Dir, Ms Kathy, bin ich auf ewig dankbar für deine Freundschaft,
und
dir, Mr Sue Me, danke ich für deine unerschütterliche Unterstützung und dafür, dass du nie gesagt hast:
»Du hast was geschrieben?«
Ms King«, sagte die Vorzimmerdame, »Mr West empfängt Sie jetzt.«
Ich fragte mich zum 25. Mal, was ich da eigentlich tat. Ich trat an die Tür zu dem Büro, dessentwegen ich die gesamte Stadt durchquert hatte. Hinter ihr erwartete mich etwas, das ich mir in der finstersten Fantasie ausgemalt hatte. Wenn ich jetzt hineinging, würde es zur Realität.
Stolz, dass meine Hände nicht zitterten, drückte ich die Klinke nieder und ging hinein.
Schritt eins: geschafft.
Nathaniel West tippte an einem großen Schreibtisch aus Mahagoni in seinen Computer. Er blickte weder hoch, noch verlangsamte er den Takt seiner Finger auf der Tastatur. Es war, als stünde ich nicht vor ihm. Für alle Fälle schaute ich zu Boden.
Ich verhielt mich ganz still, hielt den Blick gesenkt, die Hände an die Seiten gelegt und die Füße so, dass sie genau meine Schulterbreite Abstand zueinander hatten.
Die Sonne war untergegangen. Die Lampe auf Nathaniels Schreibtisch spendete ein gedämpftes Licht.
Waren es zehn Minuten? Zwanzig?
Er tippte noch immer.
Ich zählte meine Atemzüge. Der rasende Puls, mit dem ich in den Raum getreten war, verlangsamte sich schließlich.
Weitere zehn Minuten verstrichen.
Vielleicht auch dreißig.
Er hielt inne.
»Abigail King«, sagte er.
Ich zuckte leicht zusammen, blickte aber weiterhin zu Boden.
Schritt zwei: geschafft.
Ich hörte ihn einen Stapel Blätter in Reih und Glied stoßen. Lächerlich. Nach allem, was ich von Nathaniel West wusste, hatten die Blätter sicher längst bündig aufeinandergelegen. Es war ein weiterer Test.
Er rollte in seinem Bürostuhl zurück. Das sanfte Rumpeln auf dem Hartholzboden breitete sich in der absoluten Stille aus. Ich hörte, wie er sich mit gleich langen Schritten durch den Raum bewegte. Schließlich spürte ich ihn hinter mir.
Eine Hand hob mein Haar im Nacken an. Ein warmer Atem kitzelte mein Ohr. »Sie haben keinerlei Referenzen.«
Nein, hatte ich nicht. Nur eine verrückte Fantasie. Sollte ich es ihm sagen? Nein. Ich musste schweigen. Mein Herz pochte schneller.
»Ich möchte Ihnen sagen«, fuhr er fort, »dass ich kein Interesse habe, eine Sub zu schulen. Alle meine bisherigen Subs waren voll ausgebildet.«
Verrückt. Es war einfach verrückt. Aber ich sehnte mich so sehr danach: mich in die Gewalt eines Mannes zu begeben.
Aber nicht in die irgendeines Mannes. Sondern in seine.
»Sind Sie sich sicher, dass Sie es wollen, Abigail?« Er umfasste mein Haar, schlang es um seine Faust und zog sanft an ihm. »Sie müssen sich sicher sein.«
Meine Kehle war ausgetrocknet. Obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er meinen Herzschlag hörte, blieb ich reglos stehen.
Schmunzelnd kehrte er an seinen Schreibtisch zurück.
»Schauen Sie mich an, Abigail.«
Ich hatte sein Bild schon gesehen. Nathaniel West, der Inhaber und CEO der West Industries, war jedermann bekannt.
Die Fotos wurden dem Mann nicht gerecht. Seine gebräunte Gesichtshaut brachten seine tiefgrünen Augen erst so richtig zur Geltung. Und sein dichtes braunes Haar lud dazu ein, mit Fingern hindurchzufahren – zuzugreifen und ihn an sich zu ziehen, bis seine Lippen die eigenen berührten.
Er trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch. Lange, kräftige Finger. Allein beim Gedanken, was sie vermochten, bekam ich weiche Knie.
Als Nathaniel hinter dem Schreibtisch ein kurzes Lächeln andeutete, erinnerte ich mich daran, wo ich war. Und warum.
»Es interessiert mich nicht«, sagte er, »warum Sie Ihre Bewerbung eingereicht haben. Wenn ich mich für Sie entscheide und Sie meine Bedingungen erfüllen, ist Ihre Vergangenheit gleichgültig.« Er nahm Papiere zur Hand, die ich als meine Bewerbung wiedererkannte, und überflog sie. »Was ich wissen muss, weiß ich.«
Ich erinnerte mich, wie ich die Bewerbung ausgefüllt hatte: die Checkliste, die verlangten Blutuntersuchungen, die Versicherung, dass ich regelmäßig die Pille nahm. Und ich hatte seine Daten zugeschickt bekommen. Ich kannte seine Blutgruppe, die Ergebnisse seiner Untersuchungen, seine Härtegrenzen und was er mit Gespielinnen gerne tat und ihnen antat.
Mehrere Minuten schwiegen wir uns an.
»Sie haben keine Schulung«, sagte er. »Aber Sie sind sehr gut.«
Schweigend ging er an die große Fensterfront hinter seinem Schreibtisch. Draußen war es vollständig dunkel. Ich sah im Glas sein Spiegelbild. Als sich unsere Blicke trafen, schaute ich zu Boden.
»Eigentlich mag ich Sie, Abigail King. Aber ich erinnere mich nicht, dass ich Ihnen gesagt habe, dass Sie wegschauen sollen.«
In der Hoffnung, dass ich es nicht endgültig vermasselt hätte, blickte ich wieder auf.
»Ja, ich denke, wir könnten am Wochenende einen Versuch wagen.« Er drehte sich vom Fenster weg und lockerte seine Krawatte. »Wenn Sie einverstanden sind, kommen Sie diesen Freitagabend Punkt achtzehn Uhr auf mein Anwesen. Ich lasse Sie mit einem Wagen abholen. Wir essen gemeinsam zu Abend. Dann sehen wir weiter.«
Er legte seine Krawatte rechts neben sich auf die Couch und öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. »Ich habe bestimmte Erwartungen an meine Subs. Sie werden von Sonntag bis Donnerstagnacht täglich mindestens acht Stunden schlafen. Sie ernähren sich ausgewogen. Den Speiseplan lasse ich Ihnen per E-Mail zukommen. Und dreimal in der Woche laufen Sie 1,5 Kilometer. Zweimal pro Woche machen Sie Kraft- und Ausdauertraining in meinem Fitnessstudio. Eine Mitgliedschaft wird für Sie vorbereitet. Sie beginnt morgen. Haben Sie irgendwelche Bedenken?«
Wieder ein Test. Ich sagte nichts.
Er lächelte. »Sie dürfen offen reden.«
Endlich. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen: »Ich bin nicht die … Sportlichste, Mr West. Ich bin eher eine schlechte Läuferin.«
»Sie müssen lernen, sich von den eigenen Schwächen nicht beherrschen zu lassen, Abigail.«
Er trat an seinen Schreibtisch und kritzelte etwas. »Dazu besuchen Sie dreimal in der Woche einen Yogakurs. Angebote gibt es im Fitnessstudio. Noch Fragen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sehr gut. Dann sehe ich Sie Freitagabend.« Er hielt mir ein paar Papiere hin. »Hier steht alles, was Sie wissen müssen.«
Ich nahm die Blätter entgegen. Und wartete.
Er lächelte wieder. »Sie dürfen gehen.«
Als ich vor meinem Apartment stand, öffnete sich die Tür neben meiner. Meine beste Freundin, Felicia Kelly, trat in den Korridor hinaus. Wir waren seit ewigen Zeiten miteinander befreundet, seit unserer Kindheit in einer Kleinstadt in Indiana. Dank der alphabetischen Sitzordnung hatten wir in der Grund- und Mittelschule nebeneinandergesessen. Nach der Highschool gingen wir auf dasselbe College in New York. Dort merkten wir schnell, dass wir besser nicht zusammenwohnten. Aber als Nachbarinnen konnten wir beste Freundinnen bleiben.
Ich liebte sie wie die Schwester, die ich nie hatte, aber sie konnte rechthaberisch und anmaßend werden. Umgekehrt machte sie mein Bedürfnis, regelmäßig in Ruhe gelassen zu werden, ziemlich verrückt. Und offenbar ärgerte sie sich auch über mein Treffen mit Nathaniel.
»Abby King!« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Hast du dein Handy ausgeschaltet? Du bist zu diesem West gegangen, stimmt’s?«
Ich lächelte sie einfach an.
»Ehrlich, Abby«, sagte sie, »ich weiß gar nicht, warum ich mir überhaupt Sorgen mache.«
»Warum tust du es denn?« Felicia folgte mir in die Wohnung. Ich machte es mir auf der Couch bequem und blätterte die Papiere durch, die Nathaniel mir mitgegeben hatte. »Übrigens bin ich dieses Wochenende nicht da.«
Felicia seufzte laut. »Du bist zu ihm gegangen. Ich wusste es. Wenn du dir etwas in den Kopf setzt, ziehst du es durch. Ohne überhaupt an die Folgen zu denken.«
Ich las weiter.
»Du hältst dich für oberschlau, wie? Was meinst du denn, was die Kollegen in der Bibliothek sagen würden? Und dein Vater erst?«
Mein Vater lebte noch immer in Indiana. Obwohl wir uns nicht sehr nahestanden, war ich mir sicher, dass er zu meinem Besuch in Nathaniels Büro eine Meinung hätte. Eine sehr negative. Aber es kam gar nicht infrage, dass jemand mit ihm über mein Sexualleben diskutierte.
Ich legte die Papiere hin. »Du sagst meinem Vater kein Wort. Und mein Privatleben geht die Bibliothek nichts an. Verstanden?«
Felicia setzte sich und begutachtete ihre Fingernägel. »Ich raff das einfach nicht.« Sie nahm die Papiere. »Was ist das?«
»Gib her«, sagte ich und zog ihr die Papiere aus der Hand.
»Wirklich«, sagte sie, »wenn du unbedingt beherrscht werden willst, dann kenne ich mehrere Männer, die dir den Gefallen liebend gerne tun würden.«
»Deine Verflossenen interessieren mich nicht.«
»Also gehst du zu einem wildfremden Mann ins Haus und lässt mit dir wer weiß was machen?«
»So ist es nicht.«
Sie ging an meinen Laptop und schaltete ihn ein. »Wie ist es dann genau?« Sie lehnte sich im Stuhl zurück, während der Rechner hochfuhr. »Die Geliebte eines reichen Mannes?«
»Ich bin nicht seine Geliebte. Ich bin seine Sub. Fühl dich übrigens ganz wie zu Hause. Bitte schön, nutze ruhig meinen Laptop.«
Sie tippte wild auf der Tastatur. »Richtig: seine Sub. Das ist ja so viel besser.«
»Allerdings. Jeder weiß, dass die Sub in der Beziehung alle Macht besitzt.« Felicia hatte im Gegensatz zu mir eben nicht recherchiert.
»Weiß das auch Nathaniel West?« Sie hatte Google aufgerufen und Nathaniels Namen eingetippt. Meinetwegen. Sollte sie ihn ausforschen.
Sein Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Er schaute uns mit diesen durchdringenden grünen Augen an, im Arm eine blonde Schönheit.
Er gehört mir, sagte die törichte Seite meines Gehirns.
Für diesen Freitagabend bis zum Sonntagnachmittag, konterte die vernünftigere Seite.
»Wer ist sie?«, fragte Felicia.
»Wohl meine Vorgängerin«, murmelte ich und landete wieder auf dem Boden der Wirklichkeit. Ich war eine Idiotin zu glauben, dass er mich wollte, nachdem er das gehabt hatte.
»Da musst du aber ein Paar ziemlich hohe Stilettos ausfüllen, meine Liebe.«
Ich nickte nur. Felicia wusste es natürlich.
»Verdammt noch mal, Abby. Du trägst doch gar keine Stilettos.«
Ich seufzte. »Ich weiß.«
Felicia schüttelte den Kopf und klickte den nächsten Link an. Ich schaute weg. Bloß nicht noch so eine blonde Göttin.
»Aber hallo, Baby«, sagte sie. »Von dem würde ich mich jederzeit beherrschen lassen.«
Ich blickte zum Bildschirm und sah die Aufnahme eines weiteren gut aussehenden Mannes. Jackson Clark, New York Quarterback stand unter dem Foto.
»Du hast mir nicht gesagt, dass er mit einem Profifootballspieler verwandt ist.«
Ich hatte es nicht gewusst. Aber jetzt war es überflüssig, ihr noch irgendetwas zu sagen: Sie hörte ja nicht mehr zu.
»Ich frage mich, ob Jackson verheiratet ist«, murmelte sie und klickte weiter, um etwas über seine Familie herauszubekommen. »Sieht nicht so aus. Hmm, vielleicht erfahren wir Näheres über diese blonde Tussi.«
»Hast du nichts Besseres zu tun?«
»Nö«, sagte Felicia. »Nichts Besseres, als hier zu sitzen und dir auf die Nerven zu gehen.«
»Du findest selbst raus«, sagte ich und ging in mein Schlafzimmer. Sollte sie doch die Nacht damit zubringen, alles über Nathaniel zu recherchieren. Ich musste meine Unterlagen durchschauen.
Ich machte es mir im Bett gemütlich. Auf der ersten Seite standen seine Adresse und Kontaktdaten. Sein Anwesen lag zwei Stunden von der Stadt entfernt. Ich fragte mich, ob er einen weiteren Wohnsitz in Stadtnähe hatte. Auf der Seite standen zudem der Sicherheitscode, mit dem ich durch das Tor kam, und seine Mobilfunknummer, falls ich irgendetwas bräuchte.
Oder falls du zur Vernunft kommst, schaltete sich der nervige, kluge Teil meines Gehirns ein.
Auf der zweiten Seite standen Einzelheiten zu meiner Mitgliedschaft im Fitnessstudio und dem Programm, das für mich vorgesehen war. Ich schluckte den üblen Gedanken ans Lauftraining hinunter. Es folgten Einzelheiten zum Kraft- und Ausdauertraining. Ganz unten standen in akkurater Schreibschrift Name und Telefonnummer des Yogalehrers.
Seite drei informierte mich darüber, dass ich am Freitag keinerlei Gepäck mitbringen müsse. Für sämtliche benötigten Toilettenartikel und Bekleidung würde Nathaniel sorgen. Ziemlich interessant. Aber was hatte ich erwartet? Es folgten dieselben Instruktionen, die er mir bereits gegeben hatte: acht Stunden Schlaf und eine ausgewogene Ernährung. Also nichts Neues.
Auf Seite vier waren Nathaniels Lieblingsgerichte aufgelistet. Zum Glück war ich eine gute Köchin.
Seite fünf.
Sagen wir nur so viel: Nachdem ich die Seite gelesen hatte, war ich gleichzeitig erregt und nervös – und fieberte dem Freitag entgegen.
Nathaniel West war 34 Jahre alt. Mit zehn Jahren hatte er bei einem Autounfall beide Eltern verloren. Er war bei seiner Tante Linda Clark aufgewachsen.
Er hatte mit 29 Jahren die Firma seines Vaters übernommen, ein einträgliches Geschäft, das er noch profitabler gemacht hatte.
Mir war sein Name seit Urzeiten ein Begriff gewesen – und zwar aus den Klatschspalten, die den Leuten aus den unteren Schichten Vorstellungen über »die da oben« vermitteln. Nathaniel wurde als Kotzbrocken, als richtiger Mistkerl dargestellt. Aber ich bildete mir ein, über den Menschen Nathaniel West ein wenig besser Bescheid zu wissen.
Vor sechs Jahren ‒ ich war 26 gewesen – war meine Mutter wegen ihrer Scheidung von Dad in eine schwierige Finanzlage geraten. Sie hatte so hohe Schulden, dass ihr die Bank mit einer Zwangsvollstreckung ihres Hauses drohte. Aber Nathaniel West hat sie gerettet.
Nathaniel saß im Vorstand der Bank und setzte durch, ihr die Möglichkeit zu geben, die Schulden abzutragen und das Haus zu behalten. Zwei Jahre später starb sie an einem Herzleiden. Aber in der Zeit davor hatte sie jedes Mal, wenn Nathaniels Name in einer Zeitung oder in den Nachrichten auftauchte, von seiner Hilfsbereitschaft erzählt. Ich wusste also, dass er nicht so unerbittlich sein konnte, wie die Welt glaubte.
Und als ich dann von seinen … pikanteren Vorlieben erfuhr, begannen meine Fantasien. Sie hielten an. Und hielten an. Sie hielten so lange an, bis mir klar wurde, dass ich sie ausleben musste.
So rollte ich an diesem Freitagabend um 17.45 Uhr in einem Wagen mit Chauffeur durch die Einfahrt auf sein Anwesen – ohne jegliches Gepäck außer meiner Handtasche und meinem Mobiltelefon.
An der Haustür stand ein großer Golden Retriever, ein schönes Tier mit eindringlichen Augen. Er beobachtete mich, als ich aus dem Wagen stieg und zur Tür ging.
»Braver Junge«, sagte ich und streckte die Hand aus. Ich war kein großer Fan von Hunden, aber wenn Nathaniel einen hatte, musste ich mich an ihn gewöhnen.
Winselnd lief der Hund zu mir und steckte seine Schnauze in meine Hand.
»Braver Junge«, sagte ich nochmals. »So brav.«
Er kläffte kurz, wälzte sich auf dem Boden und ließ mich seinen Bauch kraulen. Okay, dachte ich, vielleicht sind Hunde doch nicht so übel.
»Apollo«, sagte eine sanfte Stimme aus der Eingangstür. »Komm.«
Apollo hob den Kopf, leckte über mein Gesicht, trottete zu Nathaniel und stellte sich neben ihn.
»Wie ich sehe, haben Sie bereits mit ihm Bekanntschaft geschlossen.« Nathaniel war leger gekleidet: leichter grauer Pullover und dunkelgraue Hosen. Dieser Mann hätte noch in einer Papiertüte unverschämt gut ausgesehen.
»Ja«, sagte ich und strich mir eingebildeten Schmutz von der Hose. »Er ist wirklich süß.«
»Keineswegs«, korrigierte mich Nathaniel. »Fremde empfängt er in der Regel eher unfreundlich. Sie hatten großes Glück, dass er nicht nach Ihnen geschnappt hat.«
Ich sagte nichts. Nathaniel wandte sich um und ging ins Haus. Er schaute sich nicht einmal um, ob ich ihm folgte. Aber natürlich folgte ich ihm.
»Wir essen heute am Küchentisch zu Abend«, sagte er und führte mich durch die Eingangshalle. Ich versuchte das Umfeld zu erkunden – eine feinsinnige Mischung aus Antikem und Zeitgenössischem ‒, konnte die Augen aber kaum von dem Mann lassen, der mir vorausging.
Wir schritten einen langen Korridor mit mehreren Türen entlang, während er redete. »Sie können den Küchentisch als Freiraum betrachten. Sie werden an ihm die meisten Mahlzeiten einnehmen. Wenn ich mich zu Ihnen setze, können Sie das als Aufforderung auffassen, sich frei zu äußern. Die meiste Zeit dienen Sie mir im Speisezimmer, aber ich dachte, wir beginnen den Abend weniger förmlich. Verstanden?«
»Jawohl, Herr.«
Er wandte sich um. In seinen Augen blitzte ein Anflug von Zorn auf. »Nein. Sie haben noch nicht das Recht, mich so zu nennen. Bis es so weit ist, reden Sie mich mit ›Sir‹ oder ›Mr West‹ an.«
»Jawohl, Sir«, sagte ich. »Es tut mir leid, Sir.«
Er ging weiter.
Die Anredeformen waren eine Grauzone. Ich hatte nicht gewusst, was mich erwartete. Immerhin hatte er nicht allzu verärgert gewirkt.
Er zog einen Stuhl unter einem kunstvoll geschnitzten Tisch hervor und wartete, bis ich mich setzte. Dann ließ er sich schweigend mir gegenüber nieder.
Das Abendessen stand bereits auf dem Tisch. Ich wartete, bis er einen Bissen genommen hatte, und fing zu essen an – ein köstliches Mahl: geschmortes Hühnerbrüstchen mit einer delikaten Honig-Mandel-Soße. Das Huhn schmeckte so gut, dass ich die Beilagen ‒ grüne Bohnen und Möhren – fast links liegen ließ.
Am Ende dämmerte mir, dass außer uns niemand im Haus war. »Haben Sie das gekocht?«, fragte ich.
Er neigte leicht den Kopf. »Ich bin ein Mann mit vielen Talenten, Abigail.«
Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. Schweigend aßen wir weiter. Ich war zu nervös, um etwas zu sagen. Als er wieder redete, hatten wir fast schon aufgegessen.
»Es freut mich, dass du es überflüssig findest, die Stille mit endlosem Geschwätz auszufüllen«, sagte er. Er war ganz selbstverständlich zum Du gewechselt. »Da sind ein paar Dinge, die ich erklären muss. Denke daran, dass du an diesem Tisch offen reden darfst.«
Er hielt inne und wartete er auf meine Antwort.
»Ja, Sir.«
»Aus meiner Checkliste weißt du, dass ich ein ziemlich konservativer Dom bin. Ich halte nichts von öffentlichen Demütigungen, beteilige mich nicht an Spielen, die extreme Schmerzen verursachen, und teile meine Sub mit niemandem. Niemals.« Er hob einen Mundwinkel. »Auch wenn ich das als Dom, wie ich meine, jederzeit ändern könnte.«
»Ich verstehe, Sir«, sagte ich. Mir fiel seine Checkliste wieder ein und wie lange ich gebraucht hatte, um meine zu erstellen. Ich hoffte inständig, dass sich dieses Wochenende nicht als Fehlgriff erweisen würde. Ich spürte die beruhigende Präsenz meines Mobiltelefons in der Jackentasche. Felicia wusste, dass sie die Polizei rufen musste, wenn ich mich in der nächsten Stunde nicht melden würde.
»Dazu musst du wissen«, sagte er, »dass ich nie auf Lippen küsse.«
»Wie in Pretty Woman?«, fragte ich. »Ist das zu persönlich?«
»Pretty Woman?«
»Kennen Sie den Film?«
»Nein«, sagte er. »Ich habe ihn nie gesehen. Ich küsse keine Lippen, denn es ist überflüssig.«
Überflüssig? Ich hatte doch die Fantasie, in sein prachtvolles Haar zu greifen und ihn an mich zu ziehen.
Ich aß ein letztes Stück Hühnchen und dachte über seine Worte nach.
Auf der anderen Tischseite redete Nathaniel weiter. »Ich erkenne an, dass du ein Mensch mit eigenen Hoffnungen, Träumen, Begierden, Wünschen und Meinungen bist. An diesem Wochenende lässt du all das beiseite, um dich mir zu unterwerfen. Sich in diese Position zu begeben verdient Respekt. Und ich respektiere dich. Bei allem, was ich dir antue oder für dich tue, habe ich dich im Kopf. Meine Regeln zum Schlafen, Essen und zum Training sind zu deinem Wohl. Meine Züchtigungen dienen deiner Besserung.« Er fuhr mit einem Finger den Rand seines Weinglases entlang. »Und jede Lust, die ich dir spende« ‒ der Finger wanderte den Stiel nach unten und wieder hoch ‒, »nun, ich nehme nicht an, dass du Skrupel hast, wenn es um Lust geht.«
Ich merkte, dass ich ihn anstarrte, als er sich lächelnd mit den Armen vom Tisch wegdrückte.
»Bist du mit dem Abendessen fertig?«, fragte er.
»Ja, Sir«, sagte ich und wusste sicher, dass ich keinen Happen mehr herunterbringen würde. Meine Gedanken kreisten um seine Bemerkung zur Lust.
»Ich muss Apollo ausführen. Mein Schlafzimmer liegt oben, erste Tür links. Ich bin in fünfzehn Minuten dort. Du wartest oben auf mich.« Seine grünen Augen starrten mich an. »Seite fünf, erster Absatz.«
Ich weiß nicht mehr, wie ich nach oben kam. Bei jedem Schritt fühlte ich mich wie in Schuhen aus Eisen. Aber mir blieben nur fünfzehn Minuten. Wenn er zurückkam, musste ich fertig sein. Oben auf der Treppe schickte ich Felicia die Nachricht, dass alles okay sei und ich bleiben würde ‒ mit dem verabredeten Code, damit sie wusste, dass die Botschaft wirklich von mir kam.
Als ich die Tür zu Nathaniels Schlafzimmer öffnete, blieb ich überrascht stehen. Überall brannten Kerzen. In der Mitte des Raums stand ein Himmelbett aus massivem Holz.
Allerdings ging mich nach Seite fünf, erster Absatz, das Bett nichts an. Ich blickte nach unten. Das Kissen auf dem Boden allerdings schon.
Neben ihm lag ein durchsichtiges Nachthemd. Mit zitternden Händen zog ich mich um. Das Negligé reichte gerade einmal bis an meine Oberschenkel. Der hauchdünne Stoff zeigte jeden Teil meines Körpers. Ich legte meine Kleider in einem ordentlichen Stapel neben die Tür. Die ganze Zeit sagte ich mir vor:
Du hast es so gewollt.
Du hast es so gewollt.
Nachdem ich es zwanzigmal wiederholt hatte, beruhigte ich mich schließlich. Ich ging zum Kissen, kniete auf ihm nieder und setzte mich auf meine Fersen. Ich starrte zu Boden und wartete.
Nathaniel trat Minuten später ein. Ich riskierte einen flüchtigen Blick. Er hatte seinen Pullover ausgezogen. Ich sah seine nackte muskulöse Brust. Er sah aus wie jemand, der häufig trainierte. Seine Hose war mit einem Gürtel geschlossen.
»Sehr gut, Abigail«, sagte er, als er die Schlafzimmertür hinter sich zugezogen hatte. »Du darfst aufstehen.«
Ich stand mit gesenktem Kopf da, während er um mich herumging. Vielleicht würde er im schwachen Licht der Kerzen nicht sehen, wie sehr ich zitterte.
»Zieh das Nachthemd aus und leg es auf den Boden.«
Möglichst anmutig zog ich das Nachthemd über meinen Kopf und sah, wie es zu Boden glitt.
»Schau mich an«, befahl er.
Er wartete, bis mein Blick seinen traf, und zog seinen Gürtel langsam aus den Laschen seiner Hose. Er legte ihn in einer Hand zusammen und ging nochmals um mich herum. »Was meinst du, Abigail? Du hast mich unerlaubt ›Herr‹ genannt. Soll ich dich deswegen züchtigen?« Er ließ den Gürtel schnalzen. Als die lederne Spitze meine Haut traf, zuckte ich zusammen.
»Wie immer Sie wünschen, Sir«, keuchte ich, überrascht über meine eigene Erregung.
»Wie immer ich wünsche?« Er drehte nochmals eine Runde um mich und blieb schließlich direkt vor mir stehen. Er knöpfte seine Hose auf und schob sie herunter. »Auf die Knie.«
Ich sank auf die Knie und warf einen ersten Blick auf Nathaniels Nacktheit. Er war prachtvoll. Lang, dick und steif. Sehr lang, sehr dick und sehr steif. Die Realität übertraf bei Weitem meine Fantasie.
»Bediene mich mit dem Mund.«
Ich beugte mich nach vorne und nahm seine Spitze zwischen meine Lippen. Ich bewegte mich weiter und sah zu, wie der Rest langsam in meinem Mund verschwand. Dort fühlte er sich noch größer an. Unwillkürlich dachte ich daran, wie es sich anfühlen würde, ihn auf andere Art in meinen Körper aufzunehmen.
»Den ganzen«, sagte er, als er schon tief in meiner Kehle steckte.
Ich hob die Hände, um zu ertasten, wie viel noch fehlte.
»Wenn du ihn dir nicht ganz in den Mund stecken kannst, darfst du ihn sonst nirgendwo in dir spüren.« Während er tiefer drängte, entspannte ich meine Kehle, um das letzte Stück des Weges freizumachen. »Ja, genau so.«
Ich hatte falsch eingeschätzt, wie groß er war, und atmete tief durch die Nase, um nicht ohnmächtig zu werden.
»Ich mag es hart und grob. Nur weil du neu bist, brauchst du nicht auf Schonung zu hoffen.« Er packte mich an den Haaren. »Halt dich fest.«
Ich konnte gerade noch meine Arme um seine Schenkel schlingen, als er sich zurückzog und erneut in meinen Mund stieß. Mehrmals pumpte er vor und zurück.
»Benutze deine Zähne«, befahl er.
Ich schürzte die Lippen und hielt ihn mit den Zähnen umfasst, während er in mich hinein- und wieder hinausfuhr. Als ich mich an seine Größe gewöhnt hatte, saugte ich sanft an ihm und bettete ihn in meine Zunge ein.
»Ja«, stöhnte er, während er heftiger in mich hineinstieß.
Das ist mein Werk, dachte ich. Ich hatte ihn steif gemacht. Ihn zum Stöhnen gebracht. Mit meinem Mund.
Er begann in meiner Mundhöhle zu zucken.
»Schluck alles« sagte er und stieß wieder in mich hinein. »Schluck alles, was ich dir gebe.«
Als er kam, musste ich beinahe würgen. Aber ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Die salzigen Spritzer schossen meine Kehle hinab.
Keuchend zog er ihn heraus. »Das ist es, Abigail«, sagte er heftig atmend, »was ich mir wünsche.«
Ich setzte mich wieder auf meine Fersen, als er in seine Hose schlüpfte.
»Dein Zimmer ist zwei Türen weiter links«, sagte er, wieder ganz die Ruhe selbst. »Du schläft nur dann in meinem Bett, wenn ich dich dazu einlade. Du kannst gehen.«
Ich zog mir das Nachthemd über und hob meine Kleider auf.
»Frühstück esse ich um Punkt sieben Uhr im Speisezimmer«, sagte er, als ich den Raum verließ. Apollo schlüpfte durch die geöffnete Tür an mir vorbei und kauerte sich vor Nathaniels Bett nieder.
Dreißig Minuten später, hellwach und unter Decken begraben, ließ ich die Szene immer wieder Revue passieren. Ich dachte an Nathaniel, sein unnahbares Wesen und die ruhige Art, mit der er Befehle erteilte, seine absolute Kontrolle. Unsere Begegnung hatte alle meine Erwartungen übertroffen.
Ich konnte den Rest des Wochenendes kaum erwarten.
Am nächsten Morgen hatte ich verschlafen. Ich schreckte auf, schaute auf die Uhr und fluchte leise: 6.15 Uhr. Da blieb mir keine Zeit zum Duschen, wenn ich um 7 Uhr beim Frühstück sitzen sollte. Ich eilte ins benachbarte Badezimmer und putzte mir die Zähne. Mit einem flüchtigen Blick in den Spiegel bürstete ich mir die Haare und band sie nachlässig zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ich griff nach einer Jeans und einem langärmligen T-Shirt im Wandschrank. Ich war überrascht, dass sie passten. Aber dann erinnerte ich mich wieder daran, dass ich Papiere ausgefüllt hatte, in denen nach meiner Größe gefragt worden war. Als ich schon zur Tür hinausging, fiel mein Blick auf mein ungemachtes Bett. Erst wollte ich es so lassen, aber dann fiel mir ein, dass Nathaniel wahrscheinlich ein Ordnungsfreak war. Ich wollte ihn nicht schon am ersten Wochenende verärgern.
Dein erstes Wochenende?, fragte meine vernünftige Seite. Glaubst du, es kommen weitere?
Ich ignorierte die innere Stimme der Vernunft.
Das Einzelbett war für zwei Personen zu schmal. Ein wenig enttäuscht zog ich die Decken glatt. Nathaniel würde offenbar nicht zu mir ins Schlafzimmer kommen. Und gemeinsame Nächte in seinem würden, so schien es mir, selten vorkommen.
Auf dem Weg zur Küche kam ich am Fitnessraum vorbei und hörte Nathaniel auf einem Band laufen. Beim Blick auf meine Uhr schreckte ich zusammen: 6.35 Uhr. Keine Zeit mehr, um meine Spezialität, Arme Ritter mit karamellisierten Bananen, zuzubereiten. Vielleicht ein anderes Mal.
Nathaniel trat in das Speisezimmer, als ich gerade seine Rühreier, Toast und aufgeschnittenes Obst auf den Tisch gestellt hatte. Seine Haare waren frisch gewaschen. Er duftete nach reiner Luft und Moschus. Herrlich. Mein Herz pochte bei dem Gedanken, ihn zu kosten.
Ich stand reglos an seiner rechten Seite, während er aß. Er würdigte mich keines Blickes, stieß aber nach dem ersten Bissen einen leisen Seufzer der Zufriedenheit aus.
Als er zu Ende gegessen hatte, schaute er zu mir auf. »Mach dir einen Teller fertig und iss in der Küche. Komm in einer Stunde in mein Schlafzimmer. Seite fünf, Absatz zwei.«
Damit verließ er das Speisezimmer.
Warum sagte er mir, ich solle essen, wenn er mich gleich in seinem Schlafzimmer sehen wollte? Als bekäme ich einen Bissen hinunter, wenn ich an seine Worte dachte. Trotzdem machte ich mir ein Rührei, schnitt Obst auf und aß, wie befohlen, in der Küche.
Das Sonnenlicht strahlte durch das Fenster. Draußen sah ich Nathaniel mit Apollo spazieren gehen. Der Hund sprang durch den weitläufigen Garten und schreckte die Vögel auf dem Rasen auf. Nathaniel telefonierte, aber als Apollo zu ihm gelaufen kam, beugte er sich nieder und strich ihm durchs Fell.
Seufzend schaute ich mich in der Küche um. Ich fragte mich, ob die Blondine je am Küchentisch gegessen hatte. Ob sie wohl eine gute Köchin war?
Egal, sie war nicht mehr Teil seines Lebens. Und ich war im Haus, zumindest für dieses Wochenende.
Ich räumte die Frühstücksteller ab und ging nach oben.
Seite fünf, Absatz zwei, war die Frauenarztstellung, wie ich sie nannte. Ich lag ohne einen Fetzen Stoff am Leib mitten auf Nathaniels breitem Bett. Ich fühlte mich wie in einem Behandlungszimmer. Ich vermisste eigentlich die dünne Bahn Papier, die man dort als Unterlage bekommt.
Mit geschlossenen Augen konzentrierte ich mich auf meinen Atem und sagte mir, dass ich allem, was Nathaniel geplant hatte, gewachsen sein würde. Vielleicht würde er mich endlich berühren.
»Lass die Augen zu.«
Ich zuckte zusammen. Ich hatte ihn nicht eintreten hören.
»Ich will, dass du dich so ausstreckst«, sagte er. »Nimm deine Hände und stelle dir vor, es seien meine. Streichle dich selbst.«
Er machte mich wahnsinnig. Ich versuchte mir vorzustellen, wie dieses Wochenende weitergehen würde. Bislang war alles ganz anders, als ich mir vorgestellt hatte. Er hatte mich kein einziges Mal berührt. Es war so ungerecht.
»Jetzt, Abigail.«
Ich legte meine Hände an meine Brüste und stellte mir eindringlich vor, es seien seine. Es war ganz leicht. Ich hatte es schon hundertmal getan.
Nathaniels warmer Atem strich über mein Ohr, während mich seine Hände liebkosten. Seine Berührungen begannen sanft und einfühlsam, wurden aber rasch heftiger, während sich unser Atem beschleunigte.
Er war gierig, gierig auf mich.
Er war hungrig und ich war das Einzige, was er vernaschen wollte.
Schmerzlich langsam rollte er die eine und dann die andere Brustwarze zwischen seinen Fingern hin und her. Hingerissen von den Empfindungen, die er in mir auslöste, biss ich mir in die Wange. Er kniff mich, zog heftig an mir, und als ich aufstöhnte, noch heftiger.
Jetzt wurde ich gierig. Ich brauchte ihn, wollte ihn und sehnte mich nach ihm. Ich zog eine Hand über meinen Bauch nach unten – voller schmerzlicher, verzweifelter Sehnsucht, ihn in mir zu spüren. Ich wünschte mir so sehr, dass er mich ausfüllte.
Er zog meine Knie noch weiter auseinander, bis ich voll gespreizt vor ihm lag. Endlich würde er mich nehmen. Und zum Ende kommen. Er würde mich ausfüllen, wie mich noch keiner ausgefüllt hatte.
»Du enttäuscht mich, Abigail.«
Der Nathaniel meiner Träume entschwand. Meine Augenlider zuckten.
»Lass die Augen zu.«
Er war nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Ich roch seinen männlichen Duft. Mit wild pochendem Herzen wartete ich darauf, dass er weiterredete.
»Letzte Nacht hast du mich in deinem Mund aufgenommen, und jetzt nimmt du nur einen Finger, wenn du dir vorstellst, es sei mein Schwanz?«
Ich drang mit einem weiteren Finger in mich ein. Ja. Besser.
»Noch einen.«
Ich nahm einen dritten Finger und schob alle drei hinein und hinaus.
»Härter«, flüsterte er. »Ich würde dich härter nehmen.«
Mein Höhepunkt würde nicht lange auf sich warten lassen, wenn er weiter so zu mir redete. Ich drang tiefer ein und stellte mir vor, wie er mich weitete. Meine Beine spannten sich an. Ich stieß einen anhaltenden Seufzer aus.
»Jetzt«, sagte Nathaniel, und ich explodierte.
Während sich mein Atem wieder normalisierte, herrschte mehrere Minuten lang völlige Stille. Ich öffnete die Augen und sah Nathaniel neben meinem Bett stehen. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Unter seiner Hose zeichnete sich seine Erektion ab.
»Das war ein müheloser Orgasmus, Abigail«, sagte er und seine grünen Augen blickten mich verlangend an. »Erwarte nicht, dass dies oft geschieht.«
Aber immerhin, so dachte ich, klang das so, als würde es nochmals geschehen.
»Ich habe am Nachmittag eine Verabredung und bin zum Mittagessen nicht da. Im Kühlschrank liegen Steaks. Du servierst sie mir um achtzehn Uhr im Speisezimmer.« Während sein Blick über meinen Körper glitt, zwang ich mich, entspannt zu bleiben. »Du brauchst eine Dusche. Heute Morgen hattest du ja keine Zeit.«
Verdammt, diesem Mann entging nichts.
»Und«, fuhr er fort, »im Fitnessraum liegen DVDs mit Yogaübungen. Nutze sie. Du kannst gehen.«
Tatsächlich sah ich ihn erst um achtzehn Uhr wieder. Die Steaks zum Abendessen sollten wohl auch ein Test sein. Falls er mich hatte scheitern sehen wollen, würde er jedenfalls schwer enttäuscht werden. Ich war bekannt dafür, dass meine Steaks gestandene Männer in die Knie zwangen.
Okay, das war übertrieben. Ich wusste, dass ich Nathaniel West niemals in die Knie zwingen würde. Aber ein hervorragendes Steak bekam ich zustande.
Er machte mir natürlich kein Kompliment. Aber weil er mich gebeten hatte, mit ihm zu essen, saß ich schweigend neben ihm.
Ich spießte ein Stück Fleisch auf die Gabel und schob es mir in den Mund. Ich wollte fragen, wo er den Nachmittag über gewesen war und ob er unter der Woche in der Stadt wohnen würde, aber am Tisch im Speisezimmer durfte ich das ja nicht.
Nach dem Essen befahl er mir, ihm zu folgen. Wir gingen an seinem Schlafzimmer vorbei zu einem Raum, der vor meinem lag. Er öffnete die Tür, trat beiseite und bedeutete mir, zuerst hineinzugehen.
Der Raum war dunkel. Eine kleine Lampe spendete schummriges Licht. Von der Decke hingen zwei dicke Ketten mit Metallfesseln herab. Ich wandte mich erschrocken um und starrte Nathaniel mit offenem Mund an.
Er wirkte nicht überrascht. »Vertraust du mir, Abigail?«
»Ich … ich«, stammelte ich.
Er schritt um mich herum und öffnete eine der Handschellen. »Wie hast du dir unsere Abmachung denn vorgestellt? Ich dachte, du wüsstest, worauf du dich einlässt.«
Ja, hatte ich. Aber ich dachte, Ketten und Fesseln kämen später, viel später.
»Wenn wir vorankommen wollen, musst du mir vertrauen.« Er öffnete die zweite Fessel. »Komm zu mir.«
Ich zögerte.
»Du kannst auch gehen«, sagte er. »Dann aber für immer.«
Ich ging zu ihm.
»Sehr gut«, sagte er. »Zieh dich aus.«
Es war schlimmer als letzte Nacht, als ich wenigstens eine Vorstellung davon gehabt hatte, was er wollte. Und auch zuvor auf seinem Bett war alles noch erträglich gewesen. Aber das hier war Wahnsinn.
Der verrückte Teil in mir genoss es.
Als ich splitternackt dastand, nahm er meine Arme, zog sie über meinem Kopf nach oben und kettete erst die eine und dann die andere Hand an. Dann legte er sein Hemd ab, trat an einen Tisch und kramte in der Schublade. Mit einem schwarzen Schal kam er zurück.
Er hob ihn hoch. »Ich verbinde dir die Augen, um deine anderen Sinne zu schärfen.«
Er band mir das Stück Stoff um. Als es um mich herum dunkel war, hörte ich Schritte und dann nichts mehr. Keinen Laut, nichts. Nur den rasenden Puls meines Herzens und meinen zitternden Atem.
Ganz sanft strich mir irgendetwas das Haar zur Seite. Ich zuckte zusammen.
»Was empfindest du, Abigail?«, flüsterte er. »Sei ehrlich.«
»Angst«, flüsterte ich. »Ich spüre Angst.«
»Verständlich, aber gänzlich überflüssig. Ich würde dir nie etwas antun.«
Etwas Zartes strich kreisförmig über meine Brüste. Zwischen meinen Schenkeln begann eine Erregung zu pulsieren.
»Was spürst du jetzt?«, fragte er.
»Vorfreude.«
Er lachte in sich hinein, ein Lachen, das mir einen Schauer den Rücken hinabjagte. Ich spürte, wie er einen zweiten Kreis zeichnete – verführerisch und fast ohne mich zu berühren. »Und wenn ich dir sagte, dass du eine Reitgerte spürst, was würdest du empfinden?«
Eine Reitgerte? Mir stockte der Atem. »Angst.«
Die Gerte sauste durch die Luft und traf meine Brust. Bei dem kurzen, aber erträglichen Schmerz stöhnte ich auf.
»Siehst du?«, fragte er. »Du hast nichts zu befürchten. Ich werde dir nichts antun.«
Die Gerte traf meine Knie. »Spreiz die Beine.«
Jetzt fühlte ich mich noch stärker ausgeliefert. Mein Herz pochte doppelt so schnell, aber in mir spürte ich die Erregung aufflammen.
Er zog die Gerte an meinem Knie weiter nach oben zwischen meine Schenkel bis zu dem Punkt, an dem ich am meisten Sehnsucht verspürte. »Ich könnte dich dort peitschen«, sagte er. »Was meinst du?«
»Ich … ich weiß nicht«, gestand ich.
Dreimal rasch hintereinander sauste die Peitsche direkt auf meine Klitoris nieder. Ich spürte ein Brennen – und sofort ein Verlangen nach mehr.
»Und jetzt?«, fragte er, als er die Gerte sanft wie ein Schmetterling zwischen meine Schenkel setzte.
»Mehr«, bettelte ich. »Ich brauche mehr.«
Mehrmals kreiste die Gerte sanft über meine Haut. Dann schnellte sie wieder an meinen sehnsuchtsvollen Schoß. Wieder und wieder verspürte ich Schmerz, verbunden mit süßer Wonne. Als mich die Gerte erneut traf, schrie ich auf.
»Du siehst so gut aus, wie du angekettet vor mir an meinen Fesseln ziehst und in meinem Haus nach meiner Peitsche schreist.« Wieder kitzelte die Gerte meine Brust. »Dein Körper bettelt um Erlösung, nicht wahr?«
»Ja«, stimmte ich zu, selbst überrascht, wie sehr ich mich nach dieser Erlösung sehnte. Ich zog an den Ketten, wollte mich berühren und mir selbst die Lust spenden, die er mir nicht gönnte.
»Und du bekommst sie.« Wieder schnellte die Gerte zwischen meine Beine. »Aber nicht heute Nacht.«
Ich wimmerte, als er sich entfernte. Irgendwo im Raum öffnete sich eine Schublade. Ich zog wieder an den Ketten. Was sollte das heißen: nicht heute Nacht?
»Ich nehme dir jetzt die Ketten ab«, sagte er. »Du gehst schnurstracks zu Bett. Du schläfst nackt und berührst dich nirgendwo. Wenn du nicht gehorchst, wird das ernste Folgen haben.«
Er öffnete erst die eine und dann die andere Handschelle und rieb mir eine süßlich riechende Lotion auf beide Handgelenke. Danach nahm er mir die Augenbinde ab. »Verstehst du?«
Ich blickte in seine tiefgrünen Augen und wusste, dass es ihm ernst war. »Jawohl, Sir.«
Vor mir lag eine lange Nacht.