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Steve Nison

Technische Analyse mit Candlesticks

Steve Nison

Technische Analyse mit Candlesticks

Alle wichtigen Formationen und ihr Praxiseinsatz

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

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10., unveränderte Auflage 2021

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Die im Buch veröffentlichten Ratschläge wurden von Verfasser und Verlag sorgfältig erarbeitet und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Ebenso ist die Haftung des Verfassers beziehungsweise des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschaden ausgeschlossen.

Gesamtbearbeitung: Volk Verlag, München

Übersetzung: Christoph Klar

Layout und Satz: Manfred Zech, Landsberg

Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien

eBook: ePubMATIC.com

ISBN (Print) 978-3-89879-843-3

ISBN (PDF) 978-3-86248-513-0

ISBN (EPUB, Mobi) 978-3-86248-514-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

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Inhalt

Vorwort

Danksagung

1. Kapitel Einleitung

Was ist neu an diesem Buch?

Warum hat die Kerzenchartmethode unter Tradern und Anlegern weltweit solches Aufsehen erregt?

Wer sollte dieses Buch lesen?

Einige Hintergrundinformationen

Was bietet mir dieses Buch?

Ein Wort der Warnung

Die Bedeutung der Technischen Analyse

2. Kapitel Die Geschichte der Candlesticks

Teil I Grundlagen

3. Kapitel Wie man Kerzendiagramme konstruiert

Wie man Kerzendiagramme zeichnet

4. Kapitel Umkehrsignale

Umbrella Lines

Hammer

Hanging Man

Engulfing Pattern

Dark-Cloud Cover

Piercing Pattern

5. Kapitel Stars

Morning Star

Evening Star

Morning Doji-Star und Evening Doji-Star

Shooting Star und Inverted Hammer

Shooting Star

Inverted Hammer

6. Kapitel Andere Umkehrsignale

Harami-Muster

Harami Cross

Tweezers Tops und Bottoms

Belt-Hold

Upside-Gap Two Crows

Three Black Crows

Three Advancing White Soldiers

Three Mountains und Three Rivers

Counterattack Lines

Dumpling Tops und Pan Bottoms

Tower Top und Tower Bottom

7. Kapitel Fortsetzungsmuster

Windows

Tasuki

High-Price Gapping

Gapping Side-by-Side White Lines

Rising und Falling Three Methods

Separating Lines

8. Kapitel Der Magische Doji

Northern Doji (Doji in Bullenmärkten)

Long-legged Doji (Rickshaw Man), Gravestone Doji und Dragonfly Doji

Tri-Star

9. Kapitel Wie man alles zusammenfügt

Teil II Konvergenz

10. Kapitel Ein Haufen Kerzen

11. Kapitel Kerzen und Trendlinien

Springs und Upthrusts

Das Prinzip der wechselnden Polarität

12. Kapitel Kerzen und Korrekturen

13. Kapitel Kerzen und gleitende Durchschnitte

Der einfache gleitende Durchschnitt

Der gewichtete gleitende Durchschnitt

Der exponentielle gleitende Durchschnitt

Wie man gleitende Durchschnitte anwendet

14. Kapitel Kerzen mit Oszillatoren

Der Relative-Stärke-Index

Wie man den RSI berechnet

Wie man den RSI anwendet

Gleitender-Durchschnitt-Oszillator

Wie man den Gleitenden-Durchschnitt-Oszillator berechnet

Wie man den Gleitenden-Durchschnitt-Oszillator anwendet

Stochastik

Wie man den Stochastik-Oszillator berechnet

Wie man die Stochastik anwendet

Moving Average Convergence-Divergence (MACD)

Wie man den MACD berechnet

Wie man den MACD anwendet

15. Kapitel Kerzen und Volumen

16. Kapitel Gemessene Bewegungen (Measured Moves)

Ausbrüche aus Boxen

Swing targets, Flaggen und Wimpel

17. Kapitel Das Beste aus Osten und Westen: Die Macht der Konvergenz

Zusammenfassung

Glossar A
Kerzenchartbegriffe und visuelles Wörterbuch

Glossar B
Westliche Fachbegriffe der Technischen Analyse

Bibliografie

Über den Autor

Vorwort

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Ein kluger Falke versteckt seine Klauen.

Es ist kaum zu glauben, dass die japanischen Candlestick-Diagramme, die „Klauen“ der japanischen, Technischen Analyse, im Abendland so gut wie unbekannt waren, bis ich sie 1989 auch der westlichen Hemisphäre vorgestellt habe. Die weite Verbreitung der Candlestick-Charts lässt es mittlerweile kaum vorstellbar erscheinen, dass diese wunderbare technische Methode vor der Erstveröffentlichung dieses Buches im Westen so gut wie niemandem bekannt war. Damals hatte keiner der Chartservices Kerzendiagramme im Programm. Das verwundert mich ganz besonders, wenn ich daran denke, dass mittlerweile fast alle Chart-Dienstleister Kerzendiagramme anbieten.

Es erfüllt mich mit Stolz, behaupten zu können, dass mein Buch Japanese Candlestick Charting Techniques schnell zum grundlegenden Werk aller Arbeiten wurde, die sich in der westlichen Welt mit den Kerzendiagrammen beschäftigen. Nur weil die Erstausgabe des vorliegenden Buches erschien, können Sie mittlerweile Candlestick-Diagramme im Internet finden oder an einem der vielen anderen Orte, an denen sie mittlerweile vorhanden sind. Als Bestätigung der universellen Popularität und Wirksamkeit der Kerzencharts wurde dieses Buch in sechs Sprachen übersetzt und geht mittlerweile in die 14. Auflage.

Die in der Erstausgabe angebotenen Themen, Werkzeuge und Techniken sind stets aktuell und können in allen Märkten über beliebige Zeiträume hinweg angewendet werden. Aber durch unwiderstehliche Argumente (und indem er meinen Hund entführte!) hat mich der Herausgeber der vorliegenden Ausgabe überzeugen können, dass es an der Zeit ist, eine Neuausgabe zu veröffentlichen.

Unter den aufgefrischten Aspekten dieses Buches finden sich: die aktualisierten Diagramme, ein breiteres Börsenspektrum, ein größerer Schwerpunkt auf aktiven Börsenstrategien unter Nutzung der Intraday-Charts sowie neue Weiterentwicklungen, Strategien und neuartige Kombinationsmöglichkeiten für westliche Methoden der Technischen Analyse mit den Werkzeugen der Kerzendiagramme.

In einem meiner öffentlichen Seminare bat ich mein Publikum aufzuschreiben, was es von meinem Seminar erwartet. Ein Teilnehmer schrieb daraufhin, er wolle „einen Haufen Dollars“ verdienen. Obwohl ich Ihnen diesen „Dollarberg“ nicht versprechen kann, gehe ich davon aus, dass die Instrumente, Strategien und Techniken in diesem Buch Ihnen auf Ihrem Weg zu besseren, weniger riskanten Anlagestrategien wesentlich weiterhelfen werden.

Vielen Dank an alle Leser, die die Erstausgabe dieses Buches so populär gemacht haben. Ich bin voller Vertrauen, dass Sie diese Ausgabe genauso praktisch, wertvoll und unterhaltsam finden werden.

Ich würde mich freuen, wenn Sie mich über Ihre Kommentare, Erfahrungen und Ideen bezüglich der Kerzencharts informieren würden. Ihre E-Mails sind bei nison@finanzbuchverlag.de und info@candlecharts.com jederzeit willkommen, und Sie selbst sind jederzeit herzlich eingeladen, meine Webseite www.candlecharts.com zu besuchen. Ich kann Ihnen zwar leider keine Antwortgarantie geben, verspreche aber, alle E-Mails und Briefe zu lesen.

Danksagung

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Kleine Gefälligkeiten sollte man nicht vergessen, an kleine Makel sich nicht erinnern.

Ich würde gerne allen Menschen danken, die mich bei meiner Mission, die Flammen des Interesses an den Kerzendiagrammen anzufachen, unterstützt haben. Das überwältigend positive Echo lässt die Kerzenflammen immer heller leuchten.

Den vielen Teilnehmern an meinen öffentlichen und privaten Seminaren sowie meinen Beratungsklienten in Büro und Internet würde ich bei dieser Gelegenheit gerne für die mir erteilte treue Unterstützung und freundliche Kritik danken.

In einem japanischen Sprichwort heißt es: „Ein Abend der ernsten Konversation mit einem überlegenen Menschen ist besser als zehn Jahre Studium.“ Es freut mich, den überlegenen Männern und Frauen meinen Dank auszusprechen, die mir so bereitwillig geholfen haben.

Viele Personen, deren Hilfe Anerkennung verdient, werden im 1. Kapitel erwähnt. Aber es gibt auch andere, denen ich gerne für das Licht danken würde, mit dem sie meinen Weg erhellt haben. Insgesamt haben so viele zu diesem Projekt beigesteuert, dass ich mich schon jetzt im Voraus dafür entschuldigen möchte, wenn ich den einen oder anderen vergessen haben sollte.

Die Grundlage all meiner Nachforschungen über Candlestick-Diagramme bilden die von Richard Solberg besorgten Übersetzungen. Seine Funde in der japanischen Literatur zum Thema Kerzendiagramme, sein Ideenreichtum und sein Fleiß bildeten das Grundgerüst meiner restlichen Anstrengungen.

Besonderen Dank verdient auch die MTA (Market Technicians Association). In der Bibliothek dieses Instituts fand ich erstmals Materialien über Candlestick-Diagramme in englischer Sprache. Diese Materialien waren zwar nicht besonders umfangreich, aber trotzdem nicht einfach zu besorgen. In der Bibliothek der MTA waren sie glücklicherweise zu finden.

Herr Yoji Inata hat viele Stunden mit der Beantwortung meiner differenzierteren Fragen verbracht. Außerdem besaß er die Freundlichkeit, seinen Bekanntenkreis um detailliertere Informationen zu bitten, sobald das erforderlich erschien.

Der Nippon Technical Analysts Association (NTAA) gebührt hohe Anerkennung für ihre Hilfestellung bei diesem Projekt. Herr Kojiiro Watanabe stellte eine Verbindung zu zwei Mitgliedern der NTAA her, die sich als außerordentlich hilfsbereit erwiesen. Es sind Herr Minoru Eda und Herr Yasushi Hayashi Nori Hayashi.

Es gibt einige Softwarepakete mit Kerzendiagrammen. In diesem Buch habe ich mich für zwei davon entschieden, da ich sie für die besten halte: Aspen Graphics (www.Aspenres.com) und CQG (www.cqg.com). Sowohl hinsichtlich ihrer Produkte als auch ihrer Dienstleistungen befinden sich diese beiden Firmen wirklich auf höchstem Niveau.

Wie im ersten Buch würde ich gerne Bruce Kamich meinen Dank aussprechen, „Mr. Eine-Idee-pro-Tag”. Bruce ist ein guter Freund und Kollege von mir, der auf mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Technischen Analyse zurückblicken kann. Er unterstützt mich auch weiterhin mit vielen wertvollen Ideen und Vorschlägen.

Mark Tunkel ist ein weiterer langjähriger Kollege und Freund, der einen tiefen Einblick in die Kerzendiagrammanalyse gewonnen hat. Seine Hilfe bei der Niederschrift dieses Buches war unersetzlich.

Susan Barry, die Lektorin der Erstausgabe, hat damals die prophetische Gabe besessen, ihren Boss davon zu überzeugen, dass die Candlestick-Diagramme populär genug sein würden, das Risiko dieser Erstveröffentlichung auf sich zu nehmen. Steigende Verkaufszahlen seit dem Erscheinungsjahr 1991 haben ihre Vermutungen bestätigt.

Bei dieser Ausgabe haben Ellen Schneid Coleman und Sybil Grace von Prentice Hall den Kohlenstaub meines Manuskripts in einen Diamanten verwandelt.

Und dann ist da natürlich noch meine Familie. Es ist schwer, zu glauben, dass mein Sohn im selben Zeitraum zur Welt kam, in dem ich die erste Ausgabe dieses Buches verfasste (mittlerweile ist er 11 Jahre alt). Ich habe ihm inzwischen erzählen können, dass ich ihn fast „Candlesticks Nison” getauft hätte. Der Name würde passen. Evan hat eine sehr schnelle Auffassungsgabe – besonders in finanzieller Hinsicht – und kann gar nicht genug von den Kerzendiagrammen bekommen. Ich glaube, wir können schon bald das Familienvermögen in seine Hände legen.

Meine Tochter Rebecca war vier Jahre alt, als die Erstausgabe herauskam, und ist mittlerweile zu einer strahlenden jungen Dame geworden. Ihr Vater zu sein erfüllt mich mit Stolz. Wenn wir unser Vermögen in ihre Hände legen würden, wären wir wahrscheinlich schnell obdachlos, könnten aber auf Unmassen von Kleidungsstücken und Kosmetikprodukten zurückgreifen.

Meine Frau Bonnie ist weiterhin unser aller Stütze. Ohne sie würde mein Leben auseinander fallen. Dann wäre dieses Buch unmöglich zustande gekommen.

1. Kapitel

Einleitung

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Der Anfang ist am wichtigsten.

Die japanische Candlestick-Chartanalyse – so genannt, weil die verwendeten Linien wie Kerzen mit Dochten aussehen – ist im Fernen Osten über Generationen hinweg empirisch verfeinert worden. Vor Erscheinen meines Buches Japanese Candle Charting Techniques waren die „Klauen“ der japanischen Chartanalyse – also die Kerzencharts – der westlichen Welt über hundert Jahre lang verborgen geblieben. In dem erwähnten Buch wurden diese „Geheimnisse des Orients“ zum ersten Mal detailliert der westlichen Hemisphäre vorgestellt.

Da der Begriff „Candlestick“ oft auf „Kerzen“ abgekürzt wird, werde ich in diesem Buch beide Begriffe bedeutungsgleich benutzen.

Es schmeichelt mir ungemein, dass meine Arbeit für eine Revolution in der Technischen Analyse verantwortlich gemacht wird und dass alle nachfolgenden Bücher, Artikel usw. anderer Autoren die Erstausgabe dieses Buches zur Basis nehmen. Das hatte ich gehofft. Mit seinem Erscheinen sollte tatsächlich das Fundament für zukünftige Materialien über die Kerzencharts gelegt werden. Und so ist es sehr befriedigend, wenn es häufig „die Bibel der Kerzencharts“ genannt wird.

Wer hatte vor dem Erscheinungsjahr der Erstausgabe 1991 schon je von Kerzencharts gehört? Und wer hat es mittlerweile nicht? Online-Trader, Daytrader, professionelle Vermögensverwalter und Market-Maker sind nur einige der Gruppen, die ihren Enthusiasmus für die Kerzencharts entdeckt haben. Viele Websites, Echtzeit-Tradersysteme und Softwarepakete für die Technische Analyse bieten Candlestick-Charts an. Das beweist die Popularität der Kerzen und die universelle Anziehungskraft, die sie in den volatilen Märkten von heute auf Trader aller Couleur ausüben. Die Kerzen brennen heißer denn je zuvor.

Mein elfjähriger Sohn Evan (den ich kurz nach seiner Geburt fast auf den Namen „Candlesticks Nison“ getauft hätte) stieß neulich im Internet auf einen Chartservice mit Kerzendiagrammen und fragte: „Also wenn du nicht gewesen wärst, Daddy, dann gäbe es keine Kerzencharts im Internet oder sonst irgendwo in Amerika? Stimmt das?“ Ich bejahte. Er zögerte kurz und sagte dann: „Cool, dann will ich mehr Taschengeld.“

Was ist neu an diesem Buch?

Während das Format und die grundlegenden Konzepte der Erstausgabe dieselben geblieben sind (da sie ja anscheinend gut funktioniert haben), hat sich die Marktumgebung seit dem Erscheinungsjahr genauso verändert wie die Marktteilnehmer. Neben den brandneuen Charts verfügt diese Ausgabe darum auch über:

Warum hat die Kerzenchartmethode unter Tradern und Anlegern weltweit solches Aufsehen erregt?

Jahr für Jahr lodern die Flammen des Interesses an diesen Chartinstrumenten höher. Denn Kerzencharts …

Ein orientalisches Sprichwort sagt: „Auch eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.“ Dieses Kapitel ist dieser erste Schritt auf dem Weg zur Kerzenchartanalyse und daher äußerst wichtig. Doch schon nach der Lektüre dieses einleitenden Kapitels werden Sie merken, wie Ihnen die Kerzen dabei helfen, Ihre Marktanalyse effektiver zu gestalten, Ihr Timing beim Ein- und Ausstieg zu verbessern und neue, fruchtbare und einzigartige Gebiete der Technischen Analyse zu erschließen.

In der Erstausgabe dieses Buches habe ich mich weit aus dem Fenster gelehnt. Ich hatte gesagt: „In naher Zukunft werden die Kerzencharts vielleicht genauso gebräuchlich werden wie Balkendiagramme. Sobald die Analysten sich mit der Benutzung der Kerzendiagramme vertraut gemacht haben, werden sie die Barcharts beiseite legen.“ Diese Vorhersage scheint sich im Moment zu erfüllen.

Am Ende meiner öffentlichen und privaten Seminare stelle ich meinem Publikum oft folgende Frage: „Wer unter Ihnen wird von jetzt an noch Barcharts benutzen?“ Von den tausenden von Tradern, die an meinen Lehrgängen teilgenommen haben, hat nie auch nur ein einziger seine Hand erhoben. Wenn Ihnen die Kerzendiagramme neu sind, werden Sie den Grund für dieses Phänomen spätestens am Ende dieses Buches verstehen – oder vielleicht schon nach den ersten Kapiteln.

Es kann eigentlich nur Vorteile bringen, Balkendiagramme durch Kerzencharts zu ersetzen. Wie wir im Kapitel über die Anfertigung der Kerzendiagramme sehen werden, gehen beide Formen der grafischen Darstellung von denselben Daten aus (Eröffnungs- und Schlussnotierung, Tageshoch und Tagestief). Diesen Sachverhalt sollte man nicht unterschätzen. Denn er bedeutet, dass alle Methoden der Technischen Analyse, die an Barcharts vorgenommen werden können (wie zum Beispiel gleitende Durchschnitte, Trendlinien, Korrekturebenen etc.), auch auf Kerzendiagramme angewendet werden können. Aber die Kerzencharts, und das ist der springende Punkt, können Signale liefern, die ein Balkendiagramm einfach nicht hergeben kann. Diese Eigenschaft der Kerzen wird Ihnen vor allen Tradern, die sich ausschließlich auf die westlichen Methoden der Technischen Analyse stützen, einen Vorsprung verschaffen. Wenn Sie Kerzencharts anstelle der Barcharts verwenden, können Sie also genau wie vorher auf alle Chartinstrumente zurückgreifen, die Sie auch mit Barcharts anwenden. Aber die Kerzendiagramme werden Ihnen einen Einblick in den Zustand der Märkte eröffnen, den Sie so tief mit keiner anderen Methode nehmen können.

Wer sollte dieses Buch lesen?

Dieses Buch ist genau richtig für Sie, wenn:

Einige Hintergrundinformationen

Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, warum ein System, das schon so lange existiert, im Westen so gut wie unbekannt bleiben konnte? Haben die Japaner vielleicht versucht, ein Geheimnis daraus zu machen? Ich weiß auch keine Antwort auf diese Fragen, aber es hat mich jahrelange Nachforschungen gekostet, alle Teile dieses Puzzles zusammenzufügen. Dabei habe ich in vieler Hinsicht noch Glück gehabt. Vielleicht war diese Kombination aus Beharrlichkeit und glücklichen Zufällen genau die Eigenschaft, die allen anderen Menschen fehlte.

Im Jahre 1987 machte ich die Bekanntschaft einer japanischen Dame, die sich als Brokerin betätigte. Als wir eines Tages zusammen in ihrem Büro waren, betrachtete sie gerade ein japanisches Buch mit Aktiennotierungen (in Japan sind alle derartigen Bücher in Kerzenform). Plötzlich rief sie: „Ach, da ist ja ein Fenster!“ Ich fragte sie, was sie damit meine. Sie erklärte mir, dass das Wort „Fenster“ der Kurslücke in der westlichen Analyse entspricht. Dann erklärte sie mir, dass die Japaner vom „Schließen des Fensters“ sprechen, wenn westliche Börsenexperten vom „Füllen einer Lücke“ reden. Dann benutzte sie andere Ausdrücke wie „Doji“ oder „Dark-Cloud Cover“. Ich war sofort fasziniert und verbrachte einen großen Teil der nächsten drei Jahre damit, alle verfügbaren Informationen über Kerzencharts ausfindig zu machen, zu erforschen und analysieren.

Das war gar nicht so einfach. Erste Schritte konnte ich mit Hilfe eines japanischen Börsenmaklers machen und indem ich meine eigenen Kerzencharts zeichnete und analysierte. Dann fand ich in der Bibliothek der Market Technicians Association (MTA)1 in New York ein Buch mit dem Titel Analysis of Stock Price in Japan, das von der Nippon Technical Analysts Association herausgegeben worden war. Es handelte sich um die englische Übersetzung dieses ursprünglich auf Japanisch erschienenen Buches. Leider enthielt es insgesamt nur zehn Seiten, die sich mit der Interpretation von Kerzendiagrammen befassten. Trotzdem hatte ich endlich Material über die Kerzencharts in englischer Sprache gefunden.

Einige Monate später bekam ich wieder Gelegenheit, ein Buch über die Grundlagen der Kerzencharts und ihrer Analyse auszuleihen. Und wieder hatte ich es in der Bibliothek der MTA gefunden. Der Büroleiter von MTA, Shelley Lebeck, hatte dieses Buch mit dem Titel The Japanese Chart of Charts von Seiki Shimizu in der englischen Übersetzung von Greg Nicholson aus Japan mitgebracht (Herausgeber ist die Tokyo Futures Trading Publishing Company). Das war ein wichtiger Fund, denn in diesem Buch fand ich ungefähr siebzig Seiten, die sich mit den Kerzendiagrammen befassten, und das in Englisch.

Während sich dieses Füllhorn von Informationen ausschüttete, musste ich entdecken, dass es wohl einiger Zeit und Anstrengung bedurfte, sich mit den Konzepten der Kerzencharts wirklich vertraut zu machen. Alles war so neu und anders. Außerdem musste ich mich an die japanische Terminologie gewöhnen. Der Sprachstil war manchmal unklar, was an Übersetzungsschwierigkeiten gelegen haben mag. Ursprünglich war dieses Buch nämlich schon vor 25 Jahren für ein japanisches Publikum geschrieben worden. Und wie ich bei der Übersetzung meiner eigenen Materialien erfahren musste, ist es extrem schwierig, diese Art von Fachtext vom Japanischen ins Englische zu übertragen.

Aber trotz aller Schwierigkeiten hatte ich wenigstens endlich eine schriftliche Informationsquelle gefunden. Ich schleppte das Buch monatelang mit mir herum, las es gleich mehrmals durch und machte mir Unmengen von Notizen, wobei ich die analytischen Methoden der Kerzendiagramme auf hunderte eigenhändig gezeichnete Kerzencharts anwendete (da es keine Software für Kerzencharts gab, mussten meine Charts allesamt von Hand gezeichnet werden). Ich beschäftigte mich unablässig mit der neuen Terminologie und den noch ungewohnten Ideen. Dabei hatte ich das Glück, bei der Beantwortung meiner Fragen auf die Hilfestellung des Autors, Seiki Shimizu, zählen zu können. Da Herr Shimizu kein Englisch spricht, erklärte sich der Übersetzer des Buches, Greg Nicholson, freundlicherweise bereit, unsere Diskussionen per Fax zu dolmetschen. Herr Shimizus Buch The Japanese Chart of Charts bildet die Grundlage all meiner späteren Nachforschungen zum Thema Kerzencharts.

Um meine neu gewonnenen Fähigkeiten im breiten Feld der Kerzenchartanalyse weiter auszubauen, habe ich dann versucht, japanische Kerzenexperten ausfindig zu machen, die bereit waren und die Zeit aufbringen konnten, sich mit mir über dieses Thema auszutauschen. So machte ich die Bekanntschaft eines japanischen Börsentraders, Morihiko Goto, der selbst Kerzendiagramme benutzte und sich bereit erklärte, seine wertvolle Zeit und seine Einsichten mit mir zu teilen. Das wäre schon an sich äußerst spannend gewesen! Doch dann eröffnete er mir, dass seine Familie schon über Generationen hinweg Kerzendiagramme benutzt hatte! Wir verbrachten unzählige Stunden mit Diskussionen über Geschichte und Anwendung der Kerzencharts. Herr Goto erwies sich dabei als schier unerschöpfliche Quelle wertvollen Wissens.

Aber die wahre Schatzkiste für Informationen war die japanische Literatur zum Thema Kerzendiagramme, die ich langsam übersetzen ließ. Dabei hatte ich das große Glück, einen hervorragenden Übersetzer zu finden, Herrn Richard Solberg. Seine Fähigkeiten beim Aufstöbern japanischer Bücher über Kerzencharts (meines Wissens besitze ich die größte Sammlung dieser Bücher außerhalb Japans) und sein übersetzerisches Können waren von unschätzbarem Wert.

Im Dezember 1989 verfasste ich einen ersten, zweiseitigen Artikel über Kerzencharts. Dieser Artikel enthielt die allerersten Informationen zu diesem Thema, die jemals außerhalb Japans veröffentlicht wurden. Anfang 1990 schrieb ich dann einen ausführlicheren Beitrag über Kerzencharts als Diplomarbeit bei der MTA. Dies war der erste detaillierte Artikel, der je von einer Person aus dem Westen über japanische Kerzencharts verfasst wurde. Schon bald folgte dieser Arbeit eine Broschüre für Merrill Lynch (die über 10.000 Leser fand).

Japanese Candlestick Charting Techniques wurde 1991 veröffentlicht; kurz darauf folgte das Buch Beyond Candlesticks. Im Moment der Niederschrift dieser Einleitung sind diese Bücher in acht Sprachen übersetzt und mehrfach neu aufgelegt worden.

Meine Arbeit wurde in den Finanzmedien weltweit besprochen, unter anderem im Wall Street Journal, dem Japanese Economic Journal, in Barron’s, Worth Magazine, Institutional Investor und in zahlreichen anderen Zeitschriften. Mein Auftritt bei FNN (dem Vorgänger von CNBC) brachte dem Sender die höchsten Zuschauerzahlen, die er bis dahin verzeichnen konnte.

Ich hatte seither das Privileg, meine Börsenstrategien tausenden von Tradern und Analysten in über 17 Ländern erklären zu dürfen, darunter ironischerweise auch in Hanoi, Vietnam. Außerdem hatte ich die Ehre, vor der World Bank und der Federal Reserve zu sprechen.

Im Jahr 1997 gründete ich Nison Research International, um professionell analytische Dienstleistungen und ortsspezifische, auf den jeweiligen Bedarf zugeschnittene Seminare durchführen zu können.

Im Jahr 2000 folgte die Gründung von Candlecharts.com mit einem Angebot von Seminaren, Videos und anderen Dienstleistungen im Internet. Natürlich sind auch Sie herzlich eingeladen, unsere Webseite unter www.candlecharts.com zu besuchen.

Was bietet mir dieses Buch?

Im ersten Teil können Sie herausfinden, wie man Candlestick-Charts zeichnet und wie man dutzende von Kerzendiagrammen mitsamt ihren Formationen interpretiert. So wird langsam, aber sicher eine solide Grundlage für den zweiten Teil gelegt, in dem Sie sich über die Vorteile informieren können, die durch eine Kombination von Kerzencharts und westlichen Analysemethoden entstehen. Ich beabsichtige dabei allerdings nicht, Sie zum allwissenden Anleger zu machen. Vielmehr hoffe ich durch die in diesem Buch enthaltenen Ideen zu zeigen, wie japanische Kerzendiagramme den Trader und Anleger „erleuchten“ können. Die Funktionsweise eines Indikators ist am besten anhand von Börsenbeispielen zu erklären. Die Japaner sagen: „Einmal sehen ist besser als hundertmal hören.“ Aus diesem Grunde habe ich allen angeführten Techniken mehrere Beispiele aus dem wirklichen Börsengeschehen beigefügt.

Dabei habe ich einen Schwerpunkt auf die US-Märkte gelegt, obwohl die beschriebenen Instrumente und Techniken auf jeden beliebigen Markt innerhalb eines jeden beliebigen Zeitraums angewendet werden können. Tatsächlich werden Kerzencharts auf Wochen- (von Hedgern) und Tagesbasis (von Swing- und mittelfristigen Tradern) sowie intraday benutzt (von Swing- und Daytradern). Die Taktiken, die ich in diesem Buch beschreibe, können sowohl für Aktiendepots als auch den Termin-, Options- und Devisenhandel benutzt werden – in aller Welt und innerhalb aller Zeitrahmen, auf die sie angewendet werden sollen.

Zur Unterstützung des Lernprozesses habe ich unzählige Illustrationen zur Demonstration der Kerzenformationen und -muster gezeichnet. Diese Illustrationen sind nur aus diesem einen Grund entstanden und sollten nur innerhalb ihres eigenen Kontextes zur Erläuterung gewisser Prinzipien und Richtlinien betrachtet werden. Die Muster, die in der wirklichen Welt auftreten, müssen nicht in allen Einzelheiten genauso aussehen wie in den Abbildungen, um Ihnen ein glaubwürdiges Signal zu geben. Dieser Merksatz wird Ihnen bei der Lektüre dieses Buches noch öfter begegnen, während Sie sich mit den vielen Chartbeispielen beschäftigen. Sie werden sehen, dass auch die verschiedenen Variationen der Originalmuster wichtige Auskünfte über den Gesamtzustand des jeweiligen Markts erteilen können.

Bei der Entscheidung, ob ein bestimmtes Kerzenmuster noch mit den Richtlinien für die betreffende Formation übereinstimmt oder nicht, kommt also eine gewisse Subjektivität ins Spiel, die allerdings bei anderen Chartmethoden gleichermaßen besteht. Wenn die Unterstützung einer Aktie zum Beispiel bei 100 US-Dollar liegt, ist diese Unterstützung dann schon wertlos geworden, sobald die Notierungen im Tagesgeschäft kurzfristig unter die 100-US-Dollar-Marke sinken, oder ist sie erst dann durchbrochen worden, wenn sie auch unter dieser Marke schließen? Ist ein 50%iger Ausbruch durch diese 100-US-Dollar-Marke als endgültiges Ende der Unterstützung zu betrachten oder wäre dazu ein größerer Ausbruch nötig? Diese Fragen werden Sie selbst entscheiden müssen, wobei Sie sich dabei von Ihrem persönlichen Temperament, Ihrem Risikoverhalten und Ihrer Börsenphilosophie leiten lassen sollten. So werde ich Ihnen mit Texten, Illustrationen und Kursbeispielen aus dem wirklichen Marktgeschehen nur die grundlegenden Prinzipien und Richtlinien erläutern können. Auf keinen Fall sollten Sie jedoch erwarten, dass die Muster aus der wirklichen Welt immer genau diesem Idealbild entsprechen.

Am Ende dieses Buches finden Sie zwei Glossare. Im ersten befinden sich Erläuterungen der Kerzenbegriffe und im zweiten Erklärungen der in diesem Buch verwendeten, westlichen Fachbegriffe. Dem Kerzenglossar ist ein visuelles Glossar aller Kerzenmuster beigefügt.

Ein Wort der Warnung

Wie bei jeder subjektiven Form der Technischen Analyse treten manchmal variable Definitionen auf, deren Bedeutung sich der Erfahrung und Neigung des Anwenders entsprechend wandeln kann. Das gilt für die einen Kerzenmuster mehr als für die anderen. Je nachdem, welche Quelle ich benutzt habe, konnte ich manchmal verschiedene Definitionskriterien für das eine oder andere Muster finden. Diese Unterschiede waren glücklicherweise immer sehr geringfügig. Ein japanischer Autor schreibt zum Beispiel: Der Eröffnungskurs müsse sich unbedingt oberhalb der Schlussnotierung des Vortages befinden, um wirklich als Muster der „Dark-Cloud Cover“ zu gelten. Andere schriftliche und mündliche Aussagen neigen hingegen eher zu der Auffassung, der Eröffnungskurs solle sich bei diesem Muster oberhalb des Tageshochs vom Vortag befinden.

In solchen Fällen einander widersprechender Definitionen habe ich diejenigen Regeln gewählt, die die Trefferquote des Musters erhöhen. Zum Beispiel ist das im vorigen Absatz erwähnte Muster ein Umkehrsignal, das bei Höchstkursen erscheint. Darum habe ich mich für die Definition entschieden, der zufolge die Eröffnungsnotierung oberhalb des vorherigen Tageshochs liegen sollte. Denn der Markt verfügt über ein größeres Bärenpotenzial, wenn er über dem vorherigen Tageshoch eröffnet und dann wieder abflaut, als wenn er oberhalb der vorhergehenden Schluss notierung eröffnet und dann einbricht.

Ein Großteil der Materialien, die ich aus dem Japanischen ins Amerikanische übertragen ließ, war nicht besonders spezifisch. Vielleicht hat das etwas mit der japanischen Vorliebe für das Vage, Ungefähre zu tun. Diese Vorliebe entstammt vielleicht noch den Zeiten der Feudalherrschaft, in denen es einem Samurai erlaubt war, jeden Normalbürger zu köpfen, der sich ihm gegenüber nicht erwartungsgemäß verhielt. Der einfache Mann von der Straße wusste aber nicht immer, welche Taten, Antworten oder Verhaltensweisen der Samurai erwartete. So hat die vage Ausdrucksweise viele Köpfe gerettet. Aber der eigentliche und vielleicht wichtigere Grund für die stellenweise etwas undeutlichen Erklärungen hat wahrscheinlich eher mit der Tatsache zu tun, dass die Technische Analyse nicht als Wissenschaft aufgefasst wird, sondern als eine Kunst.

Man sollte also keine starren Regeln erwarten. Die meisten Formen der Technischen Analyse können nützliche Richtlinien bieten, nicht mehr und nicht weniger. Wenn ein japanischer Text also sagt, eine Kerzenlinie müsse überschritten werden, um die nächste Bullenbewegung anzuzeigen, habe ich „überschritten“ mit „höherem Schlusskurs“ übersetzt. Denn eine Schlussnotierung erscheint mir persönlich bedeutender als eine Intraday-Bewegung, die über oder unter ein gewisses Unterstützungs- oder Widerstandsniveau führt. Und noch ein Beispiel für meine eigene Subjektivität: In der japanischen Fachliteratur werden viele Kerzenmuster als bedeutend beschrieben, sobald sie um die Höchst- oder Tiefstände auftreten. Aber was genau diese Höchst- oder Niedrigstkurse definiert, hängt offensichtlich von der jeweiligen Interpretationsweise ab. Eine der von mir empfohlenen Methoden, die „Höhe“ oder „Tiefe“ einer Notierung zu bewerten, ist ein Oszillator, der anzeigt, ob ein Markt von Käufen oder Verkäufen überlastet ist. Das ist übrigens ein gutes Beispiel für diejenigen Fälle, in denen es nützlich sein kann, klassische Instrumente der westlichen Analyse (wie Oszillatoren) mit den Kerzencharts zu kombinieren.

Die Kerzencharts sind dem persönlichen Interpretationswillen des Anwenders unterworfen wie alle anderen Chartmethoden auch. Nur eine langjährige Erfahrung in der Anwendung der Kerzencharts wird Ihnen zeigen, welches Muster oder welche Variation eines Musters Ihnen an der Börse die besten Resultate bringt. Deshalb ist die Subjektivität der Interpretation auch nicht unbedingt nur ein Nachteil. Ganz im Gegenteil: Sie könnte Ihnen vor anderen Tradern, die weniger Zeit und Energie in die praktische Anwendung der Kerzenmuster gesteckt haben als Sie, einen Vorteil verschaffen.

Wie wir im Kapitel 3 sehen werden, muss man immer eine Schlussnotierung abwarten, bis man die einzelnen Kerzen zeichnen kann. Aus diesem Grund müssen Sie oft bis Marktschluss warten, damit Sie ein glaubwürdiges Börsensignal erhalten. Das könnte jedoch bedeuten, dass Sie einen Markt brauchen, in dem Sie nach dem Schlusskurs noch Aufträge erteilen können, oder Sie müssen den Schlusskurs vorherzusagen versuchen und dann ein paar Minuten vor dem tatsächlichen Börsenschluss Ihre Aufträge erteilen. Natürlich können Sie immer noch auf den Eröffnungskurs des nächsten Tages warten und dann Ihre Order platzieren.

Dieses Warten auf den Schlusskurs ist nicht nur bei den Kerzencharts zu finden. Es gibt viele technische Systeme (insbesondere solche, die auf dem gleitenden Durchschnitt der Schlussnotierungen basieren), die erst ein Signal bilden können, wenn der Schlusskurs einbezogen wird. Darum kommt es auch oft in den letzten Minuten vor Marktschluss zu einem starken Andrang, weil die computergesteuerten Börsensignale, die von den Schlusskursen abhängen, plötzlich ins Spiel gebracht werden. Manche Analysten betrachten ein Kaufsignal nur dann als wirklich gültig, wenn der Schlusskurs oberhalb des Widerstands liegt, und warten deshalb bis Marktschluss, um ihre Theorie zu bestätigen.

Die Kerzendiagramme können viele nützliche Börsensignale liefern. Eines können sie allerdings nicht tun. Sie geben uns keinerlei Kursvorgaben. Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, sie mit den westlichen Methoden der Technischen Analyse zu kombinieren. Im zweiten Teil werden wir uns auf diese Kombinationsmöglichkeiten konzentrieren.

Sie sollten sich nicht wundern, wenn Sie in den Charts in diesem Buch manchmal Muster erkennen können, die ich verpasst habe, denn es sind buchstäblich hunderte von Diagrammen. Außerdem werden Sie Beispiele für Muster finden, die manchmal nicht funktioniert haben. Kein technisches Werkzeug ist vollkommen, und die Kerzencharts sind da keine Ausnahme.

Die Kerzendiagramme sind nie als komplettes und umfassendes System angelegt worden, sondern nur als einzelne Waffe, die Sie in Ihren Scharmützeln mit den Märkten einsetzen können. Als solche ist ihre Wirkungskraft jedoch nicht zu unterschätzen.

Bevor ich nun aber endlich damit anfange, mich dem eigentlichen Thema dieses Buches – den Kerzencharts – zu widmen, möchte ich noch kurz den Stellenwert der Technischen Analyse als separate Disziplin diskutieren. Der folgende Abschnitt soll allen Lesern, denen dieser Themenbereich noch neu ist, erklären, warum die Technische Analyse so überaus wichtig ist. Natürlich kann ich dieses umfangreiche Thema hier nicht erschöpfend darstellen. Wenn Sie bereits Gelegenheit hatten, sich mit den Vorteilen der Technischen Analyse vertraut zu machen, können Sie diesen Abschnitt getrost überspringen. Auch sollten Sie sich keine Sorgen machen, wenn Sie ihn nicht gelesen haben, denn diese Unterlassung wird den nachfolgenden Informationen über die Kerzenanalyse in keiner Weise abträglich sein.

Die Bedeutung der Technischen Analyse

Viele verschiedene Aspekte wirken auf den Stellenwert der Technischen Analyse ein. Obwohl die Analyse der Fundamentaldaten uns dabei helfen kann, das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage (also das Kurs/Gewinn-Verhältnis, statistische Wirtschaftsdaten etc.) und andere Markteigenschaften zu beurteilen, beinhaltet sie keinerlei psychologische Komponente.

Trotzdem werden die Märkte manchmal in großem Ausmaß von emotionalen Zuständen beeinflusst. Schon John Maynard Keynes hat gesagt: „Es gibt nichts Schlimmeres als eine rationale Investitionsstrategie in einer irrationalen Welt.“2 Die Technische Analyse ist der einzige mir bekannte Mechanismus, mit dem man die „irrationalen“ (emotionalen) Einflüsse messen kann, die in allen Märkten gegenwärtig sind.

Zu diesem Thema – wie sehr die Psychologie auf die Märkte einwirkt – kann ich eine amüsante Anekdote erzählen. Sie entstammt dem Buch The New Gatsbys3 und hat sich an der Chicagoer Börse ereignet.

Sojabohnen waren deutlich gestiegen. Im Soja-Gürtel um Illinois hatte es eine Dürre gegeben. Und wenn diese nicht bald zu Ende ginge, würden die Sojabohnen verknappen ... Plötzlich liefen ein paar Tropfen Wasser am Fenster herunter. „Seht mal“, rief irgendeine Stimme, „es regnet!“ Über 500 Augenpaare (der Trader – Anmerkung des Herausgebers) richteten sich gespannt auf die großen Fenster. ... Die Tropfen wurden zu einem stetigen Nieselregen, der sich in einen Wolkenbruch verwandelte. Es regnete in der Innenstadt von Chicago.

Verkaufen. Kaufen. Kaufen. Verkaufen. Die Rufe der Trader erschollen mit einem Donner, der es mit dem da draußen durchaus aufnehmen konnte. Und die Soja-Kurse fielen langsam, aber sicher. Dann brachen sie aus wie ein tropisches Fieber.

Es regnete zwar tatsächlich in Chicago, aber kein Mensch baut in Chicago Sojabohnen an. Im Herzen des Anbaugebiets, etwa 300 Meilen südlich von Chicago, war der Himmel immer noch blau, sonnig und außerordentlich trocken. Aber obwohl es in den Sojafeldern keine Niederschläge gab, regnete es doch in den Köpfen der Trader, und das ist alles, was zählte. Denn in den Märkten haben nur diejenigen Dinge eine Bedeutung, auf die die Märkte reagieren. Das Spiel wird mit den Gedanken und Emotionen gespielt.

Um meine Aussage über den Stellenwert der Massenpsychologie zu erhärten, sollten Sie selbst darüber nachdenken, was passiert, wenn ein Stück Papier namens „Geld“ gegen irgendein Objekt, sei es Kleidung oder Nahrung, eingetauscht wird. Wie kann es sein, dass Papier, selbst eigentlich nur von sehr geringem Eigenwert, gegen Dinge mit bedeutend höherem Eigenwert eingetauscht werden kann? Der Grund ist in der Psychologie zu suchen, die allen Menschen gemein ist. Alle Menschen glauben nämlich, der Papierfetzen werde als Geld akzeptiert, und deshalb ist es auch so. Sobald diese weit verbreitete, psychologische Grundhaltung nicht mehr bestünde, sobald die Menschen also ihren Glauben an das Geld verlören, wäre es jedoch wertlos.

Die Technische Analyse ist zweitens einer der wichtigsten Bestandteile der disziplinierten Vermögensanlage. Denn nur die Disziplin kann den größten Feind aller Trader, die Emotionen, im Zaume halten. Sobald das Geld in den Märkten angelegt ist, sitzen diese Emotionen am Steuer. Objektivität und Rationalität müssen sich mit dem Beifahrersitz begnügen. Wenn Sie es schwer finden, mir das zu glauben, sollten Sie eine Zeit lang nur Papier traden und dann erst mit Ihrem eigenen Geld. Sie werden schon bald herausfinden, wie tief greifend und kontraproduktiv sich die damit verbundene Anspannung, Furcht und Nervosität auf Ihre Methoden auswirken und Ihre Sichtweise der Marktsituation verändern können – normalerweise direkt proportional zur Höhe der investierten Summe. Die Technische Analyse kann der rationalen Vernunft dazu verhelfen, wieder ihren Platz am Steuer einzunehmen. Sie liefert uns Mechanismen zur Festsetzung von Ein- und Ausstiegspunkten, zur Bemessung des Verhältnisses von Risiko zu Gewinnmöglichkeiten oder auch nur für die optimale Platzierung unserer Stopps. Durch die Technische Analyse können Sie so eine vernünftige Vorgehensweise hinsichtlich Ihres Risikoniveaus und Ihrer Geldverwaltung kultivieren.

Wie ich eben schon kurz erwähnt habe, fördern die technischen Instrumente eine objektive Sichtweise der Märkte. Denn es entspricht der menschlichen Natur, die Märkte so zu sehen, wie man sie sehen will und nicht wie sie wirklich sind. Wie oft passiert zum Beispiel Folgendes? Ein Trader kauft. Der Markt fällt sofort nach diesem Einstieg. Nimmt der Trader seinen Verlust hin? Normalerweise nicht.

Obwohl die Hoffnung im Markt keinen Raum findet, wird er sich auf alle verfügbaren, grundsätzlich bullishen Daten stürzen, nur um seiner Hoffnung, der Markt werde wieder steigen, Nahrung zu geben. (Oder wie es einer unserer Klienten ausgedrückt hat: Man sucht nach Gründen für die eigene Position.) Währenddessen setzt sich der Kursverfall fort. Vielleicht versucht der Markt damit, dem Trader etwas mitzuteilen. Denn die Märkte kommunizieren mit uns. Ihre Botschaften lassen sich mit der Technischen Analyse entschlüsseln. Unser Trader hat seine Augen und Ohren leider gegen diese Botschaften des Markts verschlossen.

Wenn er nur einen Moment lang innehalten würde und die Kursbewegungen objektiv betrachten könnte, würde sich sein Gespür für den Markt auch wieder erholen. Was passiert zum Beispiel, wenn viel versprechende Daten herauskommen, die Kurse aber trotzdem nicht steigen, sondern vielleicht sogar fallen? Diese Art von Kurssituation spricht Bände über die Psychologie der Märkte und darüber, wie man sich darin verhalten sollte.

Ich glaube, es war der berühmte Trader Jesse Livermore, der erstmals die Idee formuliert hat, man könne das Ganze besser aus der Ferne betrachten. Die Technische Analyse zwingt uns dazu, einen Schritt zurückzutreten und dadurch vielleicht eine bessere Sichtweise des Marktgeschehens zu fördern.