Lisa Renee Jones, Peggy A. Hoffmann, Joanne Rock
TIFFANY SEXY, BAND 83
IMPRESSUM
TIFFANY SEXY erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
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Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: info@cora.de |
Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
Cheflektorat: | Ilse Bröhl |
Produktion: | Christel Borges, Bettina Schult |
Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
Vertrieb: | Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstraße 77, 20097 Hamburg, Telefon 040/347-29277 |
© 2011 by Lisa Renee Jones
Originaltitel: „Breathless Descent“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Claudia Biggen
© 2011 by Peggy A. Hoffmann
Originaltitel: „The Mighty Quinns: Danny“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Gabi Krüger
© 2011 by Joanne Rock
Originaltitel: „Making a Splash“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Alina Lantelme
Fotos: mauritius images / Fancy
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXY
Band 83 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 09/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86494-655-4
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Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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„Küss mich!“, fordert Shay den sexy Fallschirmlehrer Caleb auf. Denn sie hofft, dass danach ihre Lust gestillt und er wieder ausschließlich wie ein guter Freund für sie ist. Doch kaum spürt sie seine erregenden Lippen, erkennt sie den gefährlichen Irrtum: Caleb und sie sind heißer aufeinander denn je! Jetzt gibt es kein Zurück mehr …
Eine kleine Affäre kann nicht schaden, glaubt Jordan, als sie mit dem irischen Kunstschmied Danny Quinn zusammenarbeiten muss. Jeden Abend nach Sonnenuntergang lädt sie ihn in ihr Schlafzimmer ein und verbringt dort unvergessliche Liebesnächte mit ihm. Bald begreift sie, dass sie sich auf ein Spiel mit dem Feuer eingelassen hat …
Es ist alles nur ein Versehen, wirklich! Aufgrund einer Wette will Jack Murphy nach der Rückkehr von der Navy das Schiff seines Bruders die Küste hinauf segeln. Dabei hatte er keine Ahnung, dass ausgerechnet seine verführerische Exfreundin Alicia in seiner Koje liegt – und ihn, als wäre nichts gewesen, mit ihrem erregenden Körper willkommen heißt …
Caleb Martin lehnte sich an den Tresen im Fresco Club und beobachtete Shay White. Sie feierte die Tatsache, dass sie mit diesem Tag alt genug war, die ganze Nacht in einem erst ab achtzehn zugelassenen Club durchzutanzen.
Er gab sein Bestes nicht darauf zu achten, dass Shays rotes Seidenkleid ihre schmale Taille und jede sinnliche Bewegung ihrer schlanken, aber kurvigen Hüften betonte. Oh ja, dachte er, während er zusah, wie sie mit einem Mitschüler tanzte, das Kleid schmiegt sich viel zu verführerisch um ihren herzförmigen Po. Als besagter Junge die Hand auf ihre Taille legte und Shay näher an sich zog, verstärkte Caleb den Griff um sein Bierglas, bis er glaubte, es würde gleich zerspringen.
„Soll ich mich darum kümmern, oder willst du das tun, Caleb?“, fragte Kent White, Shays großer Bruder und sein bester Freund seit der Grundschule. Die schnelle Popmusik wechselte zu einem langsamen Blues, und die Hand des Jungen auf Shays Rücken rutschte tiefer.
Kent stellte sein Glas so hart ab, dass Bier herausspritzte. „Verdammt, nein.“ Er stürmte auf die Tanzfläche. Im Stillen feuerte Caleb ihn an, während er beobachtete, wie Shay ihr langes blondes Haar über die Schultern warf, die Hände in die Hüften stemmte und Kent angriffslustig anfunkelte.
Caleb hatte gewollt, dass die Hand von Shays Po verschwand, und das war nun der Fall. Sein Wunsch resultierte allerdings nicht aus brüderlichem Schutzinstinkt, auch wenn das eigentlich so sein sollte. Schließlich hatten die Whites ihn vor sechs Jahren bei sich aufgenommen und behandelten ihn wie ein Familienmitglied, nachdem er mit fünfzehn Jahren beide Elternteile verloren hatte. Er fühlte sich auch als Familienmitglied. In der Familie, in der alle blond waren und helle Augen hatten, sah er mit seinem hellbraunen Haar und den grünen Augen sogar äußerlich so aus, als würde er dazugehören.
Vor zwei Jahren dann, ungefähr zu der Zeit, als Shay sechzehn geworden war, hatte sie angefangen, mit ihm zu flirten. Schon damals war er schlau genug gewesen zu wissen, dass neunzehn zu alt für eine Sechzehnjährige war, abgesehen von der Tatsache, dass sie wie eine Schwester für ihn sein sollte. Also hatte er kurzerhand jeden ihrer Annäherungsversuche abgeblockt.
An diesem Abend jedoch bewirkten ihre neckischen Blicke und ihr aufreizendes Lächeln in Kombination mit diesem Kleid – diesem höllisch sexy Kleid –, dass der Mann in ihm geweckt wurde. Ständig fragte er sich, wie ihre Küsse wohl schmeckten, wie sie sich in seinen Armen anfühlen würde.
Als könnte sie seine Gedanken erraten, sah sie ihn an, und dieser Blick bewirkte, dass ihm heiß wurde. Er wäre ein Narr, wenn er glaubte, er könnte Shay widerstehen, sobald sie nächsten Monat auf die University of Texas ging, an der auch er studierte. Genau das war er aber ganz sicher nicht – ein Narr. Deshalb hatte er eine in der Familie lange debattierte Entscheidung getroffen und inzwischen offiziell gemacht. Er würde am Montag wegfahren, jedoch nicht zurück auf den Campus.
Shay wusste das noch nicht. Sie war die Einzige, die davon bisher nichts erfahren hatte. Er hatte allen anderen Familienmitgliedern das Versprechen abgenommen, nichts zu verraten, bevor sie ihren Geburtstag gefeiert hatte. Gerade erst hatte er seinen Einberufungsbefehl erhalten, und er wollte nicht, dass irgendetwas ihre Party verdarb oder seine Beziehung zu ihr oder zur Familie belastete. Sollte er der Versuchung nachgeben, die Shay White für ihn darstellte, würde aber genau das passieren, so viel stand fest. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden.
Seine Gefühle überwältigten ihn, und er unterbrach den Blickkontakt zu Shay. Er rieb sich kurz das Kinn, stellte sein Bier ab und ging zur Toilette. Ab morgen war er ein Soldat, genau wie sein Dad, der als Held gestorben war, als er das Leben eines anderen Soldaten gerettet hatte. Zur Army zu gehen war die richtige Entscheidung. Caleb fühlte sich schon ziemlich lange berufen, und endlich folgte er seiner Bestimmung.
Ein paar Minuten später verließ er die Toilette und trat auf den engen Gang hinaus. Seine Stiefel scharrten beim Gehen leise über den Holzfußboden. Da entdeckte er Shay, die auf ihn wartete.
„Die Army?“, rief sie. „Und wann genau hattest du vor, mir das zu erzählen?“
„Danke, Kent“, sagte er leise zu sich selbst. „Ich wollte es dir sagen, Shay. Bloß nicht an deinem Geburtstag, Kent wusste das genau.“
„Nicht“, schluchzte sie und warf sich ihm in die Arme.
Sie war warm und anschmiegsam.
„Geh nicht.“ Sie hob das Kinn und sah ihn an, Tränen in den Augen. „Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass dir irgendetwas passieren könnte.“
Weitere dieser verdammten unerlaubten Gefühle stiegen in ihm hoch. „Mir wird nichts passieren“, versprach er.
„So, wie deinem Vater nichts passiert ist?“, fragte sie. „Nein. Ich lass dich nicht gehen. Ich …“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und presste die Lippen auf seinen Mund. Caleb erstarrte einen Moment lang, dann gewannen seine Gefühle die Oberhand. Sie hatte recht. Sein Vater war im Krieg gestorben und seine Mutter an einem Herzanfall. Auch er konnte sterben. Wenn er erst fort war, kam er möglicherweise nie mehr zurück. Doch wenn, wollte er ohne Reue sterben. Und er würde es auf jeden Fall bereuen, wenn er Shay niemals geküsst hätte …
Er schob die Hände in ihr Haar und küsste sie – zuerst tief und gefühlvoll, dann leidenschaftlich. Dabei genoss er das zaghafte Drängen ihrer Zunge gegen seine. Shay schmeckte herrlich. Ein kaum hörbares Seufzen entschlüpfte ihr, während sie ihren Körper an seinen presste, und steigerte seine Erregung.
Plötzlich ertönte Gelächter, und Stimmen näherten sich. Rasch beendete Caleb den Kuss und wich von Shay zurück. Schuldgefühle breiteten sich in ihm aus. „Tut mir leid. Das hätte nicht passieren dürfen. Das war falsch.“
„Mir nicht“, flüsterte sie. „Mir tut es nicht leid.“
Kent kam um die Ecke und beendete dadurch ihr Gespräch. Der intime Augenblick war vorbei, aber die Erinnerung an den Kuss blieb. Dies war kein einfacher Kuss, der bloß geschehen war, dachte Caleb. Er hatte alles für ihn und Shay verändert. Ein Kuss, würdig, einen Mann zur Army ziehen zu lassen und damit vielleicht sogar in den Krieg. Dieser Kuss, fand Caleb, war ebenso Bestätigung, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
„Kommt er?“
„Wer soll kommen?“
Shay ließ das Messer sinken, mit dem sie die Glasur auf die Torte zum vierzigsten Hochzeitstag ihrer Eltern strich, und blickte ihren älteren Bruder Kent an. „Du weißt, wer.“
„Caleb“, sagte er und fischte in der Schüssel neben der Torte nach einer Erdbeere.
Shay schlug ihm auf die Finger. „Nichts essen, bevor die Gäste angekommen sind! Und von wem sonst sollte ich wohl reden? Natürlich frage ich nach Caleb.“ Allein der Klang seines Namens verursachte ein Kribbeln in ihrem Bauch. „Also kommt er nun?“
Kent schnappte sich noch eine Erdbeere und biss davon ab. „Ja, das hat er vor. Warum sollte er nicht kommen? Schließlich ist heute Moms und Dads Hochzeitstag. Sie sind auch seine Eltern.“
„Er ist schon ein paar Monate nicht mehr bei der Army, und ich habe ihn noch immer nicht zu Gesicht bekommen. Deshalb frage ich.“ Und weil sie ihn an ihrem achtzehnten Geburtstag vor zehn Jahren geküsst hatte. Seitdem waren sie einander kaum begegnet. „Innerhalb von zehn Jahren ist er überhaupt nur ein paar Mal nach Hause gekommen.“
Kent schnaubte. „Was erwartest du denn? Er war bei den Special Forces. Eine Eliteeinheit, über die er nicht einmal reden darf. Außerdem hast du ihn vielleicht nicht gesehen, seit er zu Hause ist, aber ich schon.“
„Weil du zu einem Fallschirmspringkurs unter seiner Leitung gegangen bist und dich aus einem Flugzeug gestürzt hast.“ Kent arbeitete als Handelsvertreter für eine führende Sportartikelfirma, und der Körper ihres Bruders war nicht zufällig athletisch und sonnengebräunt. Bei ihm drehte sich alles um Sport, je extremer desto besser. „Du bist zu ihm gegangen, Kent, er ist nicht zu dir gekommen.“
„Er versucht eben, sein Unternehmen in Gang zu bringen“, erklärte er. „Sei nicht so streng mit ihm. Das bedeutet nichts weiter. Seit du deine schicke Psychologie-Praxis aufgemacht hast, liest du immer viel zu viel in alles rein.“
„Ich will bloß nicht, dass Mom und Dad enttäuscht sind“, erwiderte sie. „Heute ist ein besonderer Tag.“
„Er wird da sein“, versicherte ihr Bruder. Die Türglocke läutete. „Das muss der Caterer sein.“ Er sah auf die Uhr. „Nicht eine Minute zu früh. Dreißig hungrige Leute, die auf unserem Garten herumstreunen, könnten unangenehm werden.“ Er wollte schon an die Tür gehen, überlegte es sich dann aber doch noch einmal anders und sagte: „Hör auf, dir Sorgen zu machen. Er wird kommen, und Mom und Dad werden einen wunderschönen Tag erleben.“
Sie nickte halbherzig. Kent musterte sie durchdringend, bis die Türglocke erneut läutete. Daraufhin kratzte er sich am Kinn und ging endlich. Er hatte den Verdacht, dass hinter ihrem Verhalten mehr steckte als schlichte Sorge um ihre Eltern, das hatte sie an seinem Blick erkannt. Wahrscheinlich würde er deswegen später Fragen stellen, die sie ihm ganz bestimmt nicht beantworten würde.
Shay schob sich das Haar hinter die Ohren und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie trug ein schlichtes Strandkleid über ihrem Badezeug. Da sie auf dem College Rettungsschwimmerin gewesen war, hatte ihre Mutter sie eingeteilt, ein Auge auf die vielen Kinder auf der Feier zu haben.
Caleb war früher auch bei den Rettungsschwimmern, dachte Shay. Immer wieder holte die Erinnerung an ihn sie ein. Gerade jetzt sah sie ihn in ihrer Vorstellung in der roten Badehose vor sich, seinen nackten Oberkörper mit den perfekt geformten Brustmuskeln. Sein hellbraunes Haar war mit hellen, von der Sonne gebleichten Strähnen durchzogen gewesen. In seinen grünen Augen schimmerten kleine bernsteingelbe Punkte, und er trug eine Trillerpfeife um den Hals. Sogar diese Pfeife sah sexy an ihm aus. Wie oft hatte sie sich geschworen, eines Tages in diese Trillerpfeife zu blasen? Das war wirklich albern.
Sie schüttelte den Kopf, entsetzt darüber, wie lächerlich deutlich sie sich zudem seine „Trillerpfeife“ ins Gedächtnis rufen konnte. Immerhin war es über zehn Jahre her, seit Caleb besagte rote Badehose getragen hatte. Oder wie leicht es ihr fiel, sich an den Moment zu erinnern, als sie die Lippen auf seinen Mund gepresst hatte, und wie wundervoll straff und geschmeidig er sich angefühlt hatte. Caleb hatte leise gestöhnt, und ihr war klar geworden, dass er diesen Kuss genauso wollte wie sie, auch wenn er niemals den ersten Schritt unternommen hätte. Als er eine Hand auf ihren Rücken gelegt hatte und sie an sich zog, hatte sie geseufzt.
Natürlich war ausgerechnet in diesem Augenblick Kent aufgetaucht und wie vom Blitz getroffen war Caleb zurückgewichen und hatte gesagt, der Kuss sei ein Fehler gewesen.
Nach einem peinlich berührten Familienabschied am nächsten Tag, zumindest peinlich für sie beide, reiste er ab. Während der wenigen Male, in denen er in den letzten zehn Jahren nach Hause kam, war die Spannung, die Anziehung, zwischen ihnen unangenehm deutlich gewesen. Und jetzt, wo er nicht mehr zur Army zurückmuss, geht er mir aus dem Weg, dachte Shay. Das bedeutete, er mied die Familie, ihre gemeinsame Familie.
Sie straffte ihre Schultern, als ihr klar wurde, was sie zu tun hatte. So konnte es nicht weitergehen. Liebe Güte, sie war Therapeutin. Sie half Menschen, mit Problemen umzugehen, und sie wusste, dass sie darin gut war. Jetzt musste sie sich eben auch einmal um die eigenen Angelegenheiten kümmern. Caleb und sie würden miteinander reden und klären, was auch immer zwischen ihnen vorging, statt davor wegzulaufen. Der Schaden war sowieso schon angerichtet.
Sie wollte nach dem Messer greifen, um die Torte fertig zu bestreichen, hielt jedoch inne und stützte sich auf der Arbeitsplatte aus Marmor ab. Wem versuchte sie etwas vorzumachen? Mit einem Gespräch löste sich gar nichts. Ein Gespräch würde niemals die hochexplosive sexuelle Spannung zwischen ihnen abbauen. Bei genauerem Nachdenken kam sie nur auf eine mögliche Lösung. Es war eine drastische Lösung. Sie musste Caleb erneut küssen. Er und sie mussten ein für alle Mal klären, was da zwischen ihnen ablief. Wenn sie es noch einmal taten, wäre es ziemlich wahrscheinlich, dass ihr dieser Kuss gar nichts bedeutete. Dann wäre die ganze Situation endlich entspannt. Wäre das nicht eine echte Erleichterung?
Die heißeste Frau, die Caleb je im Leben gesehen hatte, balancierte in einem rot-weiß gepunkteten Bikini auf dem Sprungbrett. Außerdem war sie die achtundzwanzigjährige „kleine“ Schwester seines besten Freundes. Und da besagter Freund direkt neben ihm stand, versuchte Caleb sich nicht anmerken zu lassen, wie scharf sie ihn machte. Das war nicht leicht, denn seit er sich erinnern konnte, fühlte er sich in Shay Whites Gegenwart immer wie ein Teenager, der seine sexuelle Begierde nicht im Griff hatte.
Wenn Shay ihn damals nicht in Versuchung geführt und stetig provoziert hätte, wäre er möglicherweise gar nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten und zur Army gegangen. Sie hatte praktisch den ausschlaggebenden Anstoß für seine Entscheidung gegeben.
Caleb beobachtete sehr genau, wie sie auf dem Brett auf und ab sprang, als wollte sie ihn absichtlich in ihren Bann ziehen. Für ihn gab es nur noch den Augenblick und Shay auf dem Sprungbrett. Shay in einem Bikini, der einerseits absolut angemessen für die Hochzeitstagfeier im Garten ihrer Eltern war, andererseits aber genug nackte Haut zeigte, um seine Fantasie auf Hochtouren zu bringen.
Ein weiterer Sprung und ihr schlanker, geschmeidiger Körper schwebte anmutig gebogen und dann perfekt gestreckt in Richtung Wasseroberfläche. Caleb ließ den Blick von den Fingerspitzen über ihr schulterlanges blondes Haar und weiter bis zu den umwerfenden langen Beinen gleiten, bis sie schließlich in die blaue Tiefe des Pools eintauchte. Sein Herz hämmerte. Eigentlich müsste Shay das Poolwasser zum Kochen bringen, mit seinem Blut hatte sie das jedenfalls geschafft. Diese Frau war heißer als die späte Julisonne in Austin, Texas, die im Augenblick durch Schleierwolken vom Himmel herunterbrannte.
„Sie stand schon immer gern im Mittelpunkt.“
Caleb blinzelte und erinnerte sich daran, dass Kent neben ihm stand.
„Ja“, stimmte er zu und trank einen Schluck eisgekühltes Bier aus der Flasche in seiner Hand. Das war jetzt nötig. „Shay war immer der Mittelpunkt.“ Kent hatte ja keine Ahnung, wie hundertprozentig das für ihn galt.
„Caleb!“
Sharons warme, freundliche Stimme erklang hinter ihnen. Caleb drehte sich um und landete direkt in ihren Armen.
„Alles Gute zum Hochzeitstag. Vierzig Jahre sind etwas, worauf man wirklich stolz sein kann, Sharon“, sagte er.
„Danke, mein Sohn“, erwiderte sie, während sie ihn noch immer festhielt. Schließlich lehnte sie sich zurück und musterte ihn gründlich. „Nachdem Bob und ich das Lehrerdasein an den Nagel gehängt haben, planen wir, uns ein bisschen zu amüsieren.“
„Das verdient ihr auch.“ Caleb dachte daran, wie sehr sie beide in ihrem Beruf als Highschool-Lehrer aufgegangen waren. Mit fünfzehn war er Kents bester Freund und einer von Sharons Schülern gewesen, als seine leibliche Mutter, die sich abgemüht hatte, um ihn alleine aufzuziehen, an einem Herzanfall starb. Sein Vater war ein paar Jahre zuvor bei einem Militäreinsatz in Übersee ums Leben gekommen.
Ein vertrauter Duft rief Erinnerungen an die Zeit zurück, als Sharon seine zweite Mom geworden war. „Riechst du nach Zuckerplätzchen“, fragte er, „oder bilde ich mir das nur ein?“
„Du hast früher ständig gebettelt, dass ich welche backe.“ Sharon lächelte. „Deshalb habe ich ein ganzes Blech gemacht und für dich in der Vorratskammer versteckt. Ich muss mir ja anscheinend irgendwas einfallen lassen, damit du mich besuchst.“ Sie verzog die Lippen. „Du bist jetzt schon zwei ganze Monate nicht mehr in der Army, und ich habe dich in dieser Zeit erst zweimal gesehen, wenn man heute mitzählt. Schäm dich, Caleb Martin.“
Schuldbewusst senkte Caleb den Kopf. „Tut mir leid.“ Er bedauerte wirklich, dass seine Sorge, Shay über den Weg zu laufen, ihn davon abgehalten hatte, Sharon und ihren Ehemann Bob zu besuchen. Sharon war sein Fels in der Brandung gewesen – sie hatte ihm oft beigestanden, wenn er traurig war, und ihm geholfen, seinen Platz im Leben zu finden. „Du wirst mich ab jetzt ganz bestimmt öfter sehen.“
Die feinen Linien um Sharons wache hellblaue Augen vertieften sich, während sie ihn prüfend musterte. In einer mütterlichen Geste berührte sie sein Haar und dann sein Kinn.
„Du siehst müde aus.“ Sie seufzte. „Ihr arbeitet zu viel, du und deine Freunde. Ich verstehe ja, dass ihr eure Fallschirmsprungschule zum Laufen bringen wollt, aber ihr könnt nicht ständig aus Flugzeugen springen, ohne euch zwischendurch auszuruhen.“
Caleb überlegte kurz. Sie wollte ganz bestimmt nicht hören, dass bis vor gut zwei Monaten Schlaf noch purer Luxus für ihn gewesen war. Stattdessen war es die Norm, zu jeder Tages- und Nachtzeit mit dem Fallschirm in irgendeinem gefährlichen Land zu landen. Also versprach er: „Ich werde vorsichtig sein, aber ich muss hart arbeiten und mit meiner Firma ‚Hotzone‘ Erfolg haben, wenn ich Zivilist bleiben will.“ Das hatte er tatsächlich vor, obwohl es vor einem Jahr noch unvorstellbar für ihn gewesen war.
„Zivilist bleiben …“, ertönte eine sanfte Stimme hinter ihm.
Shay.
In der Sekunde, bevor er sich umdrehte, breitete sich in kleinen Wellen Spannung in seinem Körper aus. Dann sah er Shay an. Die großartige, zierliche und lebhafte Shay hatte sich ein Badetuch um den schlanken Körper gewickelt und trocknete sich mit einem kleineren Handtuch das weizenblonde Haar. Ihre hellblauen Augen blitzten ihn übermütig und herausfordernd an.
„Shay“, warnte Sharon sie, „ärger Caleb nicht.“ Sie lachte und stieß Caleb mit dem Ellbogen an. „Oder besser… Bitte, tu es. Ich finde es einfach wunderschön, meine drei Kinder wieder mal ein bisschen harmlos balgen zu sehen.“
Kinder? Balgen? Kent und er waren einunddreißig. Shay war gerade mal drei Jahre jünger. Man konnte sie kaum mehr Kinder nennen. Im Übrigen wäre eine Balgerei zwischen ihr und ihm kaum harmlos ausgegangen.
„Ihr beiden Damen solltet euch benehmen.“
Diese scherzhafte Rüge kam von Bob White, der sich zu ihnen gesellte. Er hatte Khaki-Shorts an und trug stolz ein T-Shirt mit der Aufschrift „Die Vierziger sind die neuen Dreißiger“. Sein ehemals blondes Haar war nun silbergrau, doch er war immer noch groß und athletisch gebaut und wirkte optisch wie eine ältere, lebenserfahrenere Ausgabe seines Sohnes.
„Gönnt Caleb mal ein bisschen Ruhe“, forderte Bob. „Er baut gerade ein neues Unternehmen auf.“ Er küsste Sharon auf die Wange und legte dann Caleb eine Hand auf die Schulter. „Komm, Junge! Nimm den alten Mann hier mal in die Arme.“
Sie umarmten sich herzlich und klopften sich dabei gegenseitig auf den Rücken.
„Und wo bleibt meine Umarmung?“, fragte Shay.
Caleb erstarrte. Sofort fiel ihm ein, wie Shay sich an ihrem achtzehnten Geburtstag in seinen Armen angefühlt hatte. Diese Umarmung hatte alles verändert. An jenem Abend hatte er sich vergessen und sie geküsst. Falls sie nicht gestört worden wären, wäre vielleicht sogar noch mehr passiert. Nein, sagte er sich, vielleicht war das falsche Wort. Er hätte ganz sicher nicht widerstehen können. Die Anziehung, die von Shay ausging, war unfassbar stark und schien mit den Jahren sogar noch zugenommen zu haben. Es war ein bisschen so, wie bei gutem Wein, der über die Jahre reift und schließlich unwiderstehlich schmeckt. Diese Lektion hatte er bei den wenigen Besuchen zu Hause lernen müssen. Jetzt stand Shay direkt vor ihm, und ihre Nähe machte ihn wie immer verrückt.
„Es sei denn, du hast Angst, dabei nass zu werden“, sagte sie spöttisch und ließ den Blick über seine Jeans und sein T-Shirt gleiten.
Mit dieser Kleidung bildete er einen Kontrast zu allen anderen Anwesenden, die entweder Badesachen oder Shorts und lässige Strandkleidung trugen.
„Du bist wirklich nicht für den Pool angezogen.“ Sie grinste. „Du weißt aber schon, was Poolparty bedeutet, oder?“
Im Grunde genommen hätte er nichts lieber getan, als mit Shay in den Pool zu springen, mit nichts zwischen ihnen als den dünnen Stoff ihrer Badesachen, aber genau deswegen war er in voller Montur erschienen.
Er wappnete sich innerlich vor der Wirkung, die diese unvermeidliche Umarmung gleich auf ihn haben würde, und beschloss, sofort danach auf die andere Seite des Pools zu flüchten. Entschuldigend hob er die Bierflasche und versuchte, mit einer kurzen, einarmigen Umarmung davonzukommen. „Wie geht’s dir denn so, Shay?“
Sie schlang sofort die Arme um seinen Nacken und verhinderte ein Ausweichen. Die Umarmung musste für unbeteiligte Beobachter herzlich und harmlos wirken, während Shay ihren warmen, kurvigen Körper an ihn schmiegte, doch sie beide wussten, dass mehr dahintersteckte. Caleb sehnte sich seit langer Zeit danach, sie in den Armen zu halten. Er wollte sie an sich ziehen, er wollte ihren Duft einatmen und ihn verinnerlichen.
Im Lauf eines Jahrzehnts hatte er als Soldat in einer Spezialeinheit die Welt bereist, und natürlich hatte es für ihn andere Frauen gegeben. Doch er hatte es nie bedauert, sie verlassen zu müssen, wenn er an einen anderen Einsatzort gerufen wurde. Shay verlassen zu müssen hatte er dagegen sehr bedauert. Er fragte sich oft, ob seine Gefühle für sie der Grund waren, weshalb keine andere Frau ihm jemals mehr bedeutet hatte. Fraglos hatte sie ihn vor langer Zeit tief im Innern berührt und nie wieder losgelassen.
„Du hast mir gefehlt, Caleb“, sagte sie dicht an seinem Ohr.
Du hast mir auch gefehlt, dachte er, schwieg jedoch, denn er hatte Angst, dass die anderen hören würden, dass er diese Worte als Mann sagte und nicht als Bruder. Doch er war ihr Bruder. Geschwister blieben für immer miteinander verbunden. In dem Augenblick, da mehr aus Shay und ihm wurde, wären sie wie jedes andere Paar. Sie könnten sich zerstreiten und anfangen, einander zu hassen. Er würde dadurch mehr als nur sie verlieren – er würde seine ganze Familie verlieren. Ein zweites Mal. Nie wieder wollte er durchmachen, was er als Teenager hatte durchstehen müssen.
Also schnappte er sich das nasse Handtuch, das sie ihm über die Schulter gelegt hatte, und trat einen Schritt zurück. „Danke für die feuchte Schulter, Shay-Shay“, neckte er sie in Erinnerung an früher. Mit diesem spielerischen Umgangston brachte er ihre Beziehung wieder dorthin, wo sie hingehörte. Sie waren Geschwister, die sich wie üblich gegenseitig aufzogen.
„Oh Mann“, protestierte sie und nahm ihm das Handtuch weg. „Nenn mich nicht so. Du weißt, dass ich das hasse.“
Kent lachte. „Dir hat es gefallen, als du dreizehn warst …“
„Dreizehn“, stieß sie aus. „Damals habe ich auch gern ‚Verkleiden‘ in Moms Ankleidezimmer gespielt.“
„Und du hast dich in Shay-Shay Vavoom verwandelt“, stichelte Kent weiter.
„Ich hasse dich, Kent“, fauchte sie ihren Bruder an. „Ich hasse dich wirklich.“
Kent lachte nur noch mehr. „Für einen Bruder ist diese Aussage das ultimative Kompliment, richtig Caleb?“
„Richtig“, stimmte Caleb ihm zu. Dieses Gespräch führte genau dahin, wo er es haben wollte. Zufrieden wollte er einen Schluck Bier trinken, da riss Shay ihm die Flasche aus der Hand. Dabei streiften sich ihre Fingerspitzen und seine Haut kribbelte an der Stelle, wo sie ihn berührt hatte.
„Ich bin die Jüngste“, sagte sie und nahm einen Schluck. „Ich bekomme immer, was ich will.“
Während diese Bemerkung auf jeden anderen völlig unschuldig wirkte, wusste er genau, dass sie alles andere als unschuldig gemeint war.
Caleb nahm Shay die Flasche aus der Hand. „Es ist schon komisch mit diesem Bier“, sagte er. „Ich habe es mir aus der Küche geholt, und jedes Mal, wenn ich diese Küche betrete, fällt mir eine gewisse Jeans ein, die dir wirklich viel bedeutet hat.“
Ein wenig entsetzt sah Shay ihn an. „Denk nicht mal dran, Caleb“, warnte sie ihn.
Kent grinste. „Oh ja. Diese verdammte Jeans.“
„Das gilt auch für dich, Kent“, sagte sie. „Oder ich organisiere nicht dieses Blind Date mit Anna, um das du mich gebeten hast.“
Bob lachte. „In dem Fall muss wohl ich für uns alle sprechen. Warum, um alles in der Welt, hast du die Jeans überhaupt in den Backofen gesteckt? Erklär mir das mal. Das wollte ich schon immer wissen.“
„Diese Frage habe ich schon tausendmal beantwortet“, erklärte sie und verzog ärgerlich die Lippen. „Ich war damals sechzehn. Sechzehn! Jetzt bin ich achtundzwanzig und, ich darf hinzufügen, eine zugelassene Psychologin. Ich helfe Menschen Traumata zu verarbeiten, die durch schlimme Erfahrungen entstanden sind. Für den Fall, dass du das nicht weißt, Daddy, diese Geschichte war eine schlimme Erfahrung.“
„Der Wäschetrockner war kaputt“, erklärte Caleb, als auf Bobs Gesicht völlig unnötig ein schuldbewusster Ausdruck auftauchte. Egal, wie aufgebracht Shay wirkte, sie würde mit den Spötteleien fertig werden. Er liebte es, wenn ihre Wangen sich röteten und ihre Augen förmlich Funken sprühten. „Sie brauchte ihre beste Jeans für eine Party.“ Diese Jeans hatte er ebenfalls besonders gemocht. Sie hatte fabelhaft gesessen und Shays knackigen Po besonders vorteilhaft zur Geltung gebracht.
Shay warf ihm einen scharfen Blick zu, der das Lächeln aus seinem Gesicht wischte. Mit ziemlicher Sicherheit wäre sie sonst wohl auf ihn losgegangen.
Sharon seufzte. „Männer verstehen einfach nicht, wie wichtig die perfekte Jeans für eine Frau ist“, verteidigte sie ihre Tochter. „Eigentlich war das ziemlich schlau, sie in den Backofen zu schieben. Das war wie Wäschetrocknen in einer Sauna. Ich finde, damit hat Shay Initiative und Einfallsreichtum gezeigt.“
Bob riss verständnislos die Augen auf. „Seit wann nennt man es einfallsreich, die Küche abzufackeln?“
„Wie viele Experimente, glaubst du, sind dem berühmten Erfinder Thomas Edison schiefgegangen?“, entgegnete Sharon.
„Was hat sie denn versucht zu erfinden?“ Bob gab nicht auf. „Die schnellste Art und Weise, das Haus ihrer Eltern zu zerstören?“
„Wenn du den Herd vielleicht nur auf warm gestellt hättest und nicht auf höchste Stufe, Shay-Shay“, sagte Kent in väterlichem Ton, nachdem er einen Schluck Bier getrunken hatte, „dann wäre aus deinem tollen Einfall möglicherweise kein zündender Reinfall geworden.“ Er warf Caleb einen Blick zu. „Was denkst du?“
„Ich hab den Herd nicht auf höchste Stufe gestellt!“, widersprach Shay lautstark, bevor er etwas erwidern konnte.
Sie stemmte die Hände in die Hüften, wie sie das immer tat, wenn sie wütend war und dabei rutschte das Handtuch bis zu ihrer Taille hinunter. Beim Anblick ihrer festen Brüste, die mit nichts als einem kleinen Bikinioberteil bekleidet waren, musste Caleb schlucken.
„Ich hatte den Herd auf warm gestellt, als ich zum Duschen ging. Wie sollte ich denn ahnen, dass die Hose in Flammen aufgehen würde?“ Mit einer Hand griff sie nach dem Badetuch und mit der anderen machte sie eine wütende Geste in Richtung Kent und Caleb. „Wie kommt es eigentlich, dass ich jedes Mal von einer Erwachsenen zum Teenager werde, der sich verteidigen muss, sobald ihr beide anwesend seid?“
Kent grinste. „Betrachte es als Geschenk.“
Sie schnaubte aufgebracht. „Ich habe ein Geschenk für dich, Kent“, sagte sie. „Und ihr Name ist nicht Anna.“ Sie fixierte Caleb. „Ich weiß, was du gerade beabsichtigst, Caleb Martin, aber das wird nicht funktionieren. Dein Spiel kann von zweien gespielt werden. Merk dir das.“
Bevor er darauf reagieren konnte, machte sie auf dem Absatz kehrt und stolzierte zum Pool zurück, wo sie das Badetuch fallen ließ. Es glitt auf den Boden, und er konnte ihren sexy Po bewundern. Innerlich stöhnte Caleb auf. Das einzige Spiel, das er nach der Party spielen würde, hieß „lange kalte Dusche“.
Caleb war ziemlich lange fort gewesen, aber das Werfen von Hufeisen war anscheinend immer noch beliebt. Er spülte ein weiteres Bier hinunter, während er Kent dabei zusah. Ungefähr sieben oder acht Personen, die alle entweder zur Familie gehörten oder Freunde waren, hatten sich zum Spielen versammelt. Caleb kannte ein paar.
Bob stieß bellendes Gelächter aus, als Kents Wurf ungefähr so nah am Ziel landete, wie Caleb bei dem Versuch erfolgreich war, so zu tun, als wüsste er nicht ständig genau, wo Shay sich gerade aufhielt. Vor wenigen Minuten hatte sie im Pool auf die Kinder aufgepasst und mit ihnen gespielt. Die süße, bewundernswerte Shay half immer gerne.
Als er vor ein paar Jahren zu Besuch nach Hause gekommen war, hatte es ihn nicht überrascht, dass Shay ehrenamtlich in der College-Beratungsstelle jobbte. Diese Arbeit hatte vermutlich sogar zum Wechsel ihres Studienfachs beigetragen, denn sie studierte irgendwann nicht mehr Wirtschaft, sondern Psychologie. Schon früher hatte sie jedes streunende Tier aufgenommen, das ihr über den Weg lief. Im Prinzip war es genau das, was ihre Familie auch mit ihm gemacht hatte. Die Whites hatten alles getan, was in ihrer Macht stand, damit er sich ihnen zugehörig fühlte. In der Army hatte er ebenfalls eine Art Zugehörigkeitsgefühl entwickelt, aber keinen Familiensinn – das hatten nur die Whites geschafft.
„Hast du auf die Auffahrt draußen gezielt, Kent?“, erkundigte sich Bob, während Kent sein Gesicht mit den Händen bedeckte und sich über seinen schrecklichen Wurf ärgerte. Kent hatte Bier noch nie gut vertragen. Caleb hatte fast vergessen, wie unterhaltsam diese Tatsache sein konnte. Er hatte in den letzten Jahren vieles verpasst, auch wenn er das lange nicht zugeben wollte und sich vormachte, er würde nichts vermissen.
Kent warf ihm einen finsteren Blick zu. „Willst du nicht auch noch deinen Senf dazugeben?“
„Nee, Mann“, sagte Caleb mit unschuldiger Miene. „Mir ist klar, dass du selbst weißt, wie schlecht dieser Wurf war, da muss ich dich nicht extra darauf hinweisen.“
Rick Jensen, Kents Kumpel, der sich zu ihnen gesellt hatte, meinte: „Du gibst dem Slogan ‚Just Do It‘ eine ganz neue Bedeutung.“
Rick arbeitete als Arzt für das Baseballteam der University of Texas und spielte offensichtlich auf Kents Angewohnheit an, im Alltag häufig Werbeslogans zu zitieren.
„Du musst gerade reden, Rickster“, erwiderte Kent und schnappte sich seine Bierflasche von der Stelle, wo er sie auf dem Boden abgestellt hatte. „Wir wissen doch beide, dass du die Bedeutung von ‚Just Do It‘ gar nicht kennst, denn sonst hättest du Shay inzwischen wenigstens mal gefragt, ob sie mit dir ausgeht.“
Caleb war nicht sicher, wessen Kinnlade tiefer herunterklappte – Ricks, Bobs oder seine. Es war ein denkbar knappes Ergebnis.
„Verdammt, Kent“, schimpfte Rick, der plötzlich trotz der gebräunten Haut ziemlich blass wirkte. „Warum kannst du nie deine Klappe halten?“
„Nun, Schweigsamkeit gehört nicht gerade zu seinen hervorstechenden Eigenschaften“, sagte Bob trocken. „Man musste dem Jungen nicht mal einen Klaps auf den Hintern geben, als er auf die Welt kam. Er schrie schon damals von ganz alleine.“
Shay und ihr Liebesleben gingen Caleb nichts an, weshalb also sträubten sich ihm dann sämtliche Nackenhaare, weshalb bekam er eine Gänsehaut?
„Du wartest immer auf ein Zeichen“, fuhr Kent an Rick gewandt fort, als hätte er die Bemerkung seines Vaters gar nicht gehört. „Da wartest du vergeblich. Shay gehört nicht zu den Frauen, die flirten. Da ist sie altmodisch. Sie wird nicht auf dich zukommen. Du wirst dich überwinden und den ersten Schritt machen müssen.“
Rick wirkte nicht überzeugt, machte den Mund auf und schloss ihn wieder, ohne etwas zu sagen.
Bob musterte ihn. „Was beunruhigt dich denn, Junge?“
Seine Frage ließ Caleb erstarren. Bob mochte diesen Kerl. Verflixt, er selbst mochte Rick. Nein, er hasste ihn.
„Sie ist nett zu mir“, sagte Rick nach kurzem Zögern. „Aber nicht übermäßig. Falls sie mich abblitzen lässt, möchte ich nicht, dass sich jemand von euch später in meiner Gegenwart unwohl fühlt.“ Er lachte. „Oder dass Kent mir in den Hintern tritt, weil ich sie verrückt mache oder so was.“
Genau darum ging es. Rick hatte gerade in Worte gefasst, was Caleb fühlte. Dabei gehörte Rick nicht einmal zur Familie.
„Zum Mitschreiben“, verkündete Kent. „Meine Schwester ist eine Lady, aber sie gibt sich nicht mit Schrott ab. Sie wird dir persönlich in den Hintern treten, wenn du die Sache versaust. Dazu braucht sie mich nicht. Aber du musst dich schon vorher mit ihr verabreden, damit überhaupt jemand von uns die Chance bekommt, dir in den Hintern zu treten.“
„Und ich möchte nichts lieber als euch diese Chance geben“, erwiderte Rick sarkastisch. „Mann, du bist nicht gerade hilfreich.“
Kent seufzte frustriert und wandte sich an Caleb: „Sag du’s ihm. Sag Rick, wenn er Shay will, muss er den ersten Schritt machen.“ Er wies in die gegenüberliegende Ecke des Gartens zu den Tischen, auf denen das Büfett hergerichtet war. Dort stand seine Schwester.
Caleb schaute hinüber und stellte erleichtert fest, dass sie jetzt ein gehäkeltes weites Oberteil über dem Bikini trug, sodass er sie nun anschauen konnte, ohne sofort eine Erektion zu bekommen. Mann, bin ich erbärmlich, dachte er gereizt.
„Mach es. Jetzt. Heute. Frag sie, ob sie mit dir ausgeht“, drängte Kent seinen Kumpel Rick.
Caleb fühlte sich ebenfalls angesprochen und dachte über das nach, was Kent gesagt hatte. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass Shay nicht auf ihn zukommen würde. Es war nicht ihre Art, sich an Männer heranzumachen. Kent hatte recht, aber an ihn hatte sie sich herangemacht. Früher schon und sogar heute hatte sie offen mit ihm geflirtet, hatte ihn umarmt, ihn festgehalten und ihren sinnlichen Körper an ihn gepresst, ihn bewusst gereizt. Möglicherweise hieß es, dass sie ihn wirklich begehrte. Oder vielleicht bedeutete es auch nur, dass sie eine verdorbene Seite hatte, die er nicht kannte – dass sie es genoss, ihn zu verhöhnen, weil sie wusste, er würde es niemals wagen, seinem Verlangen nachzugeben. Wenn sie tatsächlich zu solchen Spielchen fähig wäre, würde es ihm leichtfallen, sich von ihr abzuwenden. Doch tief im Innern wusste er genau, dass Shay nicht verdorben war.
„… verschiebe nicht auf morgen. Richtig, Caleb?“
„Richtig, was?“
„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, wiederholte Kent und ballte eine Hand zur Faust. „Mach es, Rick.“
Caleb holte tief Atem und hob sein Bier. „Wenn du es machen willst, dann mach es.“ Am besten hier und jetzt, wo er Rick in seinen Doktor-Gutmensch-Hintern treten konnte, sollte er sich danebenbenehmen. Was er natürlich nicht tun würde. Schließlich war er ein netter Kerl. Doch die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.
Caleb musste wieder daran denken, wie Shay sich damals auf die Zehenspitzen gestellt und ihre vollen Lippen auf seine gepresst hatte. Er erinnerte sich an ihre Zunge, mit der sie zögernd seine berührt hatte. Beinahe hätte er aufgestöhnt.
„Du hast den Mann gehört“, sagte Kent. „Just do it.“
Rick atmete tief ein und reichte Caleb seine Bierflasche. „Pass für mich darauf auf. Ich könnte den Alkohol später noch brauchen.“
Falls Rick dachte, er würde sein Bier wiederbekommen, war er schief gewickelt. Ich werde ihm gar nichts geben. Jedenfalls nichts, dachte er bitter, außer der Frau, die ich selbst gern hätte und nicht haben kann. Nein, das Bier würde Rick auf keinen Fall zurückbekommen.
Shay stand am Büfett und aß aus Frust Gurkensalat mit einem herzhaften Ranchdressing, das hatte sie schon als Kind gemocht. Sie wagte es nicht mehr, zu dem Teil des Gartens zu schauen, wo die Männer mit Hufeisen warfen, sie hatte auch genug gesehen. Ihren Plan, Caleb erneut zu küssen, hatte sie längst aufgegeben. Während sie ihn dabei beobachtete, wie er mit Kent, ihrem Vater und den anderen Familienmitgliedern und Freunden umging, waren ihr die Augen aufgegangen. Jede Sekunde, die er länger hier war, entspannte er sich mehr und beteiligte sich an den Scherzen und Insiderwitzen.
Er gehörte hierher, obwohl er so lange weggeblieben war. Sie wusste, weshalb er das getan hatte. Es war ihretwegen gewesen, weil sie ihn geküsst und er sich dadurch unwohl in seiner Haut gefühlt hatte. Er glaubte nicht, dass sie dieselbe Familie teilen und gleichzeitig eine Beziehung haben konnten. Das bedeutete wiederum, dass ihr verlockender Plan, ihn noch einmal zu küssen, selbstsüchtig und falsch war.
„Hi, Shay.“
Shay erschrak heftig und kippte, sie wusste selbst nicht wie, ihren vollen Pappteller auf Ricks Hemd. Bei dieser Gelegenheit flog eines der Gurkenstückchen durch die Luft und landete auf seinem Kopf. Wieder einmal hatte sie es geschafft, einen von Kents Kollegen in Verlegenheit zu bringen.
„Oh Gott! Rick. Tut mir schrecklich leid.“ Zerknirscht schnippte sie die Gurkenscheibe von seinem Kopf und warf den Pappteller in einen Mülleimer. An Ricks Hemd klebte noch reichlich Salatsoße. „Ich kann nicht glauben, dass ich so ungeschickt bin. Ich habe gerade dran gedacht, dass … ich … Es tut mir leid.“ Shay reichte ihm mehrere Servietten.
„Das ist schon okay“, sagte er und wischte lächelnd sein Hemd ab. „Obwohl das jetzt schon irgendwie den coolen Auftritt verdirbt, den ich gerade geplant hatte.“
Sie lachte. „Eine todsichere Sache, um zu erkennen, wie cool jemand wirklich ist, ist die Art und Weise, wie er mit einem Teller Gurkensalat und Dressing auf seinem Hemd umgeht. In Anbetracht dessen, dass sich das ziemlich eklig anfühlen muss, hast du die Situation mit absoluter Coolness gemeistert.“
Er holte tief Luft. „Dann hoffe ich, dieser Augenblick ist der richtige, um dich zu fragen, ob du Lust hast, mit mir essen und ins Kino zu gehen.“
„Oh … ich …“ Liebe Güte, das hatte sie nicht vorausgesehen, sie hatte sich doch noch nie länger mit ihm unterhalten. „Abendessen und Kino? Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Wie wär’s denn mit einem Ja?“, fragte er hoffnungsvoll und wirkte dabei bemerkenswert unsicher für jemanden, der eine Menge Gründe hatte, selbstbewusst zu sein.
Mit seinem dunklen Haar, den dunklen Augen und dem schüchternen Lächeln sah er sehr gut aus. Er war Arzt und noch dazu betreute er eine Profibaseballteam. Es gab genug Themen, über die sie sich unterhalten konnten, ihren Beruf, Patienten, die körperlichen Auswirkungen von Stress und so weiter.
Warum sagte sie dann nicht einfach zu? Wegen Caleb natürlich. Caleb war der Grund. Caleb. Caleb. Caleb. Caleb, der tabu war. Caleb, nach dem sie sich nicht sehnen durfte. Sag einfach Ja, befahl sie sich im Stillen. Stattdessen sagte sie: „Ich möchte nicht zwischen dich und Kent geraten. Er ist da manchmal ein bisschen schwierig.“
„Oh, er weiß es“, sagte Rick rasch. „Genau wie dein Vater und Caleb. Ich würde nicht im Traum daran denken, mich dir zu nähern, ohne vorher mit deiner Familie gesprochen zu haben. Immerhin sind wir alle befreundet.“
Das Herz schlug ihr bis zum Hals hinauf. Einen Moment lang war sie wieder das junge Mädchen, das für einen Jungen schwärmt, der sie nicht will, der behauptet, sie sei zu jung. Sie hatte es satt, in seinen Augen dieses Mädchen zu sein. Schon viel zu lange sehnte sie sich nach diesem Mann, der sie immer wieder abwies.
„Caleb?“, fragte sie. „Caleb weiß, dass du mit mir ausgehen willst?“ Sie erwartete gar keine Antwort, da sie sie sowieso schon kannte.
Sie drehte sich um und blickte zum anderen Teil des Gartens. Caleb lehnte lässig am Stamm einer alten Eiche. Er beobachtete sie und Rick, das sah sie, obwohl er zu weit weg war, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen. Das war auch gar nicht nötig. Sie spürte seine Anwesenheit mit jeder Faser ihres Körpers, auch wenn sie das nicht wollte. Nicht mehr. Sie wollte ihn sich aus dem Kopf schlagen. Er sollte nicht mehr ihre Träume und ihr Leben beeinflussen. Außerdem schien er zu glauben, Rick würde gut zu ihr passen. Vielleicht sollte sie auch so denken. Trotzig hob sie das Kinn und ignorierte den feinen stechenden Schmerz in der Brust, der sich auszubreiten drohte.
„Ich wollte dich nicht aufregen“, sagte Rick. „Ich dachte, Caleb wäre wie ein Bruder für dich. Kent meinte …“
„Das ist er“, unterbrach Shay ihn und wandte sich wieder Rick zu. „Caleb ist mein zweiter Bruder. Ich bin bloß nicht mehr daran gewöhnt, ihn um mich zu haben.“ Sie musterte Rick. Verdammt, er sah sehr gut aus und er war nett. Sie wäre verrückt, würde sie ihn nicht beachten. Außerdem brauchte sie jemanden, den sie küssen konnte. Jemand anderes als Caleb, jemanden, der sie veranlasste, klar zu denken.
Sie schenkte Rick ein strahlendes Lächeln in der Hoffnung, es würde wenigstens ein bisschen überzeugend wirken und hakte sich bei ihm unter. „Lass uns reingehen, und ich sehe zu, dass ich ein Hemd für dich finde, das nicht mit Salatsoße beschmiert ist.“
Seine Miene erhellte sich, und er legte eine Hand auf ihre. Während sie zum Haus gingen, erzählte Rick irgendetwas aus seinem Berufsleben. Shay versuchte zuzuhören, aber das Kribbeln auf ihrer Haut, weil sie beobachtet wurde, lenkte sie ab. Caleb sah ihr nach. Wahrscheinlich war er jetzt froh, denn er hatte sich durchgesetzt. Sie ging mit einem anderen Mann weg.
In dem Augenblick, als Shay mit Rick in Richtung Haus ging, fühlte Caleb sich betrogen. Es war ein bisschen so, als hätte jemand aus seiner Einheit – ein vertrauter Freund – plötzlich eine Waffe gezogen und auf ihn geschossen. Caleb spürte einen heftigen Stich, obwohl das völlig verrückt war. Shay schuldete ihm nichts. Er hatte kein Recht, irgendwelche Ansprüche zu stellen.
Er trank sein Bier aus, danach machte er dasselbe mit Ricks Bier. Vielleicht zum ersten Mal seit Jahren wollte er sich betrinken, und zwar so richtig, bis er sturzbesoffen war. Er blickte zu Sharon, die neben Bob stand und ihren Mann glücklich anlächelte. Also gut, sich betrinken kam nicht infrage. Zumindest nicht hier und nicht jetzt.
Er sah zu, wie einer von Bobs Brüdern ein Hufeisen warf. Onkel Mickey war ein gutmütiger Kerl, der ihm immer das Gefühl gegeben hatte, ein echtes Familienmitglied zu sein, was ja auch der Fall war. Dies hier war seine Familie. Shay war seine Familie. Er holte sich ein weiteres Getränk. Diesmal schmeckte das Bier schal und bitter, wie das Gefühl, das sich in ihm ausbreitete.
Kent warf ebenfalls noch einmal und verfehlte erneut das Ziel. Mickey und Bob rissen Witze darüber, und Kent kam zu ihm.
„Mach schon und lass deinen Spruch hören. Bring es hinter dich.“
Caleb hörte Kent kaum zu, obwohl der direkt neben ihm stand und ziemlich aggressiv wurde. Er dachte über Shay nach und über ihren Gesichtsausdruck, kurz bevor sie sich abgewandt hatte. Sie hatte trotzig ausgesehen, dann war sie Arm in Arm mit Rick weggegangen. Sie versuchte ihn eifersüchtig zu machen. Oder sie wollte ihn ärgern.
Er sah Kent an und stieß die beiden Bierflaschen, die er gerade geholt hatte, aneinander. „Nüchtern warst du noch nie ein guter Schütze. Trink aus. Ich besorge uns Nachschub.“