag ein Hauch von Ungeduld. »Dies wäre ein geeigneter Zeitpunkt für Sie, mir einen Hinweis darauf zu geben, was wir dort sehen.«

»Ich bin mir nicht sicher, Sir.«

»Eine Vermutung würde mir genügen.«

Data drehte den Kopf und zeigte ein sonnengebräuntes Gesicht und blaue Augen, die verwirrt funkelten. »Eine Vermutung, Sir?«

»Ja, Mr. Data. Was halten Sie von der Sache?«

»Nun, ich vermute, das Objekt wartet auf eine Reaktion unsererseits.«

»Unsere Kom-Signale werden ignoriert«, sagte Tasha Yar. Sie zögerte kurz und fügte dann hinzu: »Die Phaser haben das Ziel erfasst. Nur für den Fall …«

»Ich hoffe, es wird nicht nötig sein, von ihnen Gebrauch zu machen«, erwiderte Captain Crusher. »Mr. Data, Beschleunigung mit Impulskraft. Steuern Sie uns rechts an dem Objekt vorbei, wahren Sie dabei einen Mindestabstand von fünftausend Kilometern. Mal sehen, was passiert, wenn wir den Flug fortsetzen.«

Die Enterprise setzte sich wieder in Bewegung. Im Vergleich mit einem Warptransfer wirkte Unterlichtgeschwindigkeit quälend langsam, doch Crusher wollte auf hektische Manöver verzichten.

Das glühende Objekt schwoll jäh an, teilte sich, bildete eine neue Struktur …

»Eine Barriere, Sir!«, rief Yar.

Sie hatte recht. Gleißende Energie versperrte der Enterprise den Weg. Die Barriere bestand aus einzelnen Segmenten, die wie bei einem Maschendrahtzaun miteinander verbunden waren.

»Die energetischen Emissionen sind unverändert«, meldete Data.

»Mit anderen Worten, wir haben noch immer keine Ahnung, was es mit dem Ding da draußen auf sich hat.«

»Das stimmt, Sir.«

»Hm.« Crusher überlegte. »Wir könnten versuchen, das Hindernis oben oder unten zu passieren. Immerhin stehen uns hier im Weltraum alle drei Dimensionen offen.«

Picard schüttelte den Kopf. »Wenn uns diese Erscheinung aufhalten will, so wird sie die Barriere unseren Kurswechseln anpassen.«

»Ja, davon müssen wir ausgehen.« Crusher rieb sich die Stirn. »Tasha, bitte deaktivieren Sie den akustischen Alarm. Ich bekomme Kopfschmerzen davon.«

Picard seufzte lautlos. Er verstand nicht, wie jemand bei einem solchen Höllenlärm klar denken konnte. Allerdings stand es ihm nicht zu, darüber zu klagen.

Von einem Augenblick zum anderen verschwand die Barriere. Sie existierte nach wie vor, versperrte der Enterprise auch weiterhin den Weg, aber sie war nicht mehr zu sehen. Der große Wandschirm zeigte nur noch monochromes Weiß.

»Eine Fehlfunktion des Bildschirms?«, fragte Crusher. Die Vorstellung, dass es ausgerechnet jetzt zu Defekten kam, erregte sein Missfallen.

An der Funktionsstation runzelte Fähnrich Chafin die Stirn. »Nein, Sir. Alle Systeme funktionieren einwandfrei.«

»Seht nur!«, entfuhr es Picard.

In dem großen Projektionsfeld erschienen Worte, eins nach dem anderen, im Abstand von etwa einer Sekunde. Der verdutzte Picard las sie laut vor.

Vier Wörter.

»Simon … hat … nicht … gesprochen.«

Crusher musterte ihn verwundert und sah dann wieder auf den Wandschirm. Dort standen sie: vier schwarze Worte in verschnörkelten Buchstaben auf weißem Grund.

»Simon hat nicht gesprochen?«, wiederholte er. »Wer, zum Teufel, ist Simon?«

»Vielleicht gibt es einen Zusammenhang mit dem bei Kindern beliebten Spiel ›Simon spricht‹«, warf Data ein. »Dabei ahmen zwei oder mehr Teilnehmer die Handlungen des Anführers nach. Jeder Aktivität muss dabei ein ›Simon spricht‹ vorausgehen. Wer etwas ohne diesen Hinweis unternimmt, scheidet aus.«

»Danke, Mr. Data«, sagte Crusher. »Das sind mehr Details, als ich brauche.« Er wandte sich seinem Ersten Offizier zu. »Und nun?«

Picard rieb sich das Kinn. »Wir warten, bis Simon spricht.«

Die Worte verschwanden und wichen einem neuen Hinweis. Picard las ihn laut vor: »Da könnt ihr lange warten.«

Er brauchte ein oder zwei Sekunden, um die volle Bedeutung dieses Satzes zu begreifen.

»Wer auch immer da draußen ist, Nummer Eins – er hat Sie gehört.« In Anwesenheit der anderen Brückenoffiziere wählte er Picard gegenüber die formelle Anrede.

Enterprise.