Die Schule der magischen Tiere
Lies alle Abenteuer!
Band 1 Die Schule der magischen Tiere
Band 2 Voller Löcher!
Band 3 Licht aus!
Band 4 Abgefahren!
Band 5 Top oder Flop!
Band 6 Nass und nasser!
Weitere Abenteuer in Vorbereitung
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Copyright © Carlsen Verlag 2015
Text: Margit Auer
Umschlag und Innenillustrationen: Nina Dulleck
Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde
978-3-646-92501-2
Alle Bücher im Internet unter www.carlsen.de
Die Wintersteinschule
Eine ganz normale Schule. Ganz normal?
Fast. Gäbe es da nicht ein Geheimnis …
Miss Cornfield
Lehrerin an der Wintersteinschule. Manchmal ein bisschen streng, aber sie meint es gut mit ihren Schülern. Und sie weiß ganz genau, wer von ihnen Hilfe braucht …
Mister Mortimer Morrison
Inhaber der magischen Zoohandlung. Dort gibt es magische sprechende Tiere. Er selbst hat auch eins: die freche Elster Pinkie
Mr. Morrisons Omnibus
Damit fährt er um die ganze Welt und sammelt magische Tiere ein.
Leonardo, das Streifenhörnchen
Eines der vielen, vielen sprechenden Tiere in der magischen Zoohandlung. Sie alle wünschen sich nichts mehr, als den Menschen zu finden, der perfekt zu ihnen passt …
Glückspilze! Ida und Benni waren die Ersten, die magische Tiere bekommen haben:
Ida und der Fuchs Rabbat
Schwer zu sagen, wer von den beiden schlauer ist. Ida würde wohl sagen, sie selbst, denn Ida weiß immer alles besser …
Benni und die Schildkröte Henrietta
Die unternehmungslustige Henrietta liebt nächtliche Abenteuer. Und Benni? Der ist dabei!
Und auch diese sechs sind beste Freunde auf immer und ewig:
Jo und der Pinguin Juri
Jo finden alle Mädchen ziemlich süß. Wenn Jo morgens im Bad ist, kann das eine Weile dauern. Noch länger braucht nur Juri, wenn er im Schulteich badet …
Schoki und Pinselohrschwein Peperoni
sind ein Herz und eine Seele. Vor allem, wenn es um Schokolade geht …
Anna-Lena und Chamäleon Caspar
Mit Caspar an ihrer Seite wird die schüchterne Anna-Lena zur Verwandlungskünstlerin …
Viele Tiere, viele Kinder …
Wer wird wohl der Nächste sein?
Die zickige Helene?
Max, der Professor?
Eddie, der Tollpatsch?
Oder gar der fiese Silas?
Ah, die Berge! Der Mann in dem langen grauen Mantel lüftete seinen Schlapphut und atmete tief durch.
„Sollte ich öfter machen“, murmelte er.
Drei Stunden lang war er marschiert. Er hatte den Gipfel erklommen, in einer Almhütte eine große Portion Kaiserschmarrn verspeist, seine Füße in klarem Quellwasser gebadet und mit etlichen Kühen gesprochen. Ja, genau – mit Kühen!
Jeder einzelnen hatte er tief in die Augen gesehen. „Sprichst du meine Sprache? Möchtest du mitkommen?“
Aber die Kühe hatten ihn nur angeglotzt und weiter an ihren Grashalmen gekaut. Na, dann eben nicht! Er würde heute schon noch ein magisches Tier entdecken, das fühlte Mortimer Morrison bis in die Haarspitzen …
Inzwischen war es Abend geworden. Mr. Morrison war wieder am Parkplatz angelangt und ging auf seinen alten Omnibus zu. Ächzend ließ er sich in den ausgesessenen Sitz plumpsen und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Zum Glück, der Motor sprang an!
Mortimer Morrison seufzte erleichtert. Zu oft hatte ihn das Fahrzeug in letzter Zeit im Stich gelassen.
Er lenkte den Bus die kurvigen Landstraßen entlang und hielt angestrengt Ausschau in der Dämmerung.
Ein alter Kirchturm. Ob dort Falken hausten? Ein ausgedehntes Waldstück. Ob es dort Wildschweine gab? Eine Pferdekoppel. Ob eines der Ponys seine Sprache sprach? Die Sprache der magischen Tiere?
An einer verfallenen Burgruine machte er Halt. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Zuckende schwarze Schatten, die in der Dämmerung umherflatterten. Fledermäuse!
Er schnalzte mit der Zunge. „Das wird was“, sagte er leise und stieg aus.
Tatsächlich! Eine Fledermaus wagte sich dicht an ihn heran. Und Mr. Morrison verstand sie ganz genau. Sie trällerte ein kleines Liedchen.
„Guten Abend, gut Nachterich, mihit Rosen bedachterich …“
„Guten Abend!“, rief ihr Mr. Morrison freundlich zu.
Die Fledermaus machte eine aufgeregte Zickzackkurve.
„Du verstehst mich? Du verstehst, was ich sage? Oh, wie langerich habe ich gewartet, dass jemand meine Sprache versteht! Endlich, endlich, tollerich!“
Im Sturzflug schoss das muntere Ding Richtung Boden, machte kurz vor dem Aufprall einen Looping, flog wieder nach oben und hängte sich kopfüber an Mortimer Morrisons Schlapphut.
„Huhu, hier bin icherich!“ Verkehrt herum schaute die Fledermaus dem Mann in die Augen.
Mortimer musste lachen. „So eine fröhliche Dame könnte ich gut in meiner magischen Zoohandlung brauchen! Magst du mitkommen?“
„Aber klaro!“, fiepte die Fledermaus.
Die Heimfahrt im alten Omnibus verging wie im Flug. Eugenia, so hieß die Fledermaus, erzählte von ihrem Leben in der alten Burg und Mortimer Morrison berichtete von der magischen Zoohandlung.
Bis kurz vor Rosenheim die Scheinwerfer flackerten.
„Nicht schon wieder“, stöhnte Mortimer Morrison.
Der Motor stotterte, das Licht wurde schwächer und ging schließlich ganz aus. Mortimer Morrison versuchte ein paarmal den Zündschlüssel zu drehen. Aber vergebens.
Sie saßen im Dunkeln.
„Nicht schon wieder“, stöhnte Mr. Morrison noch mal.
„Was isterich?“, fragte Eugenia. Aufgeregt flatterte sie am Beifahrersitz auf und ab. „Du hältst an? Und jetzerich?“
Der Inhaber der magischen Zoohandlung kniff verärgert die Augen zusammen. „Jetzt“, brummte er, stieg aus und knallte die Fahrertür zu, „jetzt fahren wir mit dem Zug.“
SMS, abgeschickt am Bahnhof Rosenheim
Von: Mortimer Morrison
An: Mary Cornfield
Hallo Mary, die Mistkarre istschonwieder stehengeblieben. Binjetzt in Rosenheim, Nehme morgen früh ersten Zug. komme erst gegen Abend an. Sieh morgen mal nach den Tieren in der magischen Zoohandlung,ja?danke, Schwesterherz. gut Nacht. Mortimer.
Es war ein kühler Montagmorgen im Herbst, kurz nach halb acht.
Benni stand an der Gartenpforte und sah sich neugierig um. Er war noch nie bei Eddie gewesen.
„Abgefahren“, murmelte er leise vor sich hin. Das rot, grün und blau gestrichene Gartentürchen hing schief in den Angeln. Aus dem Postkasten, auf dem „Petersen“ stand, quollen Kataloge und Briefe hervor. Ein von Farnen gesäumter Kiesweg schlängelte sich durch einen verwilderten Garten. Längst verblühte Sonnenblumen wuchsen zwei Meter hoch. Ein großes blaues Pferd aus Plastik stand im Garten und starrte ihn an.
Das Haus lag ganz still da. War überhaupt jemand daheim?
„Der pennt doch noch“, warf die kleine Schildkröte ein, die aus Bennis Büchertasche lugte. Henrietta war Bennis magisches Tier, was bedeutete, dass die beiden miteinander sprechen konnten. Seit sie in der Klasse von Miss Cornfield zueinandergefunden hatten, waren sie unzertrennlich.
Die Schildkröte kicherte. „Ich finde, Mr. Morrison sollte Eddie einen magischen Gockelhahn bringen, der jeden Tag um sieben Uhr ‚Guten Morgen‘ kräht!“
Mr. Morrison, das war der Inhaber der magischen Zoohandlung.
Von Zeit zu Zeit besuchte er Miss Cornfields Klasse. Und dann hielten alle Schüler die Luft an: Wer würde heute ein magisches Tier bekommen?
Angefangen hatte alles mit Ida und Benni. Ida hatte den Fuchs Rabbat bekommen und er selbst die wunderbare Schildkröte Henrietta. Benni wusste, was für ein riesengroßes Glück er gehabt hatte: Jeder aus der Klasse wäre gern an seiner Stelle gewesen.
Ob wohl auch Eddie mal an die Reihe kam?
Zum siebten Mal drückte Benni nun schon auf die Klingel. Die Lehrerin Miss Cornfield hatte ihn beauftragt Eddie abzuholen. Eddie, die Schlafmütze.
Dreimal war er in der vergangenen Woche zu spät zum Unterricht erschienen und Miss Cornfield war der Meinung, dass es so nicht weitergehen konnte.
„Du hast Recht, Henrietta“, seufzte Benni. „Eddie braucht einen Gockelhahn. Gibt es denn in der magischen Zoohandlung einen?“
„Bestimmt“, sagte Henrietta. „Los jetzt, Benni, rein mit dir!“
Vorsichtig drückte Benni die Klinke hinunter und tapste den Kiesweg entlang.
Eddies Haus war gelb gestrichen und hatte grüne Fensterläden, irgendwie erinnerte es Benni an Italien. Dicker Efeu wuchs über die ganze Vorderseite. Ein rotes, altes Fahrrad ohne Reifen hing über der Tür.
„Eddie, aufwachen!“, rief er unsicher nach oben.
Und gleich noch einmal lauter: „He, Eddie, wir müssen zur Schule!“
Endlich bewegte sich ein Vorhang und an einem Fenster erschien ein verstrubbelter Haarschopf.
Das Fenster ging auf und Eddie blinzelte verschlafen heraus. „Schule?“, murmelte er verwirrt. „Komme gleich!“
Benni setzte sich auf die Steinstufe und stand gleich wieder auf. Zu kalt! Ein scharfer Wind fuhr durch die feuchte Luft.
Benni blickte auf seine Armbanduhr. Schon 20 Minuten vor acht! Am Ende würden sie beide zu spät kommen …
In diesem Moment kam Eddie aus der Tür gestürzt. Sein Hemd hing aus der Hose, die Schnürsenkel waren offen, die Haare noch genauso verstrubbelt wie eben.
„Okay, wir können los“, sagte Eddie und nickte der Schildkröte zu. „Hallöchen, Henrietta.“
Benni deutete auf Eddies Rücken. „Dein Rucksack?“
Eddie schlug sich auf die Stirn und rannte noch mal ins Haus, um die Schultasche zu holen.
„Und denk an dein Sportzeug!“, rief ihm Benni noch hinterher.
Er war sich sicher, dass die Hälfte der Hefte fehlte. Eddie war nun mal ein Schussel …
Auf dem Weg zur Schule blieb Benni an einem Straßenschild stehen. Eddie stolperte müde in ihn hinein. „Hoppala“, sagte er.
Benni wandte sich an Henrietta.
„Kleine Leseübung“, sagte er und deutete auf das Schild.
Die Schildkröte Henrietta, die in ihrem langen Leben viel erlebt hatte, besaß ein hervorragendes Gedächtnis. Lesen allerdings konnte sie nicht – und das wollte Benni ihr unbedingt beibringen.
Eifrig streckte Henrietta nun das Köpfchen aus der Schultasche und kniff die Augen zusammen.
„Eddie wohnt … Moment, gleich hab ich’s …“ Sie strahlte Benni an. „Eddie wohnt in der Schnitzelstraße!“
Benni lachte. „Schnitzlerstraße muss es heißen!“
Die Freunde gingen die Schillerstraße entlang („Schlimmerstraße“ las Henrietta vor), dann die Lindenallee („Linsengelee“) und schon kam die Wintersteinschule in Sicht: ein altmodischer Bau mit zwei Türmen links und rechts.
Vor der Schule winkte ihnen Anna-Lena entgegen. Auf ihrer Schulter saß das Chamäleon Caspar.
„Anna-Lena ist wie verwandelt, seit sie Caspar hat. Früher war sie immer so schüchtern“, sagte Eddie.
„Mit einem magischen Tier ist nun mal alles ganz anders“, antwortete Benni. Auch er selbst war so glücklich, seit er Henrietta hatte! Die Schildkröte machte ihm Mut, wenn er mal wieder ängstlich war, und war immer für ihn da.
Ihre Klasse bestand aus 24 Schülern. Fünf von ihnen besaßen inzwischen einen magischen Gefährten: er selbst, Ida, Anna-Lena, Jo und Schoki.
Was für ein Glück sie alle hatten! Jo war ein richtiger Vollidiot gewesen, bevor er den Pinguin Juri bekam, und Schoki mit der Strickmütze und das afrikanische Pinselohrschwein Peperoni waren vom ersten Moment an ein Herz und eine Seele gewesen.
„Hättest du nicht auch gern ein magisches Tier?“, fragte Benni und hielt Eddie die Tür auf. „Es könnte dich doch zum Beispiel morgens wecken und …“
Aber Eddie bekam mal wieder nichts mit. Er stolperte über die Türschwelle, sagte „Hoppala“ und grinste Benni zu.
Benni fragte erneut, diesmal lauter: „Hät-test du nicht auch ger-ne ein ma-gi-sches Tier?“
„Ja, klar!“, rief Eddie. „Das hätte ja wohl jeder von uns gern! Stell dir mal vor, eine Giraffe! Das wär cool …“
Sie gingen im Gedränge die Treppe hoch in den ersten Stock. Keines der anderen Kinder sah Henrietta, die aus Bennis Schultasche guckte. Mr. Morrison hatte erklärt, das läge daran, dass die meisten Menschen die Magie einfach nicht wahrnähmen, die um sie herum passierte. Sie wären immer viel zu beschäftigt.
Damit das Geheimnis der magischen Tiere aber auch wirklich sicher war, hatte sich Mr. Morrison noch einen Trick überlegt – für den Notfall: Die Tiere konnten „versteinern“, sie sahen dann aus wie ganz normale Kuscheltiere …
Im Klassenzimmer ließ sich Benni auf seinen Stuhl fallen und setzte Henrietta in ihren Schuhkarton, wo sie die Vormittage am liebsten verbrachte. Vor Miss Cornfield mussten die Tiere natürlich nicht versteinern und so hatte jedes der Tiere seinen Stammplatz im Unterricht: Rabbat, der Fuchs, machte es sich meist unter Idas Tisch bequem, Chamäleon Caspar hockte auf Anna-Lenas Pult, Pinguin Juri versteckte sich gern hinter dem Kleiderständer.
Pinselohrschwein Peperoni lief schnüffelnd herum, um hier und da einen Apfel oder einen Schokoriegel abzustauben. Wenn er die Runde beendet hatte, setzte er sich mit seinem Hinterteil auf den Parkettboden und verfolgte aufmerksam den Unterricht. Wie alle magischen Tiere konnte er die Menschensprache verstehen.
Auch untereinander konnten sich die magischen Tiere verständigen. Aber nur ganz selten sprachen sie miteinander über ihre gemeinsame Zeit in Mr. Morrisons magischer Zoohandlung. Wie er ihnen das Versteinern beigebracht hatte oder wie er sie auf ihre zukünftige Aufgabe vorbereitet hatte.
„Ich werde für euch einen allerbesten Freund finden“, hatte er ihnen versprochen. „Und diesem Freund werdet ihr helfen, wo immer ihr könnt.“ Die meisten konnten es gar nicht erwarten, ihren Gefährten kennenzulernen. „Euer Gefährte ist außer mir der einzige Mensch, der euch verstehen kann“, sprach Mr. Morrison weiter. „Vergesst das nicht, sonst sorgt ihr für ziemliche Verwirrung.“
Wenn Peperoni also während des Unterrichts einen Kommentar abgab – „So ein Blödsinn!“ zum Beispiel – dann hörte das zwar Schoki, nicht aber die Lehrerin.
Wenn Schoki daraufhin antwortete – „Aber echt, totaler Quatsch!“ – , dann handelte er sich einen strengen Blick von Miss Cornfield ein. Denn ihn konnte sie sehr wohl verstehen.
Als Miss Cornfield kurz vor acht Uhr schwungvoll wie immer das Klassenzimmer betrat, fiel ihr erster Blick auf Eddies Platz. Sie wirkte erleichtert, als sie ihn dort sitzen sah, und nickte Benni zu.
„Gut gemacht, vielen Dank, Benni! Und morgen schaffst du es wieder allein, Eddie, stimmt’s?“
Eddie hörte sie nicht. Er steckte gerade mit dem Kopf unter dem Tisch und angelte nach seinem Radiergummi, der ihm weggehüpft war.
Seufzend begann Miss Cornfield mit dem Unterricht. „Mathehefte raus! Wir üben Sachaufgaben.“
Eddie, kaum mit hochrotem Kopf aufgetaucht, duckte sich wieder weg und kramte in seiner Schultasche. Er fand aber nur die Hefte für Deutsch, Sachkunde und Musik.
„Typisch Eddie“, kicherte Henrietta.
Hätte Eddie seine Schulsachen ordentlich eingepackt, dann hätte er jetzt eine Überraschung erlebt.
Eddie hätte die magische Nachricht lesen können, die in diesem Moment ununterbrochen aufblinkte. Sie lautete:
Doch das Heft lag zu Hause auf Eddies Schreibtisch. Im ersten Stock der gelben Italienvilla. Die Buchstaben leuchteten in grellem Grün vom Umschlag. „Halte dich bereit! Halte dich bereit!“
Sie blinkten und blinkten, ununterbrochen. Keiner bemerkte sie.