Vorwort

»Also ließen sie einen Wächter zurück, einen von Millionen, die sie überall im Universum aussetzten, damit sie alle Welten beobachteten, auf denen man Leben erhoffen konnte. Und dieser Leuchtturm meldete durch die Jahrhunderte geduldig immer wieder, dass niemand ihn bisher entdeckt hatte.«

Arthur C. Clarke, 1951 – "The Sentinel"

Abseits der von der Wissenschaft gänzlich ignorierten kontroversen UFO-Problematik und jenseits aller abenteuerlichen Hypothesen Erich von Dänikens existiert seit 53 Jahren eine wissenschaftliche Teildisziplin innerhalb der Bioastronomie respektive Exobiologie, die sich voll und ganz außerirdischen Intelligenzen verschrieben hat. Anfangs noch als unseriös abqualifiziert, hat sich der aus der Radioastronomie hervorgegangene Zweig mit dem Kürzel SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence = Suche nach außerirdischer Intelligenz) in der Science Community derweil etabliert. Dass sich Anno Domini 2013 selbst erlesene Astronomen und Physiker, hierunter auffallend viele Nobelpreisträger, als SETI-Anhänger outen, spiegelt den Zeitgeist wider. SETI ist salonfähig geworden und hat in den Elfenbeintürmen Fuß gefasst. Kaum ein ernst zu nehmender Intellektueller und Wissenschaftler zweifelt mehr am Dasein hochstehender Kulturen im All.

Heute richtet sich der Fokus der SETI-Forscher, die mit großen Radioschüsseln außerirdische Kosmogramme und mit optischen Teleskopen Lichtbotschaften einzufangen versuchen, mehrheitlich auf Sterne mit planetaren Begleitern. Konsequenter als je zuvor ziehen sie alle Register der Technik, Strategie, Suchmethodik, Fantasie und Kreativität, um ET & Co. dingfest zu machen. Gleichwohl zog noch keiner von ihnen die lang ersehnte interplanetare Flaschenpost ans Erdufer. Kein außerirdisches Treibgut driftete im Wellenmeer des kosmischen Ozeans bis an die Gestade unserer Wahrnehmung. Dennoch blicken die SETI-Protagonisten des 21. Jahrhunderts voller Optimismus in die Zukunft. Großen Anteil hieran haben die Planetenjäger, die Tausende von Exoplaneten entdeckt haben, und die Hochrechnungen der Exobiologen, denen zufolge lebensfreundliche Planeten im All eher die Regel als die Ausnahme sind.

Um die Existenz der Extraterrestren nachzuweisen, haben einige SETI-Astronomen derweil mutig die alten Pfade ihrer Vorgänger verlassen und bereits mit hochmodernen Teleskopen nach außerirdischen Artefakten, Alien-Sonden oder interstellaren Raumschiffen gefahndet. Sie haben den Infrarotbereich okkupiert, um Dyson-Sphären aufzuspüren, mit denen Superzivilisationen Sterne ummanteln und deren Energie direkt anzapfen könnten. Zeitgleich fabulieren und spekulieren zahlreiche Theoretiker darüber, wo außerirdische Artefakte vergraben sein und wie sie aufgespürt werden könnten. Längst hat sich ihr Fachgebiet, das vor 30 Jahren das Akronym SETA (Search for ExtraTerrestrial Artifacts) erhielt, zu einer zukunftsträchtigen, ausbaufähigen Teildisziplin von SETI gemausert.

Was es mit der Suche nach extraterrestrischen Artefakten auf dem Mond, dem Mars, im Sonnensystem und darüber hinaus auf sich hat, will dieses Buch anschaulich dokumentieren. Hierbei steht die Frage im Mittelpunkt, mit welchen Techniken und Beobachtungsmethoden die SETA-Wissenschaftler in Zukunft ihre Fahndung nach Relikten von Aliens forcieren wollen, welche bevorzugten Zielregionen sie anvisieren und wo sie bereits verdächtige Strukturen ausgemacht haben.

Jenseits der klassischen SETI-Doktrin operieren aber nicht nur die SETA-Aktivisten, sondern auch die Active-SETI- bzw. METI-Protagonisten (Messaging to Extraterrestrial Intelligence), von denen einige übereifrige Radioastronomen bereits auf Nimmerwiedersehen interstellare Botschaften für ferne Kulturen ins kosmische Blau des schwarzen Universums gesendet haben – sehr zum Ärger der METI-Skeptiker, die nicht zu Unrecht vor allzu großer Sendebereitschaft warnen. Denn wer kann schon ausschließen, dass da draußen nicht angriffslustige Wesen herumgeistern, die sich über allzu freizügige Nachrichten unterentwickelter Kulturen freuen. Könnte uns unsere Sendelust zum Verhängnis werden? Welche Risiken birgt das Versenden von irdischen Botschaften? Und überhaupt: Welche Active-SETI-Programme hat es bereits gegeben, welche Nachrichten wurden versandt?

Diesen und anderen Fragen zum Bereich METI geht dieses Buch nach. Dabei kommen vor allem die METI-Skeptiker, die sich vornehmlich aus international bekannten Wissenschaftlern rekrutieren, zu Wort. Es sind warnende Stimmen, die nicht ignoriert werden können.

Da sich SETI während ihrer 53-jährigen Schaffenszeit die akademische Anerkennung mühsam erarbeiten musste, hat der Autor dieses Buches der Seriosität halber darauf verzichtet, allzu tief ins Traumland der Fantasie einzutauchen und sich im Dickicht wirrer Paläo-SETI-Thesen zu verlieren. Daher reflektiert dieses Werk ausschließlich die wissenschaftliche Diskussion und blendet alle unwissenschaftlichen sowie esoterischen Strömungen bewusst aus.

Wie dem auch sei, es ist jedenfalls eine Ironie der Wissenschaftsgeschichte, dass die einzig wahren und greifbaren "außerirdischen" Artefakte, nach denen die SETA-Forscher so händeringend suchen, wir selbst geschaffen haben. Sofern sie nicht als Landeeinheiten ihren Bestimmungsort erreicht haben, treiben sie als Roboter, Forschungssonden und Raumflugkörper irgendwo da draußen im kosmischen Meer einer ungewissen Zukunft entgegen – genauso wie die von uns absichtlich ins Wellenmeer des astralen Ozeans geworfene METI-Flaschenpost.

Sollten Aliens besagtes Strandgut einst auffischen oder signalisiert bekommen, dass wir eines ihrer Artefakte gefunden und womöglich geöffnet haben, bleibt uns nur die Hoffnung, dass sie mit ihren Brüdern und Schwestern im All anders verfahren als wir seinerzeit mit den technisch unterlegenen Inkas, Mayas, den afrikanischen Völkern und asiatischen Nationen (u.v.a.m.), die stets die Verlierer eines Erstkontakts waren. Auch für uns könnte bereits ein einziges Signal, gerät es in die falschen Tentakel oder krabbenartigen Scheren, im schlimmsten Fall das Ende bedeuten. Jedes eintreffende Antwortsignal, jedes gefundene Artefakt, das von einer aggressiven Alien-Technologie stammt, könnte für uns zur kosmischen Büchse der Pandora avancieren. Es wäre ein First Contact mit finalem Charakter. Das Ende der Spezies Homo sapiens …

Dr. Harald Zaun
Köln, 6. Februar 2013

Impressum

Harald Zaun
First Contact
Spurensuche nach kosmischer Intelligenz und die Gefahren

 

Herausgeber: Florian Rötzer

Umschlaggestaltung & Herstellung: Michael Schuberthan
Titelbild: Image courtesy of NRAO/AUI and Bill Saxton

ISBN 978-3-944099-83-5 (V1)

Copyright © 2013 Heise Zeitschriften Verlag GmbH & Co KG, Hannover

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Heise Zeitschriften Verlag GmbH & Co KG
Karl-Wiechert-Allee 10
30625 Hannover

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Vorwort

Wie gefährlich ist ein Kontakt via Licht- und Radiowellen?

Interstellare Büchse der Pandora?

METI und Active SETI

Könnten sie nicht gute Gründe haben zu schweigen?

Aliens und San Marino Skala

Keine Furcht vor dem First Contact

Die Angst vor dem First Contact

Sie werden sowohl friedliebend als auch aggressiv sein

SETA - Spurensuche nach dem extrasolaren Monolithen

Die geistigen Väter von SETA

Aktive und passive Alien-Artefakte im Sonnensystem und die Suche nach ihnen

Aktive Artefakte in extrasolaren Gefilden

Dyson-Sphären und Superzivilisationen im Fadenkreuz

Weltraumkolonien, Kunstplaneten und Astro-Magier im Fokus

Die Stunde der Xenoarchäologen

Über den Autor

Wie gefährlich ist ein Kontakt via Licht- und Radiowellen?

Einige Monate nach dem 50. Geburtstag des ersten SETI-Suchlaufs (S.E.T.I. vermeldet Historisches) und einige Monate vor dem 50. Jahrestag der wissenschaftshistorischen Greenbank-Konferenz (Ein Kompositum von Unsicherheiten) startet Telepolis ab heute eine neue Artikelserie, die sich schwerpunktmäßig der Frage annimmt, welche Risiken das aktive und gezielte Versenden interstellarer Botschaften an ferne Zivilisationen für die Menschheit hat - unabhängig davon, ob sie auf eine außerirdische Flaschenpost antwortet oder einfach gezielt ins kosmische Blaue sendet (METI/Active SETI).

Könnte eine von uns in den kosmischen Ozean geworfene Flaschenpost eine außerirdische Antwort provozieren, die für uns - ähnlich der mythischen Büchse der Pandora - böse Konsequenzen hat? Könnte für den Homo sapiens der Kontakt mit einer hochentwickelten intelligenten Kultur im All zu riskant sein, wie Stephan Hawking befürchtet? Der aktuell vorliegende und der demnächst folgende Beitrag "METI und Active SETI" sollen auf das Thema einstimmen, tangieren aber die Frage, wie gefährlich ist ein Kontakt via Licht- und Radiowellen für die Menschheit ist, nur indirekt. Dieser Frage gehen die folgenden Artikel direkt nach.

Unerwünschte kosmische Flaschenpost: Pioneer 10

Den Anfang macht die NASA-Raumsonde Pioneer 10, der erste irdische Roboter, der (u.a.) in kosmisch-diplomatischer Mission in den Weltraum eintauchte. Einst unterwegs in wissenschaftlicher Mission und den Kontakt zur irdischen Basis über Jahrzehnte hinweg stets wahrend, durchtrennte Pioneer 10 vor 14 Jahren als erster Forschungsroboter die Nabelschnur zur Erde. Am 22. Januar 2003 sandte der astrale Gesandte sein letztes Signal. Seitdem ist die mit einer Grußbotschaft an ET und Co. bestückte Sonde (wie ihre später gestartete Schwestersonde Pioneer 2) auf sich alleine gestellt. Die berühmte Pioneer-Plakette bezeichneten Kritiker bereits 1972 als falsch, obszön und skandalös. Trotz der sehr geringen Wahrscheinlichkeit, dass die metallenen Vagabunden in fernster Zukunft von einer hochstehenden fremden Zivilisation aufgelesen werden, könnte diese Szenarium eines fernen Tages Realität werden

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Aufnahme der Pioneer-Plakette, von denen zwei Exemplare seit 1972 und 1973 im All driften. Bild: NASA

Die älteste und erste interstellare Versuchssonde, der erste roboterartige Repräsentant der Menschheit, verabschiedete sich am 2. März 1972 von der Erde. Nach einem Bilderbuchstart vom Cape Canaveral (Kennedy Space Center) in Florida hievte eine dreistufige Trägerrakete vom Typ Atlas-Centaur die NASA-Raumsonde Pioneer 10 ins All. Damit nahm ein unvergleichliches Abenteuer seinen Anfang, das Pioneer 10 zahlreiche interessante und riskante Höhepunkte bescherte.

Einst das schnellste künstliche Gefährt

So durchquerte der interplanetare Globetrotter nach dem Passieren des Mars mit einer Rekordgeschwindigkeit von 120.000 Stundenkilometern den als äußerst gefährlich eingestuften Asteroidengürtel. Nachdem das unbemannte Raumschiff die kritische, zwischen Mars und Jupiter gelegene Zone, in der kilometergroße Brocken und Myriaden kleiner Gesteinsteile herumschwirren, schadlos überstand, erreichte ihr interplanetarer Ritt den ersten Höhepunkt: In einer Entfernung von nur 131.000 Kilometern flitzte das Raumvehikel Ende 1973 über die Ammoniak-Eiswolken des größten Planeten unseres Sonnensystems hinweg und überstand auch das Strahlenbombardement, mit dem Jupiter das irdische Gefährt willkommen hieß.

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Bordinstrumente von Pioneer 10. Bild: NASA

Dass sich der ganze Aufwand seinerzeit lohnte, dokumentieren heute noch über 300 Fotos, welche die Forschungssonde vom Gasriesen Jupiter in einer Auflösung von bis zu 500 Kilometer pro Pixel zur Erde funkte.

Auch die Schwestersonde Pioneer 11, die am 5. April 1973 die Erde verließ, bediente sich beim Vorbeiflug am Jupiter der Swing-by-Technik. Hierbei nutzten die Raumflugkörper das Schwerefeld des größten Planeten des Sonnensystems, um ihre Beschleunigung katapultähnlich zu erhöhen. Das interplanetarische Billardspiel glückte; die Anziehungskraft des Jupiters beschleunigte insbesondere die Pioneer-10-Sonde auf eine Geschwindigkeit von 12,5 Kilometer pro Sekunde, womit sie damals zum schnellsten Objekt avancierte, das die Menschheit je konstruiert und gebaut hatte.

Wie die Natur sie gemacht hat

Am 31. März 1997 wurde die gesamte Mission offiziell für beendet erklärt. Frühestens in 10.000 Jahren taucht die Sonde in den interstellaren Staub der astralen Zone ein. In 80.000 Jahren erreicht sie den erdnächsten Stern Proxima Centauri.

Nach zwei Millionen Jahren, wenn das kosmische Intermezzo der Menschheit möglicherweise nicht mehr als eine Randnotiz in der ungeschriebenen galaktischen Enzyklopädie sein dürfte, erreicht der Roboter das Sternbild Stier (Taurus) und streift die dortigen Sterne.

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Pioneer 10. Bild: NASA

Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, dass der irdische Botschafter dereinst wirklich von einer dort lebenden Kultur aufgelesen würde, fänden die fremden Lebensformen eine aufmontierte 15 mal 22,5 Zentimeter große und 1,27 Millimeter dicke Platte vor, auf der das Abbild zweier Menschen, eines Mannes und einer Frau von durchschnittlicher Körpergröße, so wie die Natur sie geschaffen hat, zu bewundern ist.

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Das vergoldete Cover mit Infos für Aliens. Es schützt die darunter liegende "Goldene Schallplatte", die an den beiden NASA-Raumsonden Voyager 1 und 2 montiert sind. Bild: NASA

Es ist wohl die berühmteste Metall-Gravur, auf dem sich ein Menschenpaar die Ehre gibt. Während der junge Mann die rechte Hand (für den Betrachter die linke) zum Willkommensgruß hebt, steht ihm eine um einen Kopf kleinere junge Frau zur Seite. Beide unbekleideten Figuren weisen bewusst unterschiedliche ethnische Charakteristika auf und sind maßstabgerecht vor der Raumsonde Pioneer 10 stehend abgebildet. Ganz im Gegensatz zu den anderen auf der goldeloxierten Aluminiumplatte eingravierten wissenschaftlichen Botschaften (z.B. Pulsarkarte oder schematische Darstellung des Übergangs eines neutralen Wasserstoffatoms) entzündete sich 1972 an den beiden Pioneer-Plaketten eine lebhafte Debatte, die höchst Triviales zutage förderte.

Carl Sagans Kind

Dass die Pioneer-Zwillinge mit je einer kosmischen Flaschenpost bestückt wurden, ist in erster Linie dem schon zu dieser Zeit bekannten Astronomen und Wissenschaftler der Cornell University in Ithaca, Carl Sagan, zu verdanken, der zusammen mit Frank Drake in San Juan in Puerto Rico im Dezember 1971 die Grundelemente der Botschaft skizzierte.

Seinerzeit war schnelles Handeln gefragt. Schließlich standen Sagan und Drake für die Vorlage der Idee, der Ausarbeitung des Entwurfs und der künstlerischen Umsetzung, sprich der Gravierung der Botschaft, nur drei Wochen zur Verfügung. Obendrein mussten sie binnen diesem Zeitraum auch noch die Zustimmung der NASA einholen. Dennoch sorgten sie dafür, dass die 0,12 Kilogramm schwere, mit Gold beschichtete Aluminiumplatte, Wochen später dann doch noch an der Antennenverstrebung der Sonde befestigt werden konnte.

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Carl Sagan (1934-1996). Bild: NASA

Am Ende war ein einzigartiges Artefakt der Menschheit zu bestaunen, eines, dem eine bis dahin einmalige Lebenserwartung beschieden sein könnte. Denn ausgehend von der Überlegung, dass die zu erwartende Erosionsrate für die Aluminiumplatte im interstellaren Raum recht gering ist, attestierte Sagan der Pioneer-Botschaft eine Lebensdauer von mindestens mehreren 100 Millionen Jahren.

Was auch immer Lebewesen einer fernen Welt einmal von dem auf der Plakette abgebildeten menschlichen Paar denken mögen, das Carl Sagans damalige Ehefrau, Linda Salzmann Sagan, kreiert hatte - in puncto Polemik und Schärfe wird die Diskussion, die unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Pioneer-Flaschenpost auf Mutter Erde entbrannte, kosmosweit konkurrenzlos bleiben. Jene Debatte, die heute vielleicht nicht mehr nachvollziehbar ist und hauptsächlich dem Zeitgeist der 1970er-Jahre geschuldet war, hatte keinen wissenschaftlichen Bezug mehr.

Wissenschaftliche Argumente im Diskurs

Dabei verliefen die Diskussionen über das in die Kritik geratene Menschenpaar anfangs noch in geregelten Bahnen. Mit Blick auf die Art und Weise seiner Darstellung fokussierten sich die Forscher nicht so sehr auf geschlechtsspezifische Feinheiten, sondern stärker auf die Hände der schemenhaften Protagonisten. Wie waren Mann und Frau in Szene zu setzen? Sollten nicht beide als Paar erscheinen, das seine Zusammengehörigkeit Hand in Hand symbolisiert? Von dem ersten Entwurf, auf dem das Duo tatsächlich händchenhaltend in Erscheinung trat, nahmen die Forscher jedoch schnell wieder Abstand, weil sich für einen außerirdischen Betrachter der Eindruck aufdrängen konnte, auf der Platte sei ein einziger Organismus zu sehen.

Stattdessen bildeten die irdischen Forscher den männlichen Vertreter der Botschaft mit gespreizter und gehobener Hand ab, wohl wissend, dass Außerirdische mit dem auf Mutter Erde internationalen, vielleicht sogar universellen Freundschaftsgruß respektive mit dieser Geste des guten Willens eher wenig anfangen können. Immerhin aber ließ sich auf diese Weise die Morphologie der menschlichen Hand gut darstellen, vor allem der gespreizte Daumen und die Anzahl der Finger.

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Rechts oben sehen wir ein einsame Galaxie, in der fraglos intelligente Lebensformen leben, die vielleicht selbst Raumsonden, bestückt mit einer Botschaft, ins All entlassen haben. Bild: NASA/JPL-Caltech/SSC

Neben der Visualisierung des menschlichen Greifapparats gab das kosmische Paar noch andere Geheimnisse preis. Allein aus der Tatsache, dass die Personen zueinander verschiedene Körperhaltungen einnehmen, konnten die Extraterrestrischen ableiten, dass auch die unteren Extremitäten dieser Wesen beweglich sind. Möglicherweise könnten sie auch aus dem verschiedenen Aussehen der beiden Figuren schließen, dass sie eine Gesellschaft repräsentierten, die aus verschiedenen ethnischen Gruppen besteht. Doch von all diesen wissenschaftlichen Überlegungen nahmen die Medien und die Öffentlichkeit keine Notiz. Stattdessen echauffierten sie sich - wen mag es noch überraschen - größtenteils an der in ihren Augen obszönen Darstellung von Mann und Frau.

Obszön und skandalös

So machte sich die Chicago Sun-Times sogleich daran, die anstößigen Geschlechtsorgane inklusive Brustwarzen zu retuschieren. Andere Zeitungen gefielen sich darin, den Mann zu einem geschlechtslosen Wesen zu degradieren, sehr zur Freude jener radikaler Feministinnen, die in einem Leserbrief an die New York Times vermeldeten, dass sie über die unvollständige Illustration und passive Haltung der Frau so aufgebracht seien, dass sie am liebsten den rechten Arm des Mannes abhacken würden.

So ziemlich alle denkbaren Kommentare und Stimmen mischten sich in den Chor der entsetzten Sittenrichter und kritikfreudigen Hobby-Wissenschaftler. Mal bemängelten Weiße, die Personen auf der Plakette seien zu weiß, ein anderes Mal warfen Afro-Amerikaner ein, sie sähen zu schwarz aus. In der Los Angeles Times schlug ein Leser ernsthaft vor, auf Geschlechtsorgane des menschlichen Paares ganz zu verzichten und stattdessen einen Storch mit Baby darzustellen. Ein anderer warnte davor, dass Außerirdische die erhobene rechte Hand des Mannes als Hitlergruß fehlinterpretieren könnten. Einige übereifrige Katholiken schlugen vor, die beiden Personen auf der Plakette mit zum Gebet gefalteten Händen darzustellen.

Während gewiefte Geschäftsleute das Design der kosmischen Botschaft auf T-Shirts und andere Accessoires druckten oder anderweitig kommerziell ausschlachteten, fokussierten etliche religiöse Gruppen ihr Augenmerk auf die Nacktheit des Paares, rückten diese in die Nähe von Pornografie und mahnten desgleichen das Fehlen einer christlichen Botschaft in der Nachricht an.

In der angesehenen Zeitschrift Scientific American beanstandete ein gewisser Professor E. Gombrich, seines Zeichens Historiker und Direktor der bekannten Warburg-Kunstakademie in London, an dem Piktogramm vor allem den aufgeführten Pfeil, der die Flugbahn der Sonde versinnbildlicht. Seinem Dafürhalten nach sei ein solches Symbol nur für Zivilisationen plausibel und nachvollziehbar, wenn sich - wie in unserer Urgeschichte - auch deren Vorfahren größtenteils aus Jägern entwickelt und ergo auch eine Jagdkultur herangebildet hatten.

Trotz all dieser wenig erfreulichen Reaktionen, die genug Stoff für einen Schauerroman bieten, parodierte manch Cartoonist das Geschehen auf künstlerische und somit auf eher distinguierte Weise. Ein Künstler brachte mit Blick auf die Adressaten der Pioneer-Botschaft seine Gedanken in einer Karikatur zum Ausdruck und zeichnete eine Gruppe "kleiner grüner" Menschen, die die Aluminiumplakette der Pioneer-Sonde studieren und analysieren. Während seine grünhäutigen Kollegen fragend dreinschauen, kommentiert einer das Gesehene mit dem lapidaren Satz: "Ich stelle fest, dass die Erdlinge genau wie wir aussehen, bloß tragen sie keine Kleidung."

METI und Active SETI

Das stärkste Radiosignal, das unseren Planeten jemals verlassen hat, sandte der SETI-Pionier Frank Drake im November 1974 mit der 305-Meter-Schüssel des Arecibo-Radioteleskops (Puerto Rico). War damals die 180-sekündige Piktogramm-Botschaft noch recht simpel gestrickt, so hat der russische Physiker Alexander L. Zaitsev indes zwar schwächere, dafür aber umso häötenteils naive Grubotschaften unseren Planeten, die fr Auerirdische bestimmt sind.