Cover
Gabi Kreslehner
Und der Himmel rot
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www.beltz.de
© 2011 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Alle Rechte vorbehalten
Neue Rechtschreibung
Lektorat: Barbara Gelberg
Einbandfotografie und -typografie: Anna Grath
Einbandgestaltung: Cornelia Niere, München,
unter Verwendung der Motive von Anika Viktoria Johnson/getty images (Sonnenuntergang)
und Moritz Attenberger/getty images (Junge)
ebook: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74290-2
Später dachte Darm manchmal, dass alles damit zu tun gehabt hatte, dass er diesen Namen trug – Darm; ja, er war sicher, alles hatte damit angefangen.
Seit jeher hatte er diesen Namen als Synonym für sein Leben verstanden, als Prophezeiung gewissermaßen. Dieser Name war die geeignete Voraussetzung für ein nicht geglücktes Leben oder, um es drastischer zu formulieren, für ein verpfuschtes. Trotzdem fühlte er sich seinem Namen verbunden, nie im Leben hätte er ihn verleugnet, er gehörte zu ihm wie die gleichnamigen Verschlingungen in seinem Körper, waren Teil seiner Identität, seines Bewusstseins. Alle Darms dachten so, und vielleicht hatte Mutter Darm, Monika, es deshalb als ihre Verpflichtung angesehen, ihrem verpfuschten Leben ein ebensolches Ende zu bereiten. Sechzehn war Darm an ihrem Todestag geworden, auch das ein logischer Hinweis auf die mystische Kraft des Namens. Nach dem Begräbnis war er zu seinem Onkel Kurt gezogen, besser, Kurt hatte ihn zu sich geholt. Und da lebte er nun in diesem Haus am Ende der Straße, die ein bisschen ins Nichts zu führen schien.
Also, Darm!«, sagte Hoffmann und hockte sich auf die Kante des Lehrertisches. »Willst du dein Wissen entleeren? Damit es dich nicht verstopft.«
Die Klasse johlte. Darm schaute in den Bleihimmel und schwieg.
»Also nicht«, sagte Hoffmann. »Hab’s mir fast gedacht. Jana, wie sieht’s bei dir aus?«
Jana stand auf. »Ich finde diese Scherzchen nicht komisch«, sagte sie.
Die Klasse schwieg.
Langsam wandte Darm seinen Kopf und schaute Jana an. Sie hatte sanfte braune Augen und wunderschöne Zähne. Hoffmann liebte sie, weil sie immer alles wusste, ihre Antworten nicht nur richtig, sondern auch gestochen formuliert waren. Vermutlich liebte er sie auch, weil sie seine Tochter war.
Leider hatte sie kurze Beine und leider ragte ihr Hintern von ihr ab wie die Kuppeln der Sankt Petersburger Kathedralen in den Sankt Petersburger Himmel. Darm grinste innerlich ein bisschen über seinen, wie er fand, stimmungsvollen Vergleich. Äußerlich seufzte er, fast lautlos, dass es keiner hörte. Nichts war vollkommen, nichts im Leben, und das Leben an sich schon gar nicht, niemand wusste das besser als er.
»Überhaupt nicht komisch«, sagte Jana und starrte Hoffmann ins Gesicht.
»Aha«, sagte der staunend. »Das findest du also. Mutig. Das muss man dir lassen.
Darm nickte. Unwillkürlich. Das erste Mal, dass er mit Hoffmann einer Meinung war. Ein Anfang, fand er.
»Ich allerdings sehe«, fuhr Hoffmann fort, »diese Scherzchen, wie du sie nennst, meine liebe Jana, als die einzige Möglichkeit, diese Klasse vor dem Abdriften in die absolute und letale geistige Verstummung zu bewahren. Oder? Freunde? Falls ihr überhaupt wisst, was ich meine?«
Sie grölten. Natürlich grölten sie wieder. Und wussten wahrscheinlich wirklich nicht, was er meinte. Hoffmanns Gesicht verzog sich zu einer zufriedenen Grimasse, er lächelte, ließ seine Augen von Schüler zu Schüler wandern, blieb an Darm hängen.
Okay, dachte der, bist nicht übel drauf heute, nicht übel, aber deine eigene geistige Letalisierung ist auch nicht mehr fern, Hoffmann, du Pfeife.
»Was«, sagte Hoffmann, »was?«
Darm zuckte die Schultern, schüttelte ein bisschen den Kopf. »Nichts«, sagte er, »gar nichts.« Und lächelte. Ein kleines, feines bisschen.
Hoffmann kniff ein wenig die Augen zusammen. »Also gut«, sagte er und drehte sich zurück zu Jana. »Also gut. Lassen wir’s gut sein. Setz dich wieder hin, Jana.«
Aber Jana setzte sich nicht wieder hin. »Komm, Oliver«, sagte sie. »Wir gehen.«
Darm staunte. Mit offenem Mund und krauser Stirn. Dann schüttelte er langsam den Kopf.
Janas Augen zuckten. »Du bist auch ein Idiot, Oliver Darm!«, sagte sie. Als sie die Tür hinter sich zuschlug, war es wie ein Schuss.
Hoffmann runzelte die Stirn. »Auch?«, fragte er. »Wieso auch
Die Gegend, durch die der Bus fuhr, war nicht übel. Gepflegte Vorgärten, behütete Vogelhäuschen, flache, lang gezogene Schulgebäude, die Fenster mit Fingerfarben vollgeschmiert. Dann, am Ende der Straße, Kurts Laden, nobel, elegant, der Schriftzug über der Tür zart, verschnörkelt: Darms Laden. Darm musste grinsen. Kurt, der gute Onkel Kurt, Monikas großer Bruder, hatte es geschafft. Zeit seines Lebens hatte er immer nur tischlern wollen und sägen und hobeln, hatte sich in den Duft der Hölzer gelegt, der alten und der jungen, als wolle er darin sterben, war Meister seines Fachs geworden, stand inmitten seiner Antiquitäten wie ein fest verwurzelter Baum. Ein verwurzelter Darm also, dass es das gab, hatte Darm lange nicht für möglich gehalten.
Er stieg aus dem Bus, lief die letzten Schritte, steckte den Schlüssel ins Schloss der uralten Holztür und lauschte ihrem Knarren nach und der Vertrautheit, die sich in ihm einstellte, sobald das Knarren durch seine Ohren flutschte. Er machte die Tür zu, lehnte sich ein bisschen dagegen, schloss für einen Wimpernschlag die Augen und dachte an Jana, die kleine kurzbeinige Jana mit den wunderschönen Augen. Wieder einmal stellte er sie sich als i-Punkt vor über Laden, und obwohl das i in Laden fehlte, ging es in Ordnung und er beschloss zu bleiben. Seit einem Jahr lebte er nun schon hier, war hier siebzehn geworden, würde wohl auch achtzehn werden.
Das Haus war großzügig geschnitten, teilte sich in Geschäft, Werkstatt und Wohnräume, und alles ging irgendwie ineinander über und war so weitläufig, dass man sich, wenn man wollte, aus dem Weg gehen konnte.
Kurt stand in der Küche, einsilbig und schweigsam, aber vollkommen Herr der Lage. »Hast du Hunger?«, fragte er und rührte in einem Topf.
Süß wehte es Darm entgegen, Vanille oder Apfel, man konnte es schlecht einordnen in diesem Konglomerat an Gerüchen von Zimt und Lack bis Koriander und Leim. »Nein«, sagte Darm.
»Wir essen gleich«, sagte Kurt. »Setz dich schon mal. Stell uns was zu trinken hin. Isst Muskat heute nicht mit?« Er grinste. »Frisst mir doch sonst auch immer die Haare vom Kopf.«
»Nein«, sagte Darm, knurrte ein bisschen und lüftete den Deckel der Pfanne, die auf dem Herd stand. »Der hat wohl gerochen, dass es Marillenknödel gibt. Die mag der nicht.« Er knallte den Deckel zurück. »Ich übrigens auch nicht.«
»Ich aber«, sagte Kurt und zuckte mit den Schultern.
Darm kaute an den Teigstücken. Sie verdoppelten sich in seinem Mund, wurden unschluckbar, unfressbar, grauer Beton. Er schüttelte den Kopf, unmerklich, seufzte. Marillenknödel, meine Güte!
Mit Marillen, wüstenhaft orangen. Und Bröseln, wüstenhaft gelben. Die knirschten zwischen den Zähnen wie Saharasand, schummelten sich in jedes freie Spältchen, trotzten dem Speichel, schmiegten sich nicht an, kratzten Wunden.
Kurt hatte seine Portion längst geschafft, saß in seinem Sessel mit vor der Brust verschränkten Armen, schaute Darm beim Würgen zu. Schließlich legte der die Gabel hin, griff nach dem Wasserglas. »Keine Knödel mehr«, sagte er. »Keine Knödel mehr.«
Kurt nickte.
»Suppe, Fleisch, Kartoffeln, Reis, alles, was du willst, bloß keine Knödel mehr.«
Kurt nickte.
Misstrauisch blinzelte Darm in die Luft.
Kurt nickte noch einmal, zuckte die Schultern. »Kein Problem!«
»Na dann«, sagte Darm und stand auf, »ich geh jetzt.«
»Wohin?«, fragte Kurt. Darm zuckte die Schultern.
»Aha«, sagte Kurt, nickte bedeutungsvoll, »dorthin also. Zeigst du mir mal die Filme?«, und tippte auf die Kamera in Darms Händen. Sie war sein täglicher Begleiter, ihm so vertraut wie Kurt nicht, wie Muskat nicht, wie Jana nicht.
Darm schüttelte den Kopf, tippte sich auf die Stirn. »Lernst du’s irgendwann mal?«, fragte er. »Irgendwann?«
»Nein«, sagte Kurt und lächelte, »ich glaube nicht.«
Darm stieg auf den Hügel. Der hielt der Stadt im Westen den Rücken frei, von ihm aus konnte man zur Gänze über sie hinwegblicken, über den Fluss und seine Ufer und die Wasserwiesen. Von ihm aus konnte man die Stadt glitzern sehen und sie glitzerte Darm an. Funkelte in die Kamera hinein, in Darms Augen, in sein Herz, aber da kam das Funkeln nicht an.
Jana war gekommen, kannte diese Stelle, wo er täglich ins Glitzern fiel, hatte sich an seine Seite gehockt, so wie sie es immer tat, ihn in ihre Arme genommen, ihn in ihre Augen gesaugt und ihm allerhand schönes Zeug gesagt, von dem Darm sich nichts gemerkt hatte, weil er sich so was eben nicht merkte.
Jana liebte Darm. Darm liebte Jana nicht. Darm liebte niemanden. Vielleicht die Stadt, wenn sie glitzerte, noch mehr, wenn sie brannte.
Jana kam oft. Weil sie ihn liebte. Und ihm auf den Geist ging mit dieser Liebe. Er konnte sie nicht brauchen, wollte nur ein bisschen ihre Wärme. Und den Duft, der ihr entströmte, wenn sie ihn küsste.
Das war alles. Nicht mehr und nicht weniger. Man konnte nicht lieben in dieser Zeit. Es war nichts von Dauer. Der Glitzer vielleicht, wenn er eingefangen war auf dem Display der Kamera. Das Brennen. Vom Hügel aus. Ohne Ziel. Wie er, Darm.
Schön war das. Und scheiße.
Wenn man ehrlich war, hatte alles mit Irina angefangen.
Auf Geht’s«, sagte Frau Voresberg. Klassenarbeit in Deutsch. »Strengt euch an. Ich hoffe, ihr habt ausreichend gelernt.«
Sie hatte die Blätter mit den Themen ausgeteilt und stand nun vorne an der Tafel als strenge Hüterin der Literatur und ihrer Erkenntnisse, die hoffentlich ihre Wege genommen hatten in die Hirne der bedauernswerten Kids, die auf ihren Stühlen schwitzten und nun nachzuweisen hatten, was hängen geblieben war oder eben nicht. Es würde sich zeigen.
Darm schloss die Augen und legte den Kopf auf den Tisch. Schreiben sollten sie. Einfach so. Ins Blaue hinein. Oder ins Grüne. Oder vielleicht ins Gelbe. Aber da kam nichts. Er dachte an zu Hause. Oder an das, was sich jetzt so nannte. Kurts Laden. In dem Kurt Tag und Nacht vor sich hin werkelte, altdeutsche Schreibtische reparierte, Hühner köpfte, Biedermeierkommoden polierte, Kaninchen entkernte. Zwischendurch kippte er Klare bei Milli. Die führte das Wirtshaus vorn neben dem Laden, war knapp an die sechzig, hatte eine Haut wie gegerbter Wüstensand und eine Stimme, als hätte sie schon mancherlei erlebt.
Darm spürte Augen auf sich, es war Jana. Ihr Mund formte lautlos Worte, die er nicht verstand, er hob die Augenbrauen und zuckte die Schultern.
»Oliver, was ist?«, fragte Frau Voresberg und kam näher.
»Nichts«, sagte Darm unwirsch. »Nichts. Alles klar.«
Aber nichts war klar, nicht literarisch und im Leben schon gar nicht, aber was ging das Frau Voresberg an?
»Schreibst du nicht?«, fragte sie. »Gar nichts?«
»Ja«, sagte Darm und musste grinsen. »Wahrscheinlich gar nichts. Vielleicht ein bisschen was.«
Frau Voresberg schüttelte ein wenig traurig den Kopf. Sie war gerade noch jung, ihre Beine waren länger als Janas, aber ihre Augen nur halb so schön. Sie hatte schwarz gefärbte Haare und trug cremefarbene Hosen, die ihr, das musste Darm zugeben, wirklich gut standen, sich über ihren Hintern spannten, als hätten sie nie etwas anderes getan.
»Als hätten sie nie etwas anderes getan«, schrieb Darm auf das Blatt und musste grinsen, »nie und nimmer in dieser Zeit, die so was von…«
Er stockte und blickte hoch, geradewegs in Frau Voresbergs Augen, deren Augenbrauen hochgezogen waren wie Fragezeichen.
»Wie Fragezeichen«, schrieb Darm, »wie endlose Fragezeichen, und wie kann der Werther sich dann verknallen in eine wie die Lotte?«
Er blickte aus dem Fenster, da ging Hoffmann vorbei, Hoffmann, dessen Vorname mit I begann, so stand es an der Klassentür, »I. Hoffmann«, und Darm fragte sich, ob es einen Vornamen gab, der »Idiot« hieß, und ob er das vielleicht bis jetzt einfach übersehen hatte. Außerdem trank Hoffmann, das wusste Darm, das konnte er sehen, einer wie er konnte das sehen, einer wie er, der Erfahrungen hatte mit Leuten, die soffen und irgendwann daran krepierten.
»Irgendwann daran krepierten«, schrieb Darm, »alle diese Idioten, ich weiß das einfach. Der Faust und der Mephisto sowieso und das Gretchen auch, das kippt einfach um und macht platsch!«
Darm blickte hoch und durch die Klasse. Die meisten schrieben, manche dachten nach mit einer eigenartigen Leere in den Augen, und Darm fragte sich, was aus ihnen allen werden würde, wie viele Säufer, wie viele Kiffer, wie viele Idioten.
»Wahrscheinlich viele Idioten«, schrieb er und musste grinsen, so intensiv, dass es schon fast laut war, »und Idiot«, schrieb er, »sollte manch einer heißen können, das erleichtert grundsätzliche Einschätzungen, und der Werther ist natürlich auch einer, also Idiot Werther, sich in so jemanden wie die Lotte zu verknallen, also wirklich!«
Frau Voresberg schien plötzlich ein wenig glücklich, das sah man, obwohl sie mindestens sechs Meter entfernt stand. Sie lächelte und formte mit ihrem Mund leise Worte, die klangen wie: »Na, geht doch!«
Er nickte freundlich in ihre Richtung, schrieb weiter. »Ja, geht doch. Geht doch! Und was man von der Margarete halten soll, tss tss, dem Gretchen, ich weiß nicht, also ich weiß es wirklich nicht!!« Ausrufezeichen zwei! Darm überlegte. Nein, besser drei. Drei war immer gut. »Drei ist immer gut«, schrieb Darm, »finden Sie nicht auch, Frau Voresberg? Und wenn die Margarete, dieses dumme Gretchen, nicht ganz so dumm gewesen wäre, dann hätte vielleicht sie den Faust eingesackt und nicht umgekehrt.«
Es läutete. »Es läutet«, schrieb Darm, »es läutet. Ende der Zeit. Zeitende. Und die Lotte hat’s auch nicht überlebt und das Gretchen auch nicht und überhaupt überleben’s die Frauen selten, das Leben. Aber die Männer noch viel weniger. Sollte uns das zu denken geben?«
»Und?«, fragte Frau Voresberg und pflanzte sich neben Darm auf.
Darm zuckte die Schultern. »Es sollte uns zu denken geben«, sagte er und räusperte sich.
Frau Voresberg schaltete ihre Fragezeichenaugen wieder ein. »Was??«
Er zuckte die Schultern. »Alles!«, sagte er. »Einfach alles. Und dass mein literarisches Wissen festsitzt. Irgendwo zwischen meinen Schulterblättern, irgendwo in meinen Kniekehlen, dass es sich nicht losbohrt, kann man nix machen.« Er legte den Kopf schief, spürte ein Grinsen hinter seinen Mundwinkeln, schaute Frau Voresberg aufmerksam an.
Sie schüttelte den Kopf, nahm das Blatt aus seiner Hand und warf einen Blick darauf. Er wartete, dass sie vor Schreck nach Luft schnappte, aber sie tat es nicht.
»Machst du dich über mich lustig?«, fragte sie und kniff dann doch ein bisschen feindselig die Augen zu. »Soll das ein Witz sein?«
»Nicht wirklich«, sagte er, ging, ließ sie stehen, drehte sich noch einmal um, zwinkerte. »Aber wenn Sie meinen. Vielleicht. Ja.«
Sie holte Luft, ein bisschen rascher als sonst, ein bisschen außer Fassung, letztlich aber wahrscheinlich unberührt.
Auf dem Flur traf er Jana. Sie hatte gewartet, schaute ihn mitleidig an. »Gehst du auf den Hügel?«, fragte sie. »Soll ich mitkommen?«
Er schüttelte den Kopf.
Wie Immer knarrte die Haustür, Darm warf sie ins Schloss, dass es knallte, und folgte Muskat in die Küche. Er starrte seine Schuhe an, die waren dreckig, aber das war nicht ungewöhnlich, und an den Sohlen hatten sie kleine Risse und Schrunden, durch die das Nasse drang, wenn es regnete. Darm fand das nicht schlimm. Er fand, dass es größere Katastrophen gab als nasse Füße. Er fand überhaupt, dass Füße nicht das Wichtigste im Leben waren, trotzdem war ihm klar, dass es sich gut anfühlte, wenn sie im Laufe eines Tages trocken wurden und sich gut aneinander rieben, zwei Kerle, die sich mochten und zueinandergehörten. Also zerrte er ein bisschen an den Schuhbändern, schlüpfte heraus aus den Schuhen, streckte seine Zehen und knallte sich neben Muskat an den großen Tisch in Kurts Küche.
»Igitt«, sagte Muskat, deutete auf die Schuhe und rümpfte die Nase. »Wie lang hast du die denn schon an?«
Darm zuckte die Schultern. »Schon immer. Warum?«
Muskat nickte und schwieg. Muskat war ein Schweiger. Einer, der sich darauf verstand, das Richtige zu sagen und das Richtige zu schweigen. Und das im richtigen Augenblick. Der trotzdem manchmal falsch war.