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Das Buch

Stella trifft in ihren Träumen auf den geheimnisvollen und leidenschaftlichen Gregoire de Serment, der sie Nacht für Nacht zu neuen Höhepunkten treibt. Jeden Morgen wacht sie jedoch enttäuscht alleine auf und erwartet voller Sehnsucht schon den nächsten Abend. Denn Stella hat ihr Herz an den übermenschlich schönen Mann verloren, der ihr so unglaubliche Lust bereitet. Dann stößt Stella auf Berichte von Frauen aus vergangenen Jahrhunderten, die ebenfalls von ihren erotischen Abenteuern mit »Greg« erzählen. Ihr wird klar, dass Gregoire alles andere als eine erotische Phantasie ist. Aber was ist er dann?

Die Autorin

Kerstin Dirks, 1977 in Berlin geboren, hat eine Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert und schreibt seit mehreren Jahren erotische Romane, historische Liebesromane und Fantasy.


Von Kerstin Dirks sind in unserem Hause
außerdem erschienen:


Gib dich hin

Hotel der Lust

Leidenschaft in den Highlands

Das Lustschiff

Schülerin der Lust

Spiel mit mir

Teuflische Lust

Wie du befiehlst

Kerstin Dirks

Verführt

Erotischer Roman

Verlagsqualität Ullsteinbuchverlage

Ullstein

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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage Juni 2014

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Titelabbildung: © Ann Cutting/Trevillion


ISBN 978-3-8437-0762-6


Alle Rechte vorbehalten.

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E-Book: LVD GmbH, Berlin

Prolog

Wundervoll, wie sie sinnlich bebten. Diese süßen Äpfel. So weich. Ein ferner Schimmer lag auf der samtenen Haut. Verführte zum Berühren. Er streckte die Hand aus, streichelte vorsichtig die Knospe der jungen Frau, bis ihre Spitze unter seinen Fingern erblühte. Sie wuchs, öffnete sich, und die Brustwarze veränderte ihre Farbe. Verwandelte sich von einem zarten Rosa in ein kräftiges Rot. Rosenrot.

Ein Stöhnen drang aus ihrer Kehle. Sein Blick weilte auf ihren geschwungenen Lippen, die sich nun öffneten. Es sah aus, als lächelte sie vor Wonne.

»Bitte, Ihr werdet doch nicht zu weit gehen, Gregoire?«, flehte sie halbherzig. In ihren Augen lag Verlangen.

»Nur so weit, wie Ihr es mir gestattet, Mademoiselle. Sagt mir, wenn ich aufhören soll.« Seine Hand wanderte tiefer, über ihren nackten Bauch, der herrlich flach war, sich sogar ein wenig fest anfühlte. Perfekte, makellose Formen. Wie alt mochte das Mädchen sein? Kaum älter als achtzehn.

Sein Zeigefinger umkreiste ihren Nabel, erst langsam, dann schneller. Eine Gänsehaut bildete sich an ihrem Bauch, und die junge Frau kicherte.

»Ihr seid kitzelig«, stellte er entzückt fest und holte ein Schnupftuch aus seinem Rock, mit diesem streichelte er sie zwischen den Brüsten bis zum Bauchnabel, um den Effekt zu verstärken. Nichts war schöner als das glockenhelle ­Lachen einer Frau, die noch unberührt war. Er hatte Erfolg. Das Kichern wurde lauter und süßer. Es steckte an, aber Gregoire konnte sich beherrschen.

Ihre Gänsehaut verstärkte sich. Amüsiert beobachtete er, wie sich die kleinen Erhebungen auf ihrer alabasterfarbenen Haut vergrößerten, ihre feinen blonden Härchen sich aufrichteten. Traumhaft. Dann jedoch ließ er das Tuch zwischen ihren Brüsten liegen, weil seine eigene Lust ihn zur Eile gebot, und seine Hand glitt tiefer, näherte sich ihrer Mitte, die er einzunehmen gedachte wie eine feindliche Armee die Burg.

Das blonde Schamhaar kräuselte sich zwischen ihren Schenkeln. Ein sinnliches Dreieck, das er nur zu gern liebkosen wollte. Der Atem der jungen Frau ging schneller, jetzt kicherte sie nicht mehr. Er kam ihrer empfindsamsten Stelle immer näher. Würde sie ihm erlauben, sie zu berühren?

»Soll ich aufhören?«, fragte er, als er bereits die kleinen Löckchen berührte. Jetzt fehlte nur noch die Länge eines Fingers, und er war am Ziel seiner Träume.

»Ich … ich …« Das Mädchen fing an zu stottern. Diese Unsicherheit gefiel ihm. Er hatte schon viele Frauen verführt. Aber die, die noch unsicher, ja sogar unschuldig waren, wie dieses Mädchen, die waren ihm am liebsten.

Durch sie entdeckte auch er die Lust ganz neu.

»Ich kann jederzeit aufhören, wenn du es wünschst«, erinnerte er sie und hob die Hand, so dass sie diese sehen konnte.

»Nein!«, entfuhr es ihr. »Nein, hört bitte nicht auf. Ich will Euch dort spüren.«

Sein Spiel ging auf, das Mädchen merkte das nicht einmal. Es war voller Verlangen.

»Wie du wünschst«, sagte er sanft und legte ihr die Hand nun besitzergreifend auf die Schamlippen, zupfte sie sanft, was die junge Frau leise aufstöhnen ließ. Oh, dieses Stöhnen. Es weckte sein Begehren. Frauen waren in dem Moment, in dem sie Lust empfanden, am schönsten. Ihre Augen wurden ganz dunkel, ihre Körper begannen zu beben. Nichts reizte ihn mehr als dieser Anblick, diese Schönheit, die ihnen inne war, wenn das Beben sich in ein Pulsieren verwandelte.

»Es ist … eine Qual«, wimmerte das Mädchen. Sie ahnte nicht, dass er ihren Höhepunkt ganz bewusst hinauszögerte, indem er immer wieder Druck aufbaute, ihn dann aber gleich darauf abflachen ließ. Er sah, wie sich ihre sinnlichen Lippen nun zusammenpressten, sie gegen den Kontrollverlust ankämpfte. Ein vergebliches Unterfangen. Das wusste er. Und sie würde es gleich selbst herausfinden.

»Ich kann dich erlösen«, sagte er verheißungsvoll.

»Ja, bitte … bitte tut es.«

Er streifte seine Breeches ab und offenbarte seine Erektion. Als die junge Frau sein Gemächt sah, weiteten sich ihre Augen vor Erstaunen. Und vielleicht sogar ein wenig vor Ehrfurcht.

»Ich hatte nicht geahnt, dass es …« Sie wagte es nicht, den Satz zu beenden. Unweigerlich fragte er sich, wie viele männliche Geschlechtsteile diese Unschuld überhaupt schon zu Gesicht bekommen hatte.

Langsam legte er sich auf sie, genoss die Wärme, die ihr Körper ausstrahlte und die auf seinen überging. Noch langsamer schob er sich ihr entgegen, glitt durch ihre Spalte und lauschte dem leisen Schmatzen, das von ihrer Vorfreude kündete und die seine weckte.

Die junge Maid schloss die Augen, an ihrem Lächeln sah er, dass es ihr gefiel, was er tat. Der Triumph war perfekt.

»Wird es wehtun?«, hauchte sie atemlos, ohne ihn anzusehen.

»Ein bisschen vielleicht. Aber danach wird es umso schöner.«

»Dann macht es schnell, bitte.«

Sie konnte es nicht erwarten, und er tat ihr den Gefallen, drang in sie, nicht heftig, jedoch mit nur einem Stoß. Sie stöhnte erst leise, dann lauter. Etwas gab nach, und schließlich war er tief in ihr. Gregoire spürte, wie sich ihr Körper ihm öffnete, sich an sein Eindringen gewöhnte, ihn mit glühender Wollust empfing.

Sie lachte leise, schaute ihn plötzlich an, wirkte irgendwie erleichtert. Wie wunderschön ihre Augen glänzten.

»Es war gar nicht schlimm«, flüsterte sie ihm zu.

Er lächelte. »Ich danke dir.«

»Wofür?«

»Für dieses Geschenk.« Ihre Jungfräulichkeit. Sie nickte ihm zu.

»Ich werde es schön für dich machen, damit du mich niemals vergisst«, versprach er und bewegte seine Lenden vor und zurück. Ihr Atem ging nur noch stoßweise, und ihr sinnlicher Geruch breitete sich um ihn herum aus. Er labte sich daran, glaubte gar, ihren süßen Geschmack auf der Zunge zu spüren.

Ein Aroma, das regelrecht seine Sinne vernebelte. Jetzt drohte auch er die Kontrolle zu verlieren. Aber das durfte nicht geschehen.

Ihr Unterleib bebte, zuckte. Diese Zeichen waren ein­deutig. Er hatte dies oft gesehen, oft bewundert. Ihre Nägel krallten sich in seinen Rücken, durch den feinen Stoff hindurch, doch der süße Schmerz steigerte nur noch seine Lust. Die Luft wurde sehr stickig. Und es roch nach Schweiß. Nie würden sich ihre Körper noch einmal näher kommen als in diesem Augenblick. Für Gregoire war es Magie. Zwei Menschen, die eins wurden.

Für wenige Sekunden. Aber die Magie hielt nie lange genug vor, um von diesem Moment satt zu werden. Die junge Frau ließ ihn los und sank zurück auf das Kissen. Ihr Lächeln war jetzt noch schöner.

Vorsichtig zog er sich aus ihr zurück, um in seinem Schnupftuch zu kommen.

»Legt Euch doch noch ein wenig zu mir«, bat sie. Doch es war Zeit, Abschied zu nehmen.

»Ich muss fort«, erwiderte er. Auf diesem Ball waren viele hungrige Frauen, die sich nach ihm sehnten, nach Erfüllung, nach Lust. Nur er konnte ihr Verlangen stillen. Vielleicht war das arrogant, zumindest eingebildet. Aber er wusste um seine Qualitäten. Kein Mann war ein besserer Liebhaber als er.

»Wieso? Wohin müsst Ihr denn?«, fragte das Mädchen ängstlich. Allmählich ließ die Wirkung der Glücksgefühle nach, und sie fing an, wieder klar zu sehen.

»Mach dir um mich keine Sorgen.« Er suchte gerade nach seinen Breeches, als die Tür zum Gästezimmer aufsprang und ein Mann hereingestürzt kam, der ihn sogleich am Kragen seines Rüschenhemds packte.

»Ihr elender Bastard, was habt Ihr getan?«, fuhr er ihn an.

Geschickt befreite Gregoire sich aus dem Griff. Dies war wohl der Vater des Mädchens. Eine gewisse Ähnlichkeit war nicht zu verkennen. Die hohe Stirn, die roten Wangen, wenngleich sie aus anderen Gründen derart glühten als bei seiner Tochter, der der Lustschweiß noch auf der Nasenspitze glänzte.

»Zieh dir etwas über, schnell«, rief er der Kleinen zu, die nun ganz blass wurde. In ihren aufgerissenen Augen erkannte Gregoire, dass sie die Situation allmählich begriff. Wahrscheinlich verachtete sie ihn nun, aber das würde sich wieder legen. Zudem hatte er ihr eine wichtige Lektion erteilt, die sie nicht vergessen würde.

»Vater … ich …«

Er warf die Decke über sie, weil das treuherzige Ding nicht schnell genug reagierte, und baute sich vor ihm auf. »Euch eilt ein Ruf voraus. Und dieser ist nicht unbedingt der beste. Wie ich nun sehe, ist jedes Wort davon wahr. Ihr habt meiner Tochter die Jungfräulichkeit geraubt, Ihr wisst hoffentlich, was das bedeutet?«

Gregoire behielt die Ruhe. Solche Situationen waren ihm nicht fremd. »Ihr werdet mich gewiss gleich aufklären.«

»Sie war dem Grafen von Elsten versprochen! Doch der wird sie jetzt nicht mehr heiraten wollen.«

Die junge Frau brach in Tränen aus. Es tat ihm leid, aber nun wusste sie, dass sie die schönen Worte eines liebeshungrigen Mannes besser nicht zu ernst nahm.

»Ich verlange, dass Ihr nun statt seiner meine Tochter ehelicht. Nur so könnt Ihr den Schaden wiedergutmachen.«

Er schob sich an dem Vater vorbei, warf einen Blick auf das arme Mädchen und zog sich dabei, wenn auch etwas ungeschickt, die Breeches über. »Eure Tochter ist sehr schön. Ein jeder Mann, der solch ein zauberhaftes Wesen seine Ehefrau nennen darf, wird sich geehrt fühlen. Aber ich bleibe doch lieber Junggeselle. Das entspricht mehr meiner Natur.«

Das Gesicht des Vaters lief noch mehr an, glühte nun puterrot, und seine Augen traten vor Zorn regelrecht aus den Höhlen. »Wie könnt Ihr es wagen, sie zurückzuweisen, nachdem Ihr meinem Augenstern das hier angetan habt?«

»Zu solcherlei Dingen gehören immer zwei, Monsieur. Gehabt Euch wohl.« Er deutete eine Verbeugung an und entschwand. Von solch einem ärgerlichen Zwischenfall wollte er sich den Ball nicht verderben lassen. Zum Glück konzentrierte sich der sorgende Vater auf seine Tochter, zumindest folgte er Gregoire nicht, der nun zum Festsaal zurückkehrte und in die Menge tauchte, Ausschau haltend nach einem weiteren, lohnenden Ziel. In diesem Moment entdeckte ihn die Marquise de Lonas.

Sie winkte mit ihrem Fächer und kam auf ihn zugeeilt, dabei schob sie die Gäste, die ihr den Weg versperrten, mit ihrem pompösen Kleid zur Seite. Atemlos erreichte sie ihr Ziel, und Gregoire musterte sie skeptisch von oben bis unten.

An ihrem Hals bildeten sich viele Falten, und selbst der Puder vermochte es nicht, ihr vergrämtes Gesicht auch nur annährend attraktiv erscheinen zu lassen. Ganz zu schweigen von den Trauben und Beeren, die in ihre Perücke ­gewebt waren. Auch diese wirkten nicht mehr allzu frisch. Was hatte er nur jemals an dieser Frau finden können?

»Lieber Gregoire, wie freue ich mich, Euch hier zu sehen!«, rief sie entzückt und fächerte sich hektisch frische Luft zu. »Ich kann Euch nicht vergessen. Nicht, nachdem Ihr mir all diese wundervollen Dinge gesagt habt.« Sie hakte sich bei ihm ein, doch er wollte sie am liebsten loswerden. Sie roch streng.

»Wisst Ihr noch, wie wir getanzt haben? Auf dem Fest meines Bruders. Zwei Monate ist das jetzt her. Aber ich musste dennoch immerzu nur an Euch denken.« Ihre Hand strich über seinen Rock. Es war ihm unangenehm, und er schob sie weg.

»Hört mich an, ich verstehe wohl, dass dies Erlebnis für eine Frau in Eurem Alter etwas Besonderes war. Bedenkt jedoch bitte auch, ich hatte viel getrunken.«

Die Marquise erstarrte. Nicht eine Wimper zuckte. Mit so viel Ehrlichkeit hatte sie nicht gerechnet. Doch es brauchte nur wenige Sekunden, ehe sie sich aus ihrer Schockstarre gelöst hatte und ihr Gesicht sich vor Wut verzerrte. »Was wollt Ihr mir zu verstehen geben?«

»Dass ich heute an etwas anderem interessiert bin, Madame. Bitte habt Verständnis dafür. Und wenn Ihr Euch umblickt, werdet Ihr erkennen, dass hier die süßesten Früchte zu finden sind. Was soll ich also mit einem Apfel, der längst vom Baum gefallen ist?«

»Wie … wie könnt Ihr es wagen?« Sie schnappte nach Luft.

»Beruhigt Euch, denkt doch an Euer Herz, meine Teuerste!«

Wütend drehte sie sich um, ließ ihn stehen, und er amüsierte sich köstlich über dieses alte Weib. Was hatte sie erwartet? Dass er sie in die Arme riss, die spröden Lippen küsste? Gregoire schüttelte über so viel Naivität den Kopf.

Doch er wollte auch nicht zu viele Gedanken an die Marquise verschwenden, sondern sich stattdessen auf die Jagd konzentrieren. Es war keine Ausrede gewesen, um die ­Marquise loszuwerden. Auf diesem Ball waren tatsächlich äußerst interessante Damen anzutreffen. Wohin er auch blickte, sah er pralle Äpfel in aufregenden Dekolletés. Manchen dieser samtenen Hügel schmückte gar der eine oder andere Schönheitsfleck. Es war schwer, eine Wahl zu treffen. Aber das Schicksal wollte ihm diese Bürde anscheinend abnehmen, denn schon im nächsten Moment stieß er mit einer jungen Frau zusammen, ganz unabsichtlich, versteht sich.

Sie blickte erschrocken zu ihm auf, und diese rehbraunen Augen versetzten ihm einen derartigen Schrecken, dass es ihm für einen Moment die Sprache verschlug. Diese Augen hatte er schon einmal gesehen.

»Chantine?«, flüsterte er ergriffen. »Du bist es wirklich. Chantine.«

»Gregoire de Serment?« Ein Lächeln breitete sich auf den puppenhaften Zügen der jungen Frau aus.

Gregoires Herz begann schneller zu schlagen. Viel schneller, als er es gewöhnt war. Ihre Augen ließen ihn nicht los. Sie verwandelten einen herzlosen Bastard wie ihn in ein sanftes Lamm.

»Das ist aber ein Zufall. Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen?«, fragte sie.

Viel zu lange! Mit zitternder Hand griff er nach seinem Ersatzschnupftuch und wischte sich über die Stirn, dabei blieb, wie er feststellen musste, ein Teil des Puders im Tuch haften.

»Ist dir nicht wohl?«

»Doch, es ist … alles gut.« Niemals hätte er gedacht, dass ihn ein Wiedersehen mit Chantine derart aus der Fassung bringen würde. Er erkannte sich selbst nicht wieder, war plötzlich der Jüngling von damals, der die schöne Chantine mit aller Kraft seines Herzens begehrte, sie heimlich liebte.

»Nun sag schon, wie geht es dir?«, hakte sie abermals nach.

Er bemerkte den Ring an ihrem Finger, und der Anblick versetzte ihm einen Stich ins Herz. Er hatte immer gewusst, dass dieser Tag kommen würde. Der Tag, an dem die schöne Chantine heiratete und für immer für ihn verloren wäre. Ja, offenbar gehörte sie einem anderen. Doch in diesem Moment war ihm selbst das egal. Sein Körper verzehrte sich nach ihr, noch ärger stand es um sein Herz, das vor Sehnsucht brannte. Gedanken rasten durch seinen Kopf, die ihm unter normalen Umständen niemals gekommen wären. Für immer mit dieser Frau zusammen sein. Mit ihr durchbrennen.

Es wäre ein Abenteuer! Ein Vergnügen. Ein Gefühl, als würde er endlich wieder richtig leben.

»Ich möchte mit dir reden. Allein im Garten. Bitte.« Würde sie mit ihm gehen, wenn er ihr endlich gestand, was er für sie empfand? Fühlte sie dasselbe? War sie bereit, alle Brü­cken abzubrechen, um mit ihm zu fliehen? Er musste es herausfinden.

Chantine lachte. »Ich kenne deinen Ruf, Gregoire.«

»Du verstehst mich falsch, ich möchte lediglich reden.« Auch wenn seine Lenden wild pochten, er hatte sich unter Kontrolle.

»Reden?« Sie schien ernsthaft an seinen Worten zu zweifeln. »Es war damals sehr schön. Aber jetzt bin ich verhei­ratet.«

»Bitte, Chantine. Schenk mir nur eine Viertelstunde. Um der alten Zeiten willen.« Als Kinder waren sie durch die Wälder gestreift, hatten sich dann aus den Augen verloren, um sich Jahre später wiederzutreffen. Auf einem Jahrmarkt hatte Chantine ihn zum Mann gemacht, ein erster Kuss, die erste Liebe. Danach war sie aus seinem Leben verschwunden.

Er hatte sie gesucht, aber nicht gefunden, und dann gehofft, ihr Wesen in anderen Frauen zu entdecken. Aber keine war wie Chantine, keine hatte ihn zähmen können.

»Bitte«, flehte er, und seine Kehle fühlte sich trocken an. Wäre sie geblieben, alles wäre anders geworden. Vielleicht wäre er jetzt ein verheirateter Mann. Nicht dieser Lump, den er insgeheim selbst verabscheute.

»Es ist dir sehr wichtig«, stellte Chantine fest und nickte zögernd. »Also gut. Im Garten.«

Erleichtert atmete er auf.

»Danke. In zehn Minuten dort. Komm allein, ich warte auf dich.«

Er eilte an ihr vorbei durch den Saal, griff nach einem Weinkelch vom Tablett eines Dieners und trat durch die große Flügeltür hinaus in die Nacht. Er war noch immer ganz durcheinander, doch ein kräftiger Schluck würde ihn beruhigen. Angenehme Abendluft wehte ihm entgegen. Nicht zu kühl, nicht zu heiß.

Der Garten stand in prächtigster Blüte. Ein Meer aus Rosen leuchtete silbern unterm Sommermond. Er ging ein Stückchen, trank erneut vom Wein und setzte sich an den kleinen Brunnen, wartete auf die hübsche Frau, die, so seltsam es auch klang, das einzige Wesen war, das ihn berührte, Gefühle in ihm weckte, die er fast vergessen hatte.

Sein Herz begann schneller zu schlagen, wenn er an sie dachte. Schweiß trat ihm auf die Stirn, er musste ihn abermals mit dem Schnupftuch abtupfen. Vorsichtig, damit er nicht noch mehr von dem kostbaren Puder wegwischte. In seinem Bauch tanzten Schmetterlinge. Er lachte leise. Was ging nur mit ihm vor? Er kannte die Antwort. Chantine war die Frau, die er liebte. Immer lieben würde. Bis ans Ende der Zeit. In ihrer Nähe wurde er albern und sentimental, doch es störte ihn nicht.

Ein merkwürdiger Druck breitete sich in seinem Leib aus. Etwas zog sich zusammen, und plötzlich flammte ein wilder Schmerz in seinen Eingeweiden auf, der ihn sich krümmen ließ. Er spuckte etwas auf den Boden, was wie Blut aussah. Erschrocken sprang er auf. Diese Schmetterlinge, die sich nun in reißende Bestien verwandelt hatten, hatten nichts mit Chantine zu tun, sondern vielmehr mit dem Wein.

Der Kelch fiel zu Boden, rollte den Weg hinab, während Gregoire über den Sandweg torkelte. Schwindel erfasste ihn, zwang ihn in die Knie. Was war in dem Wein gewesen?

Sein Herz raste, ihm wurde schwarz vor Augen, er stürzte hin. Krämpfe schüttelten ihn, er rief um Hilfe, aber niemand hörte ihn oder wollte ihn hören. Das Treiben im Saal war viel zu laut, die Musik zu durchdringend.

Da wurde ihm gewahr, dies war die Nacht, in der er sterben würde. Er lachte und weinte über diese Erkenntnis. Dabei hatte dieser Abend so wundervoll begonnen. Ein Funken Hoffnung war in ihm aufgeglimmt. Die Hoffnung auf ein neues, besseres Leben. Eines, das er würde ertragen können.

Die Schmerzen wurden stärker, er stöhnte laut. Warum kam denn niemand, um ihm zu helfen?

Da endlich waren Schritte zu hören. Chantine, bitte lass es Chantine sein, flehte er insgeheim. Wenn er schon sterben musste, dann wenigstens in ihren Armen.

Er versuchte, den Kopf zu heben, doch er sah alles nur verschwommen. Eine Frau beugte sich über ihn, aber es war nicht Chantine. Etwas Düsteres umgab sie. Und doch war sie ihm vertraut, wenngleich er sich nicht an sie erinnern konnte, was darauf hindeutete, dass sie eine von den vielen Mädchen war, die er in sein Bett gelockt hatte, ohne dabei ernste Absichten zu hegen. Junge Frauen, die er sich gefügig gemacht hatte, mit allen Tricks und allen Lügen.

Ihre Haare waren hochgesteckt, und ihr Kleid war so dunkel, dass man es in der Schwärze der Nacht fast nicht ausmachen konnte. Nur ihr Gesicht strahlte so hell wie der Mond.

»Mein armer Gregoire«, flüsterte sie und strich ihm über die Wange. Ihre Hände waren eiskalt. Er fing an zu zittern.

»Helft mir, ich flehe Euch an, helft mir!« Er wollte nicht sterben. Nicht so jung.

»Das könnte ich tun, aber dafür verlange ich auch etwas von Euch.«

»Wie könnt Ihr nur, in einem solchen Moment?«

»Jemand will Euch tot sehen, Gregoire.« Er ahnte, wer es war. Der Vater des jungen Mädchens von vorhin. Oder die alte Marquise. Aber gewiss gab es noch mehr Menschen auf diesem Fest, die ihm nicht sonderlich wohlgesinnt waren. Ein gehörnter Ehemann, eine verschmähte Lady. Er hatte viele Menschen gekränkt.

Ein weiterer Krampf schüttelte ihn, er stöhnte, schrie, aber die Frau blieb ungerührt.

»Was schwebt … Euch vor?«

»Ein Geschäft … legt Euer Leben in meine Hand. Das ist alles.«

Die Krämpfe wurden schlimmer, er hielt es nicht länger aus, und zum Nachdenken war nicht die Zeit. Also hob er zitternd die Hand und legte sie in die ihre, ohne zu verstehen, was ihre Worte tatsächlich bedeuten sollten.

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie beugte sich tiefer vor und küsste ihn. Ihr Kuss wärmte ihn von innen, und die Schmerzen wurden gelindert, bis sie schließlich ganz verschwanden, er sogar in der Lage war, wieder aufzustehen, wie durch ein Wunder. Magie. Das konnte nur Magie gewesen sein.

»Wie … ist das nur möglich?«, fragte er und blickte an sich herunter. Nichts deutete mehr darauf hin, dass er gerade eben noch einen Kampf um Leben und Tod ausgefochten hatte. Da hörte er Schritte, sah in der Ferne Chantine. Sie war gekommen. Sie hatte ihr Versprechen gehalten. Es gab Hoffnung für sie und ihn. Er wollte zu ihr. Doch die Frau an seiner Seite griff nach seiner Hand und zog ihn an sich.

»Vergesst nicht Euer Versprechen, Gregoire. Ihr gehört von jetzt an mir.«

Der Boden unter seinen Füßen bebte, und Hitze stieg von dort auf. Fast so, als stünden seine Schnallenschuhe in Flammen. Ein seltsamer schwarzer Nebel kroch an ihm hoch, drohte ihn zu verschlingen, hüllte ihn ein wie in einen finsteren Kokon.

»Was ist das?«, fragte er voller Panik. Aber der Nebel drang in seine Ohren, so dass er nur noch das Rauschen seines eigenen Blutes wahrnehmen konnte. Die dunklen Schatten raubten ihm die Sicht. Gregoire hustete, versuchte, sich aus dem Griff der Fremden zu befreien, doch sie war viel stärker als er, lachte ihn ob seines Bemühens aus. Und für einen winzigen Augenblick leuchtete ihr Gesicht in der Dunkelheit auf. Eine grässliche Dämonenfratze, wie er sie nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen gesehen hatte. Doch dann löste sich die Kreatur vor seinen Augen auf.

Und er mit ihr. Gregoire verlor jeglichen Halt. Sie trug ihn weit fort. Fort von diesem Ort. Irgendwohin. Er musste ihr folgen, ob er es wollte oder nicht. Dieser Frau, deren Namen er nicht einmal kannte, die ihm doch vertraut war …