Renate Klöppel · Eckart Altenmüller
Die Kunst des Musizierens
Renate Klöppel · Eckart Altenmüller
Die Kunst des Musizierens
Von den physiologischen und psychologischen Grundlagen zur Praxis
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Bestellnummer SDP 102
ISBN 978-3-7957-8650-2
© 2015 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
Alle Rechte vorbehalten
Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer ED 8706
© 1993, 2013 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
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Inhalt
Vorwort
Einleitung: Musik und Medizin
Erster Teil
Musizieren und Bewegungslernen
1. Die Psychomotorik des Instrumentalspiels
2. Vom Handlungsantrieb zur Bewegung
3. Geregelte und gesteuerte Bewegungen
4. Musizierbewegungen werden wahrgenommen
Rückmeldung vor Beginn einer Bewegung
Rückmeldung während einer Bewegung
Bewegungswahrnehmung und motorisches Gedächtnis
5. Antizipation
6. Sinneseindrücke und Bewegung
7. Das Gedächtnis
Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis
Deklaratives und prozedurales Gedächtnis
Konsequenzen für das Üben
Gedächtnis und Lernen
8. Reizüberflutung und Kapazitätsprobleme
»Superzeichen«
9. Die Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis
10. Das Automatisieren von Bewegungsabläufen
11. Bewegungslernen – eine Zusammenfassung
Sinnvolles Üben: Physiologische und psychologische Grundlagen
1. Erfolg oder Misserfolg am Instrument: Die leistungsbestimmenden Faktoren und die Rolle der Begabung
2. Musizieren ist Denken, Fühlen und Handeln
3. Körperliche Voraussetzungen
Die Beweglichkeit
Die Schnelligkeit
Die Grundschnelligkeit
Die Reaktionszeit
Die Kraft
Maximalkraft
Schnellkraft
Kraftausdauer
Krafttraining für Musiker?
Ausdauer
Körperliche Fitness
4. Koordination
Bewegungskoordination beim Musizieren
Die Schulung der Tiefensensibilität
Stabilisieren des Bewegungsgedächtnisses
Das erforderliche Tempo
Koordination in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht
5. Aufmerksamkeit und Wahrnehmung – Voraussetzung für Lernen und Fehlerkorrektur
6. Gesetzmäßigkeiten beim Bewegungslernen und methodische Empfehlungen
Lernkurven
Das Problem der Stagnation
Die Bedeutung von Pausen
Lernen und Verstehen
Lernen im Schlaf
Interferenzerscheinungen
Transfer
Transfer durch mentales Üben
Rechts-links-Transfer
7. Üben und Lernen
Konzentration
Der Erfolg beim Üben
Emotionen
1. Psychische und körperliche Merkmale
2. Stress und Angst
Angst wird gelernt
Veränderung von Denken, Wahrnehmung und Bewegung bei Angst und Stress
3. Maßnahmen zur Angstbewältigung
Therapie der Angst
Medikamente
4. Emotionales Musizieren
Zweiter Teil
Aufbau und Funktion von Nervensystem und Sinnesorganen
1. Nerven und Nervenzellen
Wie schnell sind Nervenimpulse?
2. Synapsen – Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen
»Lernfähige« Synapsen und musikalische Fähigkeiten
Wolfskinder, sensible Phasen und absolutes Gehör
Lernen und Gedächtnis
3. Das Zentralnervensystem als Steuerzentrale: Wahrnehmen und Handeln
4. Die Sensoren: Informanten der Steuerzentrale
5. Das Gehör: Die Schallaufnahme
6. Der Tastsinn
Das Vibrationsempfinden: Sinnessystem für die Tonkontrolle?
7. Die Tiefensensibilität (Kinästhesie)
Der Stellungssinn
Der Bewegungssinn
Der Kraft- und Muskelsinn
Die Sensoren der Tiefensensibilität
Muskelspindeln regulieren den Muskeltonus
Welche Sensoren der Tiefensensibilität sind am wichtigsten?
8. Das Zusammenwirken der Sinne
9. Das Gehirn
Die Entwicklung des Gehirns
Das Großhirn
Die Großhirnrinde
Das limbische System
Der Hippocampus: unerlässliche Struktur für das deklarative Gedächtnis
Neurobiologische Unterschiede und Gemeinsamkeiten von deklarativem und prozeduralem Gedächtnis
Die Basalganglien: motorische Zentren in der Tiefe des Großhirns
Das Zwischenhirn
Das vegetative Nervensystem
Sympathikus und Parasympathikus
Der Hirnstamm: Nervenzellnetze und lebensnotwendige Zentren
Das Kleinhirn: Zentrum der Bewegungskoordination
Das Rückenmark: Durchgangsstraße und Reflexsteuerung
Die motorische Einheit: je kleiner, umso feiner
Rückmeldesysteme für die motorischen Zentren
10. Die Sensomotorik
Willkürliche Bewegungen
Die motorischen Hirnzentren: Gibt es ein »Violinzentrum«?
Netzwerke für Musizierbewegungen
Die Spiegelneurone: Nervenzellen für Nachahmung und Mitgefühl
Bewegungslernen aus neurobiologischer Sicht
Musikerdystonie
Wie Musizieren das Gehirn verändert
11. Leistungen des Gehörs
Richtungshören
Wie laut ist Musik?
Musik als Ursache von Schwerhörigkeit?
Wie können Musiker ihr Gehör schützen?
Die zentrale Hörbahn
12. Rechtes Gehirn – linkes Gehirn: zwei ungleiche Hälften?
Geteiltes Gehirn – gespaltenes Bewusstsein?
Split-Brain-Patienten
Linke Hälfte – rechte Hälfte: Die eine wichtig – die andere unwichtig?
Die Unterschiede
Musik und Hemisphären
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Personenregister
Vorwort
Musizieren – wie geht das eigentlich? In welcher Weise vollbringen Körper und Geist die staunenswerte Leistung meisterhaften Musizierens? Der vorliegende Band Die Kunst des Musizierens erklärt nicht nur die dem Musizieren zugrunde liegenden Abläufe innerhalb des Nervensystems und des Bewegungsapparates, sondern beschäftigt sich ebenso mit der praktischen Anwendung dieses Wissens: Auf Grundlage objektiver Erkenntnisse erhalten Musiker Hinweise, wie sie unnötige Grenzen überwinden, Ängste abbauen und sinnvoll üben können.
Der erste Teil dieses Buches geht im ersten Kapitel zunächst einzelnen Schritten nach, die vom Musizierenden weitgehend unbemerkt in seinem Nervensystem ablaufen, damit seine Musik hörbar wird: Wie entstehen die Bewegungen, die das Instrument zum Klingen bringen, wie werden sie überwacht, wie im Gedächtnis behalten, und wieso können sie trotz der unüberschaubar vielen Einzelheiten auch noch im hohen Tempo zuverlässig ausgeführt werden?
Nicht jeder, der musiziert, ist in der Lage, die immensen Schwierigkeiten zu bewältigen, die manche Kompositionen enthalten. Zu diesem Thema zeigt das zweite Kapitel einerseits auf, welche physiologischen Faktoren bei virtuosen Musikstücken die individuelle Leistung auf dem Instrument begrenzen können. Andererseits werden Übemethoden dargestellt, die dazu dienen können, die vorhandenen Potenziale tatsächlich zu nutzen, denn häufig entstehen durch unzweckmäßiges oder ineffektives Üben Beschränkungen, die an sich überwindbar wären.
Im dritten Kapitel geht es um Emotionen, und zwar zunächst darum, was in körperlich-seelischer Hinsicht Gefühle überhaupt sind. Der größte Teil des Kapitels ist einem Gefühl gewidmet, mit dem sich viele konzertierende Musiker auseinandersetzen müssen, nämlich der Angst. Wie entsteht dieses Gefühl, das nicht selten die volle Entfaltung des Könnens behindert, sobald Publikum zugegen ist? Welche Folgen kann Angst für Denken, Wahrnehmung und Bewegung haben und, vor allem, wie lässt sich lähmende Angst überwinden und wie kann der Musiker gerade durch die erhöhte Aktiviertheit auf dem Podium sein volles Potenzial ausschöpfen?
Der zweite Teil des vorliegenden Bandes ist einem Thema gewidmet, das der Leser nicht selbstverständlich in einem Musikbuch erwarten würde. Es ist eine Darstellung des Nervensystems und der beim Musizieren beteiligten Sinnesorgane. Neue Untersuchungstechniken, vor allem die sogenannten bildgebenden Verfahren, erlauben Einblicke in das arbeitende Gehirn und lassen Neurobiologie und kognitive Psychologie immer enger ineinandergreifen. Durch moderne Untersuchungsmethoden konnten auch die beeindruckenden Veränderungen sichtbar gemacht werden, die sich im Gehirn als Folge des Musizierens vollziehen. Lernen und Gedächtnis sind ohnehin zwei der Bereiche, in denen die neurobiologische Forschung immer detailliertere Erklärungen liefert für das, was die Psychologie durch Verhaltensbeobachtung festgestellt hat. Ein weiteres Thema, zu dem die Neurobiologie Erkenntnisse gewonnen hat, ist das absolute Gehör und die Frage, warum man es als Erwachsener, wenn überhaupt, nur äußerst unvollkommen erwerben kann. Ebenfalls ausführlich dargestellt werden das Bewegungsgefühl und seine organischen Grundlagen. Auch dieses Thema hat einen wesentlichen Bezug zur Praxis des Musizierens.
Der Fortschritt der Hirnforschung bringt es mit sich, dass zu dem umfangreichen vorhandenen Wissen ständig neues hinzugefügt wird. Vieles, was bei den ersten Auflagen dieses Buches noch hypothetisch war, ist mittlerweile bewiesen worden. Andere Fakten, nämlich die sogenannten Spiegelneuronen, die eine wesentliche Rolle beim Bewegungslernen spielen, sind völlig unerwartet und ganz zufällig entdeckt worden. Wir haben uns im Wesentlichen darauf beschränkt, das darzustellen, was voraussichtlich auch in den kommenden Jahren Bestand haben wird. Wenn bei manchen angeführten Einzelheiten die letzten Beweise noch ausstehen, ist dies im Text deutlich gemacht.
Das vorliegende Buch ist in der neueren deutschsprachigen Literatur bislang die einzige umfassende, an der musikalischen Praxis orientierte Darstellung dieser Themen, obwohl in der musikpädagogischen Literatur immer wieder anatomische Begriffe wie limbisches System oder Großhirnrinde auftauchen, in der Regel allerdings ohne hinreichende Erklärung.
Man mag unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob es angebracht ist, sich in der Form, wie es hier geschieht, mit dem Musizieren auseinanderzusetzen. Ob das Wissen über die Musizierbewegungen überhaupt nötig und sinnvoll sein kann oder ob der Intuition des Unterrichtenden wie des Spielenden die entscheidende Rolle zufällt, darüber gehen die Ansichten weit auseinander. Viele sind geneigt, ihre eigene Erfahrung zu verallgemeinern, und stehen einer entgegengesetzten Auffassung unversöhnlich gegenüber.
Nach unserem Dafürhalten haben jedoch beide Seiten ihre Berechtigung. Glücklich schätzen dürfen sich diejenigen, die in der Lage sind, intuitiv, dank ihrer musikalischen Vorstellung, ihrem Gehör und ihren wie selbstverständlich ausgeführten zweckmäßigen und ökonomischen Musizierbewegungen mit Musik umzugehen wie mit ihrer Muttersprache. Eins wie das andere steht ihnen jederzeit zur Verfügung, ohne dass sie Einzelheiten überdenken müssen. Beides haben sie in großer Vollkommenheit und im natürlichen Umgang mit der Materie erlernt, und ein Nachdenken über das Wie hemmt sie eher, als dass es ihnen förderlich ist. Wir halten es aber für ausgeschlossen, all den verschiedenen Persönlichkeiten, die musizieren wollen, mit ihren unterschiedlichen Zielen, Ansprüchen und Vorerfahrungen gerecht zu werden, wenn man nur diesen einen intuitiven Zugang zum Musizieren gelten lässt. Vielen ist schon deswegen dieser unmittelbare Weg versperrt, weil sie sich erst spät der Musik gewidmet haben, anderen, weil es ihrer Persönlichkeit nicht entspricht, sich einer Sache ganz zu verschreiben, ohne sie verstandesmäßig zu erfassen.
Es ist ein verbreitetes Missverständnis, dass das vorübergehende Bewusstmachen einzelner Lernschritte zu unmusikalischem Spiel oder zu Verwirrung und Blockierungen führe. Verstandesmäßiges Erfassen des Musizierens bedeutet keineswegs, dass beim geübten Stück der Verstand die dominierende Rolle spielen muss, sondern im Stadium des Könnens kann das Bewusstsein wieder frei werden für die musikalische Gestaltung.
In seiner ersten Auflage ist Die Kunst des Musizierens unter dem Einfluss des Pianisten Reinhard Becker, dem damaligen Lehrer von Renate Klöppel an der Musikhochschule Trossingen, entstanden. Sein Wissen und seine Erfahrungen gaben wertvolle Anstöße für dieses Buch. Zahlreiche weitere Personen, denen wir hiermit noch einmal danken möchten, haben an der ersten oder den weiteren Auflagen mitgewirkt: Johannes Klehr, Dr. med. Berthold Graf, die beiden Dipl.-Bibliothekare Richard Grimm und Christoph Deblon, Philippe Ohl, Prof. Dr. Reinhard Kopiez, Dr. med. Karin Rosenkranz, Prof. Dr. med. Hans-Christian Jabusch und Dr. Marc Bangert. Ein wichtiger Teil des Buches sind die Abbildungen, wobei unser Dank Prof. Dr. med. Reinhard Pabst gilt, der die Fotografien des menschlichen Gehirns beigesteuert, und Dr. med. Rhett Brüderl, der die kernspintomographischen Aufnahmen zur Verfügung gestellt hat; ebenso Bettina Stieber, von der die Karikaturen stammen, und Gisela Hauser, die den größten Teil der übrigen Abbildungen für den Druck überarbeitet hat. Außer den hier namentlich genannten sei den Freunden sowie den Kollegen und Studenten der Musikhochschule Trossingen für die vielfältigen Anregungen gedankt. Dank für ihre tatkräftige Unterstützung gebührt zudem den Kindern von Renate Klöppel, Dr. Susanne Klöppel und PD Dr. med. Stefan Klöppel, sowie ihrer Schwester Christiane Kayser. Wertvolle Hinweise für die aktuelle Auflage erhielten wir zudem von dem Pianisten Prof. Bernd Goetzke aus Hannover, dem wir hiermit herzlich danken möchten.
Zu unserer Freude hat es der Verlag Schott Music International auch diesmal ermöglicht, das mittlerweile seit 20 Jahren bewährte Studienbuch erneut zu überarbeiten und auf den neuesten Stand zu bringen. Erstmals erscheint diese sechste Auflage der Kunst des Musizierens unter der Ägide zweier Autoren: Prof. Dr. Eckart Altenmüller, der schon für mehrere Auflagen wertvolle Anregungen und Hinweise gegeben hat, ist nun Co-Autor der jüngsten Überarbeitung.
Januar 2013
Renate Klöppel
Eckart Altenmüller
Einleitung: Musik und Medizin
Der Geist aber des Herrn wich von Saul, und ein böser Geist vom Herrn machte ihn sehr unruhig.
Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, so nahm David die Harfe und spielte mit seiner Hand; so erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.
Altes Testament, 1. Samuel 16, Vers 14 und 231
Die uralte Verbindung Musik und Medizin, deren erste Zeugnisse bis ins vierte Jahrtausend vor Christus zurückreichen, scheint in unserer Zeit von Missverständnissen und gegenseitiger Entfremdung geprägt zu sein. Dies gilt im traditionsreichen Gebiet der Musiktherapie, wo Musiktherapeuten über Fremdbestimmung, Fehleinschätzung oder gar Missachtung seitens der Medizin klagen2, ebenso wie in der ärztlichen Praxis, wenn der Musiker einem Arzt gegenübersteht, den seine unzureichende Kenntnis der speziellen Probleme des Musikers zum hilflosen Helfer macht. Dies ist umso bedauerlicher, als die Medizin zunehmend über Wissen verfügt, das dem Musiker helfen könnte, Probleme an der Wurzel zu packen und Schwierigkeiten zu überwinden. Andererseits haben falsche Vorstellungen vieler Musiker über die Eigenschaften des Bewegungsapparates und die daraus folgenden schädlichen Übemethoden schon manche Musikerhand unwiderruflich geschädigt und ungenügendes Wissen über die Eigenschaften des Nervensystems hat zu unzähligen sinnlos geübten Stunden geführt.
Die Zahl derjenigen Musiker, die sich durch ihren Beruf gesundheitlich beeinträchtigt fühlen, ist sehr groß: Immerhin berichteten in der umfangreichsten Studie, an der sich 2212 von 4000 erfassten Musikern aus 48 Symphonie- und Opernorchestern beteiligten, 76 Prozent über ein schwerwiegendes medizinisches Problem, das sich auf die Berufsausübung auswirkte.3 Aber auch schon bei Musikstudenten findet man häufig Beeinträchtigungen: Nach Ergebnissen der Freiburger Arbeitsgruppe um Claudia Spahn nehmen 45 Prozent der Musikstudenten während des Studiums wegen eines gesundheitlichen Problems im Zusammenhang mit dem Musizieren professionelle Hilfe in Anspruch. 25 Prozent der Musikstudenten leiden bereits bei Eintritt in das Studium im Zusammenhang mit ihrem Spiel unter Beeinträchtigungen. Somit beginnen Musikstudenten ihr Studium signifikant häufiger mit körperlichen Beschwerden als Medizin- und Sportstudenten.4
Erst seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts spezialisieren sich zunehmend Ärzte auf die besonderen Erkrankungen von Musikern, auf die Überlastungen des Bewegungsapparates, die durch das ausdauernde Üben auftreten, auf Nervenschädigungen durch anhaltende einseitige Bewegungen, auf Koordinationsstörungen und die psychischen Probleme der Musiker. Mittlerweile finden Musikphysiologie und Musikermedizin auch an vielen Musikhochschulen eine zunehmende Beachtung.
Es ist bekannt, dass komplizierte und schnelle Bewegungsabläufe zu einem eingeübten Musikstück sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen offensichtlich am besten gelingen, wenn der Handelnde den Bewegungsablauf nicht überdenkt. Wozu soll es dann gut sein, über die Hintergründe dieser staunenswerten Fähigkeiten nachzudenken? Noch eine weitere Befürchtung ist verständlich: Was bleibt vom künstlerischen Anspruch, wenn von Bewegungsprogrammen, Regelkreisen und Steuerzentrale die Rede ist? Ist denn der menschliche Geist mit den Begriffen der Technik fassbar? Zweifellos nicht, zumindest (und vielleicht glücklicherweise) noch nicht. Aber andererseits: Ist es denn der Kunst abträglich, wenn man die Logik von Zahlenverhältnissen innerhalb der Intervalle oder in Melodiebildungen und die Gesetzmäßigkeiten in einem Musikstück erkennt? Oder verlieren die minimalen Zeitverschiebungen und dynamischen Abstufungen in der Musik dadurch ihren künstlerischen Wert, dass sie messbar geworden sind? Natürlich ebenfalls nicht.
Sowenig eine gute Technik und die Fähigkeit zu metronomisch exaktem Spiel dem künstlerischen Ausdruck schaden (sondern sogar notwendig sind), genauso wenig schaden die Kenntnisse über die körperlichen und psychischen Vorgänge und Gesetzmäßigkeiten, welche die Basis des Musizierens darstellen: Dieses rationale Durchdringen des Handwerklichen kann gerade der optimalen Nutzung der künstlerischen Vorstellung dienen.
Zwei Faktoren liegen jeglichem Instrumentalstudium zugrunde: Ein seelischer Faktor, der sich in Geschmack, Fantasie, Urteilskraft, Sinn für Nuance und Klang, mit einem Wort: im Stil äußert. – Ein physiologischer Faktor: Gewandtheit von Hand und Finger, absolute Beherrschung von Muskel und Nerv zwecks instrumentaler Anwendbarkeit.5
Virtuoses Musizieren stellt Anforderungen, die an die Grenzen der physiologischen Leistungsfähigkeit stoßen können. Beschränkungen, an denen sich auch die Komponisten zu orientieren haben, sind nicht nur durch den Bewegungsapparat gegeben, nämlich insbesondere durch die Proportionen des Skelettsystems, die Beweglichkeit der Gelenke, die Kraft und Schnelligkeit der Muskeln, sondern ebenso durch das Nervensystem, das diese Bewegungen planen, auslösen und kontrollieren muss.
Nur wenige Schüler und erfahrungsgemäß nur diejenigen, die früh mit dem Instrumentalspiel beginnen und eine besondere Begabung haben, können intuitiv und ohne die Anleitung eines guten Lehrers oder die Lektüre hilfreicher einschlägiger Literatur, allein durch gehörsmäßige Kontrolle und Beobachtung der eigenen Spielbewegungen und derer des Lehrers bis an die tatsächlichen Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kommen. Viel häufiger werden angelegte Potenziale durch Unkenntnis der Ursachen von spieltechnischen Schwierigkeiten und das Fehlen sinnvoller Übemethoden nicht ausgeschöpft. Aber nur wer an sich selbst erfahren hat, wie ein intellektuelles Erfassen der spieltechnischen Zusammenhänge mit großen Schritten weiterbringt, wird mir hier ohne weiteres Recht geben, schreibt 1925 der Cellist und bedeutende Physiologe Wilhelm Trendelenburg.6
Warum sind die großen Künstler so häufig nicht die besten Lehrer, wenn sie mit Schülern konfrontiert werden, die Probleme mit der technischen Beherrschung ihres Instrumentes haben? Liegt es daran, dass sie selbst nie gezwungen waren, ihre eigenen Fertigkeiten zu reflektieren, sich also nicht in den Schüler einfühlen können, dem diese Selbstverständlichkeit fehlt? Selbst ein hochbegabter Musiker wie der zehnjährige Yehudi Menuhin musste diese Erfahrung machen, als er den hervorragenden Geiger Mishel Piastro, der später Konzertmeister bei den New Yorker Philharmonikern unter Toscanini wurde, fragte, wie er sein bewundernswertes staccato spiele: Da nahm er die Geige und ratterte einfach ein paar Takte sehr beeindruckend herunter. »Ich mache es einfach so«, sagte er. »Und so.« Die Demonstration geriet makellos, das war genau das Staccato, das ich suchte, aber die Erklärung ließ mich genauso ratlos wie zuvor. Er hatte mir nichts erklärt, einfach weil er es selbst nicht zu erklären wußte. Er war nicht in der Lage, die Mechanik von Muskeln und Bewegung zu untersuchen, die ihn zu seinem (oder auch zu meinem) Staccato befähigte. Und genau das wollte ich wissen.7 Entsprechend bemerkt Trendelenburg: Nun genügt es aber für einen guten Unterricht keineswegs, daß der Schüler hört und sieht, wie der Lehrer spielt – wobei ihm nur die so schwere Aufgabe zufällt, es ebenso zu machen –, sondern der Lehrer muß im Stande sein, dem Schüler genau und in klaren Worten und in Erfassung des Wesentlichen anzugeben, was er falsch macht und wie er es anfangen soll, damit es besser wird. So kann kein Zweifel darüber sein, daß der Kunstlehrer den größten Vorteil davon hat, wenn er seine Kunst nicht nur kann, sondern auch versteht.8 Auch der konzertierende Musiker, der sich immer wieder an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeiten gebracht sieht, kann davon profitieren, dass er versteht, was er tut.
Manches »Wunderkind« stürzt auf der Schwelle zum Erwachsenenalter in eine tiefe Krise, auch deshalb, weil sich plötzlich die Frage nach dem »Wie mache ich das überhaupt?« stellt. Ihm geht es so wie dem Jüngling in Heinrich von Kleists Text Über das Marionettentheater: Kaum beobachtet dieser seine Bewegungen bewusst, schon kann er sie nicht mehr in gewohnter Weise wiederholen, und innerhalb kürzester Zeit verliert er alle Anmut und Natürlichkeit, die er in den vorausgegangenen Jahren seines Lebens besessen hatte. Den Gegensatz dazu bildet der erfolgreiche Tänzer in derselben Schrift: Er sucht und findet die Vollkommenheit seiner Bewegungen durch das Verständnis der zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten.9 Auch dem verunsicherten jungen Erwachsenen kann solches Wissen helfen, eine neue Basis des Verständnisses für die eigenen Fähigkeiten zu finden und diese auf die im Erwachsenenalter häufig erforderliche rationale Grundlage zu stellen. Ein Kind spielt auf seinem Instrument, ohne darüber nachzudenken, wie und warum es spielen kann, der Erwachsene muss sich über sein Spiel Rechenschaft ablegen dürfen, ohne dadurch das Vertrauen in seine Fähigkeiten zu verlieren. Er muss sein Nachdenken dazu nutzen können, auf der Grundlage einer realistischen Selbsteinschätzung sein Können durch Wissen abzusichern und zu erweitern.
Die Schwelle vom intuitiven, unreflektierten zum bewussten und verstehenden Musizieren zu überschreiten kann eine Phase größter Unsicherheit sein: Während der anderthalb Jahre […] wurde ich immer ratloser: Ein paar Wochen lang hatte ich meine Geige überhaupt nicht angerührt, und als ich sie wieder zur Hand nahm, wollte sich das vertraute Verhältnis nicht wieder einstellen […]. Folgendes war geschehen: der Zusammenhang zwischen musikalischer Vorstellung und ihrer Verwirklichung, den ich bislang intuitiv erfaßt hatte, war unterbrochen – nicht vorhersehbar und auch nicht immer, aber doch eine latente Gefährdung. Ich konnte mich nicht mehr auf die Intuition allein verlassen; der Verstand mußte an ihre Stelle treten […]. Wie jede musikalische Vorstellung durch bewußte Analyse der Komposition gerechtfertigt sein muß, so war es nun unerläßlich, mit derselben Gründlichkeit jenen Prozeß zu ergründen, der musikalische Gedanken und Gefühle in Aktion, Vorstellung in unzählige körperliche Bewegungsvorgänge übersetzt.10
Rationale Überlegungen und wissenschaftliche Erkenntnisse können darüber hinaus helfen, optimale Übemethoden zu finden. Ineffektives Üben ist nicht nur Zeitverschwendung, sondern limitiert letztlich das erreichbare Niveau. Woran liegt es denn, wenn trotz intensiven Übens kein Fortschritt mehr erzielt werden kann? Gibt es bei einer so komplexen Tätigkeit wie dem Instrumentalspiel überhaupt eine individuelle, unverrückbare Grenze, vergleichbar dem 100-Meter-Lauf, wo eine bestimmte Bestzeit nicht unterboten werden kann? Für einfache Teilbewegungen (z. B. rasch wiederholter Anschlag mit demselben Finger) trifft dies offenbar auch beim Musizieren zu (siehe S. 73ff.), im musikalischen Kontext haben diese Begrenzungen aber nur untergeordnete Bedeutung. Das tatsächlich erreichte Leistungsniveau ist viel häufiger dadurch bestimmt, dass die zur Verfügung stehende Zeit nicht optimal genutzt wird und sich der Übende mit großem Zeitaufwand Unvollkommenes oder sogar Falsches einprägt: Üben vollzieht sich vor allem im Kopf und weniger in den Fingern.
In diesem Zusammenhang muss auch die Bedeutung der Begabung relativiert werden: Je einseitiger ein Unterricht oder ein Übeverhalten ist, umso stärker fallen fehlende oder bestehende Begabungen ins Gewicht: Eine spontan gefundene Übestrategie basiert zumeist auf den angelegten oder sehr früh erworbenen Fähigkeitsschwerpunkten, wodurch scheinbare oder tatsächliche Begabungen weiter ausgebaut und gefördert werden, während andere Bereiche vernachlässigt werden und schließlich als »fehlende Begabungen« in Erscheinung treten. Augenfällig ist dies unter anderem bei der vorhandenen oder fehlenden »Begabung« zum Vom-Blatt-Spiel beziehungsweise zum Spiel nach dem Gehör, deren Entwicklung sich oft bis zur bevorzugten Unterrichtsmethode des ersten Lehrers zurückverfolgen lässt. Es ist hilfreich, sich diese Zusammenhänge zu vergegenwärtigen und die notwendigen erfolgversprechenden Konsequenzen zu ziehen, wenn man bei sich selbst oder seinen Schülern derartige, scheinbar auf fehlender Begabung beruhende Lücken entdeckt.
Dieses Buch geht besonders in den Kapiteln über das Nervensystem über unmittelbar und praktisch verwendbares Wissen hinaus. Zu Recht fragt Trendelenburg in seinem an fundierten physiologischen Kenntnissen reichen Buch: Was soll die Kenntnis von der Hirnoberfläche, vom feineren Bau der Muskelfasern, vom Rückenmarksquerschnitt, von den galvanischen Erscheinungen, den Aktionsströmen, von dem genaueren Bau des Schulterblattknochens u. a. m. – Was soll das für einen Musikschüler oder Künstler für einen Nutzen für seine Spieltechnik haben? 11 Aber sowenig die Kunst sich nur nach ihrem Nutzen messen lässt, sowenig möchte dieses Buch ausschließlich auf nutzbringende Wissensvermittlung beschränkt sein. Die Naturwissenschaften einschließlich der medizinischen Forschung liefern eine mittlerweile unübersehbare Fülle von faszinierenden Erkenntnissen, von denen ein Teil durch allgemein verständliche Zeitschriften, Bücher sowie Fernseh- und Rundfunksendungen einem breiten Publikum nahegebracht worden ist. Warum schrecken etliche Musiker, die sich in allgemeiner Form durchaus mit Naturwissenschaften beschäftigen, zurück, wenn sich die Wissenschaft an der Musik »vergreift«? Sicher spielen dabei verschiedene Gründe eine Rolle:
• Die naturwissenschaftlichen Darstellungen sind häufig unverständlich, sei es, weil sie von Fachleuten geschrieben wurden, die sich ihrer fachspezifischen Terminologie bedienen, sei es, weil von Laien Textstellen ohne tieferes Verständnis aus der Fachliteratur übernommen wurden.
• Die Darstellungen sind oft irreführend, weil ungenaue physiologische oder anatomische Kenntnisse vermischt werden mit Vermutungen und eigenen Erfahrungen, wodurch es zu fehlerhaften Vereinfachungen kommt.
• Da die Interessen, Schwerpunkte und Vorkenntnisse beim potenziellen Leserkreis sehr unterschiedlich sind, tut sich die Wissenschaft schwer, jeden Einzelnen anzusprechen und ihm verwertbare Ergebnisse zu liefern. Einzeluntersuchungen sind oft nicht auf andere Situationen übertragbar oder nicht von ausreichend allgemeinem Interesse, so dass Wissenschaftler sie nur in Fachzeitschriften veröffentlichen, die Musikern kaum zugänglich sind. Dieser Umstand ist weniger zu beklagen, wenn die Ergebnisse für Musiker tatsächlich nicht praxisrelevant sind, umso mehr aber da, wo sie zum Beispiel helfen könnten Musikerkrankheiten zu verhindern oder zu heilen.
• Es gibt viele hervorragende Musiker, die nie auf wissenschaftliche Ergebnisse oder eine verstandesmäßige Analyse ihres Spiels angewiesen waren, sondern beides aufgrund ihrer eigenen Erfahrung sogar für schädlich halten. Sich ausschließlich an diesen Musikern zu orientieren bedeutet jedoch, andersartigen Bedürfnissen und Begabungen nicht gerecht zu werden.
• Ein weiterer Grund liegt tiefer und ist allgemeiner: Viele Menschen fühlen sich durch gänzlich neue, ungewohnte Denkansätze verunsichert und lehnen diese ab, ohne sie überhaupt zu überprüfen. Die Sicherheit, die sich Musiker oder Musikpädagogen in einer jahrhundertealten vom Lehrer zum Schüler weitergegebenen Tradition der Musikvermittlung erworben haben, wird durch neue Denkansätze infrage gestellt, besonders dann, wenn diese nicht von einer breiten Mehrheit getragen werden. Vielleicht sind in der sportpädagogischen Literatur physiologische Kenntnisse auch deswegen selbstverständlich, weil sich seit der Wiederentdeckung des Sports zu Beginn des 19. Jahrhunderts Sportmethodik und Sportphysiologie Hand in Hand entwickelt haben. Natürlich ist Musizieren kein Leistungssport. Auch ein optimales »Bewegungstraining« schafft allenfalls die Voraussetzungen für einen technisch versierten Bewegungskünstler, ist aber keineswegs eine Garantie für einen Künstler in musikalischer Hinsicht. Aber durch diese richtige Feststellung wird viel zu oft die körperliche Seite des Musizierens unterschätzt: Künstlerisches Spiel ist zwar nicht möglich ohne den Geist, der die Bewegungen lenkt, aber auch nicht ohne den Körper, durch den die Kunst erst nach außen treten kann.
1 Saul war der erste König Israels von etwa 1012 bis 1004 v. Chr.
2 Heiner Gembris: Zum Verhältnis Musiktherapie – Musikpsychologie, Standpunkte und Perspektiven, in: Musiktherapeutische Umschau, 10 (1)/1989, S. 4–16
3 Susan E. Middlestadt, Martin Fishbein: The Prevalence of Severe Musculoskeletal Problems among Male and Female Symphony String Players, in: Medical Problems of Performing Artists, 4 (1)/1989, S. 41–48
4 Claudia Spahn, Helmut Möller: Epidemiologie der Musikerkrankheiten, in: Claudia Spahn, Bernhard Richter, Eckart Altenmüller: MusikerMedizin, Stuttgart 2011, S. 7–17
5 Alfred Cortot im Vorwort zu Grundbegriffe der Klaviertechnik (übersetzt von F. J. Hirt), Paris 1929
6 Wilhelm Trendelenburg: Die natürlichen Grundlagen der Kunst des Streichinstrumentenspiels, Kassel 1974 (Reprint der Ausgabe Berlin 1925), S. 2
7 Yehudi Menuhin: Unvollendete Reise, München 21977, S. 291
8 W. Trendelenburg: Die natürlichen Grundlagen der Kunst des Streichinstrumentenspiels, a. a. O., S. 3
9 Ganz ähnlich, wie Kleist den Tänzer am Schluss argumentieren lässt, schreibt Menuhin: Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß viele Menschen diesen selben Kreislauf von Intuition über verstandesmäßige Analyse bis zur wiedererlangten Spontanität durchlaufen müssen und daß dieser Kreislauf einen Lernprozeß darstellt, auf dessen Bewältigung der immer neue Reiz einer wahren Kultur beruht. Y. Menuhin: Unvollendete Reise, a. a. O., S. 292
10 Ebd., S. 291f.
11 W. Trendelenburg: Die natürlichen Grundlagen der Kunst des Streichinstrumentenspiels, a. a. O., S. VII
Erster Teil
Musizieren und Bewegungslernen
Es ist richtig, daß die Ergebnisse der Forschung den Menschen nicht veredeln und bereichern, wohl aber das Streben nach dem Verstehen, die produktive und rezeptive geistige Arbeit.
Albert Einstein1
Beim Vortrag einer Komposition ist der ausführende Musiker über das Instrument oder seine Stimme Vermittler zwischen dem Komponisten und der erklingenden Musik. Während sich der Komponist dem Musizierenden über die Notation mitteilt, vermittelt dieser die Musik durch seine Bewegungen. Jeder Ton, jeder Ausdruck wird durch nichts anderes vermittelt als durch die motorischen Äußerungen des Musikers.
Nun erschöpft sich das Erlernen und Spielen eines Musikinstrumentes nicht im Einüben und Ausführen von Bewegungen: Jeder Umgang mit Musik – sei es das Musizieren, sei es der Musikunterricht oder das Hören von Musik – führt zu Erfahrungen, die sich in Veränderungen der Empfindungen, der Werturteile, des Wissens und des Könnens äußern. Einseitig ausgerichteter Instrumentalunterricht, bei dem das Augenmerk ausschließlich darauf gelegt wird, motorische Fertigkeiten zu lehren, führt kaum zu einem auch in musikalischer Hinsicht befriedigenden Spiel und enthält dem Schüler die für seinen Fortschritt entscheidenden Erfahrungen vor. Guter Unterricht fördert dagegen auch die Ausbildung des Gehörs, des Rhythmusgefühls, des musikalischen Gedächtnisses, des Klangvorstellungsund Ausdrucksvermögens und des musikalischen Geschmacks und vermittelt grundlegende Kenntnisse der Musiklehre und der stilistischen, historischen und interpretatorischen Besonderheiten.
Im günstigsten Fall und erfahrungsgemäß nur bei entsprechender Begabung und Ausbildungsbeginn in früher Kindheit erwirbt der Musiker die Fähigkeit, eine Klangvorstellung direkt in Musizierbewegungen umzusetzen, ohne dass Einzelheiten des Bewegungsablaufs bewusst gelernt werden müssen. Den meisten Schülern ist dies allerdings nicht möglich, und auch viele Berufsmusiker sind ab einem bestimmten spieltechnischen Niveau gezwungen, sich Gedanken darüber zu machen, auf welche Weise sie die Fähigkeit erwerben können, die angestrebten Musizierbewegungen auszuführen; sie benötigen Kenntnisse, die sie in die Lage versetzen, ihre Musikalität, ihre Motivation und ihren Fleiß sinnvoll und zielgerichtet einzusetzen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es viele neue Erkenntnisse über das Instrumentalspiel, die aus den damals in großer Zahl durchgeführten physiologischen2 Untersuchungen gewonnen wurden. Gegenläufige Entwicklungen, möglicherweise ausgelöst durch eine zu einseitige Sicht und eine Überbewertung der körperlichen Grundlagen, haben in den folgenden Jahrzehnten dazu geführt, dass ein Großteil des damals selbstverständlichen Wissens wieder in Vergessenheit geraten ist. Auch die Erkenntnisse der Lernpsychologie und die Beobachtungen beim Bewegungslernen im Leistungssport sind vielen Musikern, oft zu ihrem Nachteil, nicht bekannt.
1. Die Psychomotorik des Instrumentalspiels
Musizieren geschieht durch Bewegung. Wie in jedem anderen Bereich sind auch hier sinnvolle und situationsgemäße Bewegungen nur möglich, wenn diese Bewegungen überwacht und korrigiert werden können. Kein Musikschüler kann lernen, einen Ton mehr als zufällig richtig zu spielen oder zu singen, wenn nicht durch Ohr, Auge, Tastsinn oder das Körpergefühl die Bewegungen und deren Ergebnis kontrolliert werden. Sinnvolle Bewegung ist also niemals nur Motorik allein, sondern immer sind die Sinne beteiligt, immer ist es »Sensomotorik«.
Wie bei den meisten Bewegungen ist besonders auch beim Musizieren die Ausführung und Kontrolle der Bewegung nur ein Teil des eigentlichen Könnens. Weitere unabdingbare geistige und seelische Prozesse laufen gleichsam im Hintergrund und oft unbemerkt ab: Musizieren ist »Psychomotorik«. Psychomotorisches Lernen im eigentlichen Sinne heißt Entwicklung einer Klangvorstellung, Vergleich von Klangrealität und Klangvorstellung und Ausbildung eines Körperbewußtseins, insbesondere für diejenigen Muskelgruppen, die beim Spiel des jeweiligen Instruments einzusetzen sind.3
Virtuoses Musizieren erfordert bei unzähligen unterschiedlichen Bewegungsfolgen höchste Genauigkeit. Räumliche Präzision bis zu Bruchteilen eines Millimeters und zeitliche Genauigkeit im Bereich von Hundertstel-, ja sogar Tausendstelsekunden4 sind ebenso gefordert wie feinste Kraftabstufung. Selbst die Atmung muss bei Blasinstrumenten in höchster Präzision beherrscht werden, weswegen sich hier der Prozess des Bewegungslernens in gleicher Weise wie auf alle anderen Muskeln auch auf die Atem-, Kehlkopfund Mundmuskulatur erstrecken muss. Im Unterschied zu Bewegungsfolgen im Sport wird beim Spiel der meisten Musikinstrumente die Feinmotorik bevorzugt, also die präzisionsorientierten Bewegungen der Hände, des Stimmapparates oder der Ansatzmuskulatur, denen die notwendigen ganzkörperlichen Bewegungen dienen müssen. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch im Zweck der Bewegung: Niemals kann beim Instrumentalspiel die perfekte Bewegung Selbstzweck sein, immer ist das musikalische Ergebnis der Wertmaßstab aller Bewegungen.
Musizierbewegungen sind häufig so schnell und kompliziert, dass weder mit dem Auge noch mit dem Ohr noch mit irgendeinem anderen Sinnessystem alle Einzelheiten wahrgenommen werden können. Sie sind nur deswegen ausführbar, weil sie teilweise »auto-matisiert«, das heißt ohne vollständige bewusste Kontrolle ablaufen. Der größte Teil aller, auch der alltäglichen Bewegungen, wurde im Laufe des Lebens unbewusst geübt und automatisiert. Selbst bei den sogenannten willkürlichen Bewegungen wird nur ein sehr geringer Teil tatsächlich in Einzelheiten vom Bewusstsein und vom Willen gelenkt. Willkürlich ist dabei vor allem die Entscheidung, eine bestimmte Handlung durchzuführen, während bei der Ausführung bereits gelernte Bewegungen in den jeweils erforderlichen Kombinationen eingesetzt werden. Auch beim Instrumentalspiel werden einerseits Einzelbewegungen als Bausteine für komplexe Bewegungsfolgen angeeignet, die je nach Bedarf zusammengesetzt werden können; andererseits wird mit jedem eingeübten Musikstück eine festgelegte Folge von Einzelbewegungen erlernt, was im Allgemeinen umso leichter möglich ist, je mehr von diesen Bewegungsbausteinen, aber auch je mehr kognitive Voraussetzungen bereits vorhanden sind. Was dann schließlich als automatisierte Bewegung scheinbar mühelos abläuft, verlangt vom Zentralnervensystem eine ganze Anzahl unterschiedlicher Mechanismen zur Steuerung und Überwachung der zum Teil äußerst komplexen Bewegungsfolgen.
2. Vom Handlungsantrieb zur Bewegung
Vor Beginn einer Bewegung steht immer der bewusste Wunsch oder eine innere Forderung. Ein solcher Handlungsantrieb könnte zum Beispiel lauten: »Ich will jetzt üben.« Zur eigentlichen Bewegungsausführung sind weitere Schritte nötig: Komplexere Handlungen erfordern zunächst einen Bewegungsplan oder Bewegungsentwurf. Ein solcher Bewegungsplan, beispielsweise eine bestimmte Tonleiter zu spielen, ist nur eine allgemeine Vorstellung der notwendigen Bewegungen. Ein weiterer Schritt in dieser Kette ist das Auslösen der Nervenimpulse für die Bewegungen durch ein »Bewegungsprogramm«. Bewegungsprogramme sind die im Gedächtnis gespeicherten Abfolgen von Nervenzellerregungen oder Nervenimpulsen, die die Muskeln in der notwendigen Weise aktivieren und dadurch die erlernten Bewegungsfolgen hervorrufen. Im hier erwähnten Beispiel werden durch Abruf des Bewegungsprogramms alle Muskelaktivitäten für die zum Spiel einer Tonleiter benötigten Finger- und Armbewegungen ausgelöst.
Diese einzelnen Schritte bis zum Bewegungsvollzug sind keine abstrakten Erfindun-gen der Bewegungsforscher. Ihre tatsächliche Existenz offenbart sich nicht nur durch moderne Untersuchungsmethoden des Gehirns, sondern auch, wenn jene Teile des Gehirns erkrankt sind, die jeweils für die einzelnen Schritte verantwortlich sind. Botez und Wert- heim5 berichten von einem 26-jährigen Akkordeonisten, bei dem eine Geschwulst im vorderen Teil der rechten Großhirnhälfte entfernt werden musste. Nach der Operation war die Fähigkeit zum Lesen, Schreiben und Rechnen unverändert erhalten. Der junge Mann hatte auch keine Lähmungen und konnte sich nach wie vor normal bewegen. Sein Tongedächtnis schien ebenfalls nicht gestört zu sein: Tonhöhenerkennung, Wiedererkennen von Melodien und Erkennen von Intonationsfehlern waren unbeeinträchtigt, aber er hatte die Fähigkeit verloren, Musik zu produzieren: Nicht nur das Singen war teilweise beeinträchtigt, sondern er war nicht mehr in der Lage, Akkordeon zu spielen, was er seit seinem neunten Lebensjahr regelmäßig getan hatte.
Man kennt heute eine Vielzahl unterschiedlicher Störungen bei der Ausführung erlernter Zweckbewegungen, die ihre Ursache nicht in Lähmungen oder dem Verlust von Sinneswahrnehmungen haben.6 Ein Teil dieser Bewegungsstörungen beruht darauf, dass die Bereitstellung oder der Abruf des richtigen Bewegungsprogramms gestört ist.
Mittlerweile eröffnet sich aus vielen einzelnen Beobachtungen über die physiologischen und psychologischen Grundlagen der Bewegungsplanung und -ausführung auch ein zunehmendes Verständnis für die Steuerung der komplizierten Musizierbewegungen und die damit verbundenen geistigen Prozesse. Allerdings ist die menschliche Motorik so vielgestaltig und vielschichtig, dass es kein einfaches und für alle motorischen Abläufe gültiges Prinzip gibt, sondern es existiert eine Vielzahl miteinander verbundener Regel- und Steuerungsmöglichkeiten, von denen die für das Verständnis der Musizierbewegungen wichtigsten im Folgenden dargestellt werden sollen.
3. Geregelte und gesteuerte Bewegungen
Ein Streicher spielt einen langen Ton und bemerkt, dass der Ton zu hoch oder zu tief erklingt. Er korrigiert daraufhin die Position seiner Fingerspitze und stellt anschließend fest, dass er nun den Ton in der gewünschten Höhe hört: Er hat die Stellung seines Fingers so geregelt, dass der erklingende Ton einem vorgegebenen Sollwert entspricht. Eine solche Korrektur läuft in Form eines geschlossenen Regelkreises, eines closed-loop-Systems, ab, vergleichbar der Temperaturregelung durch den Thermostat einer Heizungsanlage: Eine Regelgröße, hier die Raumtemperatur (bzw. die Tonhöhe), wird kontrolliert und bei einem vom Sollwert abweichenden Ergebnis über ein Stellglied (die Heizkörpertemperatur bzw. die Position des Fingers) auf den gewünschten Wert eingestellt. Viele Bewegungen, besonders neue, noch nicht eingeübte, laufen in solcher Weise geregelt ab: Dies gilt für das Einüben neuer Musizierbewegungen, zum Beispiel das Erlernen des Bogenstrichs, ebenso wie für das Nachzeichnen einer Linie, das Greifen eines bewegten Gegenstandes oder das Überwinden eines unbekannten Widerstandes.
Auch bei gewohnten Bewegungen spielen Regelvorgänge eine Rolle, und zwar besonders augenfällig, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten: Stolpert man beim Gehen über einen Stein, werden dadurch Muskeln am Bein plötzlich gedehnt. Regelkreise im Rückenmark sorgen für eine sofortige reflektorische Wiederherstellung der Muskellänge, so dass eine erste Korrektur schon erfolgt, ehe bewusste Reaktionen einsetzen können. Auch bei komplexeren Bewegungen wird ständig der Ablauf von Sensoren vor allem in Muskeln, Sehnen, Auge und Ohr zum Gehirn gemeldet und dort mit dem angestrebten Handlungsablauf verglichen. Bei Abweichungen werden entsprechende Korrekturen veranlasst. Für langsame Bewegungen ist dieses Prinzip ohne weiteres einsehbar: So können Tonhöhe und Lautstärke eines langen Tones auf dem Streich- oder Blasinstrument korrigiert werden, noch während der Ton gespielt wird.
Für sehr schnelle und kurze, nur den Bruchteil einer Sekunde dauernde Bewegungen und entsprechende Anteile in komplexen Bewegungsabläufen ist das Konzept von Regelkreisen nicht überzeugend. Solche raschen Bewegungen (ballistic acts), bei denen der Zielpunkt der Bewegung in weniger als einer Zehntelsekunde erreicht wird, sind beim Musizieren häufig, zum Beispiel als schnelle Fingerbewegungen auf der Tastatur, dem Griffbrett oder den Löchern und Klappen von Blasinstrumenten. Derartige Bewegungen können nicht durch fortwährende Kontrolle zum Ziel gelenkt werden, sondern müssen durch ein festgelegtes Bewegungsprogramm gesteuert sein: So wie viele Verkehrsampeln nach einem festen Programm ohne Rücksicht auf die Zahl der wartenden Autos schalten, ist bei solchen ballistic acts der Bewegungsablauf festgelegt und Rückmeldungen über eine eventuelle Störung können nicht mehr bei der aktuellen, sondern erst bei nachfolgenden Bewegungen wirksam werden. Im Gegensatz zum von Rückmeldung abhängigen Regelsystem gehorchen diese Bewegungen einem vorprogrammierten Steuersystem, einem sogenannten open-loop-System.
Im Einzelnen sprechen folgende Gründe dafür, dass kurze, schnelle Bewegungen nicht ausreichend über die Sinneswahrnehmungen gelenkt werden können, sondern durch ein »Bewegungsprogramm« gesteuert werden:7
1. Der Reizverarbeitungsprozess ist zu langsam, das heißt, der Zeitbedarf für Sinneswahrnehmung und Reaktion ist zu lang, als dass eine ständige Kontrolle und Korrektur von extrem kurzen Bewegungen möglich wäre: Die Reaktionszeit des Menschen für einfache Reaktionen liegt bei 120 bis 180 Millisekunden. Bei einer Metronomzahl von 160 für Viertelnoten folgen Sechzehntel aber in einem Zeitabstand von weniger als 100 Millisekunden aufeinander.8 Es liegt auf der Hand, dass Korrekturen des gerade gespielten Tones oder der bereits begonnenen Bewegung in diesem Tempo nicht durchführbar sind. (Das schließt allerdings nicht aus, dass eine korrigierende Veränderung zum Beispiel der Dynamik auch bei hohem Tempo möglich ist, weil als Reaktion auf den Sinneseindruck später folgende Töne beeinflusst werden können.)
2. Sehr rasche Bewegungen können nicht mehr gehemmt werden, nachdem sie ausgelöst sind.
3. Bewegungen können noch ausgeführt werden, wenn die Bewegungsempfindung ausgeschaltet ist (durch Unterbrechung der für die Rückmeldung des Bewegungsgefühls verantwortlichen sensiblen Nerven, beim Menschen zum Beispiel durch ein örtlich wirkendes Betäubungsmittel). Allerdings sind die Bewegungen dann plumper.
4. Die Reaktionszeit, also die Zeit bis zum Bewegungsbeginn, erhöht sich bei komplexeren Bewegungen. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass rasche Bewegungen als Programm vorstrukturiert werden, ehe sie beginnen, denn hierfür wird bei komplexen Bewegungen mehr Zeit benötigt als bei einfachen.
Erlernen und Automatisieren von Bewegungen heißt also Bewegungsprogramme zu erwerben, die im Nervensystem verankert werden. Die Stabilität dieser erworbenen Bewegungsprogramme ist unterschiedlich. Besonders zu Beginn des Lernprozesses oder nach langen Pausen sind sie nur ungenau und störanfällig. Sehr früh in der Kindheit erworbene Programme zur Bewegungssteuerung, wie sie etwa zum Essen und Sprechen nötig sind, sind offenbar deutlich stabiler als Programme, die erst im späteren Erwachsenenalter erstellt werden. Nicht alle komplexen Bewegungsprogramme sind erworben, sondern es gibt auch angeborene Bewegungsmuster wie die Mimik.9
Obwohl die Fähigkeit, eingeübte Bewegungen auszuführen, ein erworbenes Bewegungsprogramm voraussetzt, das die im Voraus festgelegten Kommandos zur Bewegungsausführung enthält, bedeutet das jedoch nicht, dass eine Kontrolle und Korrektur dieser Bewegungen nicht mehr möglich ist. Auch wird nicht infrage gestellt, dass trotz der »Programmsteuerung« die durch die Bewegungen ausgelösten Sinnesempfindungen eine wichtige Rolle auch bei gekonnten Fertigkeiten spielen. Besonders die exakten Fingerfertigkeiten werden beeinträchtigt, wenn die Bewegungsempfindung ausgeschaltet ist. Außerdem gilt es als sicher, dass die Fortführung einer solchen Bewegungsfolge von Empfindungen aus der vorangegangenen Teilbewegung abhängt. Beim Instrumentalspiel bedeutet dies, dass das Bewegungsgefühl der abgelaufenen Bewegung und vor allem die akustischen Wahrnehmungen für das Weiterführen der Bewegung wesentlich sind.
Die Zeitdauer einer Bewegung entscheidet darüber, ob diese vollständig vorprogrammiert ist und ohne korrigierende Rückmeldungen abläuft oder nicht. Wenn eine gewisse Zeitspanne unterschritten wird, während der Rückmeldungen über die verschiedenen Sinne für Korrekturen herangezogen werden könnten, verschiebt sich die Kontrolle gut beherrschter und vorhersehbarer Bewegungen von der Überwachung durch Auge, Ohr und Bewegungsempfindung zur vorprogrammierten Steuerung. Trotzdem spielen auch bei raschen Bewegungen wie beim Instrumentalspiel oder auch beim Sprechen Sinneswahrnehmungen eine wichtige Rolle, worauf im nächsten Abschnitt eingegangen wird.
4. Musizierbewegungen werden wahrgenommen
Die meisten Bewegungen können direkt oder aufgrund ihrer Auswirkungen durch die verschiedenen Sinne wahrgenommen werden. Sie werden hierdurch dem Gehirn »rück-gemeldet«, oder anders ausgedrückt: Sie erzeugen ein »Feedback«. Normalerweise bewirken alle ausgeführten Bewegungen Rückmeldungen zum Gehirn: Durch spezielle Sensoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken werden die Aktionen des Bewegungsapparates und unter anderem auch die des Kehlkopfes und der Stimmlippen registriert und über die Nerven zum Rückenmark und Gehirn gemeldet. Dies ist die sogenannte kinästhetische10 Rückmeldung. Dieser »Bewegungssinn« führt nur zum Teil zu bewussten Wahrnehmungen. Die allermeisten seiner Informationen dienen unbewussten reflektorischen Einstellungen der Muskulatur.