Homer 


Ilias


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Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-95923-151-0


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Vierundzwanzigster Gesang



Achilleus, nach schlafloser Nacht, schleift Hektors Leib um Patroklos' Grab, doch Apollon verhütet Entstellungen. Zeus befiehlt dem Achilleus durch Thetis, den Leichnam zu erlassen, und dem Priamos durch Iris, dem Achilleus die Lösung zu bringen. Priamos, durch ein Zeichen gestärkt, kommt unter Hermes' Geleit, unbemerkt von den Hütern, zu Achilleus' Gezelt. Er erlangt den Leichnam des Sohns, nebst Waffenstillstand und Bestattung, und kehrt unbemerkt nach Ilios zurück. Um Hektors Totenlager Wehklage der Gattin, der Mutter und Helenens. Bestattung und Gastmahl.


Jetzo trennten den Kreis die Versammelten; rings zu den Schiffen

Eilten die Völker zerstreut, und jeglicher sorgte, des Mahles

Und des erquickenden Schlafs sich zu sättigen. Aber Achilleus

Weinete, denkend den trautesten Freund; nicht zwang ihn des Schlummers

Allgewaltige Kraft, er wälzte sich hiehin und dorthin,

Sehnsuchtsvoll nach Patroklos' erhabener Tugend und Stärke.

Ach wieviel er vollendet mit ihm und wie manches erduldet,

Schlachten umher der Männer und schreckliche Wogen durchstrebend!

Dessen gedacht er im Geist, und häufige Tränen vergoß er.

Bald nun legt' auf die Seiten er sich und bald auf den Rücken,

Bald auf das Antlitz hin; dann plötzlich empor sich erhebend,

Schweift' er am Ufer des Meers, voll Bangigkeit. Jetzo erschien ihm

Eos im rötlichen Glanze, das Meer und die Ufer bestrahlend.

Schnell, nachdem er ins Joch die hurtigen Rosse gespannet,

Hektor drauf zum Schleifen befestiget hinten am Sessel,

Zog er ihn dreimal ums Grab des Menötiaden Patroklos,

Ging dann zurück ins Gezelt und ruhete; jenen verließ er

Dort im Staube gestreckt auf sein Antlitz. Aber Apollon

Schützte den schönen Leib vor Entstellungen, weil ihn des Mannes

Jammerte selbst im Tod, und deckt' ihn ganz mit der Ägis

Goldenem Schirm, daß schleifend auch nicht er die Haut ihm verletzte.

Also frevelte jener im Zorn an dem göttlichen Hektor.

Ihn nun sahn mit Erbarmen die seligen Götter des Himmels,

Und sie geboten Entwendung dem spähenden Argoswürger.

Zwar den anderen allen gefiel's, nur der Here durchaus nicht,

Auch nicht Poseidaon, noch Zeus' blauäugiger Tochter,

Sondern noch stets blieb ihnen verhaßt die heilige Troja,

Priamos selbst und das Volk, um die Freveltat Alexandros',

Welcher die Göttinnen schmähte, da ihm zur Hütte sie kamen,

Und sie pries, die zum Lohn ihm verderbliche Üppigkeit darbot.

Aber nachdem die zwölfte der Morgenröten emporstieg,

Jetzo begann im Kreis der Unsterblichen Phöbos Apollon:

Grausam seid ihr, o Götter, und eiferig! Hat euch denn niemals

Hektor Schenkel verbrannt erlesener Rinder und Ziegen?

Doch versaget ihr jetzo auch selbst dem Toten Errettung,

Daß sein Weib ihn sähe, das stammelnde Kind und die Mutter,

Priamos auch, sein Vater, und Ilios' Volk, die sogleich dann

Jenen in Glut verbrennten mit festlichem Leichenbegängnis!

Aber dem bösen Peleiden, ihr Himmlischen, helft ihr so willig,

Dessen Herz nichts achtet der Billigkeit, noch die Gesinnung

Biegsam ist in der Brust; wie ein Bergleu denkt er nur Wildheit,

Der, von gewaltiger Kraft und trotzendem Mute gereizet,

Wild in der Sterblichen Herd' eindringt, sich ein Mahl zu erhaschen:

So ist erbarmungslos der Peleid; auch selber die Scham nicht

Kennet er, welche den Menschen zum Heil ist oder zum Schaden.

Traurt doch mancher fürwahr um einen geliebteren Toten,

Dem sein leiblicher Bruder dahinsank oder ein Sohn auch;

Dennoch hemmt er die Tränen und stillt die Klage des Jammers;

Denn ausduldenden Mut verlieh den Menschen das Schicksal.

Jener indes, nachdem er den göttlichen Hektor ermordet,

Band ans Geschirr den Entseelten und rings um des Freundes Begräbnis

Schleift' er ihn! Nimmer ihm selbst das schönere oder das beßre!

Daß nur nicht, wie edel er sei, wir Götter ihm eifern!

Denn unempfindlichen Staub mißhandelt er, tobend vor Unsinn!

Wieder begann voll Zornes die lilienarmige Here:

Hingehn möchte dein Wort, o Gott des silbernen Bogens,

Wenn ihr Achilleus gleich dem Hektor achtet an Würde!

Sterblich nur ist Hektor, gesäugt vom Busen des Weibes;

Aber Achilleus ist der Göttin Geschlecht, die ich selber

Nähret' und auferzog und dem Mann hingab zur Genossin,

Peleus, den vor allen zum Lieblinge koren die Götter.

Alle ja kamt ihr Götter zum Brautfest; du auch mit jenen

Schmausetest, haltend die Harf, o Freund der Bösen, o Falscher!

Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:

Eifere nicht, o Here, so unmutsvoll mit den Göttern.

Zwar nicht gleicher Würde genießen sie, aber auch Hektor

War ja den Göttern geliebt vor den Sterblichen allen in Troja;

Also auch mir! Denn nimmer versäumet' er köstliche Gaben,

Nie auch mangelte mir der Altar des gemeinsamen Mahles,

Nie des Weins und Gedüftes, das uns zur Ehre bestimmt ward.

Ihn indes entwenden, das lassen wir (nie ja geschäh es

Heimlich vor Peleus' Sohn), den mutigen Hektor; denn immer

Kommt zu ihm die Mutter, sowohl bei Nacht wie bei Tage.

Doch wenn irgendein Gott daher mir riefe die Thetis,

Daß ich ein heilsames Wort ihr redete, wie nun Achilleus

Gaben aus Priamos' Hand annähm und Hektor ihm löste.

Sprach's, und Iris erhob sich, die windschnell eilende Botin.

Zwischen Samos hinab und die rauhumstarrete Imbros

Sprang sie ins finstere Meer, und es scholl die Woge des Sundes.

Jene sank wie geründetes Blei in die Tiefe hinunter,

Welches, über dem Horn des geweideten Stieres befestigt,

Sinkt, Verderben zu bringen den gierigen Fischen des Meeres.

Jetzo fand sie Thetis in wölbender Grott und die andern

Meergöttinnen umher; sie selbst in die Mitte gesetzet

Weinte des Sohns Schicksal, des untadligen, welchem bestimmt war,

Ferne vom Vaterland in der scholligen Troja zu sterben.

Nahe trat und begann die windschnell eilende Iris:

Hebe dich, Thetis, es ruft der ewige Herrscher der Welt Zeus.

Ihr antwortete drauf die silberfüßige Thetis:

Warum heißt mich solches der Mächtige? Blödigkeit hält mich,

Ewigen Göttern zu nahn, weil Gram mir die Seele belastet.

Aber ich geh; auch entfall umsonst kein Wort, was er redet.

Also sprach und nahm ihr Gewand die heilige Göttin,

Dunkelschwarz; noch keinen umhüllete schwärzere Kleidung.

Jene nun ging, und voran die windschnell eilende Iris

Führete; seitwärts flog die getrennete Woge des Meeres.

Als sie den Strand nun erstiegen, entschwangen sich beide gen Himmel,

Und sie fanden den waltenden Zeus, und rings um den Herrscher

Saßen zum Rate gesellt die unsterblichen seligen Götter.

Jene nunmehr saß nieder bei Zeus, es wich ihr Athene.

Here reicht' in die Hand ihr den schönen goldenen Becher,

Freundliche Wort' ihr sagend; sie trank und reichte zurück ihn.

Jetzo begann der Vater des Menschengeschlechts und der Götter:

Thetis, du kamst zum Olympos, o Herrscherin, herzlich betrübt zwar,

Denn unendlicher Gram belastet dich, selber ja weiß ich's.

Dennoch sag ich dir an, warum ich daher dich gefordert.

Schon neun Tag empörte der Streit die unsterblichen Götter

Über Hektors Leich und den Städteverwüster Achilleus;

Denn sie geboten Entwendung dem spähenden Argoswürger.

Aber ich selbst will dessen den Ruhm dem Peleiden gewähren,

Scheu und Liebe für dich noch stets im Herzen bewahrend.

Schleunig denn gehe zum Heer und verkündige solches dem Sohne.

Sag, ihm zürnen die Götter gesamt, doch vor allen ich selber

Sei im Herzen entbrannt, dieweil er in tobendem Unsinn

Hektor ungelöst bei den prangenden Schiffen zurückhält;

Ob er vielleicht mich scheut und Hektors Lösung empfänget.

Aber ich selbst will Iris dem herrschenden Priamos senden,

Daß er löse den Sohn, zu den Schiffen der Danaer wandelnd,

Und mit gefälligen Gaben Achilleus' Seele versöhne.

Jener sprach's; ihm gehorchte die silberfüßige Thetis;

Stürmenden Schwungs entflog sie den Felsenhöhn des Olympos.

Bald nun des Sohnes Gezelt erreichte sie, wo sie ihn selber

Fand, schwerseufzend vor Gram; und umher die trauten Genossen

Eilten mit emsigem Fleiße, das Morgenmahl zu bereiten;

Denn ein Schaf, dickwollig und groß, war im Zelte geschlachtet.

Nahe dem Sohn nun setzte sich hin die erhabene Mutter,

Streichelt' ihn sanft mit der Hand und redete, also beginnend:

Lieber Sohn, wie lange vor Gram wehklagend und seufzend

Willst du das Herz dir verzehren, des Tranks und der Speise vergessend,

Auch des Schlafs? Gut wär es, ein blühendes Weib zu umarmen;

Denn nicht lange fortan mir wandelst du, sondern bereits dir

Nahe steht zur Seite der Tod und das grause Verhängnis.

Auf, und vernimm, was ich red! Ich bringe dir Worte Kronions.

Zorn dir hegen die Götter gesamt; doch vor allen er selber

Ist im Herzen entbrannt, dieweil du in tobendem Unsinn

Hektor ungelöst bei den prangenden Schiffen zurückhältst.

Aber wohlan, entlaß ihn und nimm die Lösung des Leichnams.

Ihr antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:

Wohl denn, wer die Lösung mir bringt, der empfange den Leichnam,

Wenn ja mit ernstem Beschluß der Olympier selbst es gebietet.

Also redeten dort im Kreis der geordneten Schiffe

Viele geflügelte Worte der Sohn und die göttliche Mutter.

Zeus entsandte nun Iris zu Ilios' heiliger Feste:

Eile mir, hurtige Iris, verlassend die Höhn des Olympos,

Bring in Ilios' Stadt dem herrschenden Priamos Botschaft,

Daß er löse den Sohn, zu den Schiffen der Danaer wandelnd,

Und mit gefälligen Gaben Achilleus' Seele versöhne,

Er allein, von keinem der anderen Troer begleitet.

Nur ein Herold folg ihm, ein älterer, welcher die Mäuler

Samt dem rollenden Wagen ihm lenk und wieder von dannen

Führe den Leichnam zur Stadt, den der Peleione getötet.

Weder Tod bekümmre sein Herz noch andere Schrecknis,

Denn wir gesellen zur Hut ihm den mächtigen Argoswürger,

Daß er ihn hingeleite vors Angesicht des Achilleus.

Wann ihn jener geführt ins Gezelt des edlen Achilleus,

Selbst nicht wird er ihn töten und allen umher es verwehren.

Nicht ja vernunftlos ist er, noch unbedacht, noch ein Frevler;

Nein, voll Huld wird er schonen des hilfeflehenden Mannes.

Sprach's; und Iris erhob sich, die windschnell eilende Botin,

Kam in Priamos' Burg und fand Wehklag und Geheul dort.

Ringsher saßen die Söhn' um den trauernden Vater im Vorhof,

Netzend mit Tränen die Kleider; er selbst, der Greis, in der Mitte,

Straff, daß die Bildung erschien, in den Mantel gehüllt; und umher lag

Viel Unrats auf Nacken und Haupt des herrschenden Greises,

Den er, vor Schmerz sich wälzend, mit eigenen Händen emporwarf.

Aber die Töchter und Schnür' in den Wohnungen jammerten laut auf,

Eingedenk der aller, die schon, so viel und so tapfer,

Lagen des Geistes beraubt von der Danaer mordenden Händen.

Nahe vor Priamos trat die Botin Zeus' und begann nun,

Redend mit leiser Stimm, und Schauer durchfuhr ihm die Glieder:

Fasse dich, Dardanos' Sohn, o Priamos, nicht so verzaget;

Denn kein übles Wort zu verkündigen nah ich dir jetzo,

Sondern Gutes gedenkend; ich komm als Botin Kronions,

Der dich sehr, auch ferne, begünstiget, dein sich erbarmend.

Lösen heißt der Olympier dich den göttlichen Hektor

Und mit gefälligen Gaben Achilleus' Seele versöhnen,

Dich allein, von keinem der anderen Troer begleitet.

Nur ein Herold folg, ein älterer, welcher die Mäuler

Samt dem rollenden Wagen dir lenk und wieder von dannen

Führe den Leichnam zur Stadt, den der Peleione getötet.

Weder Tod bekümmre dein Herz noch andere Schrecknis,

Denn er gesellt dir zur Hut den mächtigen Argoswürger,

Daß er dich hingeleite vors Angesicht des Achilleus.

Wann dich jener geführt ins Gezelt des edlen Achilleus,

Selbst nicht wird er dich töten und allen umher es verwehren.

Nicht ja vernunftlos ist er, noch unbedacht, noch ein Frevler;

Nein, voll Huld wird er schonen des hilfeflehenden Mannes.

Also sprach und entflog die windschnell eilende Iris.

Aber Priamos hieß die Söhn' ihm den rollenden Wagen

Rüsten mit Mäulergespann und den Korb auf den Wagen ihm binden.

Selbst dann stieg er hinab in die lieblich duftende Kammer,

Hoch, mit Zedern getäfelt, die viel Kleinode verwahrte,

Rief dann Hekabe her, sein edeles Weib, und begann so:

Armes Weib, mir nahte von Zeus olympische Botschaft,

Daß ich löse den Sohn, zu den Schiffen der Danaer wandelnd,

Und mit gefälligen Gaben Achilleus' Seele versöhne.

Aber sage mir nun, wie deucht dir solches im Herzen?

Denn mir selber entflammt ein gewaltiger Eifer die Seele,

Hinzugehn zu den Schiffen, ins weite Heer der Achaier.

Also der Greis; doch schluchzend erwiderte jenem die Gattin:

Wehe, wohin doch entfloh der Verstand dir, der so gepriesen

Ehmals war bei Menschen der Fremd und deines Gebietes?

Welch ein Mut, so allein zu der Danaer Schiffen zu wandeln,

Jenem Mann vor die Augen, der dir so viel und so tapfre

Söhn' erschlug? Du trägst ja ein eisernes Herz in dem Busen!

Denn sobald er dich hält und dort erblickt mit den Augen,

Jener Mann, blutgierig und falsch, nie heget er Mitleid

Oder Erbarmen mit dir! Drum laß uns fern ihn beweinen

Sitzend in unserm Palast; so hat's ihm das grause Verhängnis,

Als ich selbst ihn gebar, in den werdenden Faden gesponnen:

Einst schnellfüßige Hunde zu sättigen, fern von den Eltern,

Dort bei dem schrecklichen Mann, dem ich gern aus dem Busen die Leber

Roh verschläng, einbeißend! Das wär ihm gerechte Vergeltung

Meines Sohnes! Denn nicht der Verworfenen einen erschlug er,

Sondern für Trojas Männer und tiefgegürtete Weiber

Stand der Held, nicht achtend der Flucht noch des zagen Vermeidens!

Ihr antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

Halte mich nicht, der zu gehen beschloß, noch werde du selber

Zum wehdrohenden Vogel im Hause mir; nimmer gehorch ich!

Hätt es ein anderer mir der Erdbewohner geboten,

Etwa ein Zeichendeuter, ein Opferprophet und ein Priester,

Lug wohl nennten wir solches und wendeten uns mit Verachtung.

Nun (denn ich hörte die Göttin ja selbst und schaut' ihr ins Antlitz)

Geh ich, und nicht umsonst sei die Rede mir! Droht denn das Schicksal

Mir den Tod bei den Schiffen der erzumschirmten Achaier,

Wohl, er ermorde mich gleich, der Wüterich, halt ich nur meinen

Lieben Sohn in den Armen, das Herz mit Tränen gesättigt!

Sprach's und öffnete schnell die zierlichen Deckel der Kisten.

Dorther wählt' er sich zwölf der köstlichen Feiergewande,

Zwölf der Teppiche dann und einfache Hüllen des Schlafes,

Auch Leibröcke so viel und so viel der prächtigen Mäntel.

Hierauf wog er des Goldes und nahm zehn volle Talente,

Auch vier schimmernde Becken und zween dreifüßige Kessel;

Auch den köstlichen Becher, den thrakische Männer ihm schenkten,

Als er gesandt hinkam, ein Kleinod! Aber auch sein nicht

Schonete jetzt im Palaste der Greis; denn er wollte so herzlich

Lösen den trauten Sohn. Doch jetzt die sämtlichen Troer

Scheucht' aus der Hall er hinweg, mit schmählichen Worten bedrohend:

Fort, ihr verruchtes Gezücht, Nichtswürdige! Habt ihr nicht selber

Trauer im Hause genug, daß ihr herkommt, mich zu bekümmern?

Achtet ihr's klein, daß Zeus mir den Jammer beschied, zu verlieren

Meinen tapfersten Sohn? Wohlan, ihr erfahrt es schon selber!

Denn viel leichter hinfort wird's wohl den Söhnen Achaias,

Euch, da jener geschieden, zu bändigen! Aber o möcht ich,

Eh ich die Trümmerhaufen der Stadt und die grause Verwüstung

Selbst mit den Augen geschaut, eingehn in Aides Wohnung!

Sprach's, und hinaus mit dem Stabe zerscheucht' er sie; und sie enteilten

Weg vor dem eifernden Greis. Dann rief er scheltend die Söhne

Helenos her und Paris und Agathon, göttlicher Bildung,

Pammon, Antiphonos auch und Deiphobos, auch den Polites,

Tapfer im Streit, Hippothoos auch und den mutigen Dios;

Diesen neun gebot mit scheltendem Rufe der Vater:

Eilt, untüchtige Söhn', ihr Schändlichen, daß ihr zugleich doch

Alle für Hektor lägt bei den hurtigen Schiffen getötet!

Ich unglücklicher Mann! Die tapfersten Söhn' erzeugt ich

Weit in Troja umher, und nun ist keiner mir übrig!

Mestor, den göttlichen Held, und Troilos, froh des Gespannes,

Hektor auch, der ein Gott bei Sterblichen war und an Tugend

Nicht wie des sterblichen Manns, wie ein Sohn der Götter einherging:

Diese mir raffte der Krieg; nur die Schandfleck' alle sind übrig,

Lügener all und Gaukler und treffliche Reigentänzer,

Räuber des Volks, nur schwelgend im Fett der Lämmer und Zicklein!

Wollt ihr nicht mir den Wagen sogleich ausrüsten und alles

Dies in den Korb einlegen, daß unseren Weg wir vollenden?

Jener sprach's, und geschreckt vom scheltenden Rufe des Vaters,

Trugen sie schnell aus der Halle den rollenden Wagen der Mäuler,

Schön und neugefügt, und banden den Korb auf den Wagen;

Hoben sodann vom Pflocke das Joch der Mäuler von Buchsbaum,

Glatt, mit Buckeln erhöht, und wohl mit Ringen befestigt;

Brachten zugleich mit dem Joche sein Band, neun Ellen an Länge,

Legeten dieses behend auf die wohlgeglättete Deichsel,

Vorn am äußersten End, und fügten den Ring auf den Nagel;

Dreimal umschlangen sie jetzo des Jochs vorragende Buckeln,

Banden dann grade sie fest und knüpfeten unten die Schlinge.

Emsig darauf aus der Kammer, den zierlichen Wagen beladend,

Trugen sie Hektors Lösegeschenk', unendlichen Wertes;

Fügeten dann die Mäuler, die stampfenden, rüstig zur Arbeit,

Welche dem Priamos einst die ehrenden Myser geschenket.

Rosse für Priamos' Joch nun führten sie, welche der Alte

Selbst mit Sorge gepflegt an schöngeglätteter Krippe;

Beid itzt fügten die Ross' im Hof des hohen Palastes,

Priamos selbst und der Herold, des Rats allkundige Greise.

Ihnen nahete Hekabe nun mit bekümmertem Herzen:

Einen goldenen Becher des herzerfreuenden Weines

Trug sie daher in der Rechten, zum Opfertrank vor der Reise,

Trat hinzu vor die Ross' und redete, also beginnend:

Nimm und sprenge für Zeus und fleh ihm, daß du zurückkehrst

Heim aus der feindlichen Männer Gewalt, da das mutige Herz dich

Doch hintreibt zu den Schiffen, wie sehr ungern ich es wollte.

Aber wohlan, nun bete zum schwarzumwölkten Kronion,

Idas Gott, der umher auf Trojas Fluren herabschaut:

Senden woll er zum Zeichen den raschgeflügelten Vogel,

Welcher, ihm lieb vor allen, an mächtiger Stärke hervorragt,

Rechts einher, damit du, ihn selbst mit den Augen erkennend,

Seiner getrost zu den Schiffen der reisigen Danaer gehest.

Doch wenn nicht dir gewährt der Donnerer seinen Gesandten,

Nie dann möcht ich hinfort durch meinen Rat dich bewegen,

Hin zu der Danaer Schiffen zu gehn, wie sehr du es wünschest.

Ihr antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

Liebes Weib, gern will ich auf diesen Rat dir gehorchen;

Wohl erhebt man die Hände zu Zeus, um Erbarmen ihm flehend.

Also der Greis, und berief die Schaffnerin, daß sie die Hände

Ihm mit lauterem Wasser besprengete; jene nun nahte,

Haltend das Waschgefäß und die Kanne zugleich in den Händen.

Als sich der Greis nun gewaschen, empfing er den Becher der Gattin,

Stand in der Mitte des Hofs und betete, sprengte den Wein dann,

Schauend zum Himmel empor, und rief mit erhobener Stimme:

Vater Zeus, ruhmwürdig und hehr, du Herrscher vom Ida,

Laß mich vor Peleus' Sohn doch Mitleid finden und Gnade!

Sende mir auch zum Zeichen den raschgeflügelten Vogel,

Welcher, dir lieb vor allen, an mächtiger Stärke hervorragt,

Rechts einher, damit ich, ihn selbst mit den Augen erkennend,

Seiner getrost zu den Schiffen der reisigen Danaer gehe.

Also sprach er flehend; ihn hörete Zeus Kronion.

Schnell den Adler entsandt er, die edelste Vorbedeutung,

Wohnend in Tal und Gesümpf, den schwarzgeflügelten Jäger.

Weit wie die Türe sich öffnet der hochgewölbeten Kammer

Eines begüterten Manns, mit festem Schlosse gefüget,

Also breitete jener die Fittiche, als er am Himmel

Rechtsher über der Stadt anstürmete. Jen' ihn erblickend,

Freueten sich, und allen durchglühete Wonne die Herzen.

Eilend betrat nun der Greis den zierlichen Sessel des Wagens,

Lenkte darauf aus dem Tor und der dumpfumtönenden Halle.

Vor ihm zogen die Mäuler der Last vierrädrigen Wagen,

Von Idäos gelenkt, dem feurigen; aber von hinten

Stampfte der Rosse Gespann, die der Greis antrieb mit der Geißel,

Hurtig einher durch die Stadt; und alle die Seinigen folgten

Laut wehklagend ihm nach, als ob er zum Tod hinginge.

Als sie nunmehr von der Höhe der Stadt in die Ebene kamen,

Kehrten zurück die Eidam' und Söhn' in Ilios' Feste.

Doch nicht ihrer vergaß des Zeus allwaltende Vorsicht,

Welche das Feld durchfuhren; er schaute den Greis mit Erbarmung;

Schnell zu Hermeias darauf, dem lieben Sohne, begann er:

Hermes, o Sohn (denn dir ja das angenehmste Geschäft ist's,

Männern gesellig zu nahn, auch hörest du, wen dir geliebet),

Eil und den Priamos dort zu den räumigen Schiffen Achaias

Führe mir, daß ihn keiner erseh und keiner bemerke

Rings in der Danaer Volk, bis Peleus' Sohn er erreichet.

Jener sprach's; ihm gehorchte der tätige Argoswürger,

Eilte sofort, und unter die Füße sich band er die Sohlen,

Schön, ambrosisch und golden, womit er über die Wasser

Und das unendliche Land hinfährt wie im Hauche des Windes.

Hierauf nahm er den Stab, womit er der Sterblichen Augen

Zuschließt, welcher er will, und die Schlummernden wieder erwecket;

Diesen trug und entflog der tapfere Argoswürger.

Schnell nun Trojas Gefild und den Hellespontos erreicht' er,

Ging dann einher, an Gestalt wie ein blühender Sohn des Beherrschers,

Dem die Wange sich bräunt, im holdesten Reize der Jugend.

Als nun jene vorbei an Ilos' Male gelenket,

Hielten sie beid ein wenig, die Ross' und die Mäuler zu tränken

Unten am Strom; schon lag in Dämmerung rings das Gefilde.

Ihn nunmehr in der Näh ersah der bemerkende Herold,

Hermes dort, und gewandt zu Priamos redet' er also:

Merke doch, Dardanion, hier gilt's aufmerksame Klugheit.

Schaue den Mann, ich sorge, der wird uns beide vertilgen!

Laß uns schnell mit den Rossen hinwegfliehn oder auch nahend

Jenem die Knie umfassen und flehn um Gnad und Erbarmung!

Sprach's; und die Seele des Greises durchschauerte banges Entsetzen.

Aufrecht starrten die Haar', und gelähmt an den biegsamen Gliedern,

Stand er erstaunt. Da nahte der freundliche Bringer des Heiles,

Faßte die Hand des Greises und fragt' ihn, also beginnend:

Vater, wohin gedenkst du die Ross' und die Mäuler zu lenken

Durch die ambrosische Nacht, da andere Sterbliche schlafen?

Gar nicht fürchtest du denn die mutbeseelten Achaier,

Welche ja nahe dir drohn, so feindlich gesinnt und erbittert?

Sähe dich einer davon in der Nacht schnellfliehendem Dunkel

Führen so köstliche Habe, wie wär alsdann dir zumute?

Selbst ja bist du nicht jung, und ein Greis ist jener Begleiter,

Einem Mann zu wehren, wer etwa zuerst euch beleidigt.

Doch ich werde dir nichts zuleide tun, und auch andre

Möcht ich von dir abwehren; dem lieben Vater ja gleichst du.

Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

Also ist es fürwahr, mein lieber Sohn, wie du sagest.

Aber auch mich noch decket ein Gott mit schirmender Rechter,

Daß mir solch ein Gefährt' auf meinem Wege begegnet,

Mir zum Heil, so wie du an Gestalt und Bildung ein Wunder

Und so verständig an Geist; du entstammst glückseligen Eltern.

Wieder begann dagegen der tätige Argoswürger:

Wahrlich, o Greis, du hast wohlziemende Worte geredet.

Aber sage mir jetzt und verkündige lautere Wahrheit:

Sendest du etwa hinweg so viel und erlesene Güter

Fern in ein Fremdlingsvolk, daß dir dies wenigstens bleibe?

Oder verlaßt ihr alle bereits die heilige Troja

Angstvoll? Denn solch einen, den tapfersten Mann ja verlort ihr,

Deinen Sohn! Nichts wich er an mutigem Kampf den Achaiern!

Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

Aber wer bist du, o Bester, und welchen Eltern entstammst du,

Der du so schön vom Tode des armen Sohns mir geredet?

Wieder begann dagegen der tätige Argoswürger:

Siehe, du prüfst mich, o Greis, und fragst nach dem göttlichen Hektor.

Jenen hab ich so oft in männerehrender Feldschlacht

Selbst mit den Augen gesehn, auch als er gedrängt zu den Schiffen

Argos' Männer erschlug, mit scharfem Erz sie zerfleischend.

Wir dann standen von fern und bewunderten, weil uns Achilleus

Wehrt', in den Kampf zu gehn, dem Atreionen noch zürnend.

Denn ich bin sein Genoß, in demselbigen Schiffe gekommen,

Myrmidonischen Stamms, und es heißt mein Vater Polyktor.

Reich ist jener an Gut, doch ein Greis schon so wie du selber.

Sechs noch hat er der Söhn', ich selbst bin der siebente Bruder.

Als mit diesen ich loste, da traf mich's, hieher zu folgen.

Jetzo ging ich ins Feld von dem Schiffsheer; denn mit dem Morgen

Ziehn in die Schlacht um die Stadt frohblickende Männer Achaias.

Denn mit Verdruß schon harren die Sitzenden, und es bezähmen

Kaum den kampfbegierigen Mut die Fürsten Achaias.

Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

Wenn du denn ein Genoß des Peleiaden Achilleus

Bist, wohlan, so verkünde mir ganz die lautere Wahrheit:

Ob noch dort bei den Schiffen mein Sohn ist oder Achilleus

Schon, in Stücke zerhaun, den gierigen Hunden ihn vorwarf.

Wieder begann dagegen der tätige Argoswürger:

Greis, noch nicht ward jener den Hunden ein Fraß noch den Vögeln,

Sondern er liegt noch dort am Schiff des edlen Achilleus,

So im Gezelte gestreckt; und schon den zwölften der Morgen

Lieget er, ohne daß Moder ihm schadete noch des Gewürmes

Reger Schwarm, der gierig erschlagene Männer verzehret.

Immer zwar um das Grab des trautesten Freundes Patroklos

Schleift er ihn mitleidslos, wann der heilige Morgen emporsteigt,

Doch nicht schändet er ihn. Mit Bewunderung sähest du selber,

Wie er so frisch und tauig, umher vom Blute gereinigt,

Daliegt, nirgend befleckt, und die Wunden sich alle geschlossen,

Die ihn durchbohrt, so viel auch das Erz auf jenen gezücket.

Also walten des edelen Sohns die seligen Götter

Dir im Tode sogar, denn geliebt war er jenen von Herzen.

Jener sprach's; froh hörte der Greis und erwiderte also:

Kind, wie gut, wenn der Mensch den Unsterblichen bringt die Geschenke

Seiner Pflicht! So vergaß mein Sohn auch, ach, da er lebte,

Nie im Palast der Götter, die hoch den Olympos bewohnen;

Drum gedenken sie sein auch selbst in des Todes Verhängnis.

Aber wohlan, nimm jetzo von mir den stattlichen Becher,

Dann verleihe mir Schutz und geleite mich hin mit den Göttern,

Bis ich komm ins Gezelt des Peleiaden Achilleus.

Wieder begann dagegen der tätige Argoswürger:

Greis, umsonst versuchst du mich Jüngeren; nimmer gehorch ich,

Daß ich deine Geschenk' ohn Achilleus' Wissen empfange.

Jenen scheu ich im Herzen und zittere, ihn zu berauben,

Ehrfurchtsvoll, daß nicht ein Übel hinfort mir begegne.

Gern dich brächt ich indes bis selbst zur gepriesenen Argos,

Sorgsam im rüstigen Schiff und sorgsam zu Fuß dich geleitend;

Keiner auch würd, achtlos des Geleitenden, wider dich annahn.

Also der Bringer des Heils, und ins Rossegeschirr sich erhebend,

Faßt' er die Geißel geschwind und das schöne Gezäum in die Hände

Und gab edelen Mut den Rossen zugleich und den Mäulern.

Als sie nunmehr die Mauer der Schiff' und den Graben erreichten,

Fanden sie dort die Hüter am Abendschmaus noch beschäftigt.

Doch sie betaute mit Schlaf der bestellende Argoswürger

All und öffnete schleunig das Tor, wegdrängend die Riegel,

Führte dann Priamos ein und die schönen Geschenk' auf der Lastfuhr.

Als sie nunmehr das Gezelt des Peleiaden erreichten,

Welches hoch dem Beherrscher die Myrmidonen erbauet,

Zimmernd der Tannen Gebälk, und obenher es bedecket

Mit grauwolligem Schilf, aus sumpfigen Wiesen gesammelt,

Ringsum bauten sie dann den geräumigen Hof dem Beherrscher

Dicht von gereiheten Pfählen, und nur ein tannener Riegel

Hemmte die Pfort. Es schoben ihn vor drei starke Achaier,

Und drei schoben zurück den mächtigen Riegel des Tores,

Anderer; nur Achilleus vermocht allein ihn zu schieben.

Jetzo öffnete schnell der Bringer des Heils Hermeias,

Führte den Greis ins Geheg und das edle Geschenk für Achilleus,

Stieg dann herab vom Wagen zur Erd und redete also:

Greis, dir bin ich hieher ein unsterblicher Gott gekommen,

Hermes, den zum Geleiter dir selbst der Vater gesendet.

Aber wohlan, nun will ich hinweggehn, eh ich Achilleus'

Angesichte genaht; denn unanständig ja wär es,

Wenn ein unsterblicher Gott für Sterbliche sorgte so sichtbar.

Geh du hinein, und die Knie des Peleionen umfassend,

Flehe bei seinem Vater ihn an und der lockigen Mutter

Und dem geliebtesten Sohne, damit du das Herz ihm erregest.

Dieses gesagt nun, eilte hinweg zum hohen Olympos

Hermes; doch Priamos sprang vom Rossegeschirr auf die Erde,

Ließ dann Idäos im Hofe zurück, daß bleibend der Herold

Ross' und Mäuler bewahrt', und eilte grad in die Wohnung,

Dort, wo Achilleus saß, der göttliche. Jenen daheim nun

Fand er, es saßen getrennt die Seinigen; aber allein zween,

Held Automedon nur und Alkimos, Sprößling des Ares,

Dieneten jenem gesellt; er ruhete kaum von der Mahlzeit,

Satt der Speis und des Tranks, und vor ihm stand noch die Tafel.

Ein nun ging unbemerkt Held Priamos, und ihm genahet,

Stand er, umschlang dem Peleiden die Knie und küßt' ihm die Hände,

Ach, die entsetzlichen Würger, die viel der Söhn' ihm gemordet!

Wie wenn ein Mann, belastet mit Blutschuld, der in der Heimat

Einen Bürger erschlug, zum anderen Volke sich rettet

In des Begüterten Haus und erstaunt ihn jeder betrachtet:

Also staunt' Achilleus, den göttlichen Priamos schauend.

Auch die übrigen staunten und sahn einander ins Antlitz.

Aber flehend begann der erhabene Priamos also:

Deines Vaters gedenk, o göttergleicher Achilleus,

Sein, der bejahrt ist wie ich, an der traurigen Schwelle des Alters!

Und vielleicht, daß jenen auch rings umwohnende Völker

Drängen und niemand ist, vor Jammer und Weh ihn zu schirmen.

Aber doch, wann jener von dir, dem Lebenden, höret,

Freut er sich innig im Geist und hofft von Tage zu Tage,

Wiederzusehn den trautesten Sohn, heimkehrend von Troja.

Ich unglücklicher Mann: die tapfersten Söhn' erzeugt ich

Weit in Troja umher, und nun ist keiner mir übrig!

Fünfzig hatt ich der Söhn', als Argos' Menge daherzog;

Ihrer neunzehn wurden von einer Mutter geboren,

Und die anderen zeugt ich mit Nebenfraun im Palaste.

Vielen davon zwar löste der stürmende Ares die Glieder,

Doch der mein einziger war, der die Stadt und uns alle beschirmte,

Diesen erschlugst du jüngst, da er kämpfte den Kampf für die Heimat,

Hektor! Für ihn nun komm ich herab zu den Schiffen Achaias,

Ihn zu erkaufen von dir, und bring unendliche Lösung.

Scheue die Götter demnach, o Peleid, und erbarme dich meiner,

Denkend des eigenen Vaters! Ich bin noch werter des Mitleids!

Duld ich doch, was keiner der sterblichen Erdebewohner:

Ach, zu küssen die Hand, die meine Kinder getötet!

Sprach's und erregt' in jenem des Grams Sehnsucht um den Vater;

Sanft bei der Hand anfassend, zurück ihn drängt' er, den Alten.

Beide nun eingedenk: der Greis des tapferen Hektors,

Weinete laut, vor den Füßen des Peleionen sich windend,

Aber Achilleus weinte den Vater jetzo und wieder

Seinen Freund; es erscholl von Jammertönen die Wohnung.

Aber nachdem sich gesättigt des Grams der edle Achilleus

Und aus der Brust ihm entfloh der Wehmut süßes Verlangen,

Sprang er vom Sessel empor, bei der Hand den Alten erhebend,

Voll Mitleids mit dem grauenden Haupt und dem grauenden Barte.

Und er begann zu jenem und sprach die geflügelten Worte:

Armer, fürwahr viel hast du des Wehs im Herzen erduldet!

Welch ein Mut, so allein zu der Danaer Schiffen zu wandeln,

Jenem Mann vor die Augen, der dir so viel und so tapfre

Söhn' erschlug! Du trägst ja ein eisernes Herz in dem Busen.

Aber wohlan, nun setz auf den Sessel dich; laß uns den Kummer

Jetzt in der Seel ein wenig beruhigen, herzlich betrübt zwar;

Denn wir schaffen ja nichts mit unserer starrenden Schwermut.

Also bestimmten die Götter der elenden Sterblichen Schicksal,

Bang in Gram zu leben; allein sie selber sind sorglos.

Denn es stehn zwei Fässer gestellt an der Schwelle Kronions,

Voll das eine von Gaben des Wehs, das andre des Heiles.

Wem nun vermischt austeilet der donnerfrohe Kronion,

Solchen trifft abwechselnd ein böses Los und ein gutes.

Wem er allein des Wehs austeilt, den verstößt er in Schande,

Und herznagende Not auf der heiligen Erde verfolgt ihn,

Daß, nicht Göttern geehrt noch Sterblichen, bang er umherirrt.

Also verliehn zwar Peleus die Ewigen glänzende Gaben

Seit der Geburt; denn hoch vor allen Menschen gesegnet

Ragt' er an Hab und Macht, der Myrmidonen Beherrscher;

Ja dem sterblichen Manne vermähleten jene die Göttin.

Aber auch Unheil gab ihm ein Himmlischer; denn er versagt' ihm

Edle Söhn' im Palaste, gezeugt zu künftiger Herrschaft.

Einen Sohn nur zeugt' er, der früh hinwelkt und so gar nicht

Pflegen des Alternden kann; denn weit entfernt von der Heimat

Sitz ich in Troja hier, dich selbst und die Deinen betrübend.

Dich auch priesen, o Greis, vordem glückselig die Völker:

Alles, was Lesbos dort, des Makars Insel, begrenzet,

Phrygia dort und hier der unendliche Hellespontos,

Das beherrschest du, Greis, durch Macht und Söhne verherrlicht.

Aber nachdem dies Leid dir gesandt die Uranionen,

Tobt dir's stets um die Mauern von Schlacht und Männerermordung.

Duld es und jammere nicht so unablässig im Herzen!

Denn doch nichts gewinnst du, um deinen Sohn dich betrübend,

Noch erweckest du ihn; eh schaffst du dir anderen Kummer!

Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

Setze mich nicht auf den Sessel, o Liebling Zeus', da noch Hektor

Liegt in deinem Gezelt, unbeerdiget! Eilig erlaß ihn,

Daß ich mit Augen ihn seh, und du empfahe die Lösung,

Reichliche, die wir gebracht. Du genieß des Guten und kehre

Heim in das Vaterland, nachdem du zuerst mir vergönnet,

Lebend annoch zu schauen das Licht der strahlenden Sonne.

Finster schaut' und begann der mutige Renner Achilleus:

Nicht mehr jetzt mich gereizet, o Greis! Ich gedenke ja selber,

Hektor dir zu erlassen; denn Zeus entsandte mir Botschaft,

Meine Gebärerin Thetis, erzeugt vom alternden Meergott.

Auch erkenn ich im Geist, o Priamos, ohne zu zweifeln,

Daß ein Gott dich geführt zu den hurtigen Schiffen Achaias.

Denn nicht wagt' es fürwahr ein Sterblicher, wär er auch Jüngling,

Her ins Lager zu kommen; auch nie entschlich' er den Wächtern,

Noch eröffnet' er leicht die Riegel unserer Tore.

Drum laß ab, noch mehr mein bekümmertes Herz zu erregen;

Denn sonst möcht ich, o Greis, auch dein nicht schonen im Zelte,

Wie demütig du flehst, und Zeus' Gebote verletzen.

Jener sprach's; bang hört' es der Greis und gehorchte der Rede.

Aber Achilleus sprang wie ein Löw aus der Pforte der Wohnung;

Nicht er allein: ihm folgten zugleich zween wackre Genossen,

Held Automedon dort und Alkimos, welche vor allen

Ehrete Peleus' Sohn, nach dem abgeschiednen Patroklos.

Und sie entlösten dem Joch die Rosse zugleich und die Mäuler;

Dann herein auch führend des Königes tönenden Herold,

Setzten sie ihn auf den Sessel, und drauf vom zierlichen Wagen

Huben sie Hektors Lösegeschenk', unendlichen Wertes.

Zween nur ließ man der Mäntel und einen köstlichen Leibrock,

Daß er die Leich in Gewande gehüllt dargäbe zur Heimfahrt.

Jener berief die Mägd' und hieß sie waschen und salben

Hektors Leib, doch entfernt und ungesehn von dem Vater,

Daß nicht tobte der Zorn in Priamos' trauernder Seele,

Schaut' er den Sohn, und eifernd Achilleus' Herz er erregte,

Daß ihn selbst er erschlüg und Zeus' Gebote verletzte.

Als nunmehr ihn gewaschen die Mägd' und mit Öle gesalbet,

Dann mit dem köstlichen Mantel ihn wohl umhüllt und dem Leibrock,

Hob ihn Achilleus selbst auf ein hingebreitetes Lager;

Und ihn erhoben die Freund' auf den zierlichen Wagen der Mäuler.

Jener nunmehr wehklagt' und rief dem teuren Genossen:

Zürne mir nicht, Patroklos, noch eifere, hörest du etwa

Auch in Aides' Nacht, daß ich Hektors Leich ihm zurückgab,

Der ihn gezeugt; denn nicht unwürdige Lösung mir bracht er.

Dir auch weih ich davon zum Geschenk ein gebührendes Anteil.

Also sprach und kehrt' ins Gezelt der edle Achilleus,

Setzt' auf den stattlichen Sessel sich hin, von welchem er aufstand,

Dort an der anderen Wand, und sprach zu Priamos also:

Siehe, dein Sohn ist jetzo gelöst, o Greis, wie du wünschtest,

Und er liegt auf Gewand. Sobald der Morgen sich rötet,

Schaust du und führst ihn hinweg; nun laß uns gedenken des Mahles.

Denn auch Niobe selbst, die lockige, dachte der Speise,

Welche zugleich zwölf Kinder in ihrem Hause verloren,

Sechs der lieblichen Töchter und sechs aufblühende Söhne.

Ihre Söhn' erlegte mit silbernem Bogen Apollon

Zornigen Muts und die Töchter ihr Artemis, froh des Geschosses,

Weil sie gleich sich geachtet der rosenwangigen Leto.

Zween nur habe die Göttin, sie selbst so viele geboren,

Prahlte sie; des ergrimmten die zween und vertilgten sie alle.

Jene lagen nunmehr neun Tag' in Blut; und es war nicht,

Der sie begrub; denn die Völker versteinerte Zeus Kronion.

Drauf am zehnten begrub sie die Hand der unsterblichen Götter.

Doch gedachte der Speise die Trauernde, müde der Tränen.

Jetzo dort in den Felsen, auf einsam bewanderten Bergen

Sipylons, wo man erzählt, daß göttliche Nymphen gelagert

Ausruhn, wann sie im Tanz Acheloios' Ufer umhüpfet:

Dort, auch ein Fels annoch, fühlt jene das Leid von den Göttern.

Auf denn, auch wir gedenken des Mahls, o göttlicher Alter,

Jetzo; hinfort dann magst du den lieben Sohn ja beweinen,

Kehrend in Ilios' Stadt; denn viel der Tränen verdient er.

Sprach's und erhob sich in Eil, und ein Schaf weißwolligen Vlieses

Schlachtet' er; Freund' entzogen die Haut und bestellten es klüglich,

Schnitten behend in Stücke das Fleisch und steckten's an Spieße,

Brieten es dann vorsichtig und zogen es alles herunter.

Aber Automedon nahm und verteilte das Brot auf dem Tische,

Jedem im zierlichen Korb, und das Fleisch verteilet' Achilleus.

Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.

Aber nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,

Nun sah Priamos, Dardanos' Sohn, mit Erstaunen Achilleus,

Welch ein Wuchs und wie edel er glich unsterblichen Göttern.

Auch vor Priamos, Dardanos' Sohn, erstaunet' Achilleus,

Schauend das Angesicht voll Würd und die Rede vernehmend.

Aber nachdem sie gesättigt den Anblick einer des andern,

Hob der göttliche Priamos an und redete also:

Bette mich nun aufs schnellste, du Göttlicher, daß wir anitzo

Auch des erquickenden Schlafs uns sättigen, sanft gelagert.

Denn nie schlossen sich noch die Augen mir unter den Wimpern,

Seit vor deiner Gewalt mein Sohn zu den Toten hinabsank,

Sondern stets nur seufz ich und nähr unendlichen Jammer,

In dem Gehege des Hofs auf schmutziger Erde mich wälzend.

Nun erst kostet ich wieder der Speis, auch rötlichen Weines

Sandt ich die Kehle hinab; nichts hatt ich zuvor noch gekostet.

Jener sprach's, und Achilleus befahl den Genossen und Mägden,

Unter die Halle zu stellen ihr Bett, dann unten von Purpur

Prächtige Polster zu legen und Teppiche drüber zu breiten,

Drauf auch wollige Mäntel zur oberen Hülle zu legen.

Schnell enteilten die Mägde dem Saal mit leuchtenden Fackeln,

Und sie bereiteten emsig den Fremdlingen jedem ein Lager.

Scherzend begann nunmehr der mutige Renner Achilleus:

Draußen lagre dich nun, o lieber Greis; denn es möcht hier

Etwa ein Fürst herkommen der Danaer, welche gewöhnlich,

Rat mit mir zu raten, in meinem Gezelt sich versammeln.

Sähe dich einer davon in der Nacht schnellfliehendem Dunkel,

Bald verkündigte der's dem Hirten des Volks Agamemnon,

Und verzögert würde vielleicht die Erlassung des Leichnams.

Aber sage mir jetzt und verkündige lautere Wahrheit:

Wieviel Tage gedenkst du den edlen Sohn zu bestatten?

Daß ich indes, selbst ruhend, das Volk des Streites enthalte.

Ihm antwortete Priamos drauf, der göttliche Herrscher:

Wenn du vergönnst, mit Feier den edlen Sohn zu bestatten,

Würdest du, so es machend, Gefälligkeit üben, Achilleus.

Wir in der Stadt, wie du weißt, sind eingehemmt, und die Waldung

Holen wir fern im Gebirg, und mutlos zagen die Troer.

Gern betraurten wir ihn neun Tage lang im Palaste;

Dann am zehnten bestatteten wir und feirten das Gastmahl,

Häuften ihm drauf am elften den Ehrenhügel des Grabes;

Aber den zwölften Tag dann kämpfen wir, wenn es ja sein muß.

Wieder begann dagegen der mutige Renner Achilleus:

Greis, auch dieses gescheh, o Priamos, wie du gebietest.

Hemmen werd ich so lange die Kriegsmacht, als du begehret.

Also sprach der Peleid und faßt' am Knöchel des Greises

Rechte Hand, damit er des Herzens Furcht ihm entnähme.

Also schliefen sie dort in der vorderen Halle der Wohnung,

Priamos selbst und der Herold, des Rats allkundige Greise.

Aber Achilleus ruht' im innersten Raum des Gezeltes,

Und ihm lag zur Seite des Brises rosige Tochter.

Alle nunmehr, die Götter und gaulgerüsteten Männer,

Schliefen die ganze Nacht, von sanftem Schlummer gefesselt.

Aber nicht Hermeias den Segnenden faßte der Schlummer;

Denn er erwog im Geist, wie er Priamos, Trojas Beherrscher,

Führen möcht aus den Schiffen, geheim vor den heiligen Wächtern.

Ihm nun trat er zum Haupt und redete, also beginnend:

Greis, kein Böses fürwahr bekümmert dich, daß du so ruhig

Schläfst bei feindlichen Männern, nachdem dich verschonet Achilleus.

Zwar nun hast du den Sohn dir gelöst und vieles gegeben,

Aber dich Lebenden lösten mit dreimal größerer Gabe

Deine Söhne daheim in Ilios, wenn's Agamemnon

Wüßte, der Atreion, und Achaias Völker es wüßten.

Jener sprach's; bang hört' es der Greis und erweckte den Herold.

Ihnen spannt' Hermeias die Rosse vor und die Mäuler;

Schleunig sodann hinlenkt' er durchs Heer, und keiner vernahm es.

Als sie nunmehr an die Furt des schönhinwallenden Xanthos

Kamen, des wirbelnden Stroms, den Zeus der Unsterbliche zeugte,

Jetzo schied Hermeias hinweg zum hohen Olympos.

Eos im Safrangewand erleuchtete rings nun die Erde.

Jene trieben die Rosse zur Stadt wehklagend und seufzend

Fort, und die Mäuler führten den Leichnam. Aber kein andrer

Sah sie vorher, der Männer noch schöngegürteten Weiber;

Nur Kassandra, schön wie die goldene Aphrodite,

Stieg auf Pergamos' Höh und schauete ferne den Vater,

Welcher im Sessel stand, und den stadtdurchrufenden Herold,

Auch in dem Maultierwagen, gestreckt auf Gewande, den Leichnam.

Laut wehklagte sie nun und rief durch Ilios' Gassen:

Eilt ihn zu schaun, ihr Troer und Troerinnen, den Hektor,

Habt ihr des Lebenden je, der wiederkehrt' aus der Feldschlacht,

Euch gefreut; denn er war die Freude der Stadt und des Volkes!

Jene sprach's; und es blieb kein einziger dort in der Feste,

Weder Mann noch Weib; sie ergriff unermeßliche Trauer.

Nahe begegneten sie am Tore dem Führer des Leichnams.

Beide voran, sein liebendes Weib und die würdige Mutter,

Rauften ihr Haar, sinnlos an den rollenden Wagen sich stürzend,

Rührend des Toten Haupt; und weinend umstand sie die Menge.

Also den ganzen Tag bis spät zur sinkenden Sonne

Hätten sie Hektor betraurt, die Weinenden, außer dem Tore,

Wenn nicht jetzt aus dem Sessel der Greis zum Volke geredet:

Weicht und laßt mir die Mäuler hindurchgehn; aber nach diesem

Sättiget euch der Tränen, nachdem ich ins Haus ihn geführet!

Jener sprach's; und sie trennten sich schnell und wichen dem Wagen.

Als sie den Leichnam nun in die prangende Wohnung geführet,

Legten sie ihn auf ein schönes Gestell und ordneten Sänger,

Anzuheben die Klag; und gerührt mit jammernden Tönen

Sangen sie Trauergesang, und ringsum seufzten die Weiber.

Aber die blühende Fürstin Andromache klagte vor allen,

Haltend sein Haupt in den Händen, des männervertilgenden Hektors:

Mann, du verlorst dein Leben, du Blühender, aber mich Witwe

Lässest du hier im Palast und das ganz unmündige Söhnlein,

Welches wir beide gezeugt, wir Elenden! Ach, wohl schwerlich

Blüht er zum Jüngling empor! Denn zuvor wird Troja vom Gipfel

Umgestürzt, da du starbst, ihr Verteidiger, welcher die Mauern

Schirmte, die züchtigen Fraun und stammelnden Kinder errettend.

Bald nun werden hinweg sie geführt in geräumigen Schiffen,

Und ich selbst mit jenen! Doch du, mein trautester Sohn, wirst

Dorthin gehn mit der Mutter, um Arbeit und Schmach zu erdulden,

Ringend unter dem Zwang des Grausamen, oder dich schmettert

Hoch vom Turm ins Verderben, am Arme gefaßt, ein Achaier

Zürnend, da Hektor den Bruder ihm tötete oder den Vater

Oder den blühenden Sohn; denn, traun, sehr viel der Achaier

Haben durch Hektors Hände den Staub mit den Zähnen gebissen.

Nie war schonend dein Vater noch sanft in der grausen Entscheidung;

Drum betrauern ihn nun die Völker umher in der Feste.

Schrecklich hast du die Eltern mit Gram und Trauer belastet,

Hektor; doch mich vor allen betrübt nie endender Jammer!

Denn nicht hast du mir sterbend die Hand aus dem Bette gereichet,

Noch ein Wort mir gesagt voll Weisheit, welches ich ewig

Eingedenk erwöge, bei Tag und Nacht dich beweinend.

Also sprach sie weinend, und ringsum seufzten die Weiber.

Jetzo erhob vor ihnen auch Hekabe klagend die Stimme:

Hektor, du Herzenskind, mein Trautester aller Gebornen!

Ach, und weil du mir lebtest, wie hochgeliebt von den Göttern,

Welche ja dein gedenken auch selbst in des Todes Verhängnis!

Denn die anderen Söhne, die mir der schnelle Achilleus

Nahm, verkauft' er vordem jenseits der öden Gewässer,

Hin gen Samos und Imbros und zur unwirtbaren Lemnos.

Aber da dich er entseelt mit ragender Spitze des Erzes,

Hat er so oft dich geschleift um das Ehrenmal des Patroklos,

Seines Freunds, den du schlugst, und erweckete jenen auch so nicht.

Dennoch frisch wie betaut und blühend annoch im Palaste

Ruhest du, jenem gleich, den der Gott des silbernen Bogens

Unversehns hinstreckte, mit lindem Geschoß ihn ereilend.

Also sprach sie weinend und weckt' unermeßlichen Jammer.

Endlich erhob vor ihnen auch Helena klagend die Stimme:

Hektor, o trautester Freund, geliebt vor des Mannes Gebrüdern!

Ach, mein Gemahl ist jetzo der göttliche Held Alexandros,

Der mich gen Troja geführt! O wär ich zuvor doch gestorben!

Denn mir entflohn seitdem schon zwanzig Jahre des Lebens,

Seit von dannen ich ging, das Land der Väter verlassend;

Nimmer indes entfiel dir ein böses Wort, noch ein Vorwurf.

Ja, wenn ein andrer im Hause mich anfuhr unter den Brüdern

Oder den Schwestern des Manns und den stattlichen Frauen der Schwäger,

Oder die Schwäherin selbst, denn der Schwäher ist mild wie ein Vater:

Immer besänftigtest du und redetest immer zum Guten

Durch dein freundliches Herz und deine freundlichen Worte.

Drum bewein ich mit dir mich Elende, herzlich bekümmert!

Denn kein anderer noch in Trojas weitem Gefilde

Ist mir Tröster und Freund; sie wenden sich alle mit Abscheu!

Also sprach sie weinend; es seufzt' unzählbares Volk nach.

Priamos aber, der Greis, begann im Gedränge der Troer:

Bringt nun Holz, ihr Troer, vom Walde zur Stadt und besorgt nicht

Lauernden Hinterhalt der Danaer; denn mir verhieß ja

Peleus' Sohn, mich entsendend von Argos' dunkelen Schiffen,

Nicht uns Schaden zu tun, bis genaht der zwölfte der Morgen.

Jener sprach's; da bespannten sie schnell mit Stieren und Mäulern

Wagen der Last und versammelten drauf sich außer der Feste,

Führeten dann neun Tage zur Stadt unermeßliche Waldung.

Aber nachdem zum zehnten die leuchtende Eos emporstieg,