Agnes Sapper


Werden und Wachsen


Die Erlebnisse der großen Pfäfflingskinder

Impressum



Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-944869-73-5


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Kapitel 15



Nachdem Frieder dem Direktor abgesagt hatte, blieben ihm noch zwei Wochen bis zu dem Zeitpunkt, an dem er sich den drei Kollegen gegenüber aussprechen mußte. Ihm war es in diesen Wochen immer zumute, als hätte er etwas gut zu machen bei den Seinigen. Hatte er doch ihrem Rat entgegen gehandelt und der Mutter, das wußte er wohl, dadurch Kummer bereitet. Wie hatten sie ihn alle so liebevoll und fröhlich empfangen, und was bot er ihnen? Das Bild eines unsicheren, unbefriedigten Menschen.

Und wie bald mußte er wieder weiterziehen und ihnen diese Erinnerung zurücklassen. Ein anderes Mal würden sie nicht mehr mit dieser Freude auf sein Kommen warten. Aus dieser Stimmung heraus zeigte er ihnen alle Liebe und Teilnahme, die in seinem Herzen für sie lebte, alles Gute und Edle in ihm trat zutage. Bescheidener und dankbarer als je nahm er an, was ihm geboten wurde, kämpfte ganz für sich allein durch, was ihm schwer war, und zeigte sich ihnen nur heiter. Aber seine Violine erklang wehmütig und bewegte ihnen das Herz. Er spielte abends gerne in der Laube, wenn sie beisammen saßen, oder er ging an das Ende des Gartens und ließ aus der Ferne die weichen Töne des Waldhorns zu ihnen dringen.

So einmal am Sonntagabend, als Ulrike dabei war. Als er wieder zurückkam zu den Seinen in die Laube, war sie fortgegangen. Es waren ihr die Tränen gekommen, und sie hatte leise zu Else gesagt: "Das kann ich gar nicht hören, so traurig stimmt es mich." Nun dachte Frau Pfäffling im stillen, sie morgen zu fragen, warum Frieders Musik sie traurig stimme, und ob es nicht in ihrer Macht stünde, ihm andere Töne zu entlocken. Aber es sollte nicht zu dieser Frage kommen, und daran war die zerbrochene Geige des Engländers schuld.

Am Montag früh ging Frieder nach der Violine zu sehen, die dem Meister viel Arbeit machte. In der kleinen, stillen Werkstatt saßen sie beisammen. Über ihnen an den Wänden hingen Geigen, neue, alte, rohe weiße und glänzend lackierte, Bogen lehnten in den Ecken, Zirkel, Maße und andere Geräte von feinster Ausführung lagen auf dem Arbeitstisch. Lange hatten die ungleichen Männer, der junge und der alte, still beisammen an der Arbeit gesessen, Frieder als aufmerksamer Handlanger. Jetzt sagte er: "Ob die Geige wohl fertig wird, ehe ich abreise?"

"O, das muß sein," sagte Neureuther. "Sie müssen sie erproben. Ich hörte neulich, Sie blieben hier an der Musikschule. Ist's nicht wahr? Ich wollte nicht darnach fragen, weil Sie nie die Rede darauf gebracht haben."

Frieder stand plötzlich auf, alles künstlich Zurückgedrängte brach aus seinem gequälten Herzen hervor. "Nein, ich habe nicht die Rede darauf gebracht, denn es ist unerquicklich für alle, die es hören müssen. Wenn man so dasteht wie ich, wenn man leibt und lebt in der Musik, sie nicht entbehren kann und doch zu dem Beruf des Musikers nicht paßt, dann ist man in einer trostlosen Verfassung."

Neureuther hatte seine Arbeit weggelegt, er wollte dem jungen Freund ein beruhigendes Wort sagen, aber Frieder sprach weiter: "Was mich freut und was ich in ruhigen Stunden kann, das ist das Komponieren, aber davon allein kann man nicht leben. Sie wissen gar nicht, was ich innerlich durchgemacht habe in diesen Wochen. Alles, was man mir freundlich anbietet und rät, ist mir nicht recht, so daß mich niemand versteht und ich selbst mir unmännlich und verächtlich vorkomme!"

"Nein," sagte Neureuther bestimmt, "das dürfen Sie nicht von sich sagen. Ja, wenn Sie aus Trägheit nichts ergreifen wollten oder aus Hochmut nichts gut genug fänden, aber das ist es nicht bei Ihnen. Sie möchten nur den rechten Platz finden, an den Sie passen, das geht bei dem einen leichter, bei dem andern schwerer, daran ist weder etwas Verächtliches noch etwas Unmännliches. Eher möchte ich das von andern sagen, die sich nur so durch den Zufall schieben lassen."

"Aber was würden Sie mir raten?" fragte Frieder ruhiger, "ich muß mich doch entscheiden! Mein Bruder meint, der Beruf müsse uns bloß den Lebensunterhalt verschaffen, der Mensch dürfe nicht erwarten, daß der Beruf ihm Freude mache. Glauben Sie, daß er recht hat?"

"Wenn er meint Vergnügen, ja, dann stimme ich ihm zu, denn Arbeit und Vergnügen bleiben doch immer Gegensätze. Aber Freude muß der Beruf dem Menschen bringen, die eine große, edle Freude, die in dem Bewußtsein liegt: "du leistest Gutes in deinem Beruf."

Da stimmte Frieder aus tiefster Seele zu, und leichteren Herzens besprach er nun mit Neureuther die verschiedenen Möglichkeiten. Es gab deren ja so viele, denn noch immer stund es Frieder offen, statt der Musik zu einem Studium überzugehen, das seine Vorbildung im Gymnasium ihm ermöglichte. Sie kamen zu dem Entschluß, daß er noch einmal die Konzertreise mitmachen solle und die Augen offen halten, ob sich inzwischen Passendes für ihn fände. Der freundliche Zuspruch hatte Frieder wohl getan. "Ich wollte, ich hätte schon früher mit Ihnen darüber gesprochen," sagte er.

"Wie wunderlich ist das bei uns Menschen," entgegnete Neureuther. "Da sitzen zwei gute Freunde wie wir stundenlang nebeneinander und ahnen doch nicht, was in der Seele des andern vorgeht. Sie haben es vielleicht auch mir nicht angemerkt, daß mich eine Lebensfrage umgetrieben hat in diesen letzten Wochen, mich und nicht minder meine Frau."

"Nein," sagte Frieder, "keine Ahnung hatte ich davon!"

"Ich hielt es eben auch für besser, nicht darüber zu reden, aber Ihnen kann ich es wohl erzählen. Sehen Sie, meine Frau wollte, daß ich meine Arbeit niederlege, weil es mir altem Manne ja allerdings jetzt oft sauer wird. Sie möchte, daß wir noch ein paar Jährlein frei sind, unsere Töchter besuchen können und etwas vom Leben haben. Nun, sie hat recht. Da hörten wir von einem Geigenbauer aus Sachsen, der wollte mein Geschäft übernehmen und machte ein gutes Angebot. Wie nun alles schriftlich eingeleitet war, kam er, damit wir die Sache persönlich ins reine brächten. Während wir so hin und her reden über das Geschäft, meine Frau war auch dabei, bekommen wir immer mehr den Eindruck, der Mann kann ja nichts, der hat nichts Tüchtiges gelernt, der versteht nur eines: wie man den Leuten das Geld aus dem Beutel lockt, ein reicher Mann wird und dann zu rechter Zeit wieder sich verzieht und anderswo denselben Schwindel treibt.

"Sehen Sie, da haben wir, meine Frau und ich, uns nur angeschaut und voneinander gewußt: dazu ist unser Geschäft zu gut; Jahrzehnte lang hat es unsern Namen getragen, an einen Schwindler geben wir's nicht, er mag bieten, so viel er will. Und so hat sich die Unterhandlung zerschlagen."

"Und jetzt?" fragte Frieder, "und jetzt?" wiederholte er und seine Augen glühten, während er gespannt auf Neureuther sah. Diesem fiel der Blick auf: "Warum fragen Sie so, was kommt Ihnen in den Sinn?"

"Etwas Wunderbares, etwas über die Maßen Schönes," sprach Frieder mit Begeisterung, "nichts anderes als die Lösung meines Lebensrätsels! Meister, könnten Sie mir Ihre Kunst lehren, mir dieses Bereich übergeben? Ist das möglich oder kann ich es nicht lernen? Ist es etwas unerschwinglich Teures oder nicht? Ich habe ja keinen Begriff davon!" Er sah den alten Herrn an, wie wenn von dessen Ausspruch sein Leben abhinge. "Ich sehe nichts Unmögliches daran," entgegnete Neureuther, "wenn Sie das lernen wollten, Sie verstehen schon so viel davon, in zwei Jahren ginge das, und so lange könnte ich Ihnen zuliebe noch ausharren, denn wahrhaftig, Sie sind mir lieb wie ein Sohn, und mir wäre es eine Herzensfreude, Ihnen das Geschäft zu übergeben."

Da wurde Frieder ganz stille, lehnte sich gegen das Fenster, überblickte die kleine Werkstatt, die ihm lieb gewesen von klein an, und sprach dann mit einer Bewegung, die er kaum meistern konnte: "Mir ist's, wie wenn mich jemand fragte: 'Willst du das Paradies übernehmen?'"

Neureuther stand auf, auch er war bewegt. "Nun muß ich meine Frau holen," sagte er, "das kommt so überraschend und will doch überlegt sein." Er ging und ließ Frieder allein in seinem Paradies.

Frau Neureuther kannte Frieder, sie hatte oft mit ihm und ihrem Manne musiziert, sie wußte, wie hoch er als Geigenkünstler stand, und fürchtete, daß sein Gedanke nur aus der Not der unklaren Zukunft hervorgegangen sei. Sollte er sich jetzt als Lehrling jahrelang in die Werkstatt setzen? Freilich, sein ungewöhnliches Verständnis für den Geigenbau kannte sie auch; war er nicht erst in diesen Wochen wieder stundenlang neben ihrem Manne gestanden? Eines war den beiden Eheleuten klar, wollte Frieder Pfäffling dies wirklich übernehmen, so würden sie ihm die Wege ebnen, und eine Freude wäre das, wie wenn ein treuer, tüchtiger Sohn ihre Stelle einnähme.

So kamen sie zusammen zu Frieder. Dem waren die wenigen Minuten wie eine Ewigkeit erschienen. Er sah jetzt dem Paar gespannt entgegen, aber da Frau Neureuther ihm herzlich die Hand drückte, was sonst nicht ihre Gewohnheit war, so kam ihm dieser Händedruck schon wie eine Besiegelung vor, und er sah ihr strahlend in die Augen. Er hatte aber jetzt von der lebensklugen Frau ein Verhör zu bestehen: Ob er auch bedenke, daß er jeden Tag acht Stunden an der Arbeit sitzen müsse, wenn er in zwei Jahren auslernen wolle?

"Ja," hieß die Antwort, "er könne auch zehn Stunden an der Arbeit bleiben."

Ob er sich nicht als ein Handwerker vorkommen werde anstatt als Künstler? Nein, es sei ihm immer als eine Kunst erschienen, die Geigen zu beleben, und ein Künstler werde er bleiben.

Ob ihm die Stille und bescheidene Zurückgezogenheit nicht gering erscheinen werde nach den Erfolgen des Konzertsaals? Nein, in der Stille werde er musikalische Gedanken empfangen, Kompositionen, mit denen er der Welt Dauerndes bieten könne, anstatt des rasch verrauschenden Vorspielens.

Ob er sich nicht einige Wochen bedenken möchte und den raschen Entschluß prüfen? Nein, er möchte lieber morgenden Tages beginnen.

Neureuther hatte mit Befriedigung diesem Verhör beigewohnt. Jetzt schnitt er es ab. "Ich kann nicht anders sagen, als daß ich diesen Wunsch und Entschluß begreife, denn ich selbst bin mein Leben lang glücklich gewesen in diesem Beruf und habe gar keine Angst, daß es unserem jungen Freund nicht ebenso geht. Besprechen Sie es jetzt mit den Ihrigen, schlafen Sie darüber und teilen Sie uns dann den Beschluß mit; dann erst kommt das Geschäftliche an die Reihe, dessentwegen ist es mir nicht bange, da gibt es zwischen uns keine Schwierigkeiten." Er reichte Frieder die Hand. "Gott gebe seinen Segen dazu!" Über Frieders Gesicht lag ein glückseliges Strahlen, als er sich von den beiden verabschiedete: "Ich denke, meine Mutter kommt heute nachmittag schon mit mir her," sagte er, "sie wird mit Ihnen reden wollen, weil sie sich leicht Sorgen macht. Aber ich hoffe, das sollen ihre letzten Sorgen um mich sein, jetzt komme ich in mein richtiges Fahrwasser."

Als er die kleine Werkstatt verlassen hatte, sahen ihm die beiden Alten nach. "Der besinnt sich nicht noch einmal anders," meinte Frau Neureuther.

"Nein, der hat heute sein Lebensglück gefunden."

Es war schon die Mittagsstunde, heißer, strahlender Junitag, als Frieder halb wie im Traum in die Wagnerstraße einbog. Als ein trübseliger, ratloser und mit sich selbst unzufriedener Mensch war er heute morgen langsam in Gedanken versunken diesen Weg gegangen, als ein von aller Pein erlöster, frohlockender entschlossener Mann eilte er raschen Schrittes, unbekümmert um die Mittagsglut denselben Weg zurück. Ganz nahe an Ulrikens Haus sah er diese eben heimkehren und in ihrer Haustüre verschwinden. Und in demselben Augenblick, da er sie sah, war er auch entschlossen, zu ihr zu gehen.

Sie vor allem mußte wissen, was er vorhatte, welche Wendung heute sein Leben genommen hatte, das Leben, das sie teilen sollte. Verschwunden wie Nebel vor der Sonne waren all seine Bedenken, ob sie ihn lieb habe, ob sie ihn achte, ob sie ihre eigenen Lebenspläne aufgeben würde, nichts fühlte er, als daß er sie nun mit in sein Glück hineinziehen müsse. Und nicht einen Augenblick zögerte er anzuläuten an ihrer Glocke, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen, das er nie betreten hatte.

Ulrike öffnete ihm die Haustüre und sah ihn vor sich stehen, so ganz anders als den, der ihr gestern abend durch seine schwermütige Musik Tränen entlockt hatte, daß sie an diese Verwandlung kaum glauben konnte. Seine Augen leuchteten, seine Hand ergriff die ihre, während er zu ihr sagte: "Ich habe dir ein Glück zu verkünden, Ulrike, du mußt es hören, du vor allen andern." Da öffnete sie ihm ihr Zimmer und führte ihn hinein. Einen Augenblick brachte ihn die teils fremde und teils so altbekannte Einrichtung aus seinen Gedanken. Wie viel Stunden seiner Knabenzeit hatte er in diesem Haus zugebracht! "Wie mich das an unsere Kinderzeit erinnert!" sagte er, sich umblickend, aber dann beschäftigte ihn wieder die eigene Sache: "Ulrike, ich habe meinen Lebensweg gefunden, alles ist anders, alles ist klar! Du ahnst nicht, wie unglücklich ich gestern noch war!"

"O Frieder, wie kannst du meinen, daß ich das nicht geahnt, nicht gewußt hätte! Aber nun rede nicht vom Unglück, vom Glück, von deinem Glück!"

"Von meinem Glück, ja! Mein Glück ist, daß ich Gutes leisten werde, wie du es neulich ausgesprochen hast. Meine Musik soll wieder ganz mir gehören, soll meine stille Wonne bleiben, ich muß sie nicht zu Markte tragen. Und doch werde ich Brot haben, Ulrike, ehrlich verdientes, ja edel verdientes Brot. Die Geige verschafft es mir, die Geige, die ich bauen will nach alten guten Mustern, die verdorbene Geige, der ich den verlorenen schönen Klang wieder geben will, verstehst du, Ulrike? Die gibt mir das tägliche Brot. Aber nicht mir, uns, Ulrike, uns! Du mußt das Brot mit mir teilen. Kommst du mit mir in das kleine Paradies, das sich mir heute aufgetan hat, teilst du mein Glück? Verstehst du mich eigentlich oder rede ich ganz verwirrt?"

"Ja, ganz verwirrt," sagte Ulrike, aber sie sah ihn dabei mit strahlender Liebe an, "ich weiß nicht, wo dein Paradies ist, aber wenn du mich hinein führen willst, so gebe ich mit dir und bleibe bei dir!" Da zog er sie an sich in unbeschreiblicher Wonne. Die beiden jungen Menschenkinder sprachen sich in seligem Glück die Liebe aus, die in ihren Herzen fest gewurzelt war und so lange im Verborgenen geblüht hatte. Plötzlich kam Frieder wieder die Erinnerung an das, was ihn gequält hatte. "Wie ist es aber mit deinen Lebensplänen, Ulrike, sie waren dir so lieb und mir so schrecklich. Hast du denn nie an mich gedacht bei deinen Zukunftsplänen?"

"Immer, Frieder, immer habe ich im Grund meines Herzens gedacht, daß wir zusammen gehörten. Seit jener Stunde, weißt du noch, wo wir uns wegen Ulrich besprachen. Da hast du mich so ganz besonders angesehen."

"Nein, du mich, Ulrike! Ich weiß noch die Stelle."

"Ich auch." Sie mußten erst diesen Erinnerungen nachgehen und sie fanden, daß sie sich beide in derselben Stunde bewußt geworden, daß die Kinderfreundschaft in die Jugendliebe übergegangen war. "Aber ich dachte immer, es liege noch in unberechenbar weiter Zukunft, daß wir zusammen kommen könnten," sagte Ulrike, "und die langen Jahre vor mir wollte ich ausfüllen."

"Jetzt müssen wir noch zwei Jahre warten," sagte Frieder, "aber keinen Tag länger. Dann habe ich ausgelernt und komme wieder in dein Stübchen wie heute und hole dich und lasse dich nie mehr von mir!"

"Aber jetzt, Liebster, gehe," mahnte Ulrike. "drüben warten sie auf dich, es ist längst Mittag."

"Mittag?" sagte Frieder, wie aus einem Traum erwachend, und er sah nach dem kleinen, weiß bedeckten Eßtisch, der am Fenster stand. Ein Besteck lag darauf, ein Teller mit einem Stück Brot. "Ißt du ganz allein?" fragte er, "nicht oben?"

"Ich esse allein, aber die junge Frau von droben sorgt so freundlich für mich und hält mir das Essen warm."

"Ulrike, wenn du erst meine Hausfrau bist, wie wird das lieblich sein! Laß mich ein einzigesmal mit dir an deinem Tischchen sitzen, damit ich mir vorstellen kann, wie das sein wird!"

Da rückten sie zwei Stühle dicht aneinander, Ulrike nahm den Teller mit dem Brot, bot ihm gastlich an, und in hellem Vergnügen aßen sie abwechselnd ein Stück davon, sagten zueinander: "bis das Brot aufgegessen ist, so lange dürfen wir noch beieinander bleiben," nahmen immer kleinere Stücke und hatten sich dazwischen viel Liebes zu sagen, aber endlich war das Brot doch aufgezehrt. "Nun, Frieder, gehe, die Mutter wartet, unsere Mutter, wie das lautet! Etwas muß ich dir noch sagen!" Nun hielt sie ihn selbst wieder zurück.

"Wie ihr hierher kamt, Frieder, war ich doch noch so ein kleines Ding, und weil ich euch alle 'Mutter' rufen hörte, so sagte ich auch so, bis meine Tante es einmal hörte. Sie verwies es mir und verlangte, ich solle 'Frau Direktor' sagen. An dem Tag habe ich so bitterlich geweint, weil ich da merkte, daß ich nicht das Kindesrecht habe und doch deine Mutter so lieb hatte. Und nun darf ich wieder Mutter sagen; wie köstlich das ist! Aber nun geh nur, sonst komme ich noch vor dir hinüber, ich kann es kaum mehr erwarten."

"So komm doch mit!"

"Nach Tisch, Frieder!"

"Aber dann gleich! Wie soll das gehen, Ulrike, wir können doch nicht mehr zwei Jahre getrennt sein."

"Ich gehe nach Indien, bis mein Lehrling fertig ist!"

"Nicht im Ernst?"

"Wie die Mutter meint, Frieder; ich habe ja jetzt eine Mutter, die ich um Rat fragen kann!"

Bis die beiden Glücklichen auseinander kamen, war es spät geworden. Lange Zeit hatte man in der Familie Pfäffling auf den Verspäteten gewartet und sich endlich ohne ihn zu Tisch gesetzt. Was mochte ihn nur abhalten, sie konnten es nicht begreifen. "Mit unserem Jüngsten haben wir am meisten Not," erklärte Else. "Er vergißt die Zeit über den Geigen," meinte Otto. Aber nun ging die Türe auf und er trat ein. Sie hatten alle aufgeblickt und keines konnte den Blick abwenden. Wie so ganz anders sah er aus als all die letzten Tage! Das Traurige, Bedrückte war verschwunden, helle, sieghafte Freude belebte seine Züge und klang aus seiner frischen Stimme.

"Entschuldige, Mutter, heute habe ich unmöglich rechtzeitig kommen können, ich habe zu viel erlebt!"

"Gutes, scheint mir," sagte Frau Pfäffling.

"Ja, Gutes, lauter Gutes."

"Du hast eine Stelle gefunden!" riet Otto.

"Oder eine Braut?" sagte Else und sah ihn mit brennender Neugierde an.

"Oder beides!" war Frieders Antwort.

Das ging über alles Erwarten, sie fanden kaum Worte. Otto zuerst: "Das war ein gut angewandter Vormittag, kein Wunder, daß du dastehst wie ein Verklärter." Else sprang auf, küßte und umarmte den Bruder, schüttelte ihn und rief voll Ungeduld: "Erzähle doch, erzähle. Heißt sie vielleicht Ulrike?"

"Wie sonst?" sagte er und sah beglückt den Widerstrahl seiner eigenen Freude in Elses Zügen. Aber jetzt machte er sich los von ihr, die ihn sowohl mit den Armen als mit einer Fülle von Fragen gefangen hielt, und ging zur Mutter, die nicht zu Worte kommen konnte und nun den Glücklichen an sich zog. "Wie mich das freut, Frieder," sagte sie, "du kannst es dir gar nicht vorstellen. Es war schon längst mein stiller Herzenswunsch."

"Ich wünsche dir auch Glück, Frieder," sagte Otto, "wir haben das ja schon geahnt. Hingegen kann ich mir nicht vorstellen, daß du plötzlich weißt, was du werden willst, was ist's denn? Verrate es doch!"

"Geigenmacher!"

"Geigenmacher?" Dreistimmig erklang der Ausruf des Erstaunens.

"Neureuther nimmt mich in die Lehre, und in zwei Jahren übergibt er mir sein Geschäft."

"Wie komisch!" rief Else, "daran haben wir doch alle nie gedacht!"

"Es ist aber gar nicht übel," erklärte Otto, "paßt für dich, du kannst es ja schon halb und weißt dir nichts Höheres als das beseelte Holz! Wirst vielleicht ein zweiter Stradivari! Ich wünsche dir's. Zu welchen Bedingungen denn aber?"

"Das weiß ich nicht, wir haben noch nicht davon gesprochen."

Frieder hatte sich neben die Mutter gesetzt. "Die Braut ist dir lieb, Mutter, das weiß ich," sagte er, "aber ist dir auch der Geigenmacher recht?"

"Ja, wenn du nur ganz sicher bist, daß es dich befriedigt?" Sie sah ihn dabei sorglich an, es konnte doch auch ein aus der Not entstandener Entschluß sein.

"So sicher bin ich, Mutter, daß ich nur nicht begreifen kann, warum mir die Erkenntnis erst heute gekommen ist. In dem Beruf kann ich Gutes leisten. Wir werden immer glücklich miteinander sein, die Geige und ich. Ich schaffe sie und sie lohnt mir's; ich gebe ihr mein Bestes und locke es wieder aus ihr heraus. Ich werde nur wenige Stunden zum Spielen und Komponieren haben, die aber sollen um so herrlicher sein!"

"So hast du dich endlich aus allem Dunkel herausgefunden in das helle Licht," sagte Frau Pfäffling bewegt, "wie ist das nur heute morgen so schnell gekommen?" Frieder erzählte und zerstreute die letzten Bedenken, all die Seinen gewannen die Überzeugung, daß ihr Frieder gefunden hatte, was für sein Wesen und seine Eigenart paßte.

Nun mahnte die Mutter: "Iß nur auch, Frieder, du hast noch gar nichts genossen."

"Doch," sagte er, und es kam ein glückliches Lächeln über sein Gesicht, "ich habe von Ulrikens Brot gegessen!"

"So nüchtern seid ihr?" fragte Else lachend, "das hätte ich von euch am wenigsten gedacht."

"Nüchtern war es nicht," entgegnete Frieder, und in der Erinnerung an diese Stunde versank er in träumerische Stimmung, mit dem Erzählen war es vorbei.

"Wann kommt Ulrike?" fragte nun Else, "ich will sie holen!"

"Ja, ja," rief Frau Pfäffling mit Wärme, "gehe du und sage, die Mutter verlangt nach ihr!"

"Und noch jemand!"

Fröhlich sprang Else davon. "Wie sie sich mit mir freut!" sagte Frieder, ging an das Fenster, sah der Schwester nach und der Braut entgegen. In Gedanken versunken, saß Otto noch am Tisch. Da kam es der Mutter, ob er wohl an seine Verlobung zurückdenke, ob ihm sein Leben nicht arm erscheine, heute, wo er so leuchtendes Glück sah. Über den Tisch hinüber reichte sie ihm die Hand. Er sah erstaunt auf. Halblaut, fast bittend sagte die Mutter zu ihm: "Heute freuen wir uns alle mit Frieder, auch du, nicht wahr? Über kurz oder lang wirst auch du einen Liebesfrühling erleben." Er erwiderte den Druck ihrer Hand. Daß die Mutter in diesem Augenblick nicht nur für Frieder, sondern auch mit ihm empfand, das dankte er ihr.

"Gewiß," sagte er, "ich freue mich, ein Pfäffling freut sich mit dem andern. Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie unser Frieder, ohne jegliche Weltklugheit und Berechnung, es nur so zustande bringt, sich in ein altberühmtes, solides Geschäft zu setzen und dazu gleich eine tüchtige Frau zu bekommen. Ist das nicht zu verwundern?"

"Ja," sagte Frau Pfäffling nachdenklich, "erstrebt oder berechnet hat er es freilich nicht. Er hat eben das, was die Herzen gewinnt, und mit den Herzen zugleich fällt den Menschen viel Gutes zu."

"Immerhin schadet ein wenig Klugheit nicht," meinte Otto, "und deshalb will ich sorgen, daß bei der Geschäftsübergabe nichts übersehen wird. Da ist allerlei zu beachten, ich werde gleich einmal drüben in meinen Büchern nachschlagen." Er ging hinaus, und bald darauf verließ auch Frieder rasch den Posten am Fenster, er hatte die beiden jungen Mädchen kommen sehen und eilte ihnen entgegen. Frau Pfäffling sah ihm mit glücklichem Lächeln nach. War er nicht eben mit der lebhaften Wendung und den eiligen Schritten seines Vaters von ihr gegangen? Ja, ihr Träumer war hell erwacht und hatte an diesem Tag feste Lebensschritte getan.

Einen Augenblick später kam das junge Paar zu ihr herein und sie hielt die glückliche Braut in ihren Armen. Längst hatten sie sich wie Mutter und Tochter geliebt und im stillen gesehnt, sich so nennen zu dürfen. Die geheimen Hoffnungen vergangener Jahre erfüllten sich in dieser Stunde.

Während Frieder die beiden, die ihm die Liebsten auf der Welt waren, so innig verbunden sah und ihm aus der bisher so dunkeln Zukunft die helle Freude entgegenlachte, wurde der tief empfindende junge Mann fast überwältigt von dem Gefühle des Glückes. Er atmete tief auf. "Ich verstehe jetzt, warum man sagt, das Herz will vor Freude zerspringen. Mehr Freude könnte ich gar nicht fassen!"

Aber es ist gesorgt in der Welt, daß das Glück nicht das Maß überschreite. Eben in diesem Augenblick ging die Türe auf und das Mädchen kam herein, noch ahnungslos, daß hier Besonderes vor sich gehe, und sie kam sichtlich mit trauriger Botschaft. Tief bekümmert verkündigte sie: "Herrn Frieders neue Stiefelsohlen sind schon durch!" Damit kam man plötzlich von der schwindelnden Höhe seligen Empfindens herab auf das erträgliche Maß irdischen Glückes, und da Ulrike die traurige Botschaft in diesem Augenblick unwillkürlich mit Heiterkeit aufnahm, so prophezeite Frau Pfäffling ihrem Sohn eine leichtsinnige Hausfrau, und eine fröhliche Stimmung erfaßte sie alle.

Noch am selben Nachmittag ging Frau Pfäffling mit dem Brautpaar zu Neureuther und seiner Frau. Diese waren überrascht zu hören, daß die Verabredung des Morgens schon eine Verlobung zur Folge gehabt hatte. Sie mochten denken, daß dieser Schritt übereilt sei, und begrüßten etwas zurückhaltend die Braut. "In unseren Verhältnissen hängt besonders viel von der Frau ab," sagte Neureuther, während er Ulrike fest ins Auge faßte.

Frieder wollte den Seinen die Stätte seiner künftigen Wirksamkeit zeigen, sie gingen bald von dem Zimmer, in dem sie empfangen worden, hinunter nach der Werkstätte. Aber Ulrike blieb ein wenig zurück mit Frau Neureuther. "Inwiefern," fragte sie, "hängt in diesem Beruf viel von der Frau ab, wie Herr Neureuther sagte, kann sie helfen?"

"Nicht beim Geigenmachen selbst, aber das Geschäftliche habe ich meinem Manne abgenommen, weil ihm das Rechnungswesen nicht liegt."

"Das möchte ich auch tun," sagte Ulrike sofort entschlossen, "denn je mehr ich Frieder abnehme, um so mehr wird er stille Stunden erübrigen zum Spielen und Komponieren. Wo kann ich das Rechnungswesen wohl lernen?"

"Bei mir, wenn Sie wollen, ich zeige es Ihnen sehr gern."

"O ja, bitte, das wäre mir so viel wert. Und was meinte Herr Neureuther wohl noch?"

"Er meinte wohl auch, die Frau dürfe nicht gleich große Ansprüche machen, was Kleidung, Bedienung und Vergnügen betrifft."

"Aber wenn wir ganz anspruchslos und recht sparsam sind, können wir dann wohl gleich nach zwei Jahren unseren Hausstand gründen?"

"Dann schon. Das Geschäft hat seinen guten Ruf, wir hatten immer unser reichliches Auskommen. Und der Name Pfäffling hat hier solch guten Klang."

"Ja," sagte Ulrike, "ich bin glücklich und stolz, daß ich ihn tragen werde. Und was meinte Ihr Mann noch, ich möchte so gerne alles wissen, was ich tun kann?" Freundlich sah die ältere Frau auf das eifrige junge Mädchen.

"Was er noch meinte, findet sich wohl bei Ihnen von selbst, es ist die gesellschaftliche Stellung. Mancher Geigenmacher gilt als einfacher Handwerker oder als Geschäftsmann. Mein Mann hat seine Arbeit künstlerisch aufgefaßt, und wir sind in den gebildeten Kreisen aufgenommen, das wird bei Ihnen auch so sein. Aber trotzdem macht gerade in dieser Hinsicht die Frau noch viel aus, der Mann gewinnt oder verliert durch sie."

"Aber die Frau steht doch viel mehr unter dem Einfluß des Mannes?"

"Ich glaube kaum. Die ganze Führung des Haushalts, das äußere Ansehen, der Ton in der Geselligkeit und später die Kindererziehung, das alles geht mehr von der Frau aus, durch sie wird der Mann gehoben oder heruntergezogen, ich habe das oft beobachtet, gerade in solchen Ständen wie den unserigen." Ulrike stand nachdenklich. "Bei Ihnen wird das schon recht werden," sagte Frau Neureuther zuversichtlich, "aber kommen Sie jetzt mit mir herunter, Sie werden wohl schon vermißt."

Ja, Frieder kam ihnen entgegen. "Wo bleibst du so lange, Ulrike? Komm, sieh: da ist unser kleines Paradies!"

Durch die Wagnerstraße ging ein paar Tage später der Bürgermeister. Nur selten schlug der alte Herr diesen Weg ein seit dem Tode des Direktors, denn diesen Mann vermißte er, so oft er an der Musikschule vorbeikam, und der Anblick des Gebäudes, sonst sein Stolz, war ihm nun wehmütig. Aber am heutigen Sonntag zog es ihn mit aller Gewalt dorthin. Er hatte gehört, daß zur Feier der Verlobung der älteste Sohn gekommen war mit Frau und Kind, er freute sich in dem Gedanken, daß wieder einmal wie früher fröhliches Leben herrschte in dieser Wohnung, und hätte gern die jungen Pfäfflinge beisammen gesehen, und in ihrer Mitte die feine, tapfere Frau, die er verehrte. Aber er ging trotzdem an dem Hause vorüber.

"Man kommt doch nicht ungeladen zu einer Familienfeier!" sagte er sich, "sie wollen unter sich sein. Du störst sie nur, all die Jungen!" So ging er langsam weiter in der Wagnerstraße. Aber bald kehrte er um. Nein, die "Jungen" waren doch junge Pfäfflinge, das hieß so viel als herzensgute, treue Menschen, und er wollte sich ja nur ein paar Minuten an ihnen freuen, gewiß nicht lange stören.

So stieg er die drei Stockwerke hinauf und klingelte. Das kleine Mägdlein machte ihm auf. Er fragte nach der Frau Direktor, und die Kleine gab Bescheid: Es seien Gäste da und wenn es nicht dringend sei, solle sie die Frau Direktor nicht herausrufen. Einen Augenblick besann sich der Bürgermeister. Dann trug er dem Mädchen Grüße auf an die Frau Direktor, an alle ihre Kinder, auch an das Enkelkind des Direktors. Aber sie solle jetzt nicht hineingehen, sondern erst abends, damit die Familie nicht gestört werde. Und so ging er wieder die Treppe hinunter.

Im großen Wohnzimmer saß die ganze Familie fröhlich und traulich am Kaffeetisch, das glückliche Brautpaar im Mittelpunkt. Das Klingeln war beachtet worden. Else erkannte die Stimme. "Es ist der Bürgermeister, er wird doch nicht hereinkommen?" Sie horchten. Er ging. "Das ist gut," sagten sie zueinander, heute wollten sie ungestört sein. Aber nun merkten sie, daß es der Mutter leid war. Sofort schlug die Stimmung um. "Die Mutter hätte ihn gerne gesehen."

"Dann ist es etwas anderes. Er hätte auch nicht gestört."

"Bewahre, so ein treuer Freund des Vaters!"

"Dem man Dank schuldig ist."

"Soll ich ihn holen?" Else fuhr schon in die Höhe und war im Augenblick draußen. "Ein alter Herr sollte bei jeder Feier sein, das gehört dazu, er soll nur kommen." Sie warteten, aber er kam nicht gleich.

"Vielleicht ist er zu bescheiden," sagte Frau Pfäffling, "und läßt sich nicht überreden."

"Da wollen wir schon helfen, wir gehen alle und führen ihn herein."

Da zogen sie hinaus, Karl mit Hanna und ihrer kleinen Cilli, das Brautpaar und Otto, und so wurde der Bürgermeister, der noch zögernd mit Else unterhandelte, von der jungen Gesellschaft umringt und hatte den Anblick, nach dem er sich gesehnt: fröhliche Pfäfflinge. So herzlich bewillkommt, folgte er der Jugend zu Frau Pfäffling, nahm den Platz neben ihr ein, teilte die glückliche Stimmung und störte nicht, denn es war allen zumute, als wäre dieser treue Freund ihres Vaters an seiner Stelle da.

Er ließ das Brautpaar leben und wünschte ihnen ein glückliches Hochzeitsfest in zwei Jahren. "Weniger vier Tage," flüsterte Frieder Ulrike zu, denn er hatte seit vier Tagen seine Lehre begonnen.

"Ja," sagte Frau Pfäffling zum Bürgermeister, "in zwei Jahren soll noch einmal das Haus alle Pfäfflinge aufnehmen, wenn ich wirklich so lange noch die Wohnung behalten darf. Wilhelm und Marie haben, wiewohl sie weit auseinander sind, wie auf Verabredung telegraphiert, daß sie zu Frieders Hochzeit kommen werden."

"Gewiß, da kommen wir Kinder alle," sagte Karl, "und wer weiß, wieviele Enkel," fügte er fröhlich hinzu und drückte Hanna die Hand.

"Und danach werde ich ausziehen," sagte Frau Pfäffling, "ich habe gedacht, wenn Frieder die Wohnung von Neureuther übernimmt, mich mit Otto und Else in dem kleinen Haus einzumieten, das Ulrike gehört. So bleibe ich in der mir liebgewordenen Umgebung und höre wie seit Jahrzehnten die Musik, die ich zwar nie verstanden habe, die aber so mit meinem Leben verwoben ist, daß ich sie nicht missen möchte."

"Das ist ein guter Plan," meinte der Bürgermeister, "aber ich denke, Herr Otto ist bis dahin ins Ministerium einberufen und Ihr jüngstes Vögelein wird wohl auch ausfliegen."

"Kann sein," sagte Frau Pfäffling, "ich will keines zurückhalten, wenn sie nur alle ein warmes Nest finden."

In dieser Sommernacht spät stand Frau Pfäffling allein an dem offenen Fenster. Sie hatte noch kein Verlangen nach Schlaf, wollte sich erst in Ruhe an dem Glück ihres Frieder erfreuen. Nach dem freudig bewegten Tag tat ihr die große Stille wohl. Sie sah hinüber, wo zwischen den Bäumen Ulrikens Häuschen durchschimmerte. Wie es ihr wohl einst zumute sein würde, wenn sie wirklich in ihren alten Tagen dort ohne ihre Kinder wäre? Traurig? Nein, sie glaubte es nicht. Wenn alle ihren Weg gefunden haben, wird sie nicht traurig sein, sie wird glücklich und dankbar die Erinnerung an ihr reiches Leben genießen und so recht in der Stille alles, alles noch einmal durchdenken, wie sie es nie gekonnt, so lange sie noch in der Arbeit stand.

Die Kinder, besonders die jüngeren, ahnten gar nicht, welch großer Reichtum in dem Leben ihrer Eltern lag. Aber sie sollten es erfahren, sollten den Vater noch besser verstehen lernen und sein Bild klar vor sich sehen. In dieser nächtlichen Stunde faßte sie einen Entschluß, der sie mit Freude erfüllte: Wenn die große Einsamkeit kommen würde, dann wollte sie sich in die Vergangenheit versenken und für die Kinder die Geschichte ihres ganzen Lebens niederschreiben. Aus dieser sollte auch deutlich hervorgehen, was sie ihnen nie so recht sagen konnte, daß der stete, lebendige Zusammenhang mit Gott es war, der ihr immer den Weg gezeigt hatte, den sie gehen mußte, und zugleich die Kraft verliehen, daß sie ihn gehen konnte.

Wir trennen uns jetzt von Frau Pfäffling, die wir getreulich durch gute und böse Tage begleitet haben. Sie steht ja in diesem Augenblick sorgenfrei vor uns, in tiefster Seele das Glück ihrer Kinder empfindend. So können wir sie getrost verlassen.

Aber eilen wir, denn wollten wir zögern, so würden doch irgendwo neue Sorgen und Nöte auftauchen. Sie gehören ja mit zum Leben, wir möchten sie auch gar nicht entbehren, haben wir doch gesehen, wie sie Kräfte wecken, wie sie läutern und vertiefen. Aber wie Ferien zwischen der Schulzeit, so wonnig sind sorgenlose Zeiten, und solche möchten wir jetzt der Familie Pfäffling, und auch allen ihren Freunden, wünschen.

 

 

Inhalt



Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

 

 

Kapitel 1



Wer den Bürgermeister von Marstadt kannte, der mußte sich wundern, daß dieser gesetzte Herr in seinen späteren Jahren einer alten Gewohnheit untreu wurde. So lange man ihn kannte, war er mittags den nächsten Weg vom Rathaus nach seinem eigenen Haus gegangen. Aber seit geraumer Zeit schlug er den Weg durch die Wagnerstraße ein, und das war ein Umweg, ein ganz unnötiger, denn er hatte dort nichts zu tun. Es erging ihm aber wie einem Gartenbesitzer, der ein junges Bäumchen gepflanzt hat, das vor andern herrlich gedeiht. Immer wieder fühlt er sich hingezogen, um es zu beschauen und sich zu freuen, daß es jedes Jahr mehr Blüten treibt und reichlicher Früchte trägt. So mußte der Bürgermeister, einem inneren Drang folgend, durch die Wagnerstraße gehen, seitdem dort auf sein Betreiben die neue Musikschule erbaut war.

Wie Blüten eines Lieblingsbaumes erschienen ihm die mit jedem Jahr zahlreicher werdenden Musikschüler, die durch das stattliche Sandsteintor aus und ein gingen, ihm mit ihren Musikmappen und Violinen unterm Arm begegneten, und wie Früchte des Baumes erfreuten ihn die Konzerte, die der Stadt bei allen Freunden edler Musik zum Ruhme gereichten. Ja, dies Werk war ihm geglückt, über Erwarten, und er wußte, daß er dieses Gedeihen dem Direktor verdankte, den er für die junge Anstalt gefunden hatte. Bei dem Gedanken an diesen ging ein heiteres Lächeln über das Angesicht des Bürgermeisters, während er auch heute wieder durch die Wagnerstraße wanderte. Ja, dieser Direktor, dieser Pfäffling, war die Seele des Ganzen. Was hatte dieser rührige Mann geschafft, um die neugegründete Anstalt in die Höhe zu bringen! Nicht aus Ehrgeiz hatte er es getan, sondern weil er gar nicht anders konnte. Sein lebhaftes Wesen, seine fabelhafte Rührigkeit trieben ihn zu unermüdlicher Tätigkeit, seine fröhliche Zuversicht hatte jeglichen Zweifel besiegt, der anfangs der neuen Musikschule entgegengetreten war, hatte alle Lehrkräfte mit fortgerissen und die Sache in Fluß gebracht.

In diesen Gedanken war der Bürgermeister schon an der Musikschule und an dem Garten, der das Gebäude freundlich umgab, vorbeigeschritten, als er von ferne einen hochgewachsenen, schlanken jungen Mann auf sich zukommen sah, der ihm wiederum ein Lächeln entlockte. "Ganz das Konterfei seines Vaters ist dieser Wilhelm Pfäffling," sagte sich der Bürgermeister, "ebenso lang und hager, und auch bei ihm geht's immer prestissimo, obwohl kein Mensch weiß, warum er's so eilig hat, dieser junge Student und immer vergnügt," fügte er bei sich selbst hinzu, als Wilhelm Pfäffling an ihm vorbeigekommen war und ihm fröhlichen Gruß geboten hatte. Der alte Herr ging gemächlich weiter auf der schattigen Seite der Straße, denn es war ein heißer Julitag. Von ferne tauchte wieder einer der Nachkommen des Herrn Pfäffling auf, er kannte sie alle gut, die vier Söhne des Direktors.

"Das ist ein anderer Schlag," sagte sich der Bürgermeister, und er lächelte nicht, während er den etwa Sechzehnjährigen auf sich zukommen sah. Langsam kam der Junge daher, schien in Gedanken verloren, hielt den Kopf mit dem noch kindlichen Gesicht und den runden Wangen ein wenig gesenkt, sah auf den Boden und wäre dicht an dem Bürgermeister vorbeigegangen, ohne ihn zu bemerken, wenn dieser ihn nicht mit einem energischen: "Holla, Frieder!" wachgerufen hätte.

Fast erschreckt blickte der Knabe auf, zog die Mütze und wollte vorübergehen. Doch der alte Herr trat vor ihn, musterte ihn und sagte: "Du siehst ja ganz sonntäglich gekleidet aus, wo kommst du denn her?" Aber er gab sich zugleich selbst die Antwort: "Schlußfeier im Gymnasium, nicht wahr. Das hatte ich ganz vergessen."

Frieder nickte zustimmend, hatte nur ein "ja" darauf zu bemerken und die beiden gingen auseinander.

"Im Äußeren hat er gar nichts von seinem Vater," sagte der alte Herr mißbilligend vor sich hin. "Klein und verträumt, aber das musikalische Talent soll der ja geerbt haben, nun, wenn er's nur auch zu etwas bringt."

Inzwischen war der Bürgermeister aus der Wagnerstraße und somit aus dem Bann der Musikschule und der Familie Pfäffling gekommen und wieder anderen Gedanken zugänglich.

Wir hingegen betreten nun das große Gebäude, gehen vorüber an den Lehrzimmern des ersten Stocks, an dem Konzertsaal des zweiten und hinauf in den dritten, in dem sich die Amtswohnung des Direktors befindet. Um Mittagszeit füllen sich täglich diese Räume, und als Frieder, der jüngste der vier Pfäfflingssöhne, in das Wohnzimmer trat, war um den großen, gedeckten Eßtisch schon die Familie versammelt. Von den verschiedensten Seiten waren sie gekommen: Vater Pfäffling, der Direktor, aus den unteren Räumen der Musikschule, Wilhelm, der lange Student, aus dem naturwissenschaftlichen Kolleg, Otto von einer Felddienstübung, die er als Einjähriger mitgemacht hatte, Marie, die erwachsene Tochter, aus einem Nähkurs, und Else, die jüngste, aus der Töchterschule. So verschieden nun nach Alter und Aussehen alle diese Familienglieder waren, in einem Punkte glichen sie sich doch, alle kamen hungrig heim, und wenn wir nun die kleine, zarte Gestalt der Hausfrau ins Auge fassen, könnte uns bange werden, ob sie diesem Ansturm auch gewachsen ist.

Denn nicht nur mit Verlangen nach Speise kommen sie heim, sie begehren alle auch Teilnahme für die mannigfaltigsten Erlebnisse, von Else an, die der Mutter immer Wichtiges aus der Töchterschule zu berichten hat, bis hinauf zum Vater, der seine Gattin mit dem lauten Ruf "Cäcilie" sucht, wenn er sie nicht sofort entdecken kann.

Aber die kleine Frau kann dem Sturm wohl trotzen. Wie sich in den etwa 25Jahren ihrer Ehe die Anforderungen an sie vermehrt haben, so ist auch ihre Kraft gewachsen. Ja, Frau Pfäffling würde uns sagen, daß sie die schwierigste Zeit schon hinter sich habe, die Jahre, in denen ihres Mannes Einnahme nicht ausreichen wollte für die große Familie und die Haushaltung ein schweres Rechenkunststück war. Nun stand er seit Jahren der Musikschule als Direktor vor, und hatte als solcher eine große Amtswohnung und einen guten Gehalt.

Auch war in dieser Zeit das letzte Glied der älteren Generation, Frau Pfäfflings Mutter, dahingegangen, und was sie treulich für ihre Kinder bewahrt und erspart hatte, kam diesen nun zugut. So war die drückende Sorge um das tägliche Brot von ihr genommen, die sieben letzten Jahre waren sieben fette gewesen im Vergleich zu den mageren vorhergegangenen. Das war der Hausfrau auch anzusehen, sie erschien nicht mehr so schmächtig wie früher, ihre anmutige Gestalt hatte sich ein wenig gerundet, zuversichtlich blickten die gütigen Augen aus dem feinen schmalen Gesicht und in dem schlichten schwarzen Haar war kein grauer Schimmer zu entdecken.

In dem Augenblick, als Frieder in das Wohnzimmer trat, war von ihm die Rede gewesen und alle Blicke wandten sich dem Jungen zu. "Da kommt er ja mit seinem Zeugnis!" rief ihm der Vater fröhlich entgegen und streckte die Hand nach dem Papier aus, das Frieders Berechtigung zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst enthielt. "Nun hast du schon etwas Wertvolles erreicht," sagte Frau Pfäffling liebevoll, und ihre Worte riefen einen glücklichen Ausdruck auf ihres Sohnes Gesicht hervor. Auch die Brüder freuten sich über diesen Erfolg und blickten, neben dem Vater stehend, in das Papier, das ein gutes Zeugnis enthielt. Es war ihnen verwunderlich, daß Frieder, den sie immer noch als Kind betrachteten, es auch schon so weit gebracht hatte. Während dessen nahm Marie, die neunzehnjährige, rasch aus dem Blumenstrauß, der den Tisch zierte, einen grünen Zweig und legte ihn um Frieders Teller, indem sie leise zur jüngeren Schwester sagte: "Das gilt als Lorbeerzweig".

Als sie sich nun aber alle an den Tisch drängten und jeder seinen gewohnten Platz aufsuchte, streifte Frieder, der Gefeierte, achtlos mit dem Ärmel den Zweig, daß er zu Boden fiel. "Frieder!" rief Marie ein wenig gekränkt, und Else, die jüngste, hob lachend den Zweig auf und rief: "Du, das ist ja ein Lorbeer!"

"Ei, ei, wer wird seinen Lorbeer mit Füßen treten! Wirst du das später auch tun, wenn ..." der Direktor unterbrach sich.

"Wenn du einmal Geigenkönig bist," vollendete Wilhelm. Frieder sagte entschuldigend: "Ich habe gar nicht gedacht, daß der Zweig mich angeht, und daß man überhaupt etwas daraus macht, alle in meiner Klasse haben das Zeugnis bekommen." Es schien ihm gerade recht zu sein, als die Aufmerksamkeit nun von ihm abgelenkt wurde durch das Mädchen, das eben das Essen auftrug. Das kleine Dienstmädchen war ihnen noch eine neue Erscheinung. Bisher hatte Walburg, die alte getreue, aber fast taube Dienerin, alles allein besorgt, und es wäre vielleicht noch lange so geblieben,wenn nicht in der Direktorswohnung ein Fernsprecher eingerichtet worden wäre. Als dies vor einigen Wochen geschah, stand Walburg mit mißtrauischem Blick dabei. Für Neuerungen war sie nicht eingenommen, denn sie witterte in einer jeden Gefahr. So lange alles im alten Geleise ging, konnte sie ihrer Arbeit genügen, aber bei jeder Änderung trat ihr Gebrechen störend zutage und Walburg bangte seit Jahren, daß sie als dienstunfähig erklärt würde. Bald erkannte sie den Fernsprecher als die schlimmste aller Neuerungen. Sie sah, wie ein Familienglied um das andere die Hörrohre an das Ohr hielt und offenbar etwas hörte. Am späten Abend hielt auch sie heimlich die Leitung an das Ohr, als aber nicht der geringste Laut wahrnehmbar wurde, ließ sie den Griff mutlos fallen und warf dem geheimnisvollen Kasten einen Blick zu wie dem schlimmsten persönlichen Feind. Dabei bemerkte sie ein wenig Staub, entfernte ihn pflichtgetreu mit dem Wischtuch und dachte als gute Christin an das Gebot: liebet eure Feinde.

Nach einer schlaflosen Nacht erklärte Walburg ihrer Frau in wenig Worten, die nicht ahnen ließen, wie schwer ihr der Entschluß geworden, sie wisse jetzt, daß sie nichts mehr tauge und wolle gehen. "Wohin gehen?" rief ihr Frau Pfäffling ins Ohr. Darauf wußte Walburg freilich keine Antwort. Es gab nun Familienberatung. Sie waren alle einig, daß die Schwerhörigkeit unbequem sei, aber auch alle viel zu gutmütig, um die Heimatlose ziehen zu lassen.

So reifte der Entschluß, der Altbewährten eine kleine Gehilfin zu geben. Zwei halbe konnten ja ein ganzes machen. Mit Eifer ging Walburg auf diesen Gedanken ein und brachte ihr Schwesterkind Resi in Vorschlag. So war die vierzehnjährige ins Haus gekommen.

Heute hatte Walburg dem kleinen Mägdlein zum erstenmal anvertraut, die große Supppenschüssel aufzutragen, und darum wandten sich nun alle Blicke ihr zu, als sie sich noch ungewandt und ängstlich dieser Aufgabe entledigte. Sodann trat sie zur Hausfrau und sagte in dem artigen Ton, den die gestrenge Walburg ihr beigebracht: "Herr Karl hat telephoniert, er würde heute abend ankommen."

"Heute schon!" erklang es vielstimmig und fröhlich aus dem Familienkreis. Karl, der Philologe, war der älteste, der einzige, der sein Studium vollendet hatte und nun als Aushilfslehrer tätig war. Er kam als Feriengast. "Dann sind wir wieder alle Sechs beisammen," rief Else vergnügt und alle empfanden wie sie; nur über Marie kam plötzlich eine wehmütige Stimmung. "Alle Sechs," dachte sie, "wir sollten sieben sein." Vor einigen Jahren war ihre Zwillingsschwester Anna gestorben, mit der sie sich vollständig eins gefühlt hatte. Wie eine leise Schwermut lag diese Erinnerung über dem jungen Mädchen. Sie konnte sich nicht sogleich wieder an dem fröhlichen Tischgespräch beteiligen.

Und auch Frieder schien nicht ganz bei der Sache zu sein. Er sah ein wenig träumerisch und wie in Gedanken verloren aus während der ganzen Mahlzeit, und nicht so glücklich wie einer, der eben sein Schuljahr gut abgeschlossen hat.

Lebhaft und frisch wie ein Junger stand nun der Direktor auf. "Komm, Frieder," sagte er, "wir wollen dein Zeugnis einschließen, das ist eine wertvolle Urkunde." Vater und Sohn gingen über den langen Gang, an dessen Ende des Direktors Zimmer lag; der Vater mit langen Schritten munter voran, Frieder ihm nach, langsam und bedenklich. Während der Direktor den Schreibtisch aufschloß und noch einmal das Zeugnis überlas, sagte Frieder in der langsamen Art, durch die er sich von der Pfäfflingschen Lebhaftigkeit unterschied: "Fünf aus meiner Klasse treten jetzt aus dem Gymnasium aus und ich bin der sechste." Herr Pfäffling war dermaßen von dieser ruhig und bestimmt ausgesprochenen Mitteilung seines Jüngsten überrascht, daß sie ihm wie ein Spaß erschien, über den er lachte und bemerkte: "Das ist ja für mich eine überraschende Neuigkeit!" Als er aber den Blick seines Kindes ganz ernsthaft auf sich gerichtet sah, sagte er in anderem Ton: "Du kannst doch nicht nur so erklären: ich trete aus, wie hast du denn das gemeint?" Frieder wurde verlegen. Es kam ihm zum Bewußtsein, daß er sich wohl nicht passend ausgedrückt hatte. "Vater," sagte er, "ich möchte dich bitten, daß du mich austreten läßt. Ulrich geht, er wird Kaufmann, und ich möchte jetzt zur Musik. Du hast es mir schon voriges Jahr versprochen."

"Nein, Frieder, das habe ich gewiß nicht versprochen, es wäre ja auch Unsinn."

"Ich weiß noch, wie du gesagt hast voriges Jahr: wenn ich erst die Berechtigung zum Einjährigen habe, wollten wir weiter sehen."

"Ja, ja, weiter sehen! Aber wenn ich nun weiter sehe, dann ist's mir ganz klar, daß es das Beste für dich ist, noch in der Schule zu bleiben. Warum denn auch nicht? Es fällt dir ja gar nicht schwer, deine Zeugnisse sind ordentlich, Musik hast du immer nebenbei treiben können und bist darin weiter als die meisten deines Alters. Hingegen fehlt es dir noch ganz und gar an allgemeiner Bildung."

"Aber ich möchte jetzt ganz zur Musik."

"Frieder, du bist noch so jung, in deinem Alter kann man nicht bestimmt sagen, welchen Beruf man ergreifen will, und wenn du jetzt schon aus der Schule trittst, ist dir vieles für alle Zeiten verschlossen, das kann dich später reuen."

"Mich reut das nie."