Die Autoren

 

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Lothar Stempfle ist Diplom-Betriebswirt und leitet seit 1993 die »Stempfle Unternehmensentwicklung durch Training«. Er ist selbstständiger Trainer und Personalentwickler sowie Experte für Verkauf und ganzheitliche Vertriebssteuerung. Seine Schwerpunkte sind hochwertige Verkaufstrainings, Verhandlungstraining und die Durchführung von Personalentwicklungsmaßnahmen in Vertriebsorganisationen. Sein Motto: »Nur die Gesamtentwicklung einer Organisation führt zu nachhaltig wirkenden und messbaren Ergebnissen!«

Als »Spätberufener« steigt er seit 2013 auch in den Boxring – und überträgt seitdem die dort gewonnenen Erfahrungen in seine Trainings zu den Themen Verhandlung, Führung und Vertrieb.

Führungskräfte und Mitarbeiter arbeiten gemeinsam daran, dass Trainingsinhalte in der Praxis umgesetzt werden und Trainings zu Verhaltensveränderungen führen. Wichtig ist ihm, dass die Veränderungsprozesse von den Führungskräften und den Mitarbeitern permanent selbst reflektiert werden – am besten schriftlich. Eigenverantwortung ist unerlässlich für die persönliche Weiterentwicklung.

1997 erhielt die »Stempfle Unternehmensentwicklung durch Training« den Internationalen Deutschen Trainingspreis (BDVT) in Gold, 2004 und 2007 in Silber.

Kontakt: Stempfle Unternehmensentwicklung durch Training, Herdweg 13, 74235 Erlenbach, Tel.: 07132/34150-0, E-Mail: lstempfle@stempfle-training.de, Internet: www.boxdichdurch.de und www.stempfle-training.de

 

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Ricarda Zartmann ist BoxDichDurch-Trainerin & Managementcoach – ihr Leitspruch: »Nur wenn die Vertriebs- bzw. Persönlichkeitsentwicklung unter einem ganzheitlichen Aspekt gesehen wird, sind messbare und nachhaltige Ergebnisse möglich.« Zu ihren Schwerpunkten gehören Verhandlungstrainings, Vertriebs- und Kommunikationstrainings, Coaching und Training on the Job sowie Reklamationsbearbeitung und Kundenzufriedenheit.

Die passionierte Boxerin weiß aufgrund ihrer Boxerfahrungen und aus ihrer Berufspraxis: Jeder Mensch hat seine individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen, aber auch seine persönlichen Grenzen. Darum sind ihre Trainings und Coachings strikt teilnehmerorientiert ausgerichtet. Sie legt größten Wert auf die Nachhaltigkeit und das Erleben von Weiterbildungsmaßnahmen.

Bei der BoxDichDurch-Methode wechseln sich die Theoriephasen im Seminarraum mit der Umsetzungsphase im boxerischen Teil der Weiterbildungsmaßnahme ab. Dort verankern die Teilnehmer das Gelernte, indem sie die Verbindung zum Boxen durch gedankliche Verknüpfung und körperliche Ausführung herstellen. Verstärkt werden die Erfahrungen aus dem Seminar durch die von ihr begleitete Umsetzungsphase am Arbeitsplatz.

Kontakt: Stempfle Unternehmensentwicklung durch Training, Herdweg 13, 74235 Erlenbach, Tel.: 07132/34150-0, E-Mail: rzartmann@stempfle-training.de, Internet: www.boxdichdurch.de und www.stempfle-training.de

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Harte Verhandlungen – und was Sie daran hindert, sie zu Ihren Gunsten zu entscheiden


Ring frei: Was Sie in dieser ersten Boxrunde erfahren

Neue Verhandler braucht das Land

Einen der Schlüsselsätze dieses Buches kennen Sie bereits: »Erfolgreiches Verhandeln und Verkaufen beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit und der Realitäten.« Beginnen wir doch einfach damit: Die Zeit, in der miteinander verhandelt wurde, scheint der Vergangenheit anzugehören – falls sie jemals existiert hat. Im Verkauf, dem klassischen Verhandlungsbereich schlechthin, hängen viele Vertriebsleiter und Verkäufer gedanklich der schönen guten alten Zeit nach, in der sie allein durch die Darstellung ihrer Produkte und die Auflistung der grandiosen Produktvorteile gute Verkäufe erzielen konnten. Umso schwerer fällt es ihnen, heutzutage in harten Verhandlungen bestehen zu können.

Die »heile Welt« im Verkauf – es gibt sie nicht mehr. Aus dem Mund vieler Verkäufer fast aller Branchen hören wir, dass immer häufiger über den Preis verkauft wird, der Wettbewerb mörderisch geworden ist und kaum ein Einkäufer Listenpreise akzeptiert. Einkäufer haben aufgerüstet, sie verhandeln mit mehr Druck und nutzen die Möglichkeiten moderner Medien, Informationen zu beschaffen, die sie gegen den Verhandlungspartner verwenden.

Und in dieser Situation treffen sie auf Verkäufer, denen in Seminaren, Verkaufsratgebern und Meetings eingebläut worden ist, doch bitte schön über den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu verkaufen: Softselling statt Hardselling, Beziehungsmanagement ja, Abschlussorientierung nein – das scheint immer noch das Mantra vieler Verkäufer zu sein.

Unsere Befürchtung ist: Durch diese eindimensionale Konditionierung ist eine ganze Generation von Verhandlern und Verkäufern in die verantwortlichen Positionen hineingewachsen, die sich nicht mehr (zu)traut,


Auf den Punkt gebracht

Eine ganze Generation von Verhandlern und Verkäufern hat das harte Verhandeln verlernt.


Aber es gibt sie leider – die »dunkle Verhandlungs-Seite«, in der die knallharte Auseinandersetzung unvermeidlich ist, in der die Fetzen fliegen und in der Sie zur Kampfrhetorik greifen müssen, mithin zu Mitteln, die dazu dienen, sich durchzusetzen und zu gewinnen. Und oft entpuppt sich der Anspruch, fair zu agieren, als trügerische Illusion, nicht immer werden die Guten am Ende belohnt, zuweilen ist der Ehrliche und Faire am Ende der Dumme.

Bevor nun Ihre Mitarbeiter und Sie den Instrumentenkoffer mit der Aufschrift »Beziehungsmanagement« über Bord schmeißen – STOPP: Er wird nach wie vor gebraucht. Doch er alleine genügt halt nicht. Denn es gibt weder DAS Hardselling noch DAS Softselling. Es gibt nur jeden Tag neue und ganz verschiedene Kommunikations- und Verhandlungssituationen mit sehr unterschiedlichen Gesprächspartnern. Diese Situationen bewältigen Sie nur, wenn Sie über ein breit gefächertes Arsenal an kommunikativen Techniken, Methoden und Strategien verfügen und zu beidem fähig sind – zum Beziehungsmanagement und zum harten Verhandeln.


Auf den Punkt gebracht

Verabschieden Sie sich von jedem eindimensionalen Denken in »Alternativlos-Sätzen«: Es gibt immer mehrere Wege zum Ziel. Es ist fahrlässig, allein auf die Erfolgskarte »Beziehungsmanagement« zu setzen.


Der »Krieger« im Einkauf – und seine Folgen

Wann hat sich die Verhandlungsatmosphäre in die Richtung eines härteren Umgangstons entwickelt? Ein einschneidendes Ereignis war, als José Ignacio López de Arriortúa auf der Bildfläche der Automobilbranche erschien. Er zwang die Zulieferer seiner jeweiligen Arbeitgeber zu bis zu diesem Zeitpunkt unglaublichen Zugeständnissen. Unter seiner Ägide veränderte sich das Einkäuferverhalten enorm. Beispielsweise setzte López bei Lieferanten seine Einkaufspreise schriftlich für die nächsten fünf Jahre fest – und zwar mit fallender Tendenz. Das heißt: Er schrieb den Zulieferern über fallende Preise quasi vor, für Produktivitätszuwächse auf Seiten von Opel, General Motors oder Volkswagen – je nachdem, wo er gerade tätig war – zu sorgen, indem er immer heftiger an der Kostenschraube drehte.

Wer in die Gedankenwelt dieses »Kriegers« und erfolgreichen, aber auch umstrittenen Managers eintauchen will, liest am besten das Interview, das Sie im Internet unter http://www.brand eins.de/archiv/2006/erfolg/der-krieger.html finden.

Ob die Vorgehensweise des Spaniers stets angemessen gewürdigt und kritisiert worden ist, wollen wir hier nicht entscheiden. Für unseren Zusammenhang entscheidend ist die kompromisslose Verhandlungsführung des Managers, der mit seinem Verhandlungsstil gewiss für eine Verschärfung im Umgangston zwischen Verkauf und Einkauf und eine aggressivere Akzentuierung der Verhandlungskultur allgemein gesorgt hat.

Das Ergebnis ist bekannt: Gewinne und Deckungsbeiträge wurden massiv angegriffen. Das fand statt Ende der 1980er- und zu Beginn der 1990er-Jahre. Was in der Automobilindustrie begann, hat sich inzwischen auf nahezu alle Wirtschaftsbereiche ausgeweitet.

Zwischen Verkauf und Einkauf herrscht seit diesem Zeitpunkt eine immer größere Rivalität. Das betuliche Miteinander gehört seit langem der Vergangenheit an. Und doch fällt es vielen schwer, diese Entwicklung zu akzeptieren. Am Beispiel der Lebensmittelbranche lässt sich verdeutlichen, was in den vergangenen Jahrzehnten passiert ist: Es haben sich Machtblöcke auf beiden Seiten herausgebildet. Handelskonzerne wie die Schwarz-Gruppe mit Kaufland und LIDL, Metro und EDEKA stehen ebenso mächtigen Konzernen wie etwa Unilever, Bestfood oder Procter & Gamble mit ihren Markenfamilien gegenüber.

Die Konzerne sind aufeinander angewiesen, auf beiden Seiten besteht eine große Machtfülle. Wenn die eine Seite mit Auslistung einer Produktgruppe, also der Beendigung der Zusammenarbeit, droht, zeigt die andere Seite auf, welche Regale in Kürze in anderen Produktgruppen nicht mehr bestückt werden, wenn die Auslistung umgesetzt würde.

So geraten beide Seiten unter Druck – der Verkauf und der Einkauf. Stellen Sie sich nur einmal vor, die Einkaufsabteilung Ihres Unternehmens würde ihren Job nicht machen. Welche Preise müssten Sie im Verkauf dann am Markt realisieren – und wäre das überhaupt möglich?

Zwei Welten treffen aufeinander

Beschäftigen wir uns etwas näher mit der Welt der Einkäufer. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Einkäufer schon sehr früh in der Einkaufsabteilung dafür ausgebildet werden, dass vor allem eines stimmen muss: die Zahlen. Und damit sind wir sehr schnell beim heiligen Gral des Einkaufs, beim Preis. Viele Einkäufer – und lassen Sie uns bitte betonen, dass sich unter den Einkäufern sehr viele feine Menschen befinden, es geht uns nicht darum, eine Berufsgruppe zu verdammen – kennen nur den Preiswettbewerb, aber nicht den Qualitätswettbewerb.

Diese Tendenz verstärkt sich durch die Tatsache, dass gerade in den großen Konzernen und Unternehmen viele Absolventen direkt nach dem Studium auf eine Einkäuferstelle gelangen. Nach der Theorie-Prägung auf der Universität kommt es zur Zahlen-Prägung in der Einkaufsabteilung. Und dann treffen die Zahlen-Daten-Fakten-Einkäufer mit ihrer Fixierung auf den Preis, den Preis und den Preis auf Verkäufer, die vor allem mit dem Instrumentarium des Softsellings und des Beziehungsmanagements arbeiten.

Viel zu spät stellen die Verkäufer fest: Viele der Einkäufer wollen gar keine Beziehung! Zu ihrer Stellenbeschreibung und zu ihrem Qualifikationsprofil gehört es eben nicht, vertrauensvolle Beziehungen zum Verkäufer aufzubauen. Vielmehr wollen sie Produkte und Dienstleistungen zum günstigsten Preis und in bester Qualität einkaufen.

Hinzu kommt: In manchen Unternehmen wird den Einkäufern verdeutlicht, dass der Erfolg im Einkauf oft den nächsten Schritt auf der Karriereleiter einleitet. Wer sich im Einkauf seine Sporen verdient hat und dann befördert wird, nimmt die Zahlen-Daten-Fakten-Fixierung »mit nach oben«. Diese prägt dann schließlich auch seine harte und nahezu unerbittliche Verhandlungslinie bei Gesprächen auf der Abteilungsleiter- und Geschäftsführerebene oder gar als Vorstand.


Auf den Punkt gebracht

Wo auch immer der beziehungsorientierte Verhandler agiert: Er begegnet aggressiven und zahlenorientierten Verhandlungsgegnern, bei denen seine Maßnahmen, etwa Gemeinsamkeiten zu schaffen, auf taube Ohren stoßen.


Wenn Sie auf einen Einkäufer treffen, der immer wieder nur nach dem noch günstigeren Preis fragt, wird es Ihnen schwerfallen, mit den Methoden und Techniken des Beziehungsmanagements Ihre Ziele zu erreichen. Denn wer nur auf Zahlen geprägt und nahezu frei ist von technischem Verständnis, der kann seine Aufgabe, Angebote nur vor dem Hintergrund der vorgelegten Angebotspalette zu bewerten, trefflich erfüllen. Solchen Einkäufern fällt es schwer, strategisch zu denken und die guten Beziehungen, die sie zu den Verkäufern aufbauen könnten, als Grundlage für eine gedeihliche Geschäftspartnerschaft oder gar Geschäftsfreundschaft zu erkennen.

Eine Konsequenz für Sie könnte lauten: Wenn es Ihnen schwerfällt, die Mentalität und Persönlichkeit des Einkäufers zu verändern, müssen Sie bei sich selbst ansetzen und überlegen, inwiefern sich Ihre Mitarbeiter und Sie selbst sich verändern müssen, um sich alsdann von dem Allheilmittel des Beziehungsmanagements zu verabschieden.

Die Kultur der einseitigen Fixierung auf den Preis

Vielleicht kennen Sie das: Sie haben Ihrem Verhandlungspartner glasklar die qualitativen Vorteile belegen und beweisen können, die er schwarz auf weiß nach Hause trägt, wenn er Ihre Produkte und Dienstleistungen einkauft: Sie werden ihm auf langfristige Sicht zu strategischen Wettbewerbsvorteilen verhelfen. In den Augen seiner Kunden helfen ihm Ihre Produkte und Dienstleistungen, ein Alleinstellungsmerkmal aufzubauen. Der Kunde mag ja berechtigte Gründe haben, mit Ihnen eben nicht zusammenarbeiten zu wollen. Aber wieder und immer wieder kommt er auf den Preis zu sprechen. Dieser ist zwar wichtig, aber doch nicht allein entscheidend. Warum also bringt er penetrant den finanziellen Aspekt als alleinigen Verhandlungsaspekt ins Spiel?

In vielen Fällen hat dies damit zu tun, dass sich in jedem Unternehmen, in jeder Abteilung und damit auch in der Einkaufsabteilung eine bestimmte Kultur und häufig auch unausgesprochene Regeln ausbilden, an die sich jeder hält. Eine Kultur, der auch Ihr Gesprächspartner gerecht werden will und muss. Und wenn das Leitmotiv dieser Kultur unter dem Motto steht: »Unser Selbstverständnis basiert darauf, dem Gesprächspartner unsere Bedingungen zu diktieren, und das ist im Einkauf primär der Preis«, sind die langfristigen strategischen Wettbewerbsvorteile, die der Einkäufer durch die Zusammenarbeit mit ihnen erreichen kann, für die Katz. Denn für solch ein Verhandlungsergebnis erfährt Ihr Gesprächspartner keine Anerkennung in seinem Unternehmen.

Die Kollegen loben ihn nicht dafür, dass er für die Firma einen langfristigen Erfolg errungen hat. Der Punktsieg nach zwölf Boxrunden ist nichts wert. Es zählt der schnelle Knock-out des Gegners. Um ein Beispiel aus einer anderen Sportart zu bemühen: Der Dribbler, der seinen Gegenspieler beim Fußball möglichst oft tunnelt, ihm also den Ball zwischen den Beinen durchspielt und ihn schlecht aussehen lässt, erhält mehr Lob als derjenige, der mit dem klugen Pass das Tor vorbereitet. Das gelingt aber nur in einem Team, bei dem die Kultur des Lächerlichmachens des Gegners im Vordergrund steht.

Kennen Sie den folgenden Einkäuferwitz: Fragt der eine Einkäufer den anderen: »Was ist Einkäuferqualität?« Die Antwort: »Weiß ich nicht.« Sagt der erste: »Einkäuferqualität ist, wenn du den Verkäufer so schnell über den Tisch ziehst, dass dieser meint, die entstehende Reibungshitze wäre Nestwärme.«

Was sagt Ihre Erfahrung? Veranschaulicht dieser Witz die Einstellung vieler Einkäufer gegenüber den Verkäufern ihrer Lieferanten – gegenüber Ihnen oder Ihren Mitarbeitern?


Auf den Punkt gebracht

Wie sich Ihr Verhandlungspartner präsentiert, hängt nicht nur von diesem selbst ab, sondern auch von der (Unternehmens-)Kultur, von der dieser sozialisiert worden ist.


Bei der Frage, warum Ihre Verhandlungen scheitern, ist mithin die Kultur des Unternehmens, mit dessen Repräsentanten Sie verhandeln, entscheidend. Das ist ein ganz entscheidender Punkt bei Ihrer Vorbereitung auf die Verhandlungsrunden: Wenn Sie die Boxschule, die Ihr Verhandlungsgegner besucht hat, nicht kennen, wenn Sie die (Unternehmens-)Kultur nicht einschätzen können, in der Ihr Verhandlungspartner groß geworden ist, wird es Ihnen schwerfallen, die Auseinandersetzung zu bestehen.

Und darum wird uns die Vorbereitungsfrage insbesondere in den Kapiteln 3 bis 5 intensiv beschäftigen.

Die Macht des Einkaufs wächst beständig

Natürlich gibt es weitere Gründe, warum gerade Verhandler im Verkauf im Gespräch mit dem Einkauf immer öfter das Nachsehen haben. Dazu zählt die Austauschbarkeit vieler Produkte. Zwar tönt es von zahlreichen Internetseiten: »Wir bieten Qualität, Service, Kundenservice etc.« Doch leider ist derselbe Text auch bei der Konkurrenz zu finden. Aus Sicht des Einkäufers gleichen sich die Produkte der Hersteller immer mehr an. Ob Samsung oder Apple – den Unterschied macht letztendlich nicht das Produkt. Es ist etwas anderes, es ist die Story, die Vision, mit der das Produkt aufgewertet wird und die es dem Verkäufer ermöglicht, sich vom Preis als alleinigem Differenzierungsmerkmal zu befreien. Wer sich nicht anders differenziert, der verliert.


Auf den Punkt gebracht

Wer allein über den Preis hineinkommt, fliegt über den Preis auch wieder hinaus.


Wie es »richtig« geht, hat uns Steve Jobs gezeigt. Man konnte über den Apple-Chef verschiedener Meinung sein. Was aber niemand bestreiten wird: Er verstand es wohl wie kein anderer, mithilfe seiner Produkte so etwas wie ein Lebensgefühl und ein Mehr an Lebensqualität zu verkaufen. Steve Jobs war ein Menschenfänger im positiven Sinn und ein Verkäufer, der seine – qualitativ natürlich hochwertigen – Produkte als Vehikel eines Lebensgefühls verkaufte. Wir kaufen kein iPhone, sondern Freiheit, Mobilität, Einzigartigkeit, Anerkennung, ein schöneres Leben – zumindest in unserer subjektiven Wahrnehmung.

Die Apple-Produkte befriedigen Bedürfnisse, die wir noch gar nicht artikuliert haben. Sie transportieren Eigenschaften, die außerhalb ihrer selbst, also außerhalb der Produkte, angesiedelt sind. Sie sind Statussymbole, die den Besitzer aufwerten. Hinzu kommt: Steve Jobs präsentierte sein Produkt – oder besser: sein Apple-Lebensgefühl – sympathisch, charismatisch und selbstbewusst, aber auch kompetent.

Das ist eine der Strategien, mit denen der Verkauf der zunehmenden Einkaufsmacht begegnen kann. Apple ist und bleibt aber eine Ausnahme. In der Regel können Verhandler im Verkauf der Preisdiskussion kaum ausweichen – vor allem dann, wenn die Konkurrenten mit aggressiver Preispolitik am Markt auftreten. Diese Unternehmen setzen ihre niedrigen Preise zum Beispiel ein, um sich Aufträge zu kaufen und so ihre Kapazitäten in der Produktion auszulasten. Das kurzfristige Überleben steht für diese Unternehmen im Vordergrund. In Märkten mit Überkapazitäten platzt dann irgendwann die Niedrigpreisblase und es kommt zu einer Marktbereinigung. Zudem gibt es immer wieder Anbieter, die die Nerven verlieren und ihr Heil in niedrigen Preisen suchen. Schließlich suchen neue Marktteilnehmer den Zugang zu den neuen Märkten, indem sie niedrige Preise ansetzen.

All diese Entwicklungen stärken die Verhandlungsposition und erhöhen die Macht der Einkäufer in den Verhandlungen mit dem Verkauf.

Samthandschuhe im Verkauf: Mit Love und Peace in die Einbahnstraße

Der Geschäftsführer eines Zulieferers sagte in einer harten Verhandlung: »Wenn wir auf Ihren Vorschlag eingehen, dann fahren wir Verlust und können über kurz oder lang den Laden dichtmachen.« Die Antwort darauf: »Danke für den Hinweis, dann schauen wir uns am besten schon einmal nach einem neuen Lieferanten um.«

Ein klares und hartes Statement. Herzlos auf jeden Fall, und es zeigt nochmals, was uns viele Verkäufer immer wieder mitteilen: Beziehung spielt beim Einkauf nur dann eine Rolle, wenn der Einkäufer etwas haben will. Es ist mithin kontraproduktiv, den Beziehungsaufbau in den Mittelpunkt der Verhandlungsaktivitäten zu stellen.

Das heißt: Es muss anders gehen. Das bereits angesprochene Problem: Viele Verhandler im Verkauf kämpfen mit ihrer soften Konditionierung, und es ist schwer, dieses Programm auf der geistigen Festplatte zu löschen und die Primärkonditionierung zu bekämpfen.

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Ein kleiner Exkurs in den Boxsport: Jeder Verhandlungs- und Boxstil hat seine Vorteile
Während der eine Verhandler als eher zurückhaltender Beziehungsmanager an den Boxstil des filigran boxenden »Gentleman« Henry Maske erinnert, ähnelt der Verhandlungsstil des Kollegen der burschikosen und rustikalen Kampfweise eines Nikolai Walujew, der mit 2,17 m Körpergröße zuweilen etwas unbeholfen durch den Ring tapst.
In den 1980er- und 1990-Jahren war es Henry Maske, der mit seiner Defensiv-Strategie »Es gewinnt nicht derjenige, der die meisten Treffer landet, sondern derjenige, der die wenigsten Treffer abbekommt« grandiose Erfolge feierte. Es wäre unsinnig gewesen, Maske zum Haudrauf-Boxer umzufunktionieren. Und es wäre ebenso kontraproduktiv, wenn der Vertriebsleiter den Softseller mit Stärken im Beziehungsmanagement zum Hardseller mit Abschlussfokussierung umerziehen wollte.
Entscheidend ist: Jeder Verhandlungsstil kann zum Erfolg führen; meistens jedoch ist es von Vorteil, wenn der Verhandler beide Stile beherrscht – und auch noch die Zwischentöne.

Verkäufer wechseln in den seltensten Fällen nach einem Wirtschaftsstudium direkt in den Verkauf. Der Lebenslauf vieler Verkäufer beginnt in der Technik, im Maschinenbau oder anderen Tätigkeiten, in denen die Vorgehensweisen in harten Verhandlungen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Im Gegenteil. Im Mittelpunkt stehen das Produktwissen, die Produktargumentation, der Beziehungsaufbau und die Beziehungspflege. Sie verinnerlichen Werte, Überzeugungen und Glaubenssätze, die es ihnen nahezu unmöglich machen, in harten Verhandlungen zu bestehen oder gar zu gewinnen.

Die Folge: Verhandler im Verkauf – und das reicht hoch bis zur Ebene des Vorstands und der Geschäftsführer – entwickeln oft eine Beißhemmung, tragen eher Samthandschuhe, selten oder nie die Boxhandschuhe. Und wer auf Love and Peace eingeschworen wurde, entwickelt in der harten Verhandlung selten denjenigen Kampfesmut und diejenige Kampffertigkeit, die es ihm erlauben, die konstruierten Scheinausreden des Verhandlungspartners beim Namen zu nennen. Allzu groß ist die Angst vor dem Verhandlungsabbruch. Aber ist die ehrliche Argumentation, die die Scheinargumente des Gesprächspartners aufdeckt, nicht besser, als in der Diskussions-Einbahnstraße »Preis« zu enden? Und zwar ohne die Möglichkeit zu wenden und einen anderen Weg einzuschlagen?

Schauen Sie sich dazu das folgende Beispiel an: Ein Einkäufer sagte uns einmal: »Was interessieren mich technische Details und langfristige Wettbewerbsvorteile? Was für mich zählt, und damit für meine Firma, ist allein der Preis und nichts als der Preis.« Und nicht selten bekommen Verkäufer technischer Produkte zu hören: »Wissen Sie, das mit Ihren Folgekosten ist ja gut und schön. Allerdings sollten Sie wissen, ich bin für den Einkauf der Geräte zuständig. Welche Folgekosten daraus entstehen, ist mir eigentlich gleichgültig.«

Was können Sie in einer solchen Situation antworten?

Eskalieren Sie das Verhandlungsgespräch

Unsere Empfehlung: Nutzen Sie eine Analogie aus der Alltagserfahrung – hier den Kühlschrankkauf – und damit eine Situation, die der Verhandlungspartner mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst einmal kennengelernt hat:

Samthandschuhe aus – Boxhandschuhe an

Uff – wir hören jetzt schon, wie bei vielen Lesern die Ampel auf Rot springt. »Das kann man doch nicht machen! Mit so einem Vorgehen bin ich draußen! Das ist doch schon fast unverschämt!«

Interessant, denn hier wird einmal mehr unsere verkäuferische Prägung deutlich: Immer lieb sein, immer nett bleiben, und ja nicht auf Konfrontationskurs gehen. Sie werden immer das Ergebnis erhalten, welches Sie erhandeln. Wer Everybody’s Darling sein möchte, wird zu Everybody’s Depp. Es geht nicht darum, in jeder Phase der Verhandlung gemocht zu werden. Denn welches Risiko gehen Sie als Verhandler in unserem Beispiel oben überhaupt ein?

Wenn Sie im harmoniesüchtigem Wohlfühlmodus verharren, bleibt die Verhandlung unweigerlich in der Preisdiskussion stecken. Dabei können Sie nur verlieren, denn es gibt immer einen Konkurrenten, der noch billiger ist und den Sie unterbieten müssen.


Auf den Punkt gebracht

Dann ist doch vielleicht der Versuch zielführender, die Verhandlungssituation zu eskalieren, indem Sie die Situation auf die nächsthöhere Entscheidungsebene hieven und mit demjenigen weiterverhandeln, der nicht allein auf den Preis als Entscheidungskriterium fixiert ist.


Dies wird Ihnen aber nur möglich sein, wenn Sie sich von blockierenden Überzeugungen wie »Ich darf den Verhandlungspartner nicht besiegen und ihn auf keinen Fall provozieren« befreien und an deren Stelle Überzeugungen etablieren, die es Ihnen erlauben, sich auch in harten und konfliktreichen Verhandlungen durchzusetzen.

Das ist kein leichter Weg: Früher war es auch uns aufgrund unserer verkäuferischen Prägung ein tiefes Anliegen, nach jeder Verhandlung vom Verhandlungspartner noch gemocht zu werden. Heute lautet unsere Maxime: »Wir möchten nicht mehr gemocht werden, wir möchten respektiert werden – und Respekt bekommen wir nicht geschenkt, den müssen wir uns erhandeln!«

Doch wie gelingt es, sich von der verkäuferischen Prägung zu befreien und stattdessen die selbstbewusste und selbstsichere Haltung des »Ich will und darf die Verhandlung gewinnen!« aufzubauen?


Nutzen Sie die Pause nach der ersten Boxrunde zur Selbstreflexion


Fazit zur ersten Boxrunde