Timo Parvela

Ella und ihre Freunde
außer Rand und Band

Aus dem Finnischen von
Anu und Nina Stohner

Mit Bildern von Sabine Wilharm

Illustration

Carl Hanser Verlag

Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel Ella ja kaverit juhlatuulella bei Tammi in Helsinki.

Die Übersetzung wurde gefördert vom FILI – Finnish Literature Exchange.

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Das Hörbuch Ella und ihre Freunde außer Rand und Band, gelesen von Friedhelm Ptok, erscheint bei Igel Records.

ISBN 978-3-446-24707-9

© Text Timo Parvela 2003 und 2008

© Carl Hanser Verlag München 2014

Alle Rechte vorbehalten

Aus dem Finnischen von Anu und Nina Stohner

Satz im Verlag, Isabell Eschenberg

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Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Inhalt

Pekka muss bleiben!

Der Lehrerrettungsplan

Bonbons für alle!

Auauauaua!

Ich sehe mich als …

Ich weiß nicht, warum

Das kommt jetzt ein bisschen überraschend

Buenos días!

Ein neuer Plan

Brrr!

Ich bin der Beste und der Fähigste

Mein Nacken friert

Er hat eindeutig das Zeug dazu

Bin wohl hiergeblieben

Die Schatzsuche

Lang, lang ist’s her …

Nichts!

Wo steckt Onkel Lauri?

Schaut genau hin!

Und wieso ist die Seife schwarz?

Wie kriegt man so was wieder weg?

Sei still und iss deinen Teller leer!

Seltsam

Treffer

Ein lustiges Bild

Aha!

Versteht das jemand?

Ein schöner Tag

Eine dunkle und stürmische Nacht

Sechzig was?

Attacke!

Mein Schatz!

Lecker!

So ein Zirkus!

Ich arbeite schon im Zirkus

Ich häng hier nur ein bisschen ab

Wir sind Sandmännchen

Ein Riesenkackhäufchen

Ich hab eine Überraschung für euch

Echt in Feierlaune

Pekka muss bleiben!

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Der Lehrerrettungsplan

Ich heiße Ella. Unsere Klasse ist sehr nett, und unser Lehrer ist auch sehr nett. Oder jedenfalls war er es früher, bevor er wieder mal verschwunden ist. Unser Lehrer verschwindet öfter.

»Wahrscheinlich hat ihn jemand entführt, und wir sollen einen Sack voll Lösegeld für ihn bezahlen«, vermutete Hanna.

»Das reicht vielleicht gar nicht für so einen guten Lehrer«, vermutete Pekka.

»Wer mir einen Sack voll Geld abluchsen will, kriegt eins auf die Nase«, drohte unser Klassenrambo.

»Du hast doch gar keinen Sack voll Geld«, sagte Hanna, die von uns allen am praktischsten denkt.

»Wenn ich den erwische, der ihn mir geklaut hat, kriegt er eine vor den Latz geknallt«, knurrte der Rambo.

»Und was, wenn der Lehrer nur den Globus aus dem Kartenraum holen gegangen ist?«, fragte Tiina, die manchmal ein bisschen wenig Fantasie hat.

»Bestimmt ist er im Treibsand stecken geblieben«, sagte ich.

»Ist das der, in dem man für immer versinkt?«, fragte Hanna entsetzt.

»Und wer sagt uns dann nachher, wenn die Schule aus ist, dass wir nach Hause dürfen?«, fragte Mika entsetzt.

»Wir müssen den Lehrer retten«, beschloss Timo, unser Klassengenie.

Also dachten wir uns einen Lehrerrettungsplan aus.

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Er hatte drei Punkte:

1. Wir bringen den Sack voll Geld in den Stadtpark.

2. Wir retten den Lehrer aus dem Treibsand, indem wir ihm den Globus zuwerfen.

3. Wir retten die ganze Welt.

4. Wir stopfen dem Entführer das Lösegeld in den gierigen Hals. (Auf dem zusätzlichen vierten Punkt bestand der Rambo.)

Bevor wir den Plan in die Tat umsetzten, warteten wir noch einen Augenblick, weil wir nämlich weder einen Sack voll Geld noch einen Globus hatten.

»Vielleicht ist er ja auch nur auf dem Klo«, sagte Tiina.

»Und hat aus Versehen seine Brille in die Kloschüssel fallen lassen«, sagte Hanna entsetzt.

»Und sie runtergespült«, sagte ich entsetzt.

»Mitsamt dem Globus«, sagte Pekka entsetzt.

»Und ohne Brille findet der Lehrer den Weg ins Klassenzimmer nicht mehr«, schloss Timo messerscharf.

»Aber ohne den Globus auch nicht«, schloss Pekka. Er ist unser Klassendödel.

Wir wollten gerade losrennen, um den Lehrer zu suchen, als er ins Klassenzimmer kam. Er stellte den Globus auf seinen Tisch und rückte die Brille zurecht.

Bonbons für alle!

»Heute gibt’s Bonbons für alle!«, sagte der Lehrer am nächsten Morgen.

Wir wunderten uns.

»Und Limonade dazu!«, sagte der Lehrer.

Wir wunderten uns noch mehr.

»Wenn ihr Lust auf Zimtschnecken habt, kann ich welche backen gehen«, versprach der Lehrer.

Es gibt vieles auf der Welt, worüber man staunen kann, aber am meisten staunen wir immer über unseren Lehrer.

Während er in der Schulküche Zimtschnecken backen ging, hielten wir eine kleine Sitzung ab.

»Der Lehrer ist heute ein bisschen komisch«, fand Hanna.

»Stimmt. Mir wäre Heidelbeerkuchen lieber gewesen«, sagte Pekka.

»Vielleicht hat er Geburtstag«, vermutete Tiina.

»Und wir haben kein Geschenk für ihn«, stellte Hanna fest.

Also versuchten wir uns schnell ein Geschenk auszudenken. Es musste etwas sein, was dem Lehrer gefiel und ihm viel Freude machte. Etwas, was von Dauer war und ihn immer an uns erinnerte.

»Wir schenken ihm Pekka«, schlug Timo vor.

Timo ist echt ein Genie, und die Idee war toll. Der Lehrer würde sich riesig freuen, wenn er zum Geburtstag einen Schüler bekam, dem er auch nach Feierabend noch was beibringen konnte. Und Pekka konnte er noch viel beibringen! Er war echt ein Geschenk fürs Leben.

Dann kam der Lehrer zurück ins Klassenzimmer und brachte ein ganzes Tablett voll Zimtschnecken mit.

»Wer möchte eine?«, fragte er.

Wir nahmen alle eine, das heißt, alle außer Pekka. Den hatten wir da schon als Geschenk verpackt, erst in Wellpappe und dann in Seidenpapier. Es war ein schönes Päckchen.

»Es gibt nämlich was zu feiern«, sagte der Lehrer, und wir zwinkerten uns zu, weil wir das ja schon wussten.

Dann sangen wir »Zum Geburtstag viel Glück«, und es hörte sich nur ein bisschen komisch an, weil wir alle noch Zimtschnecken im Mund hatten.

»Danke«, sagte der Lehrer verlegen. »Also, was ich sagen wollte: Unsere Direktorin zieht von hier weg.«

Wir schauten das schöne Päckchen an und wunderten uns. Pekka ist nämlich nicht nur unser Klassendödel, sondern auch der Sohn unserer Direktorin, und er hatte uns gar nichts von irgendwelchen Umzugsplänen erzählt.

»Meine Mutter hasst den finnischen Winter. Sie möchte nach Spanien umziehen«, rief es aus dem Päckchen.

Es ärgerte uns natürlich, dass sich das Geschenk für den Lehrer selbst verriet. Aber wo das mit dem Geburtstag sowieso nicht stimmte, spielte es auch keine große Rolle mehr.

»Die gute Nachricht ist: Ich werde an ihre Stelle treten. Der neue und gerechte Chef dieser Schule bin ich«, erklärte uns der Lehrer.

Als wir das hörten, klatschten wir wie verrückt. Wir waren stolz auf unseren Lehrer, und wir waren auch stolz auf uns selbst, weil wir so gute Schüler waren, dass unser Lehrer zum Direktor befördert werden sollte.

»Schon als Kind wollte ich immer nur Direktor werden. Es war mein Traum«, seufzte der Lehrer.

»He, da draußen, ich hab noch gar keine Zimtschnecke gekriegt!«, rief es aus dem Päckchen.

Auauauaua!

Wir wollten natürlich alle, dass der Traum des Lehrers in Erfüllung ging und er Direktor wurde.

Aber wir wollten nicht, dass Pekka wegzog.

»Bestimmt wärst du am liebsten schon in Spanien«, sagte der Lehrer zu ihm.

»Ich will überhaupt nicht umziehen«, sagte Pekka.

»Spanien ist ein tolles Land. Blumen und Wiesen, Berge und Täler, das Meer und die Palmen – ach, wie ich dich beneide!«, seufzte der Lehrer.

Dann tanzte er uns Flamenco vor. Er schnippte mit den Fingern und klackerte mit den Absätzen auf dem Fußboden.

»Auauauaua!«, rief er dazu.

»Was ist mit ihm?«, fragte Tiina besorgt.

»Mein Vater hat sich mal so ähnlich aufgeführt, da hatte er sich in einen Ameisenhaufen gesetzt«, erinnerte sich Pekka.

»Warum hat er das denn gemacht?«, wunderte ich mich.

»Weil er beweisen wollte, dass er’s länger aushält als mein Opa«, erklärte Pekka.

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»Spanien ist voller Gesang und Tanz«, erzählte der Lehrer, nachdem er sich wieder beruhigt hatte.

»Mir gefällt Eishockey besser«, brummte Pekka.

»Die Spanier sind verrückt nach Fußball«, wusste der Lehrer.

»Und wer ist der berühmteste spanische Eishockeyspieler?«, fragte Pekka.

»In Spanien kochen sie richtig gutes Essen. Da gibt’s Paella und Tapas von morgens bis abends«, versprach der Lehrer.

»Ich mag am liebsten Nudelauflauf«, sagte Pekka.

»Und jeden Tag scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel«, fiel dem Lehrer noch ein.

»Wenn es regnet, ist es nasser«, sagte Pekka.

»Aus Spanien kommen die Tomaten.«

»Und aus Finnland die Heidelbeeren.«

»Serrano-Schinken.«

»Saunawürstchen.«

»Real Madrid.«

»Eisbären Jyväskylä.«

»Ich geb’s auf«, seufzte der Lehrer.

»Ich nicht«, seufzte Pekka.

Als die Stunde um war, wollten wir alle nach Spanien umziehen, wo der Wind sanft durch die Palmen wehte, jeden Tag die Sonne vom wolkenlosen Himmel brannte und von morgens bis abends der Flamenco erklang. Alle wollten es, außer Pekka, der überhaupt nirgendwo anders hinziehen wollte.

»Nennt mir einen einzigen spanischen Eishockeyverein, wenigstens einen …«, bettelte er.

Ich sehe mich als …

»Du siehst so klasse aus«, sagte der Lehrer. »Ich vergöttere dich für deinen stählernen Blick und deine kerzengerade Haltung. Kein Zweifel, du bist der geborene Direktor.«

Wir fanden es komisch, wie der Lehrer redete. Und noch komischer war es, als er die Eckzähne entblößte und knurrte. Aber am allerkomischsten war, dass er in einem leeren Klassenzimmer in einen kleinen Taschenspiegel redete. Oder wenigstens dachte er, das Klassenzimmer wäre leer. Er war nämlich so mit seinen Grimassen beschäftigt, dass er gar nicht merkte, dass wir längst aus der Pause zurück waren. Es interessierte uns natürlich, wen der Lehrer in dem kleinen Spiegel sah. Wer war der Unbekannte mit dem stählernen Blick und allem? Mit wem redete der Lehrer? Weil wir es selber nicht rauskriegten, fragten wir ihn danach.

»In diesem Spiegel sehe ich den neuen Direktor«, sagte er.

Das überraschte uns jetzt. Dann war der kleine Spiegel also ein Zauberspiegel, mit dem man in die Zukunft sehen konnte.

Ärgerlich fanden wir nur, dass auf einmal der Unbekannte mit dem stählernen Blick Direktor werden sollte und nicht unser Lehrer. Komischerweise schien das den Lehrer selbst gar nicht zu stören. Er sah sogar richtig zufrieden aus.