Hans Hopf

Die Psychoanalyse
des Jungen

Klett-Cotta Fachbuch

Impressum

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Klett-Cotta

© 2014 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Roland Sazinger, Stuttgart, unter Verwendung eines Fotos © shuravaya/fotolia

Printausgabe: ISBN 978-3-608-94775-5

E-Book: ISBN 978-3-608-10676-3

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20220-5

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Inhalt

Vorwort

Einführung – Jungen auf der Suche nach ihrer Identität

Eine persönliche Einleitung

Traumatisierte Kinder – heute wie damals

Traumatisierte Väter der Nachkriegszeit

Kriegskinder als spätere Väter – eine »geschlagene« Generation

In einer »Kalten Heimat«

Männlich werden …

Existieren Geschlechtsunterschiede? Wie viel »Junge« darf sein?

Wer hat Angst vorm »Schwarzen Mann«?

Geschlechtsunterschiede – erste Überlegungen und Fragen

Beängstigende Entwicklungen oder alles nicht so schlimm?

»Das Gehirn macht die Seele« und die Seele formt das Gehirn!

Kleine Biologie des Jungen

X- und Y-Chromosom

Hormone und Gehirnentwicklung

Evolutionstheoretische Überlegungen

Zusammenfassung

1 Mutter und Sohn

Das Bild von der Mutter in unterschiedlichen psychoanalytischen Theorien

Sigmund Freud – Der Sohn, ein Liebling der Mutter

Melanie Klein – Die gute und die böse Brust

C. G. Jung – Facettenreicher Mutterarchetyp

René A. Spitz – Deprivation und Verfall

Margaret Mahler – Loslösung von der Mutter

Die Mutter, gut genug – Mutterschaft ein »Zustand«

Die Mutter und das väterliche Gesetz

Ausblick

Die Mutter und ihr Einfluss auf die Entstehung von Sexualität und männlicher Identität

Entwicklung von Sexualität

Die pflegende Mutter und die Geschlechtsentwicklung beim Jungen

Die allgemeine Verführungstheorie von Laplanche: Infantile Sexualität ist erworbene Sexualität – wie kommt die Sexualität ins Kind?

Zusammenfassung

2 Vater und Sohn

Einleitung

Mann wird Vater

Welche Funktionen hat der Vater?

Bedeutung und Funktion des Vaters innerhalb der Psychoanalyse

Identifizierung mit Mutter und Vater von Anfang an

Die Entwicklung von Über-Ich und Ich-Ideal

Das Inzestverbot

Entwicklung der Geschlechtsidentität

Bisexualität

Geschlechtsidentität

Kerngeschlechtsidentität

Geschlechtsrollenidentität

Geschlechtspartneridentifizierung

Verlauf der Geschlechtsidentitätsentwicklung

»Entidentifizierung« – wie wird der Junge »männlich«?

Triangulierung

Die Phantasie vom Dritten und der innere trianguläre Raum

Der Weg hin zum Dritten – das Spiel mit dem Dritten

Kleine Zusammenfassung

Schlusswort für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten

3 Schaltstellen der Triebentwicklung des Jungen

Der Kastrationskomplex

Vorüberlegungen

Beschneidung und Kastrationskomplex

Kastration und Mythologie

Der kleine Junge und der Kastrationskomplex

Der Kastrationskomplex bei Lacan

Kastrationsangst und Geschlechterdifferenz

Kastrationsangst und die fragile männliche Identität

Phallische Phase

Kleine Einleitung

Beginn der phallischen Phase

Phallisch und ödipal

Das phallische Spiel

Wie sieht die phallische Entwicklung eines Jungen aus?

Wie viele phallische Qualitäten darf ein Junge heute haben?

»Wie viel Junge« darf also heute sein?

Der Ödipuskomplex

Ödipale Triangulierung

Der Mythos

Der Ödipuskomplex bei Freud

Scheitern des Wisstriebes – Lern- und Arbeitshemmungen

Elektra mordet nicht!

Der Ödipuskomplex beim Jungen

Das ungleiche Beziehungsdreieck

Voyeurismus und paranoide Angst

Eine Mutterliebe – oder ein totgeborenes Lebensglück?

Der negative Ödipuskomplex und die Geschlechtspartneridentifizierung – Der vollständige Ödipuskomplex

Heterosexuelle oder homosexuelle Geschlechtspartneridentifizierung

Untergang des Ödipuskomplexes und Beginn der Latenz

4 Die Latenz heute

Einleitung

Externalisierende Störungen mit Spiel- und Symbolisierungsstörungen

Zunehmende Sexualisierung

Probleme, weil der Vater abwesend ist

Wie sieht die Latenzphase heute aus?

5 Adoleszenz

Einleitung

Einbruch der Sexualität

Konflikte der Adoleszenz

Kognitive Weiterentwicklung und Suche nach Identität

Ödipuskomplex und Adoleszenz

Wenn die Loslösung scheitert

Geschlechtsidentität und Homophobie

Wege zur Identität

Spezielle Gefährdungen

Abschied, Trauer und Depression

Hass auf den Vater und Vatersehnsucht

Aggression und Autoaggression

Über-Ich und Abwehrmechanismen

Abschließende Überlegungen

6 Die Mutter – zwischen Ernähren und Begehren

Einleitung

Theoretische Vorüberlegungen

Die Mutter – die erste Beziehungsperson

Zuschreibungen von Männlichkeit

Die unterwürfige, vom eigenen Vater »unterstimulierte« Frau als Mutter

Inzestuöse Ängste und ihre Abwehr über Aggressivierung und Sexualisierung

Wenn der Vater fehlt

Was bedeuten diese Ergebnisse?

Zu lange und zu nahe dem Körper der Mutter ausgesetzt

Die verführerische, vom eigenen Vater »überstimulierte« Mutter

Folgen von sexuellem Missbrauch durch die Mutter

Der verdächtige Dritte – Dr. Jekyll ist Mr. Hyde

Von der »Schuld« der Mutter

Kurze Überlegungen zu »männlicher Identität« und ihren Varianten

7 Das Elternpaar

Einleitung

Das heterosexuelle Elternpaar

Alleinerziehen

Die Mutter kann die Bedeutung des Vaters fördern oder blockieren

Das gleichgeschlechtliche Elternpaar – die Regenbogenfamilien

Psychoanalytische Behandlungen von Kindern aus Regenbogenfamilien

Resümee

Psychoanalyse und gesellschaftliche Realität

Kinder und ihre Eltern können ganz unterschiedliche Lebensziele haben

Protektive Faktoren in der Entwicklung eines Kindes

Kinderkrippen für Kleinkinder ab dem 13. Lebensmonat und die Folgen für die Jungen

Bedürfnisse von Gesellschaft, Eltern und Kindern

Außerfamliäre Betreuungsformen, Tagesmütter, Kinderkrippen und andere Einrichtungen werden gebraucht

Von Krippenbetreuung profitieren Jungen kaum

Ist die Kinderpsychoanalyse reaktionär?

8 Brüder und Schwestern

Einleitung

Geschwister – damals und heute!

»Das Kind als Substitut einer Geschwisterfigur«

Kinder ohne Geschwister

Einflüsse des Altersabstands und Geschlechts der Geschwister

Geschwisterinzest

Schlussgedanke

9 Die Aggression des Jungen

Theorien zur Aggression innerhalb der Psychoanalyse

Die Entwicklung der Freudschen Auffassung von Aggression

Das Konzept des Todestriebes bei Melanie Klein

Die Bedeutung der Ich-Psychologie

Kritik an der Theorie vom angeborenen Destruktions- und Todestrieb

Aggression bei D. W. Winnicott

Resümee: Ist Aggression primär ein Trieb oder reaktiv?

Affektregulierung

Aggression und Autoaggression

Alle werden sie es büßen! Ein Fall von narzisstischer Wut

Resümee

Gemeinsamkeiten von Symbolisierung und Mentalisierung

Die Bedeutung der Geschlechtsunterschiede für die Entstehung von aggressiven und destruktiven Tendenzen

Empirische Untersuchungen

Externalisieren

Was bedeutet Externalisieren?

Externalisierungen und Externalisierende Störungen treten häufiger bei Jungen auf

Fallgeschichte zu Externalisierung

10 Externalisieren – Bewegung – Räume

Die Lust der Jungen an den äußeren Welten und an den unbelebten Dingen

Eine Theorie von Michael Balint über die Entstehung von Objektbeziehungen und ihren Störungen

Philobatismus und Männlichkeit

Existiert ein »normaler« Philobatismus?

Von der Lust an der Bewegung

Von der Affektmotilität zur Leistungsmotorik

Gefährliche Objekte, Skills und Sehnsucht nach der Weite

Mögliche Ursachen für starke Ausprägungen von Philobatismus – Gelungene Anpassung an eine freundliche Welt

Skills, Thrills und Lust am Risiko

Der Computer – ein Beruhigungsmittel für frühe Verletzungen bei Jungen?

Jungen und Computergewalt – einige Fakten

Computer und Denken

Zusammenfassung

11 Jungen und Aufmerksamkeit

Einführung

Habituation in einer »Erregten Gesellschaft«

Einige Erkenntnisse der Hirnphysiologie

Einige Begriffsbestimmungen

Psychoanalytisches Verstehen von Aufmerksamkeit

Warum sind vor allem Jungen unaufmerksam?

Narzisstische Tendenzen

Jungen sind den Mädchen sprachlich unterlegen

Kinder werden aufmerksam geboren – Entwicklung von Aufmerksamkeit beim Säugling

Vermessung und Erzwingen von Aufmerksamkeit

Zusammenfassung

Epilog

Jungen werden männlich – eine abschließende Zusammenfassung

Die Disziplinierung der Jungen

Literatur

Stichwortverzeichnis

Anmerkungen

Informationen zum Autor

Pressestimmen zum Buch

Vorwort

Warum ein Buch nur über Jungen?

Mit den zentralen Inhalten dieses Buches habe ich mich über Jahrzehnte hinweg auseinander gesetzt. In den neunziger Jahren begannen Jungen zum Problem zu werden. Ich war therapeutischer Leiter eines psychotherapeutischen Kinderheims und es wurden immer mehr Jungen mit der Diagnose ADHS vorgestellt, die, so hatte ich aus den Unterlagen erfahren, an Störungen der Transmittersubstanzen im Gehirn leiden sollten. Aus psychoanalytischer Sicht waren es altbekannte soziale Störungen, allerdings hatten diese Jungen immer häufiger massive Probleme mit der Beherrschung ihrer Affekte. Dieses Störungsbild hatte es schon immer gegeben, es war in unterschiedliche Gewänder gekleidet worden und hatte Psychoorganisches Syndrom (POS), Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD), schließlich Hyperkinetisches Syndrom (HK S) geheißen. Nissen schreibt in seiner Geschichte der Kinderpsychiatrie, dass neuere Untersuchungen auf eine hirnorganische Kerngruppe von 1–2 % mit diesem Störungsbild verweisen (Nissen, 2005, S. 445). Die in der alten psychiatrischen Literatur beschriebenen Kinder mit einem hyperkinetischen Syndrom wiesen so gut wie immer feststellbare organische Defizite auf, zumeist nach Krankheiten des Zentralnervensystems. Jetzt war die Diagnose in das DSM aufgenommen worden, es gab das passende Medikament und flugs wurde die Diagnose ausgeweitet. Hauptgrund war, dass das DSM zwar akribisch beschreibt, aber nicht nach Ursachen fragt. So wurde die ursprüngliche Zappelphilipp-Diagnose in kurzer Zeit auf alle sozialen Störungen ausgedehnt, seelische Ursachen wurden ausgeblendet und alle Störungen wurden mit einem schlichten Wackelkontakt im Gehirn erklärt. Über den Topf mit brodelnden Konflikten kam ein eiserner Deckel mit einer Diagnose ADHS, die nicht mehr angezweifelt werden durfte. Ansonsten wurde man der Unwissenschaftlichkeit geziehen und zum Kinderfeind erklärt – weil man das unentbehrliche Medikament für entbehrlich hielt und Eltern beschuldigte, da man ihnen unterstellte, sie trügen die Verantwortung für ihr Kind.

Um den Jungen die Seele zurückzugeben, habe ich vor allem die folgenden Themen in den Mittelpunkt dieses Buches gestellt: an erster Stelle natürlich die Entwicklung von männlicher Identität im Beziehungsdreieck Mutter–Vater–Sohn. Die weiteren Schwerpunkte sind die psychischen Ursachen von Aggression und Affektregulierung, Bewegung und Bewegungsunruhe sowie von Aufmerksamkeit und ihren Störungen. Weil diese Bereiche bei den Jungen höchst störanfällig sind und sie darum Sand ins soziale Getriebe streuen, wird ihnen auch das meiste Methylphenidat verordnet, ungeachtet der Tatsache, dass männliche Wesen zu stoffgebundenen Süchten neigen.

Ein solch vielseitiges, umfangreiches Buch kann nicht ohne die Hilfe vieler kollegialer Freunde und im intensiven geistigen Austausch entstehen, darum habe ich an dieser Stelle einigen Menschen zu danken. Es ist kein leeres Ritual, wenn ich mit meiner Frau Gisela beginne. Mit ihr habe ich mich fortwährend über alle Inhalte, alle kritischen Fragen intensiv ausgetauscht. Sie hat mich jahrelang geduldig angehört, mich allenthalben unterstützt und mich liebevoll ins Alter begleitet. Ich danke meinen erfahrenen Kolleginnen Sigrid Barthlott-Bregler, Ulrike Hadrich und Gudrun Merz für ihre kritischen Anmerkungen, ihren fraulichen Blick und ihre konstruktiven Gedanken. Jürgen Heinz hat mich mit Texten und klugen Gedanken versorgt. Rosalinde Baunach, Andrea Baur, Stefan Hetterich und Kathrin Kömm haben mir eindrückliche Fallsequenzen aus Supervisionen zur Verfügung gestellt, für die ich ihnen ebenfalls danke. Ich wollte kein pures Theoriebuch verfassen, sondern alle Überlegungen sollten über lebendige Beispiele anschaulich werden. Hierbei hat mir auch meine Kollegin Gabriele Häußler geholfen, die mir aus ihrem Säuglingsbeobachtungsseminar anschauliche Protokolle zur Verfügung gestellt hat. In unserer Arbeitsgruppe zur männlichen Identität, geleitet von J. C. Aigner, Frank Dammasch und Hans-Geert Metzger, habe ich viele anregende Gedanken erfahren und konstruktive Rückmeldungen erhalten, die mich in meinen eigenen Überlegungen bestärkt haben.

Ganz besonders danke ich dem Lektor des Klett-Cotta-Verlags, Dr. Heinz Beyer, für die vielen anregenden Diskussionen, seine konstruktiven Hilfestellungen und Ermunterungen. Herr Oliver Eller hat die Texte schließlich sorgfältig lektoriert, alle Quellen geprüft und die Literatur vervollständigt. Ihm danke ich für seine gründliche Arbeit, seine Geduld und Zuverlässigkeit.

Dieses Buch ist auch ein kleiner Rückblick auf mein 40-jähriges Kinderanalytiker-Leben und -Handeln geworden. So hoffe ich, dass es viele Leserinnen und Leser finden wird, Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Eltern und Großeltern.

Mundelsheim, im Herbst 2013

Hans Hopf

Einführung – Jungen auf der Suche nach ihrer Identität

Eine Geburtstagsfeier. Drei etwa 3-jährige Jungen rennen schreiend durch den Raum. Plötzlich wirft sich der Größte auf den Kleinsten, dieser kreischt lauthals und windet sich los. Beide stehen wieder auf, rennen durch den Raum und johlen. Dann wird der dritte umgeschubst. Er schlägt sich den Kopf an, heult, hält sich den Kopf und rennt hinter dem Jungen her, der ihn umgestoßen hat. Kreischen, Johlen, knallrote verschwitzte Gesichter.

Am Rand steht ein kleines, vielleicht 4-jähriges Mädchen, schaut mit entgeistertem Gesichtchen, gleichzeitig fasziniert auf das Geschehen. So wie sie vielleicht später als Mutter den Sohn sehen wird, wie so manche Ehefrau ihren Mann, Erzieherinnen ihre Jungenhorde. Ein wenig befremdlich, unglaublich laut, immer in Bewegung, rivalisierend und streitend.

Eine persönliche Einleitung

Dieses Buch versucht, eine Entwicklungspsychologie des seelisch gesunden Jungen unter psychoanalytischen Aspekten zu entwerfen. Seelische Gesundheit ist jedoch nur zu beschreiben, indem man Gegebenheiten untersucht, bei denen sich ein Mangel offenbart oder etwas gestört ist, denn die Psychoanalyse ist bekanntlich der Meinung, dass Pathologie und Normalität nur gradweise voneinander unterschieden sind; die Pathologie ist lediglich eine besondere Ausprägung allgemeiner und normaler Eigenschaften (vgl. auch Dornes, 1994, S. 27). Es ist das große Verdienst von Freud, dass er mit seiner Konzeption der Hysterie und seinen Variationen des Sexualtriebs das Normale und Pathologische auf einer Ebene ansiedelte und als Varianten des gleichen fundamentalen seelischen Geschehens betrachtete (Marcus, 2004, S. 389).

Traumatisierte Kinder – heute wie damals

Darum sollen auch Vulnerabilitäten herausgearbeitet werden, etwa indem auf Fragen eingegangen wird, woher die doch erheblichen seelischen Geschlechtsunterschiede von Jungen und Mädchen herrühren, beispielsweise auch die wichtige Frage, warum Jungen so häufig externalisierende Störungen zeigen etc. Es ist also auch ein Buch über die sogenannte ADHS, ohne sich mit diesem umstrittenen Störungsbild explizit auseinander zu setzen. Wenn auf Problembereiche des Jungen eingegangen wird, müssen auch Überlegungen angestellt werden, wie eine erfolgreiche Erziehung aussehen könnte, die negativen Entwicklungen vorbeugt. Es ist aber vor allem ein Buch für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und soll auch Hilfestellungen für effektive psychoanalytische Behandlungen entwickeln. Ich habe darum versucht, alle theoretischen Überlegungen immer mit Fallbeispielen zu illustrieren.

Dabei genügt es nicht, ausschließlich individuelle Entwicklungen zu beschreiben. Betrachten wir Entwicklungen wie das Entstehen von neurotischen Störungen als interpersonale Prozesse mit innerseelischen Folgen, so wird deutlich, dass solches Geschehen in keinem abgegrenzten familiären Bereich stattfinden kann, sondern dass in diesen Raum unaufhörlich Einflüsse der Gesellschaft dringen, die sich atmosphärisch niederschlagen – damals und heute.

Noch eine private Anmerkung. Ich bin Kriegskind, bin Sohn eines vom Krieg traumatisierten Vaters und bin Vater und Großvater. Wenn ich meine eigene ethnische Identität überdenke, so erkenne ich auch die lebenslangen Anstrengungen, die eine solche Integration erfordert. Ich bin Nachkomme von deutschen, tschechischen und jüdischen Vorfahren, in Tschechien geboren, bin in meinem Leben sechzehnmal umgezogen und bin schließlich ein schwäbischer Kinderpsychoanalytiker geworden. Dennoch machen sich immer wieder die einzelnen Komponenten bemerkbar. Aber vielleicht macht temporäre Desintegration erst lebendige Identität aus, damit wir nicht nur zu einem neuen kohärenten Wesen in einer beständigen Kontinuität werden, sondern dass auch die Grundsubstanzen und Bausteine unserer Identität weiterhin leben und wirken dürfen.

Diese unterschiedlichen Identitäten und vielerlei Repräsentanzen werden in meine Reflexionen einfließen, denn ich bin von transgenerationalen Weitergaben von Erlebtem, des Verarbeiteten und Unbewältigten an die folgenden Generationen überzeugt. Ich zitiere zu diesen Gedanken aus einem Lehrbuch:

»Wohl selten sind die Entwicklungsbedingungen der Kinder so unruhig und ungeordnet gewesen wie in den vergangenen zehn oder gar fünfzehn Jahren. (…) Jeder Lehrer klagt über die nicht zu bändigende Wildheit und motorische Unruhe der prozentual stark hervortretenden sogenannten ›Störer‹. Die Hoffnung, dass man mit einfachen, billigen, leicht zu handhabenden Maßnahmen diese so störend unruhigen Kinder zur Ruhe bringen möchte, wird immer wieder ausgesprochen. Dass diese Hoffnung kaum verwirklicht werden kann, leuchtet von selber ein, wenn man nur einen kurzen Augenblick der Bemühung darauf verwendet, die Kinderschicksale solcher ›Störer‹ wirklich zu überdenken.«

Dieser Text wurde zum ersten Mal 1954 veröffentlicht und stammt aus dem Buch Psychogene Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen von Annemarie Dührssen (9. Aufl. 1972, S. 279). Weggelassen habe ich lediglich die Einleitung des Textes, die da lautet: »Der vergangene Krieg hat mit der jetzigen Kindergeneration ein Riesenexperiment gestartet. Wohl selten sind die Entwicklungsbedingungen der Kinder so unruhig und ungeordnet gewesen wie in den vergangenen zehn oder gar fünfzehn Jahren. Ausbombung, Evakuierung, Dienstverpflichtung der Mütter, Flüchtlingselend im Treck, langjährige Wohnungsnot ist nur den wenigsten Kindern erspart geblieben. Die Quittung auf dieses Unglück ist nicht ausgeblieben.«

Die von Dührssen erwähnten unruhigen Kinder mit den bewegenden Schicksalen sind also die während des Zweiten Weltkriegs und danach geborenen Kinder. Eine auffällige Zahl von bewegungsunruhigen Kindern gab es also schon zu anderen Zeiten: Die sogenannte »Langeoog-Untersuchung« ist wohl die wichtigste und zugleich eine exemplarische Beschreibung von traumatisierten Kriegskindern des Zweiten Weltkriegs. In den Jahren ab 1947 waren 50 000 Schüler der Geburtsjahrgänge 1927 bis 1941 im Lebensalter zwischen 6 und 20 Jahren untersucht worden. Festgestellt wurden damals »nervöse Störungen«, übergroße Schreckhaftigkeit, motorische Unruhe, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Schlaf- und Sprachstörungen (Radebold, 2005, S. 47), Symptome, welche der heute so häufig diagnostizierten ADHS außerordentlich geähnelt haben. Damals (wie heute) entstanden diese Störungen vor dem Hintergrund von Trennungstraumata und Vaterlosigkeit. Doch zu jener Zeit durften Kinder ihren Bewegungsdrang noch ausleben, die Welt war noch nicht zubetoniert und die Jungen waren auch nicht an die Computer gefesselt und zappelten dort herum. Gemäß King sind die Räume oder Spielräume der Kindheit kleiner, weniger dauerhaft und weniger verlässlich oder weniger überschaubar geworden (King, 2013, S. 32).

Welche Identifikation mit »Männlichkeit« war damals überhaupt möglich gewesen, in einer Zeit der gefallenen Helden, gestürzten Tyrannen, der Kriegsverbrecher und zerstörten Soldaten? Wer waren diese künftigen Väter und Großväter?

Traumatisierte Väter der Nachkriegszeit

Für eine geglückte Identitätsbildung braucht der Junge vor allem den Vater. Welchen Vater wir haben, hängt nicht allein von einer gelungenen individuellen Persönlichkeitsentwicklung und den entsprechenden Identifizierungen ab. Franz (2010) geht davon aus, dass seit hundert Jahren die Identitätskerne vieler Männer von toxischen väterlichen Introjekten mitbestimmt werden, was bis heute zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen ihrer Identitätssicherheit und Verzerrung ihres Gefühlslebens geführt hat. Er rechnet dazu die patriarchalisch-wilhelminische Vaterautorität, den nationalsozialistisch-soldatischen Vater, die toten oder traumatisierten Väter der Kriegs- und Nachkriegszeit, die heutigen abwesenden Väter, die bis in die Gegenwart spürbare und empirisch nachweisbare Spuren hinterlassen haben (S. 16). Ich will zum dritten negativen »Vatermodell« des Autors, dem traumatisierten Vater des Zweiten Weltkriegs, einen eigenen Erinnerungssplitter hinzufügen:

Ich war viereinhalb Jahre alt und es war März oder April 1947, in einem kleinen Dorf in Hessen. Ich hielt die Hand meiner Großmutter, wir liefen auf einen Bauernhof zu. Wir, das waren noch meine Mutter und meine beiden Brüder, waren gerade über die Grenze in Stendal aus der Sowjetischen Besatzungszone in die amerikanische Zone geflüchtet. In diesem Dorf, das habe ich erst später erfahren, wollten wir unseren Vater treffen. Er war in Serbien in Kriegsgefangenschaft gewesen. Dort hatte er in einem Bergwerk einen schweren Unfall erlitten. Von da an war er arbeitsunfähig und wurde aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Mit Hilfe des Roten Kreuzes hatte er aufgespürt, dass in diesem Dorf in Hessen eine Schwester meiner Mutter lebte. Dort fand also der Treff statt.

Ein hagerer Mann in einer abgerissenen Uniform kam auf uns zu. Er war mir völlig fremd. Ich hatte Angst vor ihm. Er umarmte und küsste alle, am innigsten meinen drei Jahre älteren Bruder. Als er auf mich zukam, versteckte ich mich hinter meiner Großmutter, da wandte er sich ab. Meine Mutter rief: »Aber das ist doch Dein Papa.« Ich glaube, ich habe geweint.

Wenig später reisten alle ab, ins Flüchtlingslager. Ich blieb bei meiner Großmutter auf dem Dorf, über zwei Jahre lang. Als ich eingeschult wurde, musste ich zur Familie ins Flüchtlingslager. Da habe ich ihn zum zweiten Mal, jedoch zum ersten Mal richtig gesehen. Er war ein mir völlig fremder Mensch, so wie ich für ihn ein fremdes Kind war. Meine Mutter hatte ich zwei Jahre lang nicht mehr gesehen. Ich sehnte mich nach meiner 75-jährigen Großmutter, die mich so sehr geliebt und den ganzen Tag mit mir verbracht hatte. Ich war unendlich traurig. Ich wurde in eine Baracke gebracht, in der etwa vierzig Familien in einem einzigen Raum ohne Abtrennungen wohnten, dicht an dicht, in Stockbetten. Jeden Tag kamen neue Männer aus dem Krieg zurück. Sie hatten ausgemergelte Körper. Mit toten, starren Augen lagen viele tagsüber auf den Betten und rauchten Kette. Ihre Frauen schimpften unaufhörlich, weil sie so müde und passiv waren. So wie mein Vater waren sie traumatisiert, und viele fanden nicht mehr recht den Weg ins Leben. Ich lebte fast sechs Jahre in diesem Flüchtlingslager, bis mein Vater wieder zum Arbeiten fähig war und in Süddeutschland eine Anstellung gefunden hatte.

Kriegskinder als spätere Väter – eine »geschlagene« Generation

Kriegskinder – die Jahrgänge 1939 bis 1945 – waren durch Kriegserfahrungen wie Bedrohungen und Verluste von Angehörigen, Krankheit und Entbehrung, Bombenkrieg und Militäraktionen, Fluchterlebnisse und Vertreibung, Heimatlosigkeit und Fremdheit, Armut und Isolierung geprägt worden. Richter schreibt 2010, dass die damaligen Eltern den Kindern verschwiegen, was in ihrem Innern an Traumata, Schuld, Scham, Ängsten, Trauer angestaut war. »Gerade darum wirkte das Verschwiegene höchst pathogen: Es kam bei ihren Kindern in Gestalt der bereits zuvor erwähnten Schwierigkeiten, Schlafstörungen, Unruhe, Schulversagen, Weglaufen, Jähzorn oder psychosomatischen Symptomen zum Vorschein« (S. 177). Die Kriegskinder entwickelten – wie zuvor erwähnt – viele psychische Probleme, die jedoch niemanden so recht kümmerten und mit denen sie selbst zurechtkommen mussten. Viele leiden noch heute an den schweren Folgen der Traumatisierungen. Aber sie haben gemäß Ermann ein merkwürdig gespaltenes Bewusstsein für ihre Biographie. Sie wussten immer um ihr Schicksal, aber es ist ihnen lange fremd geblieben – es fehlte ein Bewusstsein für die erlittenen Verletzungen. Die Kriegskindheit führte in die Entfremdung, »die Betroffenen wurden zu einer Generation, die ihr eigenes Leid nicht wahrnahm« (Ermann, 2010, S. 327 f.).

In seiner Mannheimer Kohortenstudie hat Schepank bereits 1987 festgestellt, dass ein länger abwesender Vater, wie das bei den Kriegskindern häufig festzustellen ist, zu psychogenen Auffälligkeiten in ihrem späteren Leben geführt hat. Eine Untersuchung von Franz et al. (2007) ging dieser Frage nochmals nach. 883 aufgewachsene Kriegskinder im Alter von durchschnittlich 68 Jahren wurden dieses Mal befragt. Vaterlos aufgewachsene Kriegskinder berichteten auch in dieser Untersuchung von signifikant stärkeren psychischen Problemen, wie depressive Beschwerden, soziale Ängste und chronisches Misstrauen (S. 16). Die Seele wurde ununterbrochen mit nicht aushaltbaren Reizen überflutet: Das Leben eines Kriegskindes mit Vaterlosigkeit, ständiger Angst, Luftangriffen, Vertreibung und Heimatlosigkeit glich einem emotionalen Karussell, das sich immer schneller zu drehen schien und aus dem man auch jederzeit herausgeschleudert werden konnte; wie die Untersuchungen gezeigt haben, immer wieder, bis ins hohe Alter. Während ihrer darauf folgenden psychosexuellen und psychosozialen Entwicklung standen Kriegskinder vor der Aufgabe, »ihre beschädigenden oder sogar traumatisierenden Erfahrungen seelisch zu bearbeiten«. Dies geschah in der Regel mit den Abwehrmechanismen Verleugnung, Bagatellisierung, Generalisierung, Verkehrung ins Gegenteil sowie Aufspaltung von Inhalt und Affekt. Erlebnisse und Erfahrungen blieben jedoch unter einer psychischen Betondecke erhalten (Radebold, 2010, S. 38).

Hinzu kam noch etwas anderes. Die Generation der Kriegskinder wurde später von vielen traumatisierten Kriegsteilnehmern unterrichtet. Ich begegnete unter anderem einem malariakranken Volksschullehrer, einem traumatisierten Russlandheimkehrer, der seine Traumata mit Alkohol betäubte, und vielen schwadronierenden Altnazis. Gemeinsam war ihnen allen, vom Pfarrer bis zum Oberstudienrat, dass sie auch nicht kleine Spannungen aushalten konnten und uns schon bei geringsten Störungen mit grausamen Schlägen bestraften. Meine Klassenkameraden und ich wurden gnadenlos von ihnen geprügelt und niedergeschlagen, mit Stöcken und anderen Utensilien, mit der flachen Hand, mit Fäusten, mit Schlägen auf den Kopf – noch bis kurz vor dem Abitur. Niemand traute sich, sich zu wehren, weil alle ansonsten den Rauswurf befürchteten. Irgendwann habe ich festgestellt, dass nicht nur aus dem Affekt heraus gedemütigt und geschlagen wurde, sondern ganz gezielt eine bestimmte Gruppe ins Visier genommen wurde, von der keine Gegenwehr zu erwarten war: Die brutalste Gewalt erfuhren jene Kinder, deren Eltern arm waren und die sich darum nicht trauten, gegen die geballte gymnasiale Autorität anzutreten. Die Straf- und Prügelpädagogik der 50er Jahre hatte grausames System!

In einer »Kalten Heimat«

Kriegskinder hatten oft noch mit einem anderen Problem zu kämpfen, das bislang nur marginal diskutiert wurde. Ausgebombte, Flüchtlinge, Heimatvertriebene hatten keine Heimat mehr und blieben in den neuen Welten fremd und ungeliebt. Für die Einheimischen waren sie Feinde, »Reingeschmeckte«, die ihnen unheimlich waren. Sie sahen sich von ihnen bedroht, denn die unerwünschten Eindringlinge wollten von ihnen Lebensmittel und Lebensraum, was sie als Übergriffe verstanden. Mit Kriegsende waren Fremdenhass, Antisemitismus und Vernichtungswünsche gegenüber vermeintlich Schwachen keineswegs verschwunden. Nachdem eine Verfolgung von Juden nicht mehr möglich war, füllten die neuen Fremden das entstandene Vakuum für Hass und Ablehnung rasch auf. Da die meisten von ihnen aus dem Osten kamen, konnten sie problemlos zu den neuen Untermenschen werden – sie wurden zum »Flüchtlingspack«. Im Flüchtlingslager wurden wir von den Einheimischen als »Lagerstinker« bezeichnet. Auch hatten die meisten Vertriebenen keinerlei Wertsachen, ja, überhaupt keine Gegenstände, keine Bücher, Bilder, Möbel mehr aus der verschwundenen Heimat, die sie erinnern und wie ein Übergangsobjekt ein wenig trösten konnten. Als ich die fünfte Klasse des Gymnasiums besuchte, war ein Thema im Kunstunterricht, das Haus zu malen, in dem wir wohnten. Ich malte, detailgerecht, die Baracke des Flüchtlingslagers, in der ich lebte. Daraufhin zeigte der Kunst»erzieher« mein Bild der Klasse mit der Bemerkung, dass man doch mal hersehen solle, wo ich denn wohnte. Noch während der Vorbereitung zur Hochzeit wurde meine künftige Frau 1968 – 23 Jahre nach Kriegsende – in meinem Beisein vom katholischen Pfarrer gefragt, ob sie denn nichts Besseres bekommen habe als einen »Flüchtling«. Zu den Traumatisierungen und Schmerzen des Krieges und der Vertreibung kamen die Verletzungen durch einen gnadenlosen Rassismus gegen die Vertriebenen und deren Kinder. Kossert weist darauf hin, dass die heute noch lebenden deutschen Vertriebenen die Jugendlichen, Kinder und Kleinkinder von damals sind. »Seit einiger Zeit wird deutlich, dass diese Kinder und ihre Nachkommen unter ähnlichen psychischen Langzeitbelastungen leiden, wie sie bei überlebenden Holo- caust-Opfern und deren Kindern diagnostiziert wurden« (2008, S. 349). Es ist hier nicht der Ort, diesen Bereich weiter zu vertiefen, ich verweise auf das aufschlussreiche Buch von Andreas Kossert. Ich bin davon überzeugt, dass es darum wichtig ist, in allen Analysen an eine transgenerationale Weitergabe der Traumata der Kriegs- und Nachkriegszeit zu denken, denn Kriegskinder sind die Mütter und Väter der heutigen Elterngeneration. Existieren womöglich Zusammenhänge zwischen der Bewegungsunruhe und den anderen Störungen der Kriegskinder, so wie sie in der »Langeoog-Untersuchung« erfasst wurden, und den externalisierenden Störungen, der Bewegungsunruhe, den Aufmerksamkeitsdefiziten und der defizitären Affektbeherrschung der heutigen Generation? Die erstaunlichen Parallelen sollten zumindest zur Kenntnis genommen werden.

Männlich werden …

Wie findet ein Junge – im günstigen Fall bei Anwesenheit eines sich verstehenden und liebenden elterlichen Paars – zu einer Identität, die als männlich bezeichnet wird? Theoretisch hört sich das recht einfach an: Am besten gelingt dies durch eine gute Bindungs- und Beziehungserfahrung mit der Mutter, der Großmutter oder anderen weiblichen Bezugspersonen sowie durch eine geglückte Identifikation mit einem affektiv aufmerksamen Vater (gegebenenfalls eines Vertreters) durch alle Reifestadien hindurch (vgl. Blaß, 2010, S. 695). Das galt damals, und das gilt auch heute. Doch nicht nur die damaligen Kriegskinder hatten kaum eine Chance für einen solch idealen Entwicklungsverlauf. Dieser wird auch heutzutage bei vielen Kindern von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Problemen – von denen noch berichtet wird – massiv gestört. Dammasch (2008) geht davon aus, dass Jungen und Männer heutzutage weitaus mehr als Mädchen und Frauen von den Anforderungen des sozialen und pädagogischen Wandels tendenziell überfordert zu sein scheinen. Allen Jungen auf ihrer schwierigen Suche nach ihrer Identität möchte ich dieses Buch widmen.

Im Folgenden betrachte ich einige Feststellungen aus Nachbardisziplinen der Psychoanalyse, was natürlich nur in knapper Zusammenschau geschehen kann. Diese Erkenntnisse sollen in die Fragestellungen der folgenden Kapitel übergeleitet werden.

Existieren Geschlechtsunterschiede? Wie viel »Junge« darf sein?

Die in dieser Überschrift gestellte Frage erscheint grotesk; denn wäre es nicht so, hätten wir es nicht mit zwei verschiedenen Geschlechtern zu tun. Natürlich sind die biologischen Unterschiede eindeutig und gut zu beschreiben. Anders ist es mit den sogenannten geschlechtsspezifischen Persönlichkeitsmerkmalen. Sie können objektiv beschreibbar sein, sich jedoch auch mit vorgefassten Meinungen und Zuschreibungen, sogenannten Stereotypen mischen. Kinder werden vom ersten Lebenstag an, letztendlich beginnend mit der Schwangerschaft der Frau, mit entsprechenden Erwartungshaltungen betrachtet und behandelt (Rendtorff, 2003, S. 58).

Eine andersartige Fragestellung ist, ob die Persönlichkeitsmerkmale rein biologischer Herkunft sind, durch Einflüsse der Umwelt geformt oder sogar ausschließlich durch soziokulturelle Faktoren entstanden sind. Alle drei wissenschaftlichen Standpunkte existieren.

Die siebziger Jahre waren im Anschluss an die 68er-Revolte durch eine höchst kreative Frauenbewegung gekennzeichnet, die für die Emanzipation und Gleichberechtigung der Frau eintrat. An der Spitze war die streitbare Alice Schwarzer, der die Frauen nicht genug dafür danken können, was sie mit anderen Feministinnen erreicht hat. Parallel hierzu veröffentlichten Psychoanalytikerinnen wichtige Gedanken zur Frau, aufbauend auf die Arbeiten u. a. von Helene Deutsch und Karen Horney. Ich nenne hier stellvertretend einige von ihnen – die mich in meinem Denken sehr beeinflusst haben –, wie Jessica Benjamin, Janine Chasseguet-Smirgel, Nancy Chodorow, Margarete Mitscherlich-Nielsen, Christiane Olivier, Christa Rohde-Dachser sowie Evelyn Heinemann, deren ethnoanalytische Studien im Buch zitiert werden. Die siebziger Jahre waren aber auch durch einen – gelegentlich – dogmatisch und selbstgerecht1 geführten Geschlechterkampf gekennzeichnet. Männliche Dominanz und Vorherrschaft wurden in Frage gestellt und geschlechtsneutrale Erziehung wurde eingefordert. Margarete Mitscherlich, nicht gerade eine Widersacherin des Feminismus, hat in einem ihrer letzten Interviews mit Alice Schwarzer rückschauend gemeint: »Was mich an der deutschen Frauenbewegung vor allem störte, war das Ideologische. Genau wie bei den 68ern. Da gab es ganz fanatische Frauen, für die alle Männer böse waren. Diese Art von Schwarzweißdenken und die Unfähigkeit, Ambivalenzen zu ertragen, fand ich unerträglich« (2010, S. 255).

Die damalige Haltung in der Frauenbewegung wurde teilweise von der Vorstellung geleitet, dass geschlechtsspezifische Persönlichkeitsmerkmale ausschließlich auf Umweltfaktoren zurückzuführen seien und dass es sich bei allen geschlechtstypischen Persönlichkeitsmerkmalen lediglich um Stereotypien handele – alle seien auf unbewusste Manipulationen von Erwachsenen zurückzuführen. Diese sogenannte Gender-Forschung hatte sich bereits in den 50er Jahren entwickelt. Geschlechtlichkeit in ihren somatischen Aspekten wird gemäß Bischof-Köhler (2011) als »sex« von »gender« unterschieden, um schon durch diese Wortwahl klarzumachen, dass die Biologie nichts mit dem Verhalten zu tun hat. Die Verfasserin zitiert in diesem Zusammenhang eine Verlautbarung des Bundesfamilienministeriums (2003): »Gender bezeichnet die gesellschaftlich sozial und kulturell geprägten Geschlechtsrollen von Männern und Frauen. Diese sind – anders als das biologische Geschlecht (sex) – erlernt und damit veränderbar.« Bischof-Köhler meint hierzu, ein wenig ironisch, dass nur »gender« als erlernte und von der Kultur übernommene Geschlechtsrolle von Interesse sei. »Sex« könne zwar kulturell kommentiert werden, zwingend sei dies aber nicht (S. 32). Die somatischen Unterschiede dürfen also ausgeblendet und ignoriert werden. Dies mag aus didaktischen Gründen gelegentlich hilfreich sein, als grundlegende Theorie entsprechen solche Überlegungen nicht der Wirklichkeit.

Aber es existiert auch anderes Denken. Eine bedeutende Vertreterin der Frauenbewegung, Barbara Sichtermann, hat schon 1989 auf das Problem hingewiesen, dass Verweise auf die Biologie des Geschlechtsunterschiedes in der Frauenbewegung unbeliebt seien und von vornherein als kontraemanzipatorisch gälten. Es sei jedoch wichtig, nicht auf Biologie zu verzichten, die Frauenbewegung brauche einen Begriff vom Geschlechtsunterschied, der die Legierung von Natur und Geschichte zu verstehen lehrt; »sie muss aufhören zu unterstellen, die Geschichte habe als Prägerin von Wünschen und Realitäten innerhalb einer Biographie die Natur ohne Rest verdrängt« (Sichtermann, 1989, S. 153). Zu Recht bemerkt auch Aigner, dass die Bemühungen der Frauenbewegung um Geschlechteregalität die Differenz der Geschlechter zugunsten einer radikal sozialkonstruktivistischen Positionierung aus den Denkzusammenhängen ausgeblendet haben. »Alles, was sich um geschlechtsspezifische Zuschreibungen bemüht, war und ist heute teilweise noch bzw. wieder verpönt und steht im Verdacht, alte hegemoniale Verhältnisse zugunsten des Mannes zu legitimieren oder wieder aufzurichten« (Aigner, 2011, S. 16). Wir können feststellen, dass Pädagogik, Psychologie und Psychotherapie heutzutage »verweiblicht sind« und dass Männer in Pädagogik, Psychologie und Psychotherapie kaum mehr vorhanden sind. Sie haben sich aus vielerlei Ursachen zurückgezogen, über die u. a. bei Aigner (2011) nachzulesen ist, obwohl beispielsweise in der Erzieherbranche ein Y-Chromosom einer Karrieregarantie gleichkommt. Die heutigen unruhigen Jungen bilden in der von Frauen dominierten Bildungsinstitution eine Art Gegenbesetzung zu »weiblich-ruhigem« Verhalten, und sie werden von Erzieherinnen und Lehrerinnen oft nicht mehr ausreichend erreicht (Leuzinger-Bohleber et al., 2008); hierauf werde ich an anderer Stelle noch zu sprechen kommen.

2011 wird zu diesem Thema in einer höchst fragwürdigen Studie festgestellt, dass mit der Kritik an einer – vermeintlichen – Feminisierung der Pädagogik ein Verständnis von jungentypischem Verhalten verknüpft sei, welches angeblich von Frauen unterdrückt werde. Diese Darstellung von Jungen bilde jedoch die Vielfalt von Jungen nicht ab und lege eine »Reproduktion von traditionellen Geschlechterverständnissen und Zweigeschlechtlichkeit nahe, anstatt diese zu überwinden« (Rieske, 2011). Wer nicht Softie sein will, dem stehen lediglich die Schubladen Chauvi und Macho offen! Die beängstigende Frage stellt sich, wer hier denn feststellt, was »jungenhaft« ist. Ähnliche Aussagen zur Jungenpädagogik lauten wie folgt: »Jungen sollen in profeministischer, antisexistischer und patriarchatskritischer Jungenarbeit lernen, dass sie so wie sie sind, nicht sein sollten und einem fatalen Männlichkeitsbild hinterherjagen.« »Nicht die stabile (männliche) Identität (kann) das Ziel von Jungen- und Männerarbeit sein. Das Ziel (ist) nicht der ›andere Junge‹, sondern gar kein Junge« (zit. n. Bischof-Köhler, 2011, S. 33). Mit seinen fraglos auch problematischen und schwierigen Seiten soll der gesamte Junge mit dem Bade ausgeleert – sprich entsorgt – werden!

Diamond hat geschrieben, dass man Männlichkeit entweder als biologisch determiniert, evolutionär vermittelt und deshalb unwandelbar betrachten kann oder als ein soziales Konstrukt, als Produkt von Umwelt und Kultur, das infolgedessen unendlich wandelbar sei (2010, S. 19). Ich möchte – wie Diamond – eine solche Polarisierung meiden und als Psychoanalytiker einem integrativen Verstehen folgen.

Wer hat Angst vorm »Schwarzen Mann«?

Robert Bly (2010) hat in seinem Buch vom »Eisenhans« versucht, die Identität des Mannes vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen neu zu begreifen. Er meint, dass die dunkle Seite der Männer Realität sei: »Ihre irrwitzige Ausbeutung der Bodenschätze unseres Planeten, ihre Geringschätzung und Erniedrigung der Frauen und ihre zwanghafte Leidenschaft für atavistische Kriegsspiele sind nicht zu leugnen. Ihr genetisches Erbe ist diesen Obsessionen ebenso förderlich wie das kulturelle und gesellschaftliche Umfeld« (S. 8). Mit dieser Seite des Mannes werde ich mich noch im Abschnitt über die Geschlechtsunterschiede bei den Aggressionen (Kapitel 9, S. 299) auseinander setzen.

Diese Problematik einiger Männer wurde in den vergangenen Jahrzehnten allerdings generalisiert und auf alle Männer übertragen. Gewalt ist mittlerweile durchweg negativ-männlich konnotiert, obwohl gemäß Aigner nach den empirischen Ergebnissen über Gewalt in der Familie hier Frauen und Mütter – allein schon wegen der Haupterziehungslast, die sie tragen – ebenso häufig vertreten sind:

»Betrachtet man den öffentlichen oder auch fachlichen Diskurs darüber, so scheint auch dies ein Feld zu sein, in dem nur Männer die Täter sind. Nur Männer schlagen, prügeln und demütigen angeblich; und die Jungen treten schon früh mit Schulhofschlägereien in ihre Täter-Fußstapfen. Dieses generalisierte Männerbild und sein Abfärben auf die Jungen muss kritisch hinterfragt werden« (Aigner, 2011, S. 17).

In einem Zeit-Dossier schrieb Christoph Kucklick über das »verteufelte Geschlecht«. Er stellte in seinem Essay überzeugend dar, wie mittlerweile alles Männliche dämonisiert und verachtet wird und warum das letztendlich auch den Frauen schade. Männlichkeit ist seiner Meinung nach zur Kurzformel für Missstände aller Art geworden (Kucklick, 2012, S. 17). Ich schließe mich auch Kimmel an, der meint, dass die »chronische, anachronistische und potentiell tödliche Assoziation von Gewalt mit Männlichkeit die wahre Jungenkrise« ist (2011, S. 40). Man kann mittlerweile feststellen, dass Männlichkeit nicht selten mit destruktiver Gewalt symbolisch gleichgesetzt wird. In einem Essay in der Süddeutschen Zeitung hat Serrao das plumpe Lagerdenken mancher Feministinnen wie folgt auf den Punkt gebracht: »Das Problem vieler, vor allem älterer Feministinnen ist, dass sie sich weigern, ihr in jüngeren Jahren geformtes Bild von Männern in Frage zu stellen: Das des dauergeilen Patriarchen, der männerbündelnd seine Privilegien verteidigt« (SZ, 2013, S. 9). Eine sorgfältige Diskussion über den »entwerteten Mann« findet sich bei Hollstein (2011).

Eine 2010 neu eröffnete Vorschule in Stockholm – mit Namen »Egalia« – verfolgt beispielsweise einen komplett geschlechtsneutralen Ansatz und erzieht die Kinder auf radikale Weise zur Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das Personal vermeidet Wörter wie »er« und »sie« und spricht die 33 Kinder nicht als Jungen und Mädchen, sondern als »Freunde« an. Von der Farbe und Anordnung der Spielsachen bis zur Auswahl der Bücher ist alles bis ins Detail darauf ausgerichtet, dass die Kleinen nicht in Rollenklischees verfallen. »Die Gesellschaft erwartet, dass Mädchen mädchenhaft, nett und hübsch sind und Jungen männlich, robust und offen«, erklärt eine Lehrerin. »›Egalia‹ bietet ihnen eine fantastische Möglichkeit zu sein, wer sie sein wollen.« Die Geschlechterrollen »aufzubrechen«, ist ein wichtiges Ziel im Lehrplan dieser Vorschule (focus.de, 2011). Natürlich sind Unterfangen, Stereotype nicht aufkommen zu lassen, primär gut gemeint, was ja bekanntlich noch lange nicht gut ist. Geschlechtsunterschiede sollen in der Tat nicht aus vorgefassten Stereotypien bestehen und sie sollen nicht zur jeweiligen Diskriminierung des anderen eingesetzt werden. Aber Geschlechtsunterschiede bestehen eben nicht nur aus vorgefassten Meinungen, sondern sind auch biologische, soziale und psychologische Realitäten.

Ist das Ziel, den »Jungen« eliminieren zu wollen, etwa keine Ausübung von Gewalt? Rollenzuweisungen im Namen des biologischen Geschlechts sind zweifellos schädlich und engen ein. Festzustellen ist, dass keines der Geschlechter »besser« ist als das andere. Tatsache ist jedoch auch, dass Jungen und Mädchen, Männer und Frauen verschiedene Wesen sind. Deshalb existieren Geschlechtsunterschiede, und sie sind auch notwendig. Dann nützen auch keine verkrampften oder dogmatischen Versuche, sie zu leugnen oder gar zu »beseitigen«. Vielmehr sollten gemäß Hüther (2009) Bedingungen geschaffen werden, »die es den Jungen und den Mädchen gestatten, entsprechend ihrer wesensgemäßen Unterschiede aufzuwachsen und später als Männer und Frauen, sich in ihrer Verschiedenheit ergänzend, miteinander zu leben« (S. 54). Vor diesem Hintergrund soll in den folgenden Kapiteln versucht werden, sich einer »männlichen Identität« beschreibend anzunähern, wie sie für Kinder und Jugendliche im Rahmen unserer Kultur zutrifft (vgl. Aigner, 2011, S. 16).

Geschlechtsunterschiede – erste Überlegungen und Fragen

Es existieren viele Fragestellungen, gelegentlich auch größere Probleme, die regelmäßig zu pädagogischen Diskursen führen. Ist Koedukation immer hilfreich? Offensichtlich nicht immer. Dürfen Jungen am Schulhof raufen? Sie brauchen ein lustvolles, rivalisierendes Kräftemessen, also gerade am Schulhof! Ist zu langes Computerspielen schädlich? Alles kann zur Abwehr benutzt werden, zu Fluchten und Süchten. Im Folgenden will ich einige Geschlechtsunterschiede beschreibend aufzählen, ohne schon jetzt auf mögliche Ursachen einzugehen. Jungen haben einen starken Drang nach Bewegung und dieses Bedürfnis wirkt bereits im Mutterleib. Der männliche Fötus bewegt sich bereits mehr und ungestümer als der weibliche. Neugeborene Jungen sind impulsiver, geraten rascher in emotionale Erregung und lassen sich nur schwer beruhigen. Einfache Wiederholungsbewegungen können Jungen besser, aber die Bewegungen der Mädchen sehen später wesentlich harmonischer und geschickter aus. Hüther hat die Geschlechtsunterschiede sehr treffend mit einem Orchester verglichen (S. 66). Bei den Mädchen sitzen in den ersten Reihen harmoniesichere, melodietragende Instrumente, wie Streichinstrumente, Holzbläser, bei den Jungen jedoch Pauken und Trompeten, die krawallig alle feinen Melodien und Zwischentöne übertönen.

Gemäß Bischof-Köhler (2008, S. 18) sind Jungen vom ersten Lebenstag an impulsiver, störbarer, schlechter zu beruhigen, emotional rascher aufgedreht. Sie sind aber auch explorativer als Mädchen, erforschen die Umwelt und zeigen früh Vorlieben für alles Technische. Schon bald neigen Jungen auch zu riskantem Verhalten, zur Angstlust und damit zu einer größeren Risikobereitschaft, was in der Adoleszenz zu gefährlichen Mutproben verführen kann. Bischof-Köhler stellt auch fest, dass Jungen bereits im ersten Lebensjahr Verhaltensbesonderheiten aufweisen, die auf Geschlechtsstereotypen hinweisen, wie sie später für Erwachsene empirisch belegt sind: »Männer sind eher durchsetzungsorientiert, explorativ und risikobereit, Frauen stärker personorientiert, fürsorglicher und einfühlsamer« (ebd., S. 19).

Auch die psychischen Störungen sind deutlich geschlechtsspezifisch. Jungen neigen zur Bewegungsunruhe, externalisieren ihre Konflikte und tragen Sand ins soziale Getriebe (vgl. auch Ihle und Esser, 2002). Sie zeigen häufiger eine narzisstische Persönlichkeit (Mädchen eher eine depressive) mit entsprechenden Verhaltensweisen. Gemäß Dammasch (2008) neigen Jungen dazu, frühe Mangelerfahrungen durch den Aufbau einer Illusion narzisstischer Unabhängigkeit und phallischer Größe abzuwehren: Im Gefolge von narzisstischen Störungen treten nicht selten Aufmerksamkeitsdefizite auf. Es wird deutlich, dass das Lustprinzip gewahrt werden soll und grandiose Phantasien das Handeln bestimmen, bei gleichzeitigen Ängsten, zu versagen: Kränkungen werden gerne mit Wutdurchbrüchen beantwortet.

Das führt in eine schwierige gesellschaftliche Situation. Weil sie mit ihrer Bewegungsunruhe in sozialen Bezügen stören und um sie an die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen, wird den Jungen mittlerweile fast das gesamte verordnete Methylphenidat verabreicht. Das waren in Deutschland im Jahr 2010 bereits 1,3 Millionen Tabletten und bedeutet innerhalb von 17 Jahren einen Anstieg von 5200 %. Dass Jungen häufiger als Mädchen schwere Störungen durch Substanzgebrauch haben, scheint in diesem Zusammenhang keiner Überlegung wert.

Motorik, Aggression und Sexualität sowie eine archaische Lust an der Bewegung sind gemäß Dammasch bei Jungen eng miteinander verknüpft (2002). Weil ihnen in vielen Fällen keine ausreichenden anderen Möglichkeiten zur Regulation und symbolvermittelten Abfuhr ihrer Affekte zur Verfügung stehen, machen sie aus dieser Not offensichtlich eine Tugend – die kinetische Funktion wird überbesetzt. Mädchen ist es anscheinend leichter möglich, Bewegung zu symbolisieren und zu sublimieren.