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Aber wenn alle Instrumente versagt haben, hat der Staat im Ausländerrecht ein Instrument, das er bei Deutschen nicht hat. Das ist eine keineswegs gerechte Ungleichbehandlung, die aber im Gesetz vorgesehen ist.

Christian Ude (SPD), Oberbürgermeister Münchens im Spiegel 32/1998

Mein Name ist Muhlis Ari.

Aber man kennt mich als Mehmet. Mehmet, das Crime-Kid. Mehmet, das Horror-Kid. Mehmet, der Seriengangster. Mehmet, das Klaukind. Mehmet, der Schrecken von Neuperlach.

Das sind zumindest die Namen, die mir gerade einfallen. Die Presse war über die Jahre sehr kreativ, und vielleicht werde ich alle Namen, die man mir gegeben hat, auch die schlimmeren, eines Tages in einem eigenen Buch auflisten.

Wie schon der Rest meines bisherigen Lebens, so wurde auch der Umstand, dass ich ein Buch schreibe, oft und heftig kommentiert. Im Laufe der Zeit habe ich mir abgewöhnt, zu jeder Schlagzeile, jeder Titelseite, jeder Behauptung über mich öffentlich Stellung zu beziehen. Wieso aber »ausgerechnet der kriminelle Türkenjunge, der besser bleibt, wo der Pfeffer wächst« ein Buch schreibt, das möchte ich gern erklären.

Ich hatte in meinem Leben sehr oft mit den Medien zu tun. Das erste Mal im Alter von 14 Jahren. Selbst erwachsene Menschen tun sich im Umgang mit Zeitungen und Fernsehen schwer, machen sich entweder freiwillig oder unfreiwillig zum Affen oder müssen zusehen, wie in der Öffentlichkeit ein Bild von ihnen entsteht, das nicht der Wahrheit entspricht. Selbst prominentere Menschen als ich, die über mehr als genug Mittel verfügen, sich gegen falsche Behauptungen zu wehren, kämpfen oft vergebens gegen Schlagzeilen oder Lügen an.

Sätze wie »Wer sich verteidigt, klagt sich an« oder »Wo Rauch ist, ist auch Feuer« sind zu sehr eingebrannt in die Gehirne der Menschen. Die allermeisten Leser und Zuschauer glauben genau das, was man ihnen vorsetzt. Und ich nehme es ihnen gar nicht übel. Wer hat schon Zeit und Lust, sich wirklich intensiv mit jeder einzelnen Nachricht auseinanderzusetzen, die einem im Laufe des Tages via Internet, Fernsehen oder Zeitung begegnet? »Mehmet« war und ist ein Thema, mit dem sich polarisieren und Stimmung machen lässt. Zu gern liest man schließlich, dass ein Schwerverbrecher wie Mehmet seine gerechte Strafe erhalten hat und des Landes verwiesen worden ist. Dass er als Geschäftsmann gescheitert ist. Dass er sich in der Türkei nun genauso rüpelhaft benimmt wie vorher in Deutschland …

Ob dies alles der Wahrheit entspricht, interessiert da nur am Rande.

Und darum also ein Buch.

Ich will meine Sicht der Dinge zeigen. Ich will zeigen, dass ich kein Monster oder Superkrimineller bin – und ich finde, ein Buch ist dazu die beste Gelegenheit. Ich werde in diesem Buch erzählen, wie ich selbst mein Leben wahrgenommen habe. Ich werde erzählen, wie ich die Situationen in dem Moment empfunden habe, als sie passiert sind. Das wird viele Menschen abschrecken, viele werden mich noch mehr hassen, als sie es ohnehin schon tun. Aber ich will bei der Wahrheit bleiben und nichts beschönigen.

Meine Hoffnung ist, dass sich dadurch ein vollständiges Bild von mir, Muhlis, ergibt. Das Bild eines Jungen aus München, der Dinge getan hat, die keinesfalls zu rechtfertigen sind. Aber eben auch das Bild eines Kindes von 14 Jahren, das oftmals nicht wusste, was es tat, und das nicht selten den falschen Leuten in die Hände geraten ist.

Wenn ich also die Meinung, die Sie als Leser möglicherweise bis heute zu mir gehabt haben, auch nur ein wenig ändern kann, dann habe ich mein Ziel erreicht. Ich danke Ihnen, dass Sie bereit sind, sich meine Seite der Geschichte anzuhören.