Verhaltenstipps A – Z

Aberglaube: Der Aberglaube äußert sich in Spanien zuvorderst in international bekannten Phänomenen und ist gemeinhin als recht moderat einzustufen. Die 13 gilt auch hier als Unglückszahl – falls Gäste eine solche Hotelzimmernummer verlangen, haben sie vielerorts Pech, da es sie ganz einfach nicht gibt. Ansonsten begegnet man schwarzem Getier äußerst ungern, Lotterielose kauft man immer an speziellen Stellen, eine Wohngegend in Friedhofsnähe ist unbeliebt und manche Leute tragen ihre persönlichen Glücksbringer mit sich. Keine Rolle spielt es hingegen, einen Schornsteinfeger anzufassen. Und dem Pechtag, Freitag dem 13., entspricht in Spanien Dienstag der 13., ohne ihm jedoch übermäßiges Gewicht beizumessen. Termine werden deshalb nicht abgesagt.

Regionales Schwergewicht unter den Aberglaubenstraditionen ist Galicien. Ansonsten ist das verbindende Aberglaubensmerkmal aller Spanier der Verzehr von zwölf Glückstrauben in der Silvesternacht. Falls Sie zu dem Zeitpunkt in Spanien sind: Auf jeden Fall mitmachen!

Abkürzungen im Alltag: Falls jemand gerade verzweifelt auf der Suche ist: Eine der merkwürdigsten Abkürzungen in Spanien lautet bei vereinzelten Adressangaben „s/n“. Was bedeutet sin número, also „ohne Hausnummer“. Wo es in dieser oder jener Straße keine gibt, gibt es halt keine. Und wo es keine gibt, hilft auch das GPS nicht weiter. Dann hilft vor Ort einzig, sich durchzufragen. Darüber hinaus stehen im Straßen- und Verkehrswesen C/ für Calle (Straße), Av. für Avenida (breitere Straße) und Pl. für Plaza (Platz).

Weitere Abkürzungen, mit denen Auswärtige in den verschiedensten Bereichen in Berührung kommen könnten, sind a. C. (v. Chr.), d. C. (n. Chr.), DNI (Documento Nacional de Identidad, Personalausweis), IVA (die spanische Mehrwertsteuer), PVP (Ladenpreisempfehlung des Herstellers), RENFE (die normale spanische Eisenbahn), SIDA (AIDS) und WLAN (Wifi).

Auch spanische Vornamen werden gerne verniedlicht abgekürzt, ihre Träger erwarten dann auch von Auswärtigen die Nennung, z. B.: Paco (statt Francisco), Chema (José María), Santi (Santiago), Lola (Dolores), Pili (Pilar) und Nacho (Fernando).

Anrede: Spanier sind grundsätzlich lockerer drauf als der gemeine Mitteleuropäer. Sie lieben den Kontakt, der sogleich persönlicher wird: Du (tu) statt Sie (Usted). Dem sollte man sich nicht verschließen. Allerdings kann es sein, dass Ausländern gegenüber zunächst einmal mit dem „Sie“ Distanz gewahrt wird. Wer gleich geduzt wird, sollte das durchaus als Lob verstehen, dass er nicht ganz so reserviert wirkt und gleich eingemeindet wird.

Ansehen/Gesicht wahren: Spanier zeigen ungern Schwäche, da schwingt der altbekannte Stolz mit. Sich und anderen Fehler einzugestehen, das ist schwierig. Nehmen wir als Beispiel die Spezies der Politiker. Während in anderen Ländern jene, die bereits unter einem Verdacht von Korruption stehen oder nachweislich „unsaubere“ Doktorarbeiten geschrieben haben bzw. vermeintlich haben anfertigen lassen, zurücktreten und von der Bildfläche verschwinden, klammern sie sich in Spanien an ihre Stellung und versuchen krampfhaft und bis zum Äußersten, ihr Gesicht zu wahren.

Armut und Bettelei: Spaniens Krisenzeiten haben viele Menschen in existenzbedrohliche Lagen gebracht. Jüngste Schätzungen besagen, dass 6,4 % der Bewohner des 47-Millionen-Einwohner-Landes in tatsächlicher Armut leben. Dass es im Vergleich zu anderen entwickelten Staaten so gut wie keine Sozialleistungen gibt, verschärft die Lage. Es wird deutlich mehr gebettelt, wobei für Außenstehende schwer zwischen wirklich in Not Geratenen und „Profibettlern“ zu unterscheiden ist. Zugenommen hat gleichlaufend die Versorgung der Armen durch Privatinitiativen und Tafeln, wie sie die Caritas unterhält.

Autofahren: Der Straßenverkehr ist in Spanien ein Gefahrenherd, das Fahrverhalten der Einheimischen kommt rustikal, ruppig und oft rücksichtslos daher. Sicherheitsabstand ist für viele ein Fremdwort, Ein- und Ausparkmanöver werden vielfach über Stoßstangen- und Blechkontakt bewältigt, manchmal wird man regelrecht zugeparkt.

Trotz verstärkt aufgekommener Kontrollen und Radargeräte gibt es noch genügend Raser und sonstige Gesetzesübertreter. Ein potenzieller Unfallpunkt, vor dem nicht oft genug gewarnt werden kann, ist der Kreisverkehr. Da versuchen viele Steuerhalter allen Ernstes, von der Innenspur in die nächste Ausfahrt auszuscheren – ohne Rücksicht auf die auf der Außenspur Fahrenden.

Baden/Nacktbaden: Während der wärmeren Jahreszeit gibt es an manchen bewachten Stränden Badesignalflaggen. Rot bedeutet Badeverbot, Gelb mahnt zu Vorsicht, bei Grün ist Baden kein Problem. Stets mit Vorsicht zu begegnen ist dem Atlantik, in dem Strömungen und die meterhohen Unterschiede zwischen Ebbe und Flut tückisch sein können. Hier besorgt man sich am besten eine Gezeitentabelle.

Gemeinhin gilt, dass man „es“ nicht einfach heraushängen lassen möge – dazu gibt es in Spanien Nacktbadestrände (playas naturistas). Oben ohne wird größtenteils toleriert.

Begrüßung/Verabschiedung: Sicher, es geht auch mit einem Händedruck mitteleuropäischen Stils. Allerdings wird es in Spanien zwischen Mann und Frau sowie Frau und Frau persönlicher, wenn man die Begrüßung und Verabschiedung mit je zwei Wangenküsschen vornimmt. Einmal rechts, einmal links – mehr draufgehaucht als draufgeschmatzt! Haben Männer ein freundschaftliches Verhältnis zueinander, umarmen sie sich. Im Geschäftsleben gilt es, etwas zurückhaltender zu agieren und erst einmal mit dem üblichen Händeschütteln zu beginnen. Ist das Eis gebrochen, kommt auch hier die Wangenkusspraxis zu ihrem Recht. Bei formellen Anlässen wie Empfängen, Eröffnungen oder Reden kann es jedoch genauso stocksteif zugehen wie in Mitteleuropa.

Behördengänge und Bürokratie sind, wie andernorts, ein tendenziell unerfreuliches, Nerven strapazierendes Thema. Und wie andernorts stößt man in Behörden häufig genug auf jene Spezies der Inkompetenten und Unmotivierten, die eben nur nach Präsenz und nicht nach Leistung bezahlt werden und bei denen man den Eindruck hat, man würde durch Anwesenheit sogar stören. Ein beliebtes Spiel spanischer Beamter ist es, die zu Bittstellern Degradierten an andere Stellen zu verweisen – einfach nur, um die Angelegenheit auf dem schnellsten Weg vom eigenen Schreibtisch zu schieben. Des Autors Ratschlag: Treten Sie freundlich, aber bestimmt auf. Scheuen Sie sich nicht, konsequent nachzubohren und den Beamten (falls Sie sicher sind, dass es so ist) klarzumachen, dass sie sich sehr wohl um Ihre Sache zu kümmern haben.

Beleidigungen: Während der ausgestreckte Mittelfinger auch in Spanien so aufgefasst wird, wie er gemeint ist, kommt der Geste, jemandem einen Vogel zu zeigen, keine Bedeutung zu. Und während im spanischen Alltagsvokabular Flüche und Aussprüche, die von Außenstehenden als derb und respektlos aufgefasst werden können, an der Tagesordnung, aber meistens nicht so gemeint sind, wie sie sich anhören, gibt es sehr wohl richtige Beleidigungen.

Zu den Sprachattacken minderer Güteklasse zählen cara culo (Arschgesicht), tonto/tonta, estúpido/estúpida, idiota und imbécil (jeweils in etwa: Blödmann/blöde Kuh/Idiot/Idiotin). Geläufigste Steigerungsformen sind gilipollas und cabrón (jeweils Arschloch) und hijo de puta (Hurensohn). Jódete heißt „Fick dich“, der Grad der Beleidigung dabei entspricht internationalem Standard. Und in einem Disput mit einem Mann dessen Manneskraft in Frage zu stellen, geht so richtig unter die Gürtellinie und kommt außerordentlich schlecht an.

Beschwerdeformular: Eine Besonderheit in Spanien ist das Beschwerdeformular (hoja de reclamación), das jedes Hotel, jedes Restaurant, jede Kneipe, überhaupt jedes Dienstleistungsunternehmen per Gesetz vorrätig haben muss. Jeder, der als Kunde einen triftigen Grund zu Klagen findet (Hygiene, Service, falsche Rechnungen, inkompetentes Personal, ungerechte Behandlung, andere Mängel), kann ein Beschwerdeformular verlangen und füllt es aus, was aber nur Sinn macht, wenn man zumindest halbwegs gut Spanisch kann. Einen Durchschlag des Formulars händigt man vor Ort dem Unternehmen aus, einen bewahrt man selber auf, das Original schickt man per Post an die Konsumabteilung der jeweiligen Autonomen Gemeinschaft (Adresse auf dem Formular). Beschwerdeformulare werden durchaus ernst genommen. Und weil dem so ist, kann manchmal bereits der kenntnisreiche Verweis darauf Wunder wirken.

Bestechung/Schmiergelder: Wer geschäftlich mit Spanien verbunden ist, kann, wie der Autor dieses Buches, mit eindeutigen Winks zur Bestechung in Berührung geraten – und sollte sich dem in aller Schärfe widersetzen. Alleine deswegen, weil man letztlich selber Gefahr liefe, erpressbar zu sein.

Bußgelder: Spanien ist in mancherlei Hinsicht nicht mehr das Land des unbeschwerten Lebens so wie früher. Um die maroden, von Politikern und Behördenvertretern selbst geplünderten Kassen Spaniens aufzufrischen, setzen Stadtverwaltungen und auch die Polizei auf Bußgelder, die außerhalb jedweder Relation stehen. Landesfremde sehen sich zuweilen als Park- oder Straßenverkehrssünder betroffen und von Polizisten vor die Wahl gestellt: Entweder wird der drei- bis vierstellige Betrag auf der Stelle bezahlt oder das Fahrzeug umgehend stillgelegt.

Nicht an Stilllegung, aber an die Gefahr von Bußgeld gekoppelt ist das Open-Air-Urinieren. Und wer in Barcelona außerhalb der Strände, an den Promenaden zum Beispiel, mit unbedecktem Mannesoberkörper umherwandelt, macht sich eines Verstoßes schuldig und wird ebenfalls zur Kasse gebeten!

Diebstahl: Vorsicht ist vor allem bei Autos mit ausländischen Kennzeichen oder Mietwagenaufklebern geboten. Nicht, dass man das ganze Fahrzeug stehlen wollte, dunkle Gesellen brechen es auf der Suche nach Wertgegenständen lediglich auf. Leider schreitet der spanische Behördenstaat – wie so häufig – nicht mit drastischen Strafen ein, sondern betrachtet es als Bagatelldelikt. Mit dem Erfolg, dass gefasste Autoknacker nach höchstens einer Nacht im Gefängnis und ohne den Schaden zu bezahlen (offiziell zahlungsunfähig) am Tag darauf wieder zuschlagen dürfen. Dem Risiko lässt sich vorbeugen, indem man nichts – wirklich gar nichts! – sichtbar im Wageninnern liegen lässt. Keine Sonnenbrille. Keinen Stadtplan. Kein Kaugummipäckchen.

Weitere Gefahrenquellen, diesmal im Hinblick auf Taschendiebe, sind Markthallen, Trödelmärkte, Volksfeste, Wallfahrtsorte, Busse und U-Bahnen. Kurzum: alle Orte, wo viele Menschen zusammenströmen.

Einladungen … zu Spaniern ins eigene Reich sind unüblich, was einem erspart, sich als Gast über Mitbringsel Gedanken machen zu müssen. Lieber trifft man sich außer Haus zu einem Drink in der Bar, zum gemeinsamen Essen. Dann zahlt mal der eine, mal der andere. Plätze und Kneipen sind der Spanier gute Stuben.

Eleganz: Geschlechtsübergreifend schätzen Spanier ein elegantes, gepflegtes Auftreten, was bei internationalen Geschäftstreffen auch von anderen erwartet wird. Im Alltag das Haus in schlabberiger Kluft zu verlassen, ist Sache der Einheimischen nicht. Selbst zu geringeren Anlässen, einem Park- oder Promenadenspaziergang, macht man sich fein, stimmt die Farbe der Kleidungsstücke sorgsam aufeinander ab, legt Parfum auf. Kulminationspunkte eleganter Auftritte sind Hochzeiten – wer eingeladen wird, darf sich beim Outfit keine Blöße geben!

Essenswürze: Es könnte sein, dass Auswärtige im Restaurant alsbald nach einem Salzstreuer (salero) verlangen, denn Spanier gehen bei der Verwendung von Salz äußerst sparsam vor. Gut gewürzt kommen hingegen die Paprika-Knoblauch-Würste (chorizos) daher, die in Eintöpfe wandern, aber auch kalt gegessen werden können. Schärfe braucht niemand in Spaniens Küche zu fürchten, es sei denn, er bestellt in Kneipen oder Restaurants eine Kartoffelration patatas bravas – da wird einem warm ums Herz!

Essenszeiten: In Spanien möge man sich dahingehend auf eine Zeitverschiebung einstellen! Legt man die Zeiten von Hotels und Restaurants zugrunde, die nicht den Hauptferiengebieten zurechnen und sich den Bedürfnissen der Gäste aus Mitteleuropa angepasst haben, so heißt das: Frühstück um 7.30/8 Uhr, Beginn des Mittagessens zwischen 13.30/14 und 15/15.30 Uhr, Einstieg an den Abendessenstisch ab 21 Uhr. Freitags und samstags ist es unter Spaniern nicht ungewöhnlich, dass man erst um 22.30 oder 23 Uhr zum Dinner erscheint. Vor dem Mittag- oder Abendessen nimmt man in den Kneipen gerne die berühmten tapas, Appetithäppchen jedweder Art, zu sich.

Familiensinn: Allen Gesellschaftsproblemen und neuen Strömungen zum Trotz haben Spanier einen traditionellen Familiensinn, den es zu respektieren gilt. Bei Essen mit Familienangehörigen sitzt man gerne Stunde über Stunde zusammen, palavert über Gott und die Welt. Wer sich da ausklammert, begeht einen gravierenden Fehler.

Feste: Bei Fiestas finden sich viele Regelungen des normalen Lebens außer Kraft gesetzt. Dann schauen Spanier allenfalls bedingt aufs Geld und scheuen weder Kosten noch Mühen. Dann stürzen sie sich mit Haut und Haar ins Spektakel, ohne irgendwelche Konsequenzen in Betracht zu ziehen – und gehen davon aus, dass alle so denken.

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Typisches Fettgebäck: die „churros“

Allerdings kann ebenso gut Schluss mit lustig sein. Ein Beispiel: unkorrektes Verhalten beim Stiertreiben während der Juli-Fiesta in Pamplona. Wer als Läufer stehenbleibt und den Betrieb aufhält oder unterwegs im Getümmel zwischen Mensch- und Tiermassen eine Kamera hervorzieht und von der Polizei erwischt wird, muss neuerdings mit Bußgeldern zwischen 750 und 1500 Euro rechnen!

Folklore: Landesfremde werden sich an spanischer Folklore und ihren regionalen Eigenheiten begeistern: ob an Flamenco und Sevillanas im Süden oder an Dudelsackspiel und Jotas im Norden. Beim Flamenco ist das Mitklatschen Unbeteiligter allerdings ein Tabu. Und unbekannte Tänze sollte man, je nach Umfeld, nicht einfach so mittanzen, es sei denn, man wird explizit dazu aufgefordert.

Fotografieren: Sensibilität ist vor allem bei Heiligtümern und Wallfahrtsstätten gefragt. Und, wie auch in anderen Ländern, auf Friedhöfen, wo sich mancherorts majestätische Grabtempel und mehrstöckige Blöcke mit Sargeinschubfächern als Fotomotive aufdrängen. Polizisten oder anderes Sicherheitspersonal sollte man ebenso wenig ablichten wie das Innere von Flughäfen. Auch Zigeuner sollte man zumindest fragen, ansonsten kann es zu unangenehmen Situationen führen. Fotografieren bei kommerziellen Flamencoshows oder Volksfesten ist hingegen unproblematisch, da braucht man niemanden zu fragen, ob es ihn stört, auf die Speicherkarte gebannt zu werden. Selbst auswärtige Profifotografen, die Aufnahmen für Publikationen nutzen, reisen und fotografieren herum, ohne übertrieben an Persönlichkeitsrechte zu denken und stapelweise „Model Releases“ ausfüllen zu lassen. Restriktionen für Fotografen gibt es in manchen Museen, wo selbst Aufnahmen mit Blitzlicht untersagt sind.

Fremdenfeindlichkeit … ist in Spanien zum Glück nicht sehr verbreitet. Eher folgt man der Devise „Leben und leben lassen“. Das gilt in der Regel für Menschen jeglicher Herkunft – für Schwarz- und Nordafrikaner ebenso wie für Immigranten aus Ländern Lateinamerikas.

Freundschaften: So offen und locker sich viele Spanier geben, so gut man mit ihnen ausgehen und gemeinsam Spaß haben kann – tiefgehende Freundschaften schließt man selten. Die Kontakte sind oft eher oberflächlich und vieles nicht so gemeint, wie man es gesagt hat.

Geduld … braucht es vielerorts. Beim Check-in im Hotel, bei der Bedienung im Restaurant oder auf der Caféterrasse könnten Gäste aus anderen Weltgegenden an einen schnelleren Service gewohnt sein. In Spanien gilt es, etwas mehr Zeit und Geduld mitzubringen. Darauf muss man sich einstellen. Ein aufbrausendes Verhalten, weil es aus subjektiver Sicht nicht schnell genug geht, wird als Affront aufgefasst.

Geschäftssinn … darf man in erster Linie bei Katalanen und Basken erwarten, ansonsten aber die Messlatte nicht übermäßig hoch anlegen. Es gibt gemeinhin sehr viel Luft nach oben. Und es erstaunt, schockiert sogar gelegentlich, wie kurzsichtig manche Dienstleister mit Preiserhöhungen oder einem regelrechten Anti-Service alte oder potenzielle neue Kunden vergraulen. Halt! Andere Spanier haben die Zeichen der Zeit verstanden und beginnen zu begreifen, dass man sich seine Klientel erarbeiten und mit kleinen Angeboten anlocken kann. Beispiele aus dem direkten Umfeld des Autors: der Gemüse- und auch der Weinhändler, der jeweils ab einem Mindestbestellwert kostenlos nach Hause liefert; der Kneipier, der Häppchen und Drink zu einem erschwinglichen Kombipreis eingeführt hat; und der Landhaushotelier, der seine Preise bei gleichbleibender Qualität merklich gesenkt hat. Da geht man gerne hin, die empfiehlt man gerne weiter! Stellen Sie Ihre Ohren bei solcher Mund-zu-Mund-Propaganda immer auf Empfang!

Gesprächsthemen: Bei manchen Themen in spanischen Kreisen gilt es als Auswärtiger, sich in Zurückhaltung zu üben, es sei denn, man wird gezielt danach gefragt. Zu den problematischen Themenfeldern, die man nach Möglichkeit nicht selber anreißen sollte, zählen: Sinn oder Unsinn der Unabhängigkeitsbestrebungen und der Sprachpolitik Kataloniens und des Baskenlands, die Frage nach der schöneren Metropole (Barcelona oder Madrid) im Land, welches der beste Fußballclub (Real Madrid oder FC Barcelona) ist und wie man es mit dem leidlichen Blutspektakel des Stierkampfs hält. Offener hingegen lassen sich Themen wie Wirtschaftskrise, die Unfähigkeit der Politik, die massive Korruption und die Bürokratie ins Feld führen. Und über ihr eigenes, von Skandalen gezeichnetes Königshaus lachen mittlerweile viele Spanier selber.

Handeln/Feilschen … ist in Spanien nicht üblich, sieht man einmal von Trödelmärkten ab. Versuchen kann man es allenfalls bei vereinzelten Anliegen: bei Abnahmen größerer Mengen beim Weinhändler, bei längeren Aufenthalten im Landhaus. Ob das Gegenüber ein derartiges Geschäftsverständnis aufbringt, ist fraglich.

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Sonntagsgewühl auf dem Rastro, dem großen Allerleimarkt in Madrid

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Immer mit der übrigen Welt in Kontakt – in Spanien ein gewohnter Anblick

Handy: Ob Kinder im Grundschulalter oder betagte Nonne, der kleine Begleiter ist überall verbreitet. Internationale Phänomene sind auch, dass man mit gehenden SMS-Schreibern in Fußgängerzonen fast kollidiert und manche ihr Handy an unpassenden Stellen nicht ausschalten: ob beim Gottesdienst, im Konzertsaal oder im Theater.

Hierarchien/Höhergestellte: In Spanien hat man es gemeinhin mit flachen Hierarchien zu tun. Dabei hilft nicht nur die verbreitete Praxis des lockeren Umgangstons, sondern auch, dass man sich gegenseitig duzt. Da werden die Lehrer von ihren Schülern wie selbstverständlich geduzt, die Ärzte von ihren Patienten, die Chefin und der Chef von ihren Angestellten. Die Arbeitskollegen untereinander duzen sich sowieso. Einen Doktor der Philosophie redet man im Alltag nicht respektvoll und ehrerbietig mit Titel an, einen Hochschulprofessor ebenso wenig. Anders verhält es sich in elitären Gesellschaftskreisen, wo die Nennung von Conde (Graf), Duquesa (Herzogin) und Marqués (Markgraf) zum guten Ton gehört. Und in Fußballerkreisen redet man den Trainer erstaunlicherweise mit Mister an.

Trotz flacher Hierarchien ist jedermann klar, dass die Höhergestellten im Geschäftsleben klare Entscheidungen zu treffen haben – da gibt es keine basisdemokratischen Abstimmungen.

Hilfsbereitschaft: Spanier sind hilfsbereit: ob bei tatkräftiger Mithilfe oder Auskünften. Das geht soweit, dass man sein Gegenüber nicht enttäuschen will. Hört man bei Auskünften einen Satz wie „Das wird schwierig werden“, heißt das im Klartext, dass nichts zu machen ist.

Homosexualität … ist in der spanischen Gesellschaft weitgehend zur Normalität geworden, nicht zuletzt durch die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Eheschließungen. Die Offenheit im Umgang ist unverkennbar. Im Straßenalltag sieht man allerdings äußerst selten Frau und Frau oder Mann und Mann Hand in Hand gehen. Zärtlichkeiten öffentlich auszutauschen, das sollte auch für Auswärtige der Privatsphäre vorbehalten bleiben.

Improvisation: Spanier sind Meister der Improvisation. Jedermann weiß, dass ein langer Vorlauf Komplikationen und Verzögerungen mit sich bringen kann. Manchmal lautet die Faustregel: Je kürzer die Planungszeit, desto besser. Dann laufen manche Spanier so richtig zur Hochform auf.

Kaffee: Falls jemand in Spanien den Eindruck hat, es hätte ihm nach dem Frühstück oder einem Cafébesuch ein Loch in den Magen gerissen, könnte es am Kaffee liegen. Der nämlich ist im Vergleich zum gewohnten Kaffeeumfeld deutlich stärker gebrannt und ein garantierter Wachmacher! Koffeinfreien Kaffee bestellt man als descafeinado.

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Kinder: Falsch liegt, wer angesichts gesunkener Geburtenraten im heutigen Spanien auf ein kinderunfreundliches Land schließt. Kinder sind nach wie vor gern gesehen, genießen große Freiheiten sowie späte Bettzeiten und dürfen ihrer Lust am Lärm vielfach freien Lauf lassen, ohne dass sich jemand beklagt. Für viele spanische Schulkinder beginnt der Unterricht erst um neun Uhr, die Sommerferien sind über zehn Wochen lang.

Komplimente: „Wie gut du aussiehst!“, „Was für tolle Sachen du anhast!“, geben jene von sich, die ohnehin Smalltalk mögen und im Leben an der Oberfläche dümpeln. Sicher mag es in Spanien Komplimente (piropos) geben, die von Herzen kommen und charmant formuliert sind, doch die Grenzen zu übertriebenen Schmeicheleien und Einschleimereien sowie zu plumpen Anmachfloskeln verlaufen fließend. Lobt ein Mann eine Frau als hübsch (guapa), dann entspricht das dem traditionellen Rollenschema und kommt nicht überall gut an. Lobt man auf einem Empfang gar das Aussehen einer betagten, klunkerbehängten Señora, macht man sich schlichtweg lächerlich. Damit es nicht peinlich oder nervig wird, empfiehlt sich für Landesfremde, Komplimente eher nicht einzusetzen.

Manipulierte Medien: Wer alles bedenkenlos schluckt, was über die Fernsehschirme flimmert und durch den Blätterwald geistert, glaubt vielleicht noch an den Weihnachtsmann. Nein, auch in Spanien sind die Medien manipuliert, sogar stärker als in anderen Ländern. Manche stehen politisch rechts, andere links, wieder andere sind den Einflüssen von Amtskirche oder Königshaus unterworfen. Und jedwede Lobbyisten versuchen bei Berichterstattungen und Nachrichtenfluss ohnehin, „gestaltend“ einzuwirken.

Müll: In Spanien haben sich Glascontainer und Mülltrennung mit der typischen Farberkennung durchgesetzt: Blau für Papier, Gelb für Plastik, Grün für organische Abfälle und Restmüll. Manchmal gibt es dafür unterirdische Sammelbehälter und Abtransport, ein kostenaufwendiges System. Nicht bedacht worden ist dabei, dass die Einwurflöcher nur begrenzt aufnahmefähig sind und nicht alles, was sich ansammelt, hineinpasst. Obstkisten, extrem harte Kartons oder größere Kunststoffteile zum Beispiel gehen schwer oder gar nicht hinein. Niemand käme auf die Idee, sich eigenes Zerkleinerungsgerät zuzulegen, sondern stellt das Ganze, frei von Gewissensbissen, einfach neben die Vorrichtungen. Da warten mitunter regelrechte Stapel auf den gesonderten Abtransport durch die Stadt.

Öffnungszeiten: Es möge niemand an den häufig wechselnden Öffnungszeiten für spanische Monumente und Museen verzweifeln. Die Zeiten werden mitunter sehr kurzfristig festgelegt, wechseln von Jahr zu Jahr und innerhalb eines selben Jahres sowieso. Eine jahresdurchgängig einheitliche Öffnungszeit gibt es fast nirgendwo. Bestenfalls unterscheidet man zwischen „Sommer“ und „Winter“, wobei der Öffnungszeiten-Sommer meist von Ostern bis Oktober und der Öffnungszeiten-Winter von November bis Ostern reicht.

Es gibt aber auch Einrichtungen, die im Jahresverlauf fünf- bis sechsmal die Zugangszeiten ändern. Weithin verbreitet ist, dass Museen sonntagnachmittags und montags den ganzen Tag schließen – Ausnahmen bestätigen die Regel!

Ebenso uneinheitlich gehandhabt wird der Einschub einer Mittagsruhe von 13.30/14 Uhr bis 16/16.30 Uhr – mal ja, mal nein. Wichtige Museen in größeren Städten öffnen tendenziell durchgehend.

Online-Petitionen: Wer in Spanien lebt oder sich länger aufhält, könnte auf gängigen Plattformen wie www.change.org auf Online-Petitionen stoßen und zum Unterstützer werden, um dies oder jenes Anliegen voranzutreiben. Da geht es um soziale Ungerechtigkeit, sinnlose Gesetze, die maßlos überhöhten Gas- und Strompreise in Spanien. Wen ein Thema anspricht: einfach mitmachen und befürworten! Jeder Klick zählt.

Als Form des Bürgerprotestes sind Online-Petitionen auch in Spanien auf dem Vormarsch, aber Vorsicht: Manche Initiativen könnten von Politik und Lobbyisten über Dritte gezielt in die Welt gesetzt worden sein.

Patriotismus: „Ich bin stolz, Spanier zu sein“ – das wird man in Spanien so nicht hören. Einen Patriotismus, auf das spanische Gesamtganze bezogen, gibt es überhaupt nicht. Stolz ist ein Spanier hingegen auf seinen Geburtsort, seine regionale Heimat. Diesem Selbstgefühl entspricht auch die Verwendung regionaler Sprachen wie Baskisch, Katalanisch und Galicisch. Wer als Auswärtiger Spaniern begegnet, sollte diesen Regional- und Lokalpatriotismus sehr ernst nehmen, also: keine Zweifel oder abfälligen Äußerungen über den Ort oder die Stadt fallen lassen und sich in Zurückhaltung üben.

Prostitution: Die Prostitution in Spanien hat sich als krisenfestes Gewerbe erwiesen, Schätzungen weisen auf einige Hunderttausend horizontale Dienstleisterinnen im ganzen Land. In Bordellen (clubs) wird die Prostitution kanalisiert, darüber hinaus gibt es reichlich „Kontakt“-Rubriken in überregionalen und regionalen Tageszeitungen sowie im World Wide Web. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass man sich bereits bei der Suche auf einer Internetseite einen Virus einfängt …

Proteste: Spaniens dauerhafte Wirtschaftskrise führt vielerorts zu Protesten gegen Politiker, Wirtschaftsbosse, Banken, Gerichte, sonstige Behörden und ihre unfähigen Repräsentanten. Die Demonstrationen können mitunter in Straßenschlachten mit den Sicherheitskräften ausarten.

Da sich Spaniens Polizei weder durch Weitblick noch durch ein hohes Maß an Koordination auszeichnet, kann man als Unbeteiligter rasch zwischen die Fronten geraten. Gummigeschosse haben schon so manches Augenlicht ausgelöscht.

Sobald Sie Menschenansammlungen oder größere Aufgebote an Polizisten sehen, lautet der Rat, wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen: Halten Sie sich fern! Oder ergreifen Sie rasch, aber ohne zu laufen und auf diese Art vielleicht mit Demonstranten verwechselt zu werden, das Weite!

Rechnungen … werden in so manchen Gaststätten und Unterkünften äußerst ungern und allenfalls auf Verlangen ausgestellt. Das spanische Selbstverständnis besagt, dass Vater Staat nicht überall stiller Teilhaber sein muss.

Auch Handwerker kassieren mit Vorliebe schwarz und machen ihren Kunden deutlich, dass es bei Rechnungen ja teurer würde, wenn der Mehrwertsteueraufschlag hinzukäme.

Restaurants, Pubs und Cafés und ihre Ordnung: In Restaurants, Pubs und Cafés gilt es für Auswärtige, die „Großen Drei“ der Verhaltensregeln zu beherzigen:

Im Restaurant nicht einfach selbsttätig irgendwohin setzen und vielleicht den letzten freien Platz in einer Enterattacke erstürmen. Es gilt zu warten, bis das Personal einen Tisch zuweist.

Im Pub oder im Café niemals zu jemandem setzen, selbst nicht, wenn man freundlich fragt. All dies könnte das Gegenüber verstören und ist unter Spaniern unbekannt, da es als Einbruch in die Privatsphäre erachtet wird.

Überall gilt: niemals getrennt bezahlen, sondern alles zusammenwerfen. Haarklein auseinander rechnen (was Spanier nicht praktizieren, wenn sie zusammen ausgehen) könnte man es im Zweifelsfall dann später.

Sangría: Dieses kalt in der Glaskaraffe servierte Weinmischgetränk verheißt für manche Besucher Spanien-Feeling, steht aber nicht selten als Synonym für Nepp in Kneipen und Restaurants. Dann fließt der billigste Wein aus dem Tetra Pak als Basis ein (was man erst später beim Verlangen nach Aspirin merkt), dann gibt der Nektar vom Discounter den Obstgeschmack. Merke: Eine echte Sangría muss immer frisch sein, mit Fruchtsaft und deutlich erkennbaren Fruchtstücken – deswegen machen Spanier sie lieber selber.

Sauberkeit/Hygiene: Spanier legen großen Wert auf Sauberkeit und Hygiene. Dies betrifft saubere Straßen, die zu diesem Zweck oft gekehrt und ausgespritzt werden, ebenso wie das gepflegte Äußere der Menschen. Der inflationäre Einsatz von Duschgels, Shampoos, Deos und Parfums hebt sich wohltuend von dem in anderen Ländern ab.

Schnelligkeit: Schnell sind Politessen und Abschleppdienste bei Falschparkern zur Stelle, schnell die Behörden bei Einzugsermächtigungen, schnell die Spitzenfußballer bei ihrem Kombinationsspiel, schnell die spanischen Autofahrer. Ansonsten zählt es eher ruhig Blut zu bewahren, denn alles braucht seine Zeit. Damit müssen auch Auswärtige umzugehen lernen – so schwer es im Einzelfall vielleicht fallen mag.

Sherry: Dieser Likörwein aus der Gegend um Jerez de la Frontera in Andalusien genießt Weltruf – doch bekommen werden Sie ihn unter diesem Namen in Spanien nicht. Statt dessen muss immer die genaue Sorte genannt werden, z. B. fino (trockener Sherry) oder cream (süß).

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Pro-Unabhängigkeits-Graffiti im baskischen Pasai Donibane

Sprache/Sprachen: Über das gängige Spanisch (castellano) hinaus sind regionale Sprachen verbreitet. Dabei ist vielen Einheimischen wichtig, dass niemand ihre Regionalsprachen mit Dialekten verwechselt. Der Gebrauch der jeweiligen Regionalsprache, ob Baskisch oder Katalanisch, steht für das ausgeprägte regionale Selbstwertgefühl.

Statussymbole: Während Spanier gemeinhin nicht mit Universitätstiteln aufschneiden, legen sie sehr wohl Wert auf materielle Statussymbole, die man eher „zufällig“ zeigt. Das betrifft Smartphone, Tablet und Laptop der neuesten Generation ebenso wie Markenbekleidung, Designerschuhe, Handtaschen, weitere Accessoires und das Auto. Ebenfalls hält man anderen gerne vor Augen, dass man sich den Besuch im Luxusrestaurant und die Hausangestellte leisten kann (auch wenn man bei der Hausbank bis zum Hals in der Kreide steht). Offensivere Aufschneidereien, die den eigenen Jahresverdienst beziffern, sind unbekannt. Beim Thema Geld übt man sich in Zurückhaltung.

Taxi: Immer wieder sind es schwarze Schafe, die die Branche in Verruf bringen, und unbedarfte Touristen ihre liebsten Opfer. Sicher wird das Taxameter eingeschaltet, aber mitunter steht es auf dem teureren Nacht- oder Wochenendmodus. Und auch die Aufschläge können sich zu einem Zusatzsümmchen addieren: Transport ab/bis Flughafen oder Busbahnhof, Gepäck, telefonische Bestellung des Taxis. Zum Trost sei gesagt, dass es unter Spaniens Taxifahrern genügend ehrliche Häute gibt. Ansonsten lautet die Empfehlung: Linienbus benutzen!

Toiletten: Öffentliche Bedürfnisanstalten sind in Spanien eher Mangelware. Dann bleibt nichts anderes übrig, als eine Kneipe oder ein Café aufzusuchen, um sich von seinen Lasten zu befreien. Eine Benutzung von Nichtkunden wird dort auch in Spanien ungern gesehen. Statt etwas zu bestellen, was in Kürze das nächste Bedürfnis anstacheln würde, könnte man dem Kneipier oder einer Bedienung ein paar Münzen auf den Tresen legen und nach dem Örtchen (baño, servicio) fragen. Dann kann es vorkommen, dass das Gegenüber das Geld von sich schiebt und einfach lächelnd den Weg weist.

Touristen und Spaniens Verhältnis zu ihnen: Spanier stehen den jährlichen Besuchermillionen im Land offen und durchaus freundlich gegenüber, Touristen aller Nationalitäten sind gern gesehen. Historische Ressentiments gibt es, allenfalls ansatzweise, gegenüber Franzosen, doch auch hier hat sich herumgesprochen, dass ein jeder Devisen ins Krisenland bringt. Der Tourismus fungiert als entscheidender Stützpfeiler der spanischen Wirtschaft.

Trinken in der Öffentlichkeit: Dieser Stichpunkt bezieht sich nicht auf Wasser, Saft oder Brause, sondern auf alkoholische Genussmittel. Diese außerhalb von Restaurant-, Pub- und Barterrassen in der Öffentlichkeit zu konsumieren, ist in Spanien vielerorts untersagt, was nicht zuletzt mit der Lobbyarbeit des Gaststättengewerbes zusammenhängt.

Ein solches Verbot ist offiziell, was aus spanischer Sicht nicht bedeutet, dass man sich daran halten muss. Und so finden sich viele jüngere Leute auf Plätzen und in Parks gerne zu einem „botellón“ zusammen, indem sie Flaschen (botellas) mit Wein, Bier oder hochprozentigerem Alkohol mitbringen. Ein botellón kann moderat, aber auch exzessiv bis hin zum Massenbesäufnis verlaufen. Volksfeste sind eine andere Sache, da gelten sämtliche Regelungen ohnehin nicht.

Trinkgeld: Wer im Dienstleistungssektor gut bedient wird, sollte sich ruhig erkenntlich zeigen und dies mit einem Trinkgeld honorieren. Im Restaurant heißt das: etwa fünf Prozent des Rechnungsbetrags für die Bedienung, im Hotel einen Euro für den Kofferträger bzw. einen Euro pro Tag für den Zimmerservice. In der Kneipe oder Cafeteria kann man das Wechselgeld auf dem Tellerchen liegen lassen, falls der Service freundlich war. Unüblich ist ein Trinkgeld beim Friseur und für den Taxifahrer. Die Spanier selber zeigen sich bei der Vergabe von Trinkgeld eher zurückhaltend.

Verbote: Schilderwälder zu dem, was zu unterlassen ist, sind ja in Mitteleuropa weithin bekannt. In jüngerer Vergangenheit haben sie aber auch in Spanien Verbreitung gefunden, was nicht heißt, dass Spanier das Verbot beherzigen. Dazu steckt in jedem zuviel Auflehnungspotenzial gegen aufoktroyierte Verhaltensweisen. Ob das nachzuahmen ist, bleibt jedem selbst überlassen.

Verkehrsmittel: Der Bus ist das gängigste öffentliche Transportmittel, das System für Überlandfahrten sehr gut ausgebaut, die Flotte in durchweg gutem Zustand. Außerdem geht es im Regelfall immer pünktlich los! In größeren Städten gibt es meist einen zentralen Busbahnhof (estación de autobuses), von dem aus Verbindungen in zahlreiche Städte und Orte möglich sind. Problematisch kann es auf dem Land werden. Das Ticket weist meist den reservierten Sitzplatz aus, manche Busgesellschaften bieten ein verbilligtes Hin- und Rückfahrtticket (billete ida y vuelta) an.

Alternative Transportmittel sind die Bahn, u. a. mit AVE-Schnellzugverbindungen zwischen großen Städten, und das Flugzeug, wobei man dann zwangsläufig Bekanntschaft mit spanischen Fluglinien macht. Und das ist wegen möglicher Flugstornierungen, Gepäckverluste und Verspätungen in Kombination mit verpassten Anschlussflügen nur sehr, sehr bedingt empfehlenswert. Was den innerstädtischen Transport betrifft, so sind in Metropolen wie Madrid, Barcelona, Valencia und Bilbao die Metronetze hervorragend ausgebaut.

Vorausschau … ist keine Tugend der Spanier. Wer einen Monat vorher einen Restauranttisch reserviert oder ein Busticket kauft, erntet erst einmal ungläubige Blicke. Auch Verabredungen tätigt man am besten nicht von langer Hand.

Zahlungsmoral: All das, was nicht im selben Moment bezahlt wird, kann zum Problem werden. Um die Zahlungsmoral der Spanier ist es schlecht bis miserabel bestellt. Bei ausbleibenden Zahlungen hilft nur: nachfragen, immer wieder nachfragen, unangenehm lästig werden.

Eindringlicher Tipp des Autors: Bezahlen Sie einen Dienstleister niemals im Voraus, erst nach getaner, fehlerfreier Arbeit. Alternative wäre allenfalls eine stufenweise Zahlung, die sich an der erbrachten Leistung orientiert. Vorauskasse in Spanien, zum Beispiel Anzahlungen bei Reservierungen, bringen ein gewisses Unwohlsein mit sich.

Zeitverständnis: Das Zeitverständnis unter Spaniern ist, vorsichtig formuliert, sehr dehnbar. Sicher, bei Geschäftstreffen mit internationalen Partnern hat es sich herumgesprochen, dass Pünktlichkeit zu den Pflichten gehört, was zeigt: Eigentlich geht es doch! Oftmals jedoch geht es nicht, vor allem im privaten Umfeld. Wer sich mit Spaniern verabredet, darf nicht erwarten, dass jemand sekundengenau eintrifft oder gar schon vorher da ist. Vor allem im Südteil des Landes geben Zeitangaben nur einen ungefähren Richtwert vor. Legen Sie vorsichtshalber ein akademisches Viertelstündchen und zusätzlich einen zeitlichen Sonderbonus drauf!

Zuverlässigkeit/Pünktlichkeit: Zuverlässig ist in Spanien vor allem die Unzuverlässigkeit. Das betrifft generell die Pünktlichkeit bei Verabredungen (siehe „Zeitverständnis“), wobei die Ironie will, dass ein und dasselbe spanische Verb esperar zwei Zustände bezeichnet, die mitunter zusammenfallen: warten und hoffen, das erklärt vielleicht so einiges.

Die Zuverlässigkeitsskepsis setzt sich bei jedweden Absprachen und Auskünften fort, die man am besten stets gegenprüft. Abgesehen davon muss das, was auf der Homepage einer Stadt oder eines Museums steht, vor Ort nicht unbedingt zutreffen: ob die eigene Adresse, Eintrittspreise oder Öffnungszeiten. Stellen Sie sich darauf ein. Umso angenehmer werden Sie überrascht sein, wenn es doch stimmt und jemand pünktlich erscheint! Deswegen: Gehen Sie mit gutem Beispiel voran, seien Sie selbst zuverlässig und pünktlich. Ansonsten gilt: warten und hoffen!

Der kulturhistorische Rahmen

„Die ganze Fiesta über hatte man das Gefühl,
selbst wenn es ruhig war,
dass man alles, was man sagen wollte,
schreien müsse, damit die anderen es hörten.
Und so war es mit allem, was man tat.“

(Ernest Hemingway)

Fiestas – Bräuche – Traditionen

Nacht über Murieta, einem Nest in Navarra. Lauer August. Die Durchgangsstraße ist gesperrt, an den Büdchen vor der Kirche fließt der vino in Strömen, aus den Mega-Lautsprechern dröhnen blecherne Fetzen. Nicht schön, aber laut. Dorffest zu Ehren des heiligen Stephan, das jährliche Highlight für die 354 Bewohner. Irgendwann gegen elf verstummt die Musik. Von woher mögen sie kommen? Aus der Gasse neben der Kirche oder aus Richtung Estella im vollen Galopp auf der Hauptstraße? Im Straßennetz Murietas bleibt die Auswahl überschaubar. Plötzlich sind sie da, toros de fuego. Die „Feuerstiere“ kommen! Lichterloh und rasend schnell. Unter ohrenbetäubenden Explosionen stürmen sie auf die Menge zu. Zweibeinige Untiere, die sprinten, was Turnschuhe und Lungen hergeben. Kinder kreischen, ganze Familien stürmen davon, jeder bringt sich in Deckung. Die wildgewordenen toros stieben umher, nehmen Verfolgungsjagden in die Nebengassen auf und scheren sich einen feuchten Kehricht um den brandheißen Funkenflug auf parkende Autos. Nach ein paar Minuten ist alles vorbei. Rauchschwaden liegen über der Straße, es riecht verbrannt. Irgendjemand betrachtet seine Brandlöcher in der Kleidung, während die „Feuerstiere“ zur Umkleide zurücktrotten.

Toros de fuego gehören vielerorts zum Belustigungsprogramm der Fiestas und sind eine besondere Spezies: Männer mit Schutzanzug, aufgesetzten Stierhörnern und einem monströsen Aufbau voll explodierender Feuerwerkskörper. Ein Minutenspektakel mit Knalleffekten, bei dem sie durch die Straßen rasen, bis der letzte Böller verschossen ist. Gefährlich? Na klar. Die glühenden Funken sprühen meterweit und machen keinen Unterschied zwischen Häuserwänden und Augen. Aber wer mag bei der Fiesta an Gefahr denken? Lustig soll’s zugehen, ein Prosit auf die toros de fuego, die andernorts in Gestalt von wirklichem Getier daherkommen. Als dunkle 600-Kilo-Kolosse mit Nackengestellen, in denen brennende Fackeln stecken. So wie in Form des Toro Jubilo beim Patronatsfest Mitte November in Medinaceli, einem Örtchen in der Provinz Soria. Tierleid? Tierschutz? Tradition ist Tradition. Ob Feuerstier, Stiertreiben oder Stierkampf …

Reigen der Feste – Spiegelbild der Seele

Als winzige Mosaiksteinchen sind die toros de fuego in Spaniens Festpanorama verankert. Fiestas sind der bunteste und prägnanteste Ausdruck von Volkskultur, von spanischer Lust und Spaß am Leben – und bieten ein unglaublich reiches Potenzial an Kulturschocks! Mega-Events mit internationaler Note sind die Karnevalsfeiern von Teneriffa und Cádiz, die Fallas von Valencia, die Semana Santa mit ihren weltberühmten Karprozessionen im ganzen Land, die Feria de Abril von Sevilla, die Wallfahrt nach El Rocío und die Fiestas de San Fermín in Pamplona (siehe auch Kapitel „Spaniens größte Fiestas“, S. 61).

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Kein Stierkampf, sondern Springerakrobatik in der Arena von Haro (La Rioja)

Der Spanier ist ein geborener homo fiesta und die Fiesta das Spiegelbild seiner Seele. Das Umfeld seiner Feiern entspricht den gesellschaftlich-sozialen Treffs des ganzen Jahres: Straßen und Plätze. Sie sind seine Festsäle, der Himmel formt das natürliche Dach. Überall und allgewaltig bricht die Lebensfreude der Spanier tief aus ihrem Innersten aus und hat nichts mit jener des landläufigen Mitteleuropäers gemein, der sich einmal im Jahr die Narrenkappe aufsetzt. Bei spanischen Fiestas befindet sich die Lebenslust auf dem Siedepunkt, ein geografisch-ethnografisches Nord-Süd-Gefälle gibt es nicht. Nordspanier wissen ebenso ausgiebig zu feiern wie die südländischen Andalusier. Für Auswärtige sprengt das Gebotene in jederlei Hinsicht den Rahmen der Vorstellungskraft. Wenn ein gewöhnlicher deutscher Biergarten laut behördlich verfügter Auflage seiner Schließzeit nachkommt, geht’s in España erst richtig los. Devise: Erlaubt ist, was Spaß bringt. Nun ja, punktuell gibt es im Spanien von heute gelegentlich auch Anwohnerbeschwerden …

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Versorgung unter Gleichgesinnten am Rand der Weinschlacht von Haro

Stierkämpfe, sicher. Im Frühjahr beginnt die Saison mit den corridas, gegen die sich zumindest in Katalonien in Form eines Verbots in öffentlichen Arenen Widerstand gebildet hat (siehe Kap. „Stierkampf“, S. 51). Aber es gibt auch seltsame Schlachten, denen die meisten Mentalitätsfremdlinge mit fassungslosem Kopfschütteln begegnen. Paradebeispiele: die Batalla del Vino am 29. Juni nahe dem riojanischen Haro und die Tomatina am letzten Mittwoch im August im valencianischen Bunyol (Buñol). Bei der „Schlacht des Weins“ von Haro gehen Schätzungen zufolge bis zu 100.000 Liter flüssige Munition drauf, bei der „Tomatenschlacht“ von Bunyol Zehntausende Kilo reife Tomaten, was von den Spaniern längst nicht mehr mit uneingeschränkter Begeisterung aufgenommen wird. „Die Tomatina ist eine Schande für Bunyol“, liest man in eingängigen Foren. Wie könne man nur solche Mengen Tomaten verschwenden, um sich einfach zu vergnügen … ? Weiterer Diskussionspunkt ist die Erhebung einer von der Stadt erfundenen Eintrittsgebühr für dieses bedenkliche Straßenvolksfest. Warum die Gefechte mit Wein und Tomaten? Massengaudi auf spanische Art, Auswüchse einer Überflussgesellschaft, Jahrzehnte nach dem Kindergartenalter endlich wieder die Sau rauslassen. Ähnlich infantile Schweinereien mit Mehl und rohen Eiern gehen bei der Eröffnung der Fiestas de San FermínMassengelage