Was man oft versucht und immer will,
das gelingt dann einmal.
Sigmund Freud
(1856–1939)
Trailer zu »Die Partherapie«:
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»Spielst du Golf, oder hast du noch Sex? Eine selten dämliche Frage. Natürlich spiele ich nur noch Golf … ganz im Gegensatz zu Tiger Woods! Dass beides völlig entspannt möglich ist, beweist Frank Baumann eindrücklich mit seinem neuen Wurf. Danke, Frank. Ich spare mir mit Deinem Buch den Therapeuten.«
Marco Rima, Schauspieler, Kabarettist, Autor und Golfer
Nach seinem Bestseller »Single in 365 Tagen«, in welchem Frank Baumann auf heitere Art und Weise erklärt, wie man schlechter Golf spielt, legt der Single-Handicapper unter dem sinnigen Titel »Die Partherapie« eine Fortsetzung vor, die dem ersten Buch in nichts nachsteht. Auch nicht in Sachen Illustrationen, die wiederum ebenso eigenständig wie eigenhändig daherkommen.
Diesmal geht es allerdings nicht darum, wie man schlechter Golf spielt, sondern darum, wie man besser scoren kann.
Das Geheimnis der Partherapie liegt, so viel sei schon mal verraten, in den beiden therapeutischen Eckpfeilern, a) kein Par spielen und b) kein Doppelbogey kassieren zu wollen. Das Zauberwort heißt Bogey!
»Die Partherapie« ist einerseits ein kurzweiliger Ratgeber für Golfende, die ihr Handicap in Richtung der magischen Grenze HC 18 runterspielen wollen, andererseits aber auch eine sehr amüsante Betrachtung all jener Menschen, die sich diesem komplizierten, vor allem aber wundervollen schottischen Freizeitvergnügen verschrieben haben.
Ein witziges, nicht allzu ernst zu nehmendes Buch eines leidenschaftlichen Golfers, geschrieben für leidenschaftliche Golfer und solche, die es werden wollen.
Achtung: Die karikierten Personen stehen mit den Handlungen in keinem Zusammenhang.
Alle Rechte vorbehalten, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe
© 2014 Wörterseh, Gockhausen
Text Seite 63–69 Alexander Grau, erschienen in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«, 31.12.2006
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt
Lektorat: Petra Himmel, Gauting
Korrektorat: Andrea Leuthold, Zürich
Umschlaggestaltung: Thomas Jarzina, Holzkirchen
Foto Cover: © John Lund/Corbis (Elefant) und © Ocean/Corbis (Hintergrund); Composing Thomas Jarzina
Illustrationen: Frank Baumann
Layout, Satz und herstellerische Betreuung: Rolf Schöner, Buchherstellung, Aarau
Lithografie: Tamedia Production Services, Zürich
Print ISBN 978-3-03763-042-6
E-Book ISBN 978-3-03763-548-3
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Frau Muggli
Wie alles anfing
Bloß ein bisschen golfen
Nur kein Par spielen!
Hau den Lukas!
Das Geheimnis des Golfschwungs
Die Partherapie
Runter kommen sie immer
Die Missionarsstellung
Pace of Play
Foresicht
Der Hunderterpfosten
Die Wohlfühldistanz
Ehrensache: Wer gewinnt, zahlt
Sapere aude
Auf dem Grün
Der Heulsusen-Exkurs
Frauen weinen schneller
Die Paartherapie
Die Lööli-Preise
Greystroke
Zur Sache
Die EDS-Karte
Die Sinnfrage
Der Flotte Vierer
Das Putten
Das Huhn
Zwölf Löcher müssen reichen
Die Work-Life-Balance
Weniger ist mehr
900 Sekunden Konzentration
Schlafmützen auf dem Golfplatz
Ian Poulter färbt ab
Der Bauchmann
Das Regentränen-Theater
Der Schotte
Wer mehr spielt, hat größere Chancen
Die PGA-Tour
Des Pudels Kern
Die Checkliste
Die typischen Golfer
Die Wenn-danner
Der Windhund
Der Beautyfinisher
Der Topper
Der Schnitzler
Der Schlechtertageinzieher
Die Hole-in-onerin
Der Aufsteller
Der Angreifer
Der Schenker
Der ProAm-Promi
Der Belehrer
Der Schabrackentapir
Der Sammler
Der Ohnehandschuhspieler
Der Prestigegolfer
Der Nichtselberanzieher
Die Rangeballspieler
Der blutige Anfänger
Die Schnapsnase
Der Trickgolfer
Der Zocker
Der Platzreife
Der Träumer
Der Tiefstapler
Der Friseur
Die Gefitteten
Der Messerli
Der Taliban
Der Totschläger
Der Sherpa
Die Obenohnegolferin
Das Freiwild
Die Wintergolferin
Die Energiebändlerin
Der Zahnarzt
Der Slicer
Der Hooker
Die Verwandlungskünstlerin
Der Pinkler
Die Golfose-Patienten
Der Nichtgolfer
Der Ballgutzuredner
Die Bravoerin
Die Highfiver
Der Golfbuchautor
Schweizerdeutsch für Zuwanderer
Bahnhof
Schlusswort
Danksagungen
Die Wörterseh-Bestseller
Wer ist eigentlich Frau Muggli? Ist das die da drüben, die Dicke? Oder die im unsäglichen Outfit? Die Stockente? Ist es die mit der Thomas-Gottschalk-Frisur, oder sieht sie eher aus wie Otto Waalkes? Ist Frau Muggli die Untalentierte, ohne Ballgefühl? Oder die Klubmeisterin? Ist sie eine Schweizerin? Oder eine Deutsche?
Frau Muggli ist ein Role-Model – und sie trat Anfang der Achtzigerjahre in mein Leben. Damals, von 1980 bis 1986, war der legendäre Peter Übersax zum zweiten Mal Chefredaktor der Schweizer Boulevardzeitung »Blick«. Und er riet, man solle beim Schreiben einfach an Frau Muggli denken. Nur: Wie sieht denn diese Frau Muggli aus? Dick oder dünn, groß oder klein, alt oder jung? Die Antwort ist simpel: »Einfach normal.« Damals, als man zum ersten Mal eine Vorstellung von ihr entwickelte, passte sie ganz wundervoll zu einer Singer-Nähmaschine. Aber heute ist das Kleiderselbernähen ja Tempi passati – genauso wie das Sticken von Gobelin-Wandteppichen mit röhrendem Hirsch oder das Häkeln von Ersatzklorollenhütchen. Und das damals enorme Bedürfnis, ein Kissen mit der Autonummer auf die Hutablage im Wagen zu legen, das hat sich beim Westeuropäer zum Glück auch einigermaßen verwachsen.
Und wo wohnt sie, die Frau Muggli? In der Stadt oder auf dem Lande? »Ja«, lautet die Antwort. Mugglis gibt es überall, sie repräsentieren den Durchschnitt unserer Bevölkerung, sind freundlich und rechtschaffen, verdienen ordentlich und hauen nicht über die Stränge. Vielleicht macht Frau Muggli ab und zu eine Saftkur. Oder eine Paartherapie. Frau Muggli trägt vermutlich keine diamantbesetzte Rolex. Sie fährt keinen Porsche Cayenne und keinen Range Rover, und sie hantiert auf dem Golfplatz nicht mit handgeschmiedeten Schlägern. Vielleicht hat sie ein Elfen-Tattoo auf dem linken Schulterblatt, eventuell ein Bauchnabelpiercing, aber bestimmt nix Intimes. Und Implantate hat sie auch keine. Braucht sie auch nicht, bei ihrer Figur.
Frau Muggli hat jetzt zugegeben, dass sie damals, als sie und ihr Ruedi sich für Golf zu interessieren begannen, also ganz schön auf die Welt gekommen sei. Historisch gesehen seien sie, also mal vom Typ her, immer eher Rotsöckler gewesen. Wandervögel halt. In der Schule, als das Wandern noch des Müllers Lust gewesen sei, habe sie (wie alle außer dem Klassenlehrer) jede Wanderung gehasst und übelste Krankheiten vorgetäuscht. Doch schon vor der Hochzeit hätten sie und ihr Ruedi die Cinque Terre und das Wallis entdeckt, seien durchs Appenzell oder die Pfalz gelustmüllert, hätten auf Mallorca, Rügen oder den Kanarischen Inseln ihr Schuhwerk amortisiert. Ihr Rüädäl, ein ehemaliger Drittligatschütteler, habe sich immer sehr für die Schönheit der Natur begeistert. Und für die Naturschönheiten, die ihm beim Picknick in den Gartenwirtschaften das Bier servierten. Und doch habe er stets das spielerische Element vermisst. Ein Tennisball, eine Torwand oder ein Billardtisch gehörten seiner Meinung nach in jeden Rucksack. Ein Mann ohne Ball sei wie ein Cowboy ohne Pferd. Ja und dann habe es ihnen den Ärmel reingenommen, wie man so schön sagt.
Damals, vor vier oder fünf Jahren, sahen sie und ihr Ruedi nämlich in allen Medien glückliche Menschen auf Golfplätzen posieren, und in den Zeitungen lasen sie, dass das Golfspiel eine der schönsten Betätigungen überhaupt sei und nicht mehr bloß den Reichen vorbehalten. Ja, und da dachten sie, das wäre doch auch was für uns. Und weil ihr Nachbar in seiner Garage allerlei Golfsachen stehen hatte, die er seit Jahren nicht mehr brauchte, weil er und seine (inzwischen verstorbene) Frau nicht mehr so gut beieinander waren, fragte sie ihn mal per Exgüsi, ob sie ihm die tolle Ausrüstung abkaufen dürfe. Sie durfte.
In den verstaubten Golfsäcken waren keine Bälle zu finden, aber sonst war alles vorhanden, um auf dem Golfplatz eine gute Figur zu machen. Und so schickte sie ihren Ruedi ins nächste Golf-Geschäft. Dort trat ihm ein Jüngling mit blond gelocktem Haar entgegen, der einen drahtigen Körper hatte und schicke Hosen und ein tolles Polohemd trug. Der picklige Knabe hatte ein »Flavour Savour«-Bärtchen unter der Nase und ums Knie, sorry, Kinn und im Gesicht ein seidenweiches Lächeln. Auch seine Stimme war seidenweich. Mit dieser, erzählt Frau Muggli, habe er den Ruedi nach seinem Begehr gefragt.
»Die Sache ist die«, sagte der Herr Muggli, »ich möchte mir gerne zwei, drei Golfbälle kaufen. Und es sollen nicht die billigsten sein!«
»Sehr wohl, mein Herr«, sagte der Jüngling und lächelte sein seidenweiches Versicherungsvertreterlächeln: »Hier haben wir eine große Auswahl aller Fabrikate. Von Top Flite über Maxfli, Staff, Bridgestone und Taylormade bis hin zu Callaway oder Titleist. Super Soft, 2-Piece oder 3-Piece oder 4-Piece. Für Profigolfer. Für längere Distanzen. Für ein gutes Gefühl und viel Forward Spin. Low oder High oder Super High Compression. 392 Dimples oder 332. Drop-and-Stop Control. Bissig wie ein Polizeihund.«
Und er führte den Herrn Muggli zu einem Gestell, da waren in der Tat viele Packungen mit Golfbällen zu besichtigen, die alle wunderschön glänzten und sehr farbenfroh waren. Auf ihnen blitzten Dreiecke und Waben, Kurven, Pfeile und große Schriften.
Der Herr Muggli hatte seine helle Freude bei diesem Anblick und suchte sich eine Packung aus, die ihm besonders gefiel, weil sie traumhaft schön bemalt war. »Die will ich haben«, sagte er. »Und nun brauche ich noch zwei Handschuhe.«
Der Jüngling führte ihn zu einem Gestell, da hingen unzählige Handschuhe in verschiedenen Größen. Aus Kunststoff und strukturiertem Leder. Aus Antilopen-, Känguru-, Kalbs-, Kroko- oder Schlangenleder. »Mit Softgrip und wetterfest. Für Links- und Rechtshänder. Das macht dann 29 Franken«, trällerte der Verkäufer.
»29 Franken für die Bälle und den Handschuh, da kann man wirklich nix sagen. Das ist aber preiswert«, meinte der Herr Muggli, doch das Lockenköpfchen lächelte – inzwischen mitleidig – und erklärte trocken: »29 Franken für einen Handschuh. Mal zwei macht 58. Und die Bälle kosten nochmals 73 Franken pro Schachtel.«
»Ach so«, sagte der Herr Muggli, »verstehe. Qualität hat halt ihren Preis. – Sagen Sie, wie teuer sind eigentlich neue Griffe? Die an unseren Schlägern bröckeln ein bisschen.«
»Welches Fabrikat?«, fragte der Jüngling scharf.
»Ich glaube Tony Armer.«
»Oje, Sie Armer, Sie meinen wohl Tommy Armour. Und welches Modell?«
Die Antwort musste Herr Muggli ihm leider schuldig bleiben, aber er berichtete: »Na, die sind schwarz, mit Ledergriffen. Wie Golfschläger eben so sind, mit messingfarbenen Köpfen …«
»Schwarz? Mit Ledergriffen?«, fragte der Jüngling und machte ein schrecklich angeekeltes Gesicht: »Mit Messingköpfen?«
»Ja, ich glaube, sie sind aus Messing«, sagte Herr Muggli.
Da hub der Jüngling zu reden an: »Sie wollen mich wohl auf ’n Arm nehmen, was?!« Er sah dabei ziemlich hochmütig aus, vielleicht ein bisschen so wie früher der »Persil-Mann«, und auch seine Stimme war jetzt gar nicht mehr weichgespült.
Das sei natürlich absolut ganz und gar unmöglich, verkündete er. Solche Schläger, wie sie der Herr da eben geschildert habe – vor allem diejenigen mit den Messingköpfen –, die seien nun also wirklich schon seit Urzeiten absolut total out. Sie seien zudem wahnsinnig lebensgefährlich und von einer geradezu irrsinnigen Unsportlichkeit! Und überhaupt könne man sie für keine der heute käuflichen Bälle verwenden: »Da können Sie ja grad mit einem Spazierstock antreten!«
»Aha, aber …«, wagte Herr Muggli kleinlaut einzuwenden, doch schon standen sie in der Schlägerabteilung, und da ließ sich Ruedi Muggli ein Set hochleistungsgetesteter, PGA-geprüfter, Carnoustietauglicher und Pebble-Beach-bewährter Eisen in die Hand drücken, mit denen er aussah wie ein Tour-Spieler.
»Strategisch platzierte Gewichtsverteilung, superstabil auch bei Fehlschlägen, S-Flex, ›TPU maximum cavity back‹ mit invertierter Cone-Technology und extrem hohem COR-Wert«, erklärte der Jüngling und weiter: »Die Marke der Weltmeister. Gibts auch für die Frau Gemahlin.«
Herr Muggli antwortete: »Ach, wissen Sie, Weltmeister, na ja, wir wollten ja eigentlich nur so ein bisschen zum Spaß golfen.«
Da spitzte der Jüngling seine Lippen, verzog den seidenweichen Mund zu einem bösen Grinsen und äffte: »Zum Spaß? Ja sind Sie denn vielleicht ein Wahnsinniger? Golf hat doch nichts mit Spaß zu tun. Hier geht es um Sport, mein Lieber! Um Lifestyle, Selbstwertgefühl, um Demut und Dankbarkeit!«
Und schon standen Sie bei den Hölzern.
»Ich empfehle Ihnen diesen Driver. 460-cc-Schlägerkopf aus Titan. ›VS-Flex Crystal Cabrio‹-Schaft, 9°-Loft, mit ultradünner Krone, ›Super Turbo Blubber‹-Einlage, Draw adjustable, mit sechs Wolfram-Rainal-Gewichten und Weitengarantie dank Undercover-Trampolineffekt.«
Herr Muggli wurde nun rot wie ein Truthahn vor Thanksgiving und sagte schnell: »Ist ja schon gut, ich nehm ihn.«
Der Jüngling lächelte sofort wieder so seidenweich, wie er es am Anfang getan hatte, und säuselte: »Sehr gern, mein Herr. Und für die charmante Frau stellen wir das entsprechende Damenset zusammen. Sagen Sie, wie stehts mit der übrigen Ausrüstung?«
Nun kann nichts mehr passieren, dachte Ruedi Muggli, fasste Mut und erwiderte fröhlich: »Ist alles vorhanden. Wir haben Golfsäcke aus Leinen und …«
»Aus L-E-I-N-E-N?«, fragte der Jüngling, und dieses Wort war wie eine fette Kröte, die er in seinem Mund wälzte, während er in seiner Nase rumpopelte. »Wo wollen Sie denn Golf spielen, Sie Witzbold?«, fragte er und zog besorgt die linke Augenbraue etwas in die Höhe.
»Ich, äh, ich …«, stotterte Herr Muggli.
»Auf hiesigen Golfplätzen würden Sie jedenfalls – wie soll ich es nennen – gelinde gesagt sehr auffallen. Bestimmt beabsichtigen Sie auch noch, in Sandalen auf den Golfplatz zu gehen.«
»Öhhm – ja – nein – ehm …« Zu einer intelligenteren Aussage war Herr Muggli zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr imstande.
»Dachte ichs mir doch! Was Sie brauchen, sind Schuhe aus wasserdichtem, weißem Glattleder, mit TPU-Sattel aus Uran. Mit ›Comfort Plus PU Fit-Bed‹-Einlegesohle und Ethylvinylacetat-Zwischensohle für noch mehr Tragekomfort. Unsere Pros vertrauen auf Marken wie Adidas, Nike, Puma, Footjoy oder Ecco!«
Und weil der Herr Muggli den Bärtling nicht noch mehr verärgern wollte, kaufte er schließlich ein Paar mit Noppen und Spezialbelüftung für sich (Größe 44) und für seine Frieda eines mit Umtauschgarantie (Größe 36). Und weil der Verkäufer sehr eindrücklich auf die Gefahren einer Ausgrenzung infolge unmodischer Bekleidung hinwies und auf das riesige Risiko einer Erblindung durch Blendung, kaufte er auch noch zwei komplette Outfits für herabgesetzte 1800 Fränkli und zwei herabgesetzte Spezialbrillen mit »Triple-Snap Nose Bridge« und adaptivem »Sun- and Moonlight«-Filter für je 315 Franken. Und – selbstredend – zwei wasserdichte Golfbags mit thermoverschweißten Reißverschlüssen und Kabuki-Top-Cuff.
Als er alles bezahlt und nach Hause getragen hatte und sich die beiden Mugglis dann im Spiegel betrachteten, sahen sie aus wie Vollprofis. Oder zumindest wie solche, die alle Golfplätze dieser Welt auf Anhieb »scratch« spielen. Frau Muggli sagte, dass sie also ehrlich gesagt einigermaßen geschockt gewesen sei, als ihr ihr (zweimal ihr, hatten wir noch nicht), also, als ihr ihr Ruedi seinen Einkauf präsentiert, und noch mehr, als sie die Kassenquittung inspiziert habe. Da habe sie sich also erst mal hinsetzen müssen, sagte Frau Muggli, weil ihr wie angeworfen übel geworden sei, so, als hätte sie eine schwere Fischvergiftung erwischt. Der Kauf der Ausrüstung habe nämlich nicht nur ein Vermögen gekostet, sondern auch noch ihr gesamtes Ferienbudget aufgebraucht, mit dem sie auf Mallorca einen Golf-Schnupperkurs besuchen wollten.
»Nun, dann werden wir einstweilen ein wenig in der Wohnung üben. Mit dem Putter«, beschwichtigte Ruedi Muggli seine bleich gewordene Ehefrau, »und wenn wir dann im Frühling den Platzreifekurs machen, können wir nicht nur aus dem Effeff putten, sondern haben auch bereits die modernste Ausrüstung, die es gibt.«
Doch dann erfanden die Designer der verschiedenen Golfartikelhersteller neue Ausrüstungsgegenstände. Und die, die waren noch besser und noch geiler und noch teurer und ließen die Mugglis alt aussehen. Sehr alt.
Golfen ist doof. Da wollen wir uns nichts vormachen. Und Golfer sind es erst recht. Sie vertrödeln Stunden und letztlich Tage und Monate, nein, Jahre (!) mit etwas, was sie gar nicht können. Tun aber so, als ob. Und schnappen über, wenn sie mit einem zu hohen Score ins Klubhaus kommen; also oft.
Golf, das weiß man, ist – nach der Ehe und dem Stabhochsprung – die zweitschwierigste Sportart überhaupt. Und dennoch die geselligste. Vor allem aber ist Golf ein großartiges Spiel. Ein Gesellschaftsspiel. Leider wird dieser Tatsache noch immer zu wenig Rechnung getragen. Harte Arbeit ist das, wenn sich die Mugglis über den Platz arbeiten, um die achtzehn Löcher mit möglichst wenigen Schlägen zu bezwingen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gralshüter in den Verbänden alles daransetzen, aus jedem Herrn Muggli einen Tiger Woods zu machen, der sich in handicapwirksamen Wettkämpfen mit anderen messen muss. Und wenn er das nicht tut, hat er einen Klecks im Reinheft. Und seine super Freunde im Klub lästern hinter vorgehaltener Hand, dass er sich ja sowieso nur drücke. Dabei wollen die Mugglis doch bloß ein bisschen an der frischen Luft rumturnen, ihren Körper spüren und Spaß haben. Im Grünen.
Das mindestens müsste man angesichts ihrer nicht wirklich sportlichen Historie meinen. Die Wirklichkeit sieht aber leider anders aus: In jedem Golfer steckt ein Muggli und in jedem Muggli ein kleiner Masochist. Man muss nicht golfen können, um zu verstehen, dass Golfer eine Ecke ab haben. Aber es erheitert, wenn man als Laie hört, welche Gestalten man auf den Plätzen, in den Klubhäusern und den Pro-Shops so antrifft.
In meiner langjährigen Erfahrung als Captain eines Golfklubs verbrachte ich fast ebenso viele Stunden als Beobachter auf dem Golfplatz wie als aktiver Spieler. Der Hauptunterschied liegt darin, dass man als Zuschauer durchaus einiges zu lachen hat – dem Spieler der Spaß aber oft schnell vergeht. Der Captain oder Spielführer ist für den gesamten Spielbetrieb zuständig und hat nicht selten die unangenehme Aufgabe, unangenehm zu sein. Dann zum Beispiel, wenn gegen eine der 34 simplen Regeln verstoßen oder die Etikette nicht respektiert wird, wenn Radfahrer über die geschniegelten Greens fahren oder wenn zwei Spaßvögler im Hintergrund des elften Abschlags, outdoor eine Schlüsselszene aus Bill Clintons Büroalltag nachstellen. Das klingt jetzt natürlich nach einem wilden Scherz, ist es aber nicht. Das heißt, wild wars schon …
Zurück auf den Platz. Ich gebe gerne zu: Die Bemerkung »Golfen ist doof« ist doof. Denn tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall. Vorausgesetzt, man setzt sich mit dieser anspruchsvollen Freizeitbeschäftigung und ihrem ab und an ein wenig speziellen Publikum auseinander und begreift, dass es für das Gros jener, die dieses kleine, weiße Bälläli durch die Gegend bällälän und auf der Suche nach demselben im kniehohen Gras und im Unterholz Zecken aufgabeln, letztlich vor allem darum gehen sollte, eine gute Zeit miteinander zu verbringen. Sich gemeinsam zu freuen und gemeinsam zu jammern und anschließend gemeinsam etwas Leckeres zu essen und auf das Privileg anzustoßen, nicht im Büro sitzen und sich über den Ernst des Lebens ärgern zu müssen.
Golfer sind für Nichtgolfer nicht zu verstehen. Die aufgebrezelten Gestalten sehen zwar allesamt wie die Profis aus, die einzelnen Figuren stellen sich auf dem Platz aber an wie Spastiker. Wandervögel, die von außen auf das rätselhafte Geschehen auf den Fairways blicken, müssen angesichts des merkwürdigen Schauspiels, das sich auf diesen kurz gemähten Bahnen vor ihren Augen abspielt, Bauklötze staunen. Und es ist ja auch total nachvollziehbar, dass es nicht nachvollziehbar ist, dass unbescholtene Menschen erst einen Ball wegpfeffern, um ihn anschließend zu suchen. Einmal ganz abgesehen davon, dass sie dies mit Gerätschaften tun, die für diesen Zweck denkbar ungeeignet scheinen. Aber offenbar funktioniert es ja doch irgendwie. Manchmal. Und Spaß scheint es auch zu machen. Manchmal. Denn sonst wären nicht über 85 000 Schweizer und rund 640 000 Deutsche als aktive Golfer registriert.
Nun muss man allerdings auch zugeben, dass Golf eine vom Aussterben bedrohte Sportart ist. Klar, die Olympischen Spiele stehen vor der Tür, und da wird es bestimmt noch den einen oder anderen geben, der sich im Anschluss an eine Fernsehübertragung mit irgendeiner kurz berockten Südkoreanerin, die auf dem Weg zur Goldmedaille in Rio de Janeiro den Ball problemlos an die 300-Meter-Marke wummert, ebenfalls mit Begeisterung diesem Spiel verschreibt.
Aber über lang oder kurz realisieren Mann und Frau, auf was sie sich da eingelassen haben und dass ohne Fleiß kein Preis zu holen ist, und dass der Preis für dieses unbestritten amüsante Freizeitvergnügen verhältnismäßig hoch ist. Du brauchst schließlich nicht nur die Ausrüstung und die Klamotten, es muss ja auch noch ein Lehrer engagiert werden, der dir beibringt, wie man das Material richtig einsetzt. Dann kommt das Greenfee hinzu, dann die Auslagen für das gemeinsame Essen nach der Runde. Das alles summiert sich eben doch – und das schreckt ab. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass der Weg zum glücklichen Golfer wesentlich länger und steiniger ist, als man dachte. Und dass der Weg zwar das Ziel ist, dieses jedoch nicht wirklich am Weg liegt. Leider.
Während in »Single in 365 Tagen« erklärt wurde, wie man schlechter (!) Golf spielt, geht es in der vorliegenden »Partherapie« allen Ernstes darum, wie man durch Enthaltsamkeit und mit Vernunft auf ein Handicap von 18 oder weniger kommen kann. Alles, was Sie dazu beitragen müssen, ist, mit der festen Absicht auf die Golfrunde zu gehen, keine Pars spielen zu wollen. Wie bitte? Ja.
Allora, die Sache ist ganz einfach: Wenn Sie sich seriös darauf konzentrieren, keine Pars, sondern ausschließlich Bogeys zu spielen, und wenn es Ihnen zudem gelingt, Doppelbogeys zu vermeiden, dann werden Sie am Ende der Runde feststellen, dass Sie überraschend wenige Schläge gemacht haben und somit 18 über Par liegen. Ist doch schon mal eine Ansage, oder?
Wer auf jedem Platz, bei jeder Witterung und vor allem in jeder körperlichen Verfassung weniger als neunzig Schläge für eine Runde braucht, ist auf jedem Golfplatz gern gesehen. Tja, und wenn dann mal per Zufall ein Par fällt oder zwei oder drei, dann spielt man plötzlich und ohne großen Aufwand jenes Golf, von dem man in den Anfängen nicht einmal zu träumen wagte.
Aber klar: Voraussetzung ist, dass man weiß, wie man den Schläger richtig hält und wie man einen anständigen Golfschwung macht. Und damit dies auch gleich auf den ersten Seiten gesagt ist: Ohne Golflehrer, nur mit Talent, gehts vermutlich nicht. Ehrenwort.
Ich muss immer lachen, wenn jemand stolz erklärt, dass er noch nie bei einem Pro war. Die Vermeidung teurer Einzelstunden mag sich zwar günstig aufs Budget auswirken, wird aber in der Regel auf unübersehbare Weise in einem eher merkwürdigen Bewegungsablauf dokumentiert. Nein, ehrlich, mit der Do-it-yourself-Methode gehts irgendwie nicht wirklich. Im Zweifelsfall plädiere ich dafür, lieber mit einem eleganten Schwung schlecht zu spielen als mit einem schlechten schlecht. Denn das sieht dann wenigstens gut aus.
Bevor wir dann später auf die Strategie und somit den eigentlichen Spaßfaktor unseres Gesellschaftsspiels zu sprechen kommen, wollen wir uns zunächst trotzdem mit einigen grundsätzlichen Überlegungen befassen, die in der Hitze des Golf-Gefechts nur zu oft untergehen.
Der Ball ist rund. Klar. Wäre er eckig, wäre er ein Würfel. Ja, richtig, das wäre auch nicht wirklich hilfreich, aber immerhin hätte man dann eine Erklärung für die vielen Ausfälle, man kann sie auch Zufälle nennen, die uns auf einer Golfrunde ereilen. Sie kennen das: Es gibt Tage, da fällt kein Putt. Die Bälle sind Millimeter zu kurz oder bleiben links oder rechts an der Lochkante kleben. Und kein Mensch weiß, warum. Und es gibt andere Tage, die gefälligen eben, da fällt dir jeder Putt. Und seien wir ehrlich, auch hier weiß keiner, warum. Womit wir bereits bei der ersten großen Herausforderung im Golfsport angelangt wären: dem Minimieren von Zufällen.