66 Lieblingsplätze
und 11 Köche
Reinhard Pelte
Zwischen Nord- und Ostsee
Von Ebbe, Flut und anderen Gezeiten
Dieses Buch soll eine Einladung in meine Heimat sein. Sie liegt im nördlichsten Norden der Bundesrepublik Deutschland und im südlichsten Süden des Königreichs Dänemark. Sie ist auch die Heimat einer dänischen Minderheit in Deutschland (ca. 50.000) und einer deutschen Minderheit in Dänemark (ca. 15.000).
Eigentlich besteht sie nur aus Küste: im Westen die Nordsee und im Osten die Ostsee, in der Mitte ein schmaler Geestrücken. Warum die Nordsee ›Nordsee‹ heißt, ist von hier oben nicht recht zu verstehen. Die Dänen nennen sie Vesterhavet (Westmeer) und liegen damit weitaus näher an unserer Wahrnehmungswirklichkeit. Die Ostsee (dänisch: Østersøen) hat auch aus unserer Sicht einen korrekten Namen. Sie ist ein großer See, der von uns aus gesehen im Osten liegt. Manche nennen sie ein Binnenmeer, was auch in verschiedener Hinsicht stimmt, erreicht sie doch bei Sturmwetterlagen, in strengen Wintern und bei zähem Nebel die Gefährlichkeit eines Weltmeeres und ist für die Küsten und deren Bewohner sowie für die Schifffahrt eine echte Herausforderung für Leib und Leben.
Auf der anderen Seite hat die ozeanografische Wissenschaft in der Ostsee den sogenannten ›Badewanneneffekt‹ entdeckt und wissenschaftlich erklärt. Der Name klingt nach Zuhause, nach Wärme und Wohlbehagen. Und das trifft auch auf die Gefühle zu, die wir mit der Ostsee verbinden. Die Nordsee ist rauer und wilder und vor allem noch ›leerer‹ als die Ostküste. Dazu später mehr.
Die Grenzen im Süden und Norden verschwimmen. Am besten lässt sich meine Heimat mit einer Linie umreißen, die bei St. Peter-Ording beginnt, über Husum nach Norden führt, die Westküste einschließt mitsamt dem Watt, den Halligen, den Nordfriesischen und Dänischen Nordseeinseln und bei Ribe ihren nördlichsten Punkt erreicht. Dann wendet sie sich südostwärts über Aabenraa nach Sønderborg, folgt der Küste über Flensburg und Schleswig und hat in Eckernförde ihren südöstlichen Abschluss. Zwischen Eckernförde und St. Peter-Ording kann man dann ein Lineal anlegen und hat die Linie an ihren Ausgangspunkt zurückgeführt.
Wie viele Quadratkilometer Land diese Linie einschließt, kann ich nicht sagen, denn das hängt von Ebbe und Flut ab, von Spring- und Nipptiden, der Windrichtung und -stärke; die Zahl ist meiner Meinung nach aber auch nicht wirklich wichtig.
Auch die Bevölkerungszahl ist nicht genau zu beziffern. Es steht aber fest, dass meine Heimat kein Ballungszentrum ist und eher zu den dünn besiedelten Regionen Deutschlands und Dänemarks gehört, wenn sie nicht sogar die am dünnsten besiedelte ist. Die Bewohner der Halligen zum Beispiel kann man an den Fingern abzählen, und ihre Verbindung zur Zivilisation auf dem Festland bewerkstelligt neben anderen Fortbewegungsmitteln eine Lorenverbindung durch ein Weltnaturerbe, das Wattenmeer vor der Nordseeküste.
Vielleicht sollte ich an dieser Stelle einfügen, wovon die Menschen in meiner Heimat hauptsächlich leben und womit sie ihr Geld verdienen: Die wirtschaftlichen Schwerpunkte liegen bei der Landwirtschaft und dem Tourismus. Um es gleich vorweg zu sagen: Mich haben Urlauber in meiner Heimat nie gestört (von der Insel Sylt einmal abgesehen, auf der in den Sommermonaten die Tagestouristen bisweilen einen Sturm entfachen, der lästig ist). Das Gleiche gilt für die Landwirtschaft, selbst wenn die Bauern im Frühjahr gern Gülle auf ihren Feldern ausbringen, die einen unangenehmen Gestank verbreitet (zum Glück nur vorübergehend). Wir haben es den Touristen zu verdanken, dass wir mit einer Fülle guter Restaurants und Hotels gesegnet sind. Das ist für einen Anhänger von gutem Essen und Trinken ein echter Vorteil. Das gilt auch hinsichtlich der Landwirtschaft. Ich habe erst durch sie erfahren, zu welch delikaten Gerichten Weißkohl und Kohlrüben – zwei Spezialitäten der regionalen Landwirtschaft – in den Händen von guten Köchinnen und Köchen zubereitet werden können.
Ich bin mir sicher, dass das weite Land, die angrenzenden Meere, der klare Himmel und das Wetter, das mit viel Wind daherkommt und mit raschen Wechseln von Sonne, Wolken und Regen, einen guten Einfluss auf uns Norddeutsche haben. Wir sind sensibilisiert für die natürlichen Abläufe des Lebens und der Natur, auch für deren Gefährdungen. Uns ist das gar nicht immer bewusst, und wir machen nicht viele Worte darum. Anders ausgedrückt, wir sind erdverbunden und bleiben auf dem Teppich. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die grüne Bewegung bei uns nicht die große Rolle spielt wie anderswo in der Republik. Die Leute hier sind grün genug, in welcher Partei auch immer, das muss man ihnen nicht extra einbläuen.
Dafür spricht auch die Tatsache, dass die einzige größere Industrie, die sich bei uns etabliert hat, Windkraftanlagen herstellt, die in der ganzen Welt Abnehmer gefunden haben und noch weiter finden. Darüber hinaus gibt es viele kleinere Produktionsstätten, die ganz spezielle Vorlieben und Bedürfnisse bedienen, und deren hochentwickeltes Know-how in Technik und Handwerk weltweit Bewunderer und Käufer findet. Dazu gehören die Berking Classics Werft in Flensburg und die Leichtflugzeugfertigung bei Bredstedt.
Ich könnte noch viel über unsere Städte schreiben, ihre berühmten und weniger berühmten Menschen, ihre lange, wechselvolle, zeitweise auch leidvolle Geschichte, ihr wirtschaftliches Auf und Ab, ihre historische Architektur, ihre Lebenskultur und ihr gesellschaftliches Milieu. Ich glaube, ich kann mir und Ihnen das an dieser Stelle ersparen. Der Leser wird das alles und noch viel mehr auf den folgenden Seiten finden. Dabei wünsche ich ihm gute Unterhaltung. Aber in Wahrheit wünsche ich mir, listig verborgen hinter den vielen Worten, dass er auf meine Heimat neugierig wird und sie besuchen kommt. Er könnte auch mich treffen, zum Beispiel in der Weinstube im Krusehof in Flensburg. Er dürfte mich ruhig auf dieses Buch ansprechen, und ich bin mir sicher, dass er danach ein paar wunderbare Tage verbringen wird, aber nur, wenn er zwischen den Meeren bleibt und nicht durchrauscht nach sonst wohin.
Reinhard Pelte
Die Ostsee heißt auch Baltisches Meer oder Baltische See, lateinisch Mare Balticum. Der Begriff ›Meer‹ scheint erst wirklich angebracht östlich von Fehmarn, besser noch, östlich von Rügen und Bornholm. Ab hier geht es viel wilder, rauer und naturnaher zu als westlich davon in Richtung deutsch-dänische Ostseeküste.
Hier ist aus dem Mare Balticum die ›Dänische Südsee‹ geworden. Der Slogan spielt auf die Vorstellung von der Freundlichkeit, ja der Lieblichkeit und Gastfreundschaft der pazifischen Südsee an, in der man das Paradies vermutet und nicht die rohe Brutalität sturmgepeitschter Weltmeere. Wie so oft haben derlei Slogans einen wahren Kern. Zum einen zeugt er davon, dass die wenigsten, die ihn benutzen, wirklich in der Südsee gewesen sind. Sie können nicht wissen, wie gnadenlos brutal es dort zugehen kann. (Wer darüber mehr wissen will, kann bei Robert Louis Stevensons ›In der Südsee‹ fündig werden.)
Zum anderen trifft der Mythos von der Südsee den Charakter der Ostsee vor der deutsch-dänischen Küste recht präzise. Davon wissen die Segelsportfreunde ein besonderes Lied zu singen.
Das gesamte Segelrevier vor der Haustür, die etwa 8.000 km2 große Beltsee, auch ›Westliche Ostsee‹ genannt, umfasst die Meeresgewässer westlich von Seeland, Falster und der sich zwischen dieser Insel und der deutschen Küste bei Rostock erstreckenden Darßer Schwelle. Hier ist das Meer durch Inseln in ein Netz von Meerengen und Buchten geteilt, die mit der eigentlichen Ostsee kaum enger verbunden sind als mit dem Kleinen Belt. Die mittlere Salzkonzentration im Wasser der Beltsee ist gut doppelt so hoch wie in der östlich angrenzenden eigentlichen Ostsee. In mancher Hinsicht kann die Beltsee bis auf Großen und Kleinen Belt allerdings schon der eigentlichen Ostsee zugerechnet werden. Aber aus Sicht der heimatlichen deutsch-dänischen Küste gehören vor allem folgende Seegebiete dazu:
Meerengen:
Langelandsbelt
Kleiner Belt
Alsenbelt
Alsensund
Meeresbuchten, Förden:
Smålandsfarvandet
Alsfjord
Flensburger Förde
Geltinger Bucht
Schlei
Wenningbund
Eckernförder Bucht
Es gibt kaum ein Segelrevier im Norden Europas, das sich so großer Beliebtheit erfreut wie die Dänische Südsee. Selbst wenn die Segelsaison kurz ist (von April bis September), die Anzahl beliebter Segelhäfen sowohl auf dänischer als auch auf deutscher Seite füllt ganze Kataloge.
Es gibt zahllose Schulen, die Interessierten das Segeln beibringen, Enthusiasten den letzten Schliff verpassen und die neuesten Techniken vermitteln. Sie dürfen auch die Lizenzen zum Führen eines Bootes erteilen. Dem Segelfreund, der kein eigenes Segelboot besitzt und auch keines erwerben möchte, eröffnen sich zahllose Möglichkeiten, ein Boot zu chartern. Von der kleinen Jolle bis hin zur luxuriösen X-50 oder Swan-82 S.
Unter dem Begriff ›Dänische Südsee‹ wird gemeinhin der Seebereich südlich von Fünen einschließlich Ærøskøbing, Langeland und der vielen Inseln dazwischen zusammengefasst. Der Name wird hauptsächlich von deutschen Seglern verwendet. Im Dänischen ist die Bezeichnung ›Südfünisches Inselmeer‹ (Sydfynske Øhav) geläufig. Es ist ein abwechslungsreiches Segelrevier. Kleine, fast verlassene Inseln wechseln sich ab mit größeren Inseln, wo man idyllische Städte findet, in denen die legendäre dänische Gelassenheit erlebt werden kann. Es gibt Plätze, an denen Sie ganz für sich sind, und es gibt Orte, die im Sommer nur so wimmeln von Seglern und anderen Bewunderern der dänischen Lebensart.
Die vielen Inseln im Meer zwischen Ærø, Fünen und Langeland können nicht alle aufgezählt werden. Dafür reicht der Platz hier nicht aus. Fast alle haben einen kleinen Hafen oder mindestens einen Ankerplatz. Die meisten von ihnen sind dünn besiedelt. Es gibt einen kleinen Ortskern, manchmal nur einen einzigen Købmand (Kaufmann).
In der dänischen Südsee liegen neben der großen Insel Fünen auch Alsen, Langeland, Lolland, Falster, Møn und viele weitere kleine Inseln.
Aabenraa ist der Einstieg von Deutschland nach Dänemark (dänisch Danmark), genauer von Schleswig-Holstein nach Südjütland (dänisch Sønderjylland). Durch die zentrale Lage sind zahlreiche nationale und gewerbliche Funktionen mit der Stadt verknüpft. Kunst und Kultur können Sie in Museen und Galerien gut präsentiert kennenlernen.
Aabenraa ist die erste dänische Stadt an der A7 nördlich der deutschen Grenze. Seit ich an die deutsch-dänische Grenze gezogen bin (1972), weiß ich immer genau, wann ich in Deutschland oder in Dänemark bin, auch nachdem es keine Grenzkontrollen mehr gibt. Ich fühle das einfach. Früher lag das vielleicht daran – von den Grenzkontrollen einmal abgesehen –, dass es in Dänemark keine Autobahnen gab. Die erste Autobahn wurde Ende der 70er, Anfang der 80er gebaut. Zu der Zeit regte man sich in Deutschland schon lange über die Staus auf den Autobahnen auf. Auch heute noch – die Grenzkontrollen sind längst abgeschafft und Geschichte geworden – fühle ich deutlich, in welchem Land ich mich aufhalte. Viele, denen es ähnlich geht, meinen, das läge an den dänischen Autofahrern. Selbst wenn ich mir einrede, das sei ein Vorurteil, sozusagen eine unstatthafte Verallgemeinerung, muss ich einräumen: Dänische Autofahrer sind alles in allem ›langsamer‹.
Als ich zum allerersten Mal nach Dänemark fuhr, war Aabenraa die erste dänische Stadt, in der ich Halt machte. Damals war für mich alles neu und aufregend. Heute bin ich nicht mehr aufgeregt, aber immer noch gespannt auf Neues. Aabenraa ist ein charakteristischer, interessanter und aktiver Ort. Im Mittelalter erhielt er seine Stadtrechte, und im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts entwickelte er sich zu einer Schiffs- und Seefahrerstadt.
Aabenraa rühmt sich, die längste Fußgängerzone Dänemarks zu haben. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich weiß nur, dass es einen hübschen Marktplatz gibt und ein großes, vielseitiges Angebot an Fachgeschäften, kleinen Cafés und Restaurants. Gehen Sie auch einmal in die winkligen Nebengassen mit ihren vielen alten Häusern und in den schönen Garten des Postmestergårdens.
Tipp: Im Sommer werden in Aabenraa wöchentliche Rundgänge mit dem Nachtwächter oder Stadtführern angeboten, die über die Geschichte der Stadt erzählen.
Aabenraa Turistbureau /// H. P. Hanssens Gade 5 ///
DK-6200 Aabenraa /// +45 / 74 62 / 35 00 /// www.visitaabenraa.dk ///
Der Gendarmstien ist Teil des Europäischen Fernwanderwegenetzes. Entlang des Weges gibt es Naturlagerplätze, Campingplätze und private Unterkünfte mit festem Dach. Speziell für den Gendarmstien gibt es bei den Touristinformationen eine (kostenlose) Broschüre mit Detailkarten.
Der Gendarmstien ist ein Wanderweg im südlichsten Dänemark. Er führt etwa 75 Kilometer von Padborg nach Høruphav auf der Insel Als. Natürlich kann man ihn auch von Flensburg, Wassersleben / Krusau (Grenzübergang), Kollund oder Broager angehen. Der Gendarmstien ist zu allen Jahreszeiten ein eindrucksvoller Küstenwanderweg. Im Sommer kann man fast überall in der Ostsee baden. Aber auch Kultur und Geschichte kommen nicht zu kurz.
Historisch gesehen ist der Wanderweg die Patrouillenstrecke der Grenzgendarmen, die hier bis in die 50er-Jahre Wache gingen. Im Museum in Sønderborg erfährt man mehr darüber. Der Weg führt auch über Dybbøl, wo alte Geschützstellungen aus dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 besichtigt werden können (mehr Infos im Schanzenmuseum). Für jeden Geschmack gibt es also etwas zu erkunden. Vor allem aber bietet das Wandern auf dem Gendarmstien einen grandiosen Ausblick auf die Fördelandschaft und verschafft zu jeder Zeit eine unvergleichliche Erholung an der frischen Luft. Der Weg führt durch eine Landschaft zwischen Ostsee und Ackerland, entlang an lichten Wäldern und Uferseen, über historische Schlachtfelder zu Dörfern und Städtchen, in denen man es sich gut gehen lassen kann.
In Egernsund überqueren Sie eine enge Fahrrinne. Gleich unterhalb der Klappbrücke liegt ein kleiner Gasthof, der zu einer Rast einlädt. Die nächste kleine Stadt ist Broager. Die Türme der Stadtkirche sind schon von Weitem sichtbar (und einen Besuch wert). Sønderborg ist die größte Stadt am Gendarmstien. Hier lohnt es sich, länger zu verweilen. Mehr dazu in den folgenden Kapiteln.
Tipp: Der Wanderer auf dem Gendarmstien entlang des dänischen Ufers der Flensburger Förde bekommt einen grandiosen Eindruck von der Dänischen Südsee, der Fördelandschaft und den alten Städten und Dörfern in der deutsch-dänischen Grenzregion.
Turismeudviklingsselskab /// Teglgårdsparken 101 ///
DK-5500 Middelfart /// +45 / 75 83/ 59 99 ///