Ursula und Katrin Busch - ISBN 978-3-939478-19-5 € 17.90
Zurück nach Ägypten
Die wunderbare Ehe von Isabell und ihrem ägyptischen Mann wurde viel zu früh durch den plötzlichen Tod von Mahmoud beendet. Gerade hatte sich das junge Paar eine Existenz in Hurghada aufgebaut, wünschte sich ein Kind und war glücklich. Der Schock saß tief und dennoch wollte Isabell in ihrem geliebten Ägypten bleiben. Mit den elementaren Kräften ihrer Mutter schaffte es Isabell, ihr Reisebüro und die Gästevilla am Laufen zu halten – wenn da nicht der beste Freund Mahmouds gewesen wäre...
Michael Dunkel - ISBN 978-3-939478-02-7 € 14.90
Der Teufel kochte tunesisch
Die wahre Geschichte des Aussteigers Mike, der in Tunesien leben und arbeiten wollte, stattdessen aber immer tiefer in nicht durchschaubare Aktivitäten eines Glaubensfanatikers und Betrügers hineingezogen wurde, die ihm am Ende nicht nur sein Vermögen, sondern fast auch sein Leben kosteten, wären ihm nicht im letzten Augenblick ein beherzter Tunesier und eine mutige Reiseleiterin zur Hilfe gekommen ...
Evelyne Kern - ISBN 978-3-939478-04-1
Sand in der Seele (unser 1000fach verkaufter Verlags-Bestseller) € 18.00
Die tragische Geschichte einer deutschen Journalistin, die glaubte, in Tunesien das große Glück gefunden zu haben, aber am Ende nicht nur ihr gesamtes Vermögen verliert, sondern auch vergeblich um ihre Rechte in einem frauenfeindlichen Land kämpft. Aus purer Angst, zutiefst verletzt und gedemütigt muss sie schließlich ihr Traumhaus verlassen, und ein harter Kampf gegen einen riesigen arabischen Familienclan beginnt ...
Hannelore Di Guglielmo - ISBN 978-3-939478-11-9 € 17.90
Bucht der trügerischen Leidenschaft
Gebeutelt vom viel zu frühen Tod ihres geliebten Ehemannes zieht sich Anna immer mehr in ihre Trauer zurück, bis sie sich eines Tages zu einer Schiffsreise in die Türkei entschließt, die ihr zum Verhängnis werden soll. Auf dem Boot trifft sie auf den Mann, der sie aus ihrer Einsamkeit reißt und dem sie mit Leib und Seele verfällt. Erst viel zu spät erkennt sie, dass sie einer Illusion aufgesessen ist ...
Anita Wasmundt - ISBN 978-3-939478-08-9 € 16.90
Der Heuchler aus dem Morgenland
Die wahre Geschichte einer Ehe mit einem Marokkaner, der nur seine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung und finanzielle Vorteile im Sinn hatte. Schonungslos und offen berichtet die Autorin über ihr Leben mit einem Mann, der sie für seine Zwecke jahrelang missbraucht. Dass dabei ihr gewohntes Umfeld, ihre Sicherheit und ihre eigene Familie in den Hintergrund treten, bemerkt sie erst, als es zu spät ist ...
Elke de Witt - ISBN 978-3-939478-18-8 € 19.80
Vorsicht - bissige Frau!
Die Freundschaft von Astrid und Ingrun droht an geheimnisvollen und längst verdrängten schrecklichen Erinnerungen aus Kindertagen zu zerbrechen. In ihrer ungewöhnlichen Lebensgemeinschaft ziehen sie gemeinsam Astrids Tochter auf. Ihre Nähe zueinander, der Umstand, dass sie beide denselben Mann lieben, mysteriöse Vorfälle und kriminelle Begebenheiten, die einen niemals ausgesprochenen Verdacht bestätigen, treiben sie schließlich dazu, einer grausamen Wahrheit ins Auge zu sehen...
Gaby Trippen - ISBN 978-3-939478-20-1 € 19.80
AUSZEIT
Versetzen Sie sich in folgende Situation, liebe Leser: Ihr jahrelang ach so vertrauter Ehepartner packt plötzlich einen Koffer, sagt nur die Worte „Das war’s“, lässt die Haustüre hinter sich ins Schloss fallen und Sie sind innerhalb weniger Minuten frisch getrennt. Was ist passiert? Was hat den Mann dazu gebracht diesen Entschluss zu fassen und wie fühlt sich die Frau, die geschockt und nichtbegreifend zurückbleibt?
Dieter Janz - ISBN 978-3-939478-14-0 € 18.90
Schatten über Adlig-Linkunen
”Schatten über Adlig-Linkunen“ ist eine spannende und erlebnisreiche Zeitreise in die Masuren des 19. Jahrhunderts. Sehr detailliert und präzise schildert der Autor die erschreckenden Ereignisse auf dem Gutshof Adlig-Linkunen und lässt die Protagonisten der Geschichte dabei lebendig werden...
Christoph Hinkel - ISBN 978-3-939478-13-3 € 19.80
Für Amadeo
“Für Amadeo” ist eine Hommage an den vermeintlich imaginären Freund, der den Protagonisten Seduco über viele Jahre hinweg begleitet. Mit ihm taucht er in das Reich irrationaler Träume ein, in das man nur mit einer gehörigen Portion Vorstellungsvermögen vorzustoßen vermag. Pubertäre Fantasien werden wachgerüttelt und an die Grenzen des schier Unerträglichen katapultiert...
Evelyne Kern - ISBN 978-3-939478-03-4 € 18.00
Atemlos ins Nichts
Hier ist die bittersüße Liebesgeschichte Julias, die alles verliert, was sie liebt. Tapfer erträgt sie alle Schicksalsschläge, bis sie eines Tages völlig ausrastet...
Dieser Roman geht durch Mark und Bein. Ungemein romantisch, aber auch unendlich traurig spricht er all die Personen an, die gerne mal ihren Tränen freien Lauf lassen. Zum Heulen schön, aber auch irre romantisch und zugleich anregend spannend verspricht diese Geschichte eine außergewöhnliche Unterhaltung...
Evelyne Kern - ISBN 978-3-939478-09-6 € 16.90
Inzu und das Gold der Inkas
Unmittelbar nach der dramatischen Notlandung im schier undurchdringbaren Dschungel gerät eine kleine Gruppe amerikanischer Geschäftsleute in ein ungewolltes Abenteuer, das keine noch so erschreckende Überraschung auslässt. Nach der Begegnung mit einem furchterregenden Kopfjäger-Stamm erfahren sie durch Zufall von einer alten Inka-Kultstätte. Beseelt von dem Glauben an das Inka-Gold, das dort verborgen liegen soll, lassen sie sich auf das Wagnis ein...
Dieter Janz
Das Spiegelbild
Für Tamara
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2010 Verlag Kern
© Inhaltliche Rechte bei Dieter Janz (Autor)
Layout und Satz: Brigitte Winkler www.winkler-layout.de
Titelbild: © Moguchev, 2010, Benutzung unter Lizenz von Shutterstock.de
Verlag und Herstellung: www.Verlag-Kern.de
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2012
ISBN: 9783944224305
Sonntagmorgen, 8.00 Uhr.
Er steht im Bad, am Waschbecken. Sein Blick ist nach unten gerichtet, langsam wandert er nach oben zum funkelnagelneuen Spiegel. Vorsichtshalber schließt er die Augen. Dann zwingt er sich, sie zu öffnen und betrachtet sein Spiegelbild.
Es verhält sich völlig normal. Er dreht den Kopf nach links, nach rechts, zwinkert mit dem linken Auge, dem rechten, streckt die Zunge heraus. Sein Spiegelbild tut es ihm gleich, zieht keine Grimassen, die nicht auch er macht.
Aus dem Schlafzimmer tönt ein lang gezogenes ›Mmh‹, dem ein leiser Protest folgt: »Ey, es ist erst acht Uhr. Wo bist du?«
»Pinkeln!«
Kurze Stille, dann die Frage mit verschlafener Stimme: »So lange? Du wirst’s in deinem Alter doch nicht schon an der Prostata haben?«
Er lachte, sein Spiegelbild ebenso.
»Ich komme gleich, schlaf ruhig weiter.«
»Beeil dich.«
Langsam schlurft Christian zurück ins Schlafzimmer und legt sich wieder hin. Sie kuschelt sich an ihn und scheint sofort wieder einzuschlafen.
Es ist still an diesem Morgen. An sich ist Christian nicht mehr müde, aber es tut gut, entspannt bei ihr zu liegen. Seine Gedanken kreisen um dies und das und bleiben schließlich bei der Geschichte mit seinem Spiegelbild hängen.
Als er eines Morgens das Badezimmer betrat und in den Spiegel schaute, erschrak er. Er erblickte ein graues, von Arbeit und wenig Schlaf gezeichnetes Gesicht.
So deutlich wie an jenem Morgen war ihm dies noch nicht aufgefallen. Aber wundern durfte er sich nicht. Er hatte jeden Tag von morgens bis abends geschuftet. Dazu kamen fast täglich Geschäftsessen mit potentiellen Kunden, oft bis spät in die Nacht, fast immer mit reichlich Alkohol. Besonders der Leiter der Marketingabteilung dieses Pharmakonzerns, den er unbedingt als Kunden gewinnen wollte, zeigte sich extrem trinkfest und ausdauernd. Es hatte mehrere solcher Gelage gebraucht, um dessen Auftrag an Land zu ziehen.
Und nun betrachtete Christian das Ergebnis seiner Lebensweise im Spiegel. »Das geht auf Dauer nicht gut«, murmelte er vor sich hin, drehte den Wasserhahn auf und bespritzte sein Gesicht. Aber danach war der Anblick auch nicht wesentlich besser. Er schlurfte zum Telefon, wollte wählen, aber dann fiel ihm ein, dass sein Büro noch gar nicht besetzt war. Also ging er in die Küche, warf die Espressomaschine an, nahm die Zigarettenschachtel vom Tisch, um sie direkt wieder zurückzulegen, denn sie war leer.
Als er seinen Kaffee getrunken hatte, schlich er zurück ins Badezimmer und schaute wieder in den Spiegel. Plötzlich beschleunigte sich sein Herzschlag enorm. Hatte ihm sein Spiegelbild eben nicht zugezwinkert?
»Jetzt wirst du verrückt«, sprach er zu sich selbst.
Er schloss die Augen und schüttelte heftig den Kopf. Dann betrachtete er wieder sein Ebenbild. Da! Da war es schon wieder, dieses Blinzeln.
Schnellen Schrittes eilte er zum Telefon. Inzwischen müsste jemand in der Agentur sein. Er musste aber bestimmt fünf-, sechsmal läuten lassen, bis sich jemand meldete.
»Public Relation- und Marketing-Agentur Maurer«, flötete seine Sekretärin in den Hörer, »Sie sprechen mit ...«
Weiter kam sie nicht, denn Christian fiel ihr ins Wort: »Ich weiß, mit wem ich spreche. Ich komme heute nicht ...«
Jetzt war sie es, die ihn unterbrach: »Aber ich weiß nicht, mit wem ich spreche. Wenn Sie so freundlich wären, mir Ihren Namen zu nennen.«
Oh Gott, schoss es ihm in den Kopf, ist meine Stimme so ruiniert, dass man mich nicht mehr am Telefon erkennt?
»Kerstin, meinst du das im Ernst, oder willst du mich verarschen?«
»Oh, Chrissie! Du bist’s. Entschuldige, aber du klingst irgendwie so, so rau. Geht’s dir nicht gut?«
»Doch, doch, mir geht’s prima. – Nein, mir geht’s beschissen heute Morgen, deswegen werde ich nicht kommen.«
»Das geht aber nicht.«
»Weshalb?«
»Weil du einen Termin hast. Mit diesem Krausner von dem Autohaus.«
»Den soll Wolfgang übernehmen, ich mag den Kerl samt seiner Autos sowieso nicht.«
»Da wird Wolfgang nicht begeistert von sein.«
»Liebe Kerstin, das ist mir sooo egal.«
»Und wenn er sich weigert?«
»Dann gib ihm die Telefonnummer eines unserer Konkurrenten.«
»Dir scheint’s wirklich nicht gut zu gehen.«
»Sag ich doch; ich melde mich später noch einmal. Tschüss.«
»Gute Besserung.«
Sein Weg führte ihn zurück ins Badezimmer. Nur sehr zögerlich wagte er, in den Spiegel zu schauen. Zunächst geschah gar nichts. Doch gerade als er den Blick abwenden wollte, streckte ihm sein Gegenüber kurz die Zunge heraus. Erschrocken trat er zurück.
»Du musst schlafen«, murmelte er vor sich hin, »dein Gehirn spielt einen Streich mit dir.«
Unverzüglich begab er sich in sein Schlafzimmer und legte sich hin.
Es waren gut zwei Stunden vergangen, als er wieder aufwachte. Jetzt fühlte er sich deutlich wohler. Dennoch war ihm beim erneuten Blick in den Badezimmerspiegel mulmig zumute und er war erleichtert, als sein Ebenbild nichts tat, was nicht auch er machte.
Während der Rasur passierte nichts Ungewöhnliches. Nachdem er sich ausgehfertig angezogen hatte, wollte er den Sitz seiner Krawatte im Spiegel noch einmal überprüfen.
»Alles okay«, sagte er zu sich selbst und wollte sich umdrehen, als ihn sein Spiegelbild angrinste, obwohl er selbst den Mund nicht im Geringsten verzog. Er schaute weg; ein, zwei Sekunden später wieder in den Spiegel. Erneut tauchte das Grinsen für einen ganz kurzen Moment auf.
Christian eilte zur Flurgarderobe, um in den dortigen Spiegel zu schauen. Hier konnte er nichts Außergewöhnliches feststellen. Ich glaube, ich suche bald mal einen Arzt auf, um mich durchchecken zu lassen.
Nachdem er die Wohnungstür zugezogen hatte, lief er die Stockwerke zu Fuß hinunter. Den Aufzug mied er fast immer, um sich auf diese Weise wenigstens ein wenig Bewegung zu verschaffen. Seine sportlichen Betätigungen hatten sich in letzter Zeit in engen Grenzen gehalten, genauer gesagt, unternahm er diesbezüglich überhaupt nichts mehr.
Vor der Haustür angekommen, atmete er erst einmal tief durch. Es war ein herrlicher Frühlingstag, die Sonne wärmte auf angenehme Weise. Sein erster Gang galt dem Zigarettenautomaten. Dann eilte er über die Straße, sich zwischen den Autos hindurch jonglierend, wobei er ein kleines Hupkonzert auslöste. Nach wenigen Metern hatte er das Bistro erreicht, in dem er öfter frühstückte und zuweilen auch zu Abend aß.
Er setzte sich an seinen Stammplatz, nahm die Tageskarte und studierte das Frühstücksangebot.
»Sie wünschen?«, sprach ihn eine angenehme weibliche Stimme an. Ohne von der Karte aufzublicken, deutete er auf ein Angebot und erwiderte: »Ich glaube, ich nehm’ dies hier, die Nummer 3.«
»Was möchten Sie dazu trinken?«
»Bringen Sie mir ein Glas ...« Christian blickte die Kellnerin an und verstummte sofort. Er glaubte, in das hübscheste Gesicht zu schauen, das er je gesehen hatte. Sie musste hier im Bistro neu angestellt sein, denn er hatte sie nie zuvor entdeckt. Sie lächelte ihn an und fragte: »Ja, bitte, ein Glas ...?«
Er musste sich anstrengen, um nicht ins Stottern zu geraten.
»Ein Glas Orangensaft und einen Espresso, wenn es Ihnen nichts ausmacht, bitte.«
»Wenn es mir was ausmachen würde, würde ich nicht hier arbeiten; es ist mein Job.«
»Ja natürlich, war nur so dahingesagt.«
Er spürte, wie er rot wurde. Mein Gott, das ist mir noch nie passiert, fuhr es ihm in den Kopf. Sie lächelte immer noch.
»Es wird nicht lange dauern, ich bring Ihnen die Sachen sofort.«
Christian schaute ihr nach, als sie sich vom Tisch entfernte.
»Hallo Chrissie!«
Er hatte nicht bemerkt, dass sich ihm jemand genähert hatte.
»Kerstin, was machst du hier? Warum bist du nicht bei der Arbeit?«
»Oje, ich sehe, dir geht’s immer noch nicht gut. Darf ich mich trotzdem zu dir setzen?«
»Natürlich, nimm Platz, war nicht böse gemeint.«
»Weißt du, mein Chef feiert heute krank, da dachte ich mir, machst halt ein bisschen früher Mittagspause.«
»Was soll das heißen, dein Chef feiert heute krank? Ich hab mich vorhin wirklich miserabel gefühlt. Du bist ganz schön frech für eine Sekretärin.«
Inzwischen war die Kellnerin zurückgekehrt und stellte Christian die Croissants, das Brötchen, Orangensaft und Espresso hin, während sie Kerstin fragte: »Was darf ich Ihnen bringen? Wollen Sie auch ein Frühstück?«
Kerstin schaute auf die Uhr und meinte: »Nein, lieber nicht. Ich habe heute schon gearbeitet. Ich suche mir ein Mittagessen aus.«
»Gut, dann komme ich gleich noch mal.«
»Du riskierst ein dicke Lippe, Mädchen; pass auf, sonst bist du deinen Job los.«
Kerstin lächelte. »Du scheinst heute sehr großzügig mit der Ankündigung von Rausschmissen umzugehen.«
Als die Bedienung zurückkehrte, um Kerstins Bestellung aufzunehmen, musste sich Christian regelrecht Mühe geben, um sie nicht pausenlos anzustarren. Er war drauf und dran, sie nach ihrem Namen zu fragen, aber in Anwesenheit seiner Sekretärin unterließ er es besser.
Nach dem ersten Croissant war er schon satt und auch das halbe Glas Orangensaft ließ er stehen. Nachdem er sich eine Zigarette angezündet hatte, stand er auf.
»Willst du etwa schon gehen? Ich dachte, du leistest mir beim Essen Gesellschaft?«
»Nein, ich geh’ zum Arzt. Heute komm ich übrigens nicht mehr ins Büro. Das bedeutet aber nicht, dass du dir einen faulen Lenz machen kannst. Also, bis morgen.«
»Bis morgen.«
In der Hoffnung, bei der neuen Kellnerin seine Rechnung bezahlen zu können, ging er zur Kasse an der Theke. Aber sie war weit und breit nicht zu sehen. Wie vom Erdboden verschlungen.
Antonio nahm das Geld entgegen und meinte beiläufig: »So früh wie heute hab ich dich noch nie hier gesehen. Machst du etwa Urlaub?«
»Nein, ich mach nur heute frei – ihr habt ’ne neue Bedienung, was?«
Antonio blickte ihn nachdenklich an. »’ne Neue? Nicht, dass ich wüsste. Wen meinst du denn?«
Gehen meine Halluzinationen etwa so weit, dass ich Leute sehe, die es gar nicht gibt?
»Die Blonde, die mich und meine Sekretärin bedient hat, die ist doch neu hier.«
»Janine? Nein, die ist schon seit Wochen hier, aber nur stundenweise, meist vormittags. Ich sagte doch, um die Zeit bist du sonst nie hier, deshalb hast du sie noch nicht gesehen.«
»Sehr freundlich, die Kleine.«
Antonio antwortete nicht und grinste bis zu beiden Ohren.
»Was soll das, ich hab doch nur festgestellt, dass sie freundlich ist.«
»Schon gut. Schönen Tag wünsch ich dir noch.«
Christian winkte Kerstin noch kurz zu und verließ das Bistro.
Auf der Straße überlegte er, ob er den Wagen aus der Tiefgarage holen sollte, entschied sich aber dann, zu Fuß in die Innenstadt zu gehen. Er steuerte die Praxis seines Freundes Alex an. Der schickte sich gerade an, Mittagspause zu machen.
»Ich geh’ zu McDonald’s ’ne Kleinigkeit essen, kommst du mit? Oder bist du etwa als Patient hier?«
»Nicht unbedingt. Ich hab nur ein paar Fragen.«
»Gut, dann lass uns rübergehen.«
Im Schnellrestaurant fragte Alex, ob er Christian einen Hamburger spendieren dürfe.
»Nein, danke, hab gerade erst gefrühstückt.«
»Um diese Zeit? Bist du dir sicher, dass du nicht doch krank bist?«
»Leider nicht. Pass auf, ich erzähl’ dir jetzt, was mir heute Morgen passiert ist.«
Sein Freund hörte ihm kommentarlos zu, während er seinen Cheeseburger mampfte. Schließlich fragte Christian: »Meinst du, ich entwickle so ’ne Art Neurose?«
»Nein, glaub ich nicht. Spricht nicht unbedingt dafür.«
»Gott sei Dank, ich dachte schon auf dem besten Weg zu sein, verrückt zu werden.«
»Weißt du, wir alle haben unsere Neurosen, mehr oder weniger. Zum Beispiel Phobien, Ängste. Die einen springen auf den Tisch, wenn sie eine Maus sehen, anderen graust’s vorm Aufzugfahren, wieder anderen stockt der Atem, wenn sie im ersten Stock an der Balkonbrüstung stehen. Aber Halluzinationen gehören nicht unbedingt dazu. Sie sprechen eher für eine Psychose.«
»Psychose? Klingt aber auch nicht besonders gut, oder?«
»Der paranoide Formenkreis gehört dazu.«
»Ach du Schreck.«
»Allgemein bekannt unter dem Begriff Schizophrenie.«
»Oh!«, mehr konnte Christian zunächst nicht antworten. Auf den Schreck musste er erst einmal eine Zigarette rauchen und steckte sich eine in den Mund. Aber Alex deutete auf ein Schild, das von der Decke hing. Ein Glimmstängel mit rotem Querbalken. Missmutig steckte Christian die Zigarette weg.
»Klingt schlimmer, als es ist«, fuhr der Arzt mit seinen Ausführungen fort. »Man kann es in den meisten Fällen sehr gut behandeln und muss nicht einmal unbedingt in stationäre Behandlung.«
»Ins Irrenhaus?«
Alex sah ihn mit strafendem Blick an.
»Diesen Begriff gibt es nicht mehr. Außerdem hab ich gerade gesagt, dass es, bis auf sehr schwere Fälle, ambulant behandelt wird. Es gibt hervorragende Medikamente.«
»Sozusagen Antiverrücktsein-Pillen?«
»Deine Ausdrucksweise lässt sehr zu wünschen übrig, aber im Prinzip stimmt’s.«
»Dann schreib mir die Dinger sofort auf. Ich will so früh wie möglich damit anfangen. Andererseits dachte ich immer, man müsse sich für Napoleon halten, um schizophren zu sein. Ich bin mir aber absolut sicher, nicht Napoleon zu sein.«
Alex lachte so laut auf, dass sich die anderen Gäste nach ihnen umdrehten.
Nach einer kurzen Pause fügte Christian kleinlaut hinzu: »Eigentlich müsste ich selbst über dieses Thema Bescheid wissen. Das hab ich alles mal in meinem Studium durchgekaut, aber es ist aus meinem Gedächtnis gelöscht. Seit ich mich nur noch mit Werbepsychologie beschäftige, weiß ich über Krankheiten nichts mehr.«
Alex nickte und erwiderte: »Verständlich. Hör zu, Chrissie. Jeder in deinem Bekanntenkreis weiß, dass du Workaholic bist. Immer wenn die Sprache auf dich kommt, heißt es, wie lange wird der Chrissie das noch durchhalten? Wann kommt der Zusammenbruch? Ich bin mir sicher, du bist nicht schizophren, sondern schlicht und einfach nur überarbeitet. Fühlst du dich verfolgt?«
»Bisher nicht, aber es erstaunt mich, dass ihr über mich redet.«
»Hast du, außer dem Spieglein an der Wand, noch andere Wahnvorstellungen?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Bekommst du Drohbriefe?«
»Äußerst selten und wenn, stammen sie vom Finanzamt.«
»Na also. In der ganzen Stadt staunt man über die Agentur Maurer. Sie expandiert und expandiert. Neulich fragte mich jemand, ob der Chef der Agentur auf dem Weg sei, Milliardär zu werden. Was machst du mit dem Geld? Du wohnst in einer einfachen Mietwohnung, fährst ein altes Auto ...«
»Sag nichts über mein Auto, das ist ein alter SL, ein wahres Schätzchen.«
»Meinetwegen. Ich will doch nur zum Ausdruck bringen, dass du jetzt mal abschalten musst, Urlaub machen, Ferien. Knall dich an irgendeinen Strand und lass dir die Sonne auf den Bauch scheinen.«
Christian widersprach nicht, im Prinzip hatte sein Freund ja recht. Der fügte noch hinzu: »Aber nur mit Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, wegen der Melanom-Gefahr.«
»Wegen was?«
»Hautkrebs, Sonne auf dem Bauch und so.«
Jetzt musste Christian lachen. »Ich habe also deiner Meinung nach die Auswahl zwischen verrückt zu werden oder Hautkrebs zu bekommen, na prima!«
»Ach Chrissie! Man könnte glauben, du willst mich nicht verstehen. Weißt du was? Das nächste Mal, wenn dir dein Spiegelbild die Zunge rausstreckt, streck ihm deine auch entgegen.«
»Ich denke nicht daran. Mein Spiegelbild hat mir nachzumachen, was ich tu und nicht umgekehrt.«
Auf dem Heimweg überlegte er, ob er in seinem Stamm-Bistro noch einen Espresso trinken sollte. Aber dann fiel ihm ein, dass Antonio gesagt hatte, Janine arbeite nur vormittags. Also verwarf er den Gedanken und ging direkt in seine Wohnung.
Er wusch sich im Badezimmer seine Hände und blickte in den Spiegel. Beinahe hätte ihn der Schlag getroffen. Sein Gegenüber hielt eine Zigarette zwischen den Lippen und kniff zum Schutz vor dem Qualm die Augen zusammen. Der Haken daran war, dass er selbst im Moment gar nicht rauchte.
Fast fluchtartig verließ Christian das Badezimmer. Im Flur hielt er sich die Hand an die Stirn. Hab ich Fieber? Aber sein Kopf fühlte sich eher kalt an. Spontan ergriff er seine Schlüssel, verließ die Wohnung wieder und begab sich in die Tiefgarage. Er wusste nicht, wohin er fahren wollte. Als er in seinem blank polierten, silbermetallicfarbenen Mercedes saß, wagte er zunächst nicht, in den Rückspiegel zu schauen; aber Gott sei Dank erwies sich dieser als völlig normal. Christian fuhr ziellos durch die Stadt, dann begab er sich auf eine Ausfallstraße, ließ den Motor ordentlich aufheulen und fuhr ins Blaue.
Er war gut eine Stunde unterwegs, als er an einem Ausflugslokal hielt, um eine Pause einzulegen. Die Gaststätte wirkte einladend und so beschloss er, hier zu Abend zu essen, auch wenn es noch relativ früh war. Als er sich nach einem freien Tisch umschaute, erblickte er sie. Janine saß an einem Tisch mit mehreren jungen Leuten, die munter miteinander plauderten und lachten. Ein junger Mann hatte lässig eine Hand auf ihre Schulter gelegt. Christian überlegte, ob er zu ihr gehen und sie begrüßen sollte. Aber dann kam ihm in den Sinn, wie albern dies aussehen würde. Er hatte sie erst einmal heute Morgen gesehen; wahrscheinlich würde sie sich nicht einmal an ihn erinnern.
Also suchte er sich einen Platz und fand einen Tisch, an dem er alleine sitzen konnte. Ihm stand nicht der Sinn danach, mit irgendeinem Wildfremden höfliche Konversation üben zu müssen.
Nachdem er die Speisekarte studiert und seine Bestellung aufgegeben hatte, schaute er zu den jungen Leuten. Janine schien eine gestenreiche Sprache zu lieben und lachte viel, auf angenehme Art und nicht übertrieben laut. Er versuchte zwar, seine Beobachtungen so unauffällig wie möglich auszuführen, aber plötzlich drehte sie sich, wie auf Kommando, um und ihre Blicke trafen sich. Sie lächelte ihn an, genauso wie sie es heute Morgen im Bistro getan hatte, was er, ebenfalls lächelnd, mit einem Kopfnicken beantwortete. Danach widmete sie sich wieder ihren Freunden und der angeregten Unterhaltung.
Die Mahlzeit, die ihm serviert wurde, war guter Durchschnitt; einen Sternekoch hatte er hier sowieso nicht erwartet. Während er sich das Essen schmecken ließ, hörte er auf einmal Janines Stimme direkt neben ihm.
»Hallo!«
Beinahe hätte er sich verschluckt und hielt eine Hand vor den Mund. Die Gruppe der jungen Leute war gerade im Begriff, das Lokal zu verlassen.
»Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit. Schönen Abend noch.«
»Danke, gleichfalls.«
Janine hob die Hand ein wenig hoch und deutete mit den Fingern ein Winken an. »Tschüss!«
»Tschüss!«
Dann verschwand sie nach draußen. Mein Gott!, schoss es ihm in den Kopf. Sie hat mich erkannt! Sie hat mich erkannt, obwohl sie mich erst einmal gesehen hat. Und dieses Lächeln, wie von einem anderen Stern.
Sein Blick ging durchs Fenster nach draußen zu dem Parkplatz und er konnte beobachten, wie die jungen Leute, einschließlich Janine, um seinen silbernen SL standen und das Auto bewunderten. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte Janine gefragt, ob sie mit ihm eine Probefahrt machen wolle. Zu schade, dass er nicht auch schon zum Aufbruch bereit war, dies wäre die Gelegenheit gewesen. Die Gruppe löste sich schließlich auf und verteilte sich auf verschiedene Autos, meist mehr oder weniger alte, teils klapprige Kleinwagen. Janine stieg zu dem jungen Mann in den PKW, der vorhin seine Hand so lässig auf ihre Schulter gelegt hatte. Ob er wohl ihr Freund ist? Christians Appetit war auf einmal wie weggeblasen. Er legte sein Besteck auf den halbvollen Teller und tupfte sich den Mund mit der Serviette. Bald erschien der Kellner und fragte besorgt: »Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, alles okay. Ich habe nur meinen Hunger überschätzt. Sie haben ja auch ganz ordentliche Portionen hier. Ist alles prima. Ich möchte dann auch gerne zahlen.«
»Gut, dann bin ich beruhigt. Ich bringe Ihnen sofort die Rechnung.«
Als er in seinen Wagen stieg, überlegte er zuerst, ob er noch ein Stück weiter rausfahren sollte, entschloss sich aber dann, nach Hause zurückzukehren.
Das Verdeck war offen, im CD-Player lief ›Jethro Tull‹ und die Sonne schien. Er fuhr nicht schnell, wollte die Fahrt einfach nur genießen.
In der Tiefgarage angekommen, parkte er das Auto rückwärts ein und lief zu seiner Wohnung. Sein Gesicht brannte etwas; so viel Sonne auf einmal war er nicht gewöhnt.
In der Diele seiner Wohnung schaute er in den Spiegel und erkannte, dass sein Gesicht schon ganz ordentlich Farbe abbekommen hatte. Gott sei Dank verhielt sich sein Gegenüber ganz normal; keine Grimassen, kein Augenzwinkern, keine Zigarette. Den Spiegel im Badezimmer mied er.
Gerade als er sich im Wohnzimmer in einen Sessel fallen ließ, läutete das Telefon.
»Verflixt«, murmelte er. »Wo ist das Ding bloß?«
Er fand es im Flur, da, wo es hingehörte. »Maurer.«
»Hallo Chrissie! Ich bin’s, Melanie.«
»Hallo, Melanie! Wie geht’s dir?«
»Einigermaßen, danke.«
Es folgte eine kurze Pause.
»Du, Chrissie? Ich wollte dich fragen, ob wir uns noch mal treffen können.«
»Selbstverständlich. Lass uns mal ’ne Tasse Kaffee oder einen Rotwein zusammen trinken.«
Wieder eine kurze Pause.
»So war das nicht gemeint. Ich würde gerne noch mal richtig mit dir reden, du weißt schon.«
»Ja, ich weiß; aber ich möchte die alten Kamellen nicht wieder aufwärmen. Ich hab nix dagegen, wenn wir freundschaftlich verbunden bleiben, aber dabei sollten wir es belassen, Melanie.«
Sie antwortete nicht. In den zwei Jahren ihrer Beziehung hatte sie ihn dreimal, soweit er wusste, betrogen. Jedes Mal hatte sie reumütig um Verzeihung gebeten, wobei sie reichlich Tränen vergossen hatte. Beim dritten Mal reichte es ihm.
»Bist du noch dran, Melanie?«
»Ja. Keine Chance, Chrissie? Wenigstens ein Versuch noch?«
»Bitte, lassen wir das Thema. Ich fühl mich im Moment sowieso nicht fit für eine Beziehung.«
Bei diesen Worten kam Verlegenheit in ihm auf, denn sie waren gelogen. Er dachte an Janine und daran, dass er sie nur allzu gerne näher kennen gelernt hätte.
»Schade. – Dann mach’s gut, Chrissie. Ich meld’ mich irgendwann mal wieder. Vielleicht erwische ich dich dann ja in einer besseren Stimmung.«
»Ja, tschüss Melanie.«
Gedankenverloren legte er das Telefon weg, holte in der Küche eine Flasche Rotwein aus dem Kühlschrank. Er musste daran denken, dass seine bevorzugte Temperierung von Rotwein mit Melanie immer wieder Diskussionen ausgelöst hatte, zündete sich eine Zigarette an und verschwand wieder im Wohnzimmer.
Als am nächsten Morgen der Wecker klingelte, fuhr Christian erschrocken hoch. Er war noch nie von ihm geweckt worden. Das Ding wurde immer von ihm ausgeschaltet, bevor es sich melden konnte. Die Uhr stand nur für den nie zu erwartenden Fall da, dass er verschlafen würde, der aber jetzt tatsächlich eingetreten war. Mühsam kroch er aus dem Bett und wankte ins Badezimmer.
»Ach herrje, der Scheißspiegel, soll ich reinschauen?«, murmelte er vor sich hin.
Sein Bedenken wurde aber zerstreut, als sich sein Spiegelbild völlig normal verhielt, vor dem Duschen, nach dem Duschen, während des Rasierens. Selbst die Krawatte band sich sein Gegenüber analog zu ihm. Man könnte meinen, ich bin dem Wahnsinn im letzten Moment entkommen, dachte er und überlegte weiter, ob er sich zu Hause noch einen Müsliriegel in den Mund schieben oder lieber im Bistro richtig frühstücken sollte. Dabei fiel ihm Janine ein und seine Entscheidung war getroffen. Er war nur viel zu früh dran, sie würde noch nicht da sein. Also entschloss er sich, noch eine Weile zu warten.
Als er im Bistro ankam, erblickte er sie sofort. Kurz nachdem er Platz genommen hatte, war sie auch schon bei ihm.
»Guten Morgen. Was kann ich Ihnen bringen? Dasselbe wie gestern?«
»Guten Morgen, Janine.«
Sie blickte ihn kurz erstaunt an. Offenbar war sie verwundert, dass er ihren Namen kannte. Dann lächelte sie aber wieder in gewohnter freundlicher Weise.
»Nein, gestern habe ich die Hälfte zurückgehen lassen. Bringen Sie mir bitte nur ein Croissant und einen Espresso.«
»Aber einen O-Saft werden Sie doch noch schaffen, oder?«
»Okay, einverstanden.«
»Kommt sofort!«
Sie rauschte davon, um nur kurze Zeit später die bestellten Sachen zu bringen. Just in diesem Moment klingelte sein Handy. Er schaute sie an und verdrehte die Augen.
»Abschalten«, flüsterte sie, während er dranging.
»Ja?«
»Lebst du noch und wenn ja, wird man dich in absehbarer Zeit noch mal zu Gesicht bekommen?«
»Mein Gott, Kerstin, ich bin das zweite Mal in all der Zeit nicht pünktlich im Büro und dann machst du so einen Aufstand.«
»Eben, genau deshalb. Würdest du sonst nach Belieben kommen und gehen, hätte ich nicht angerufen. Also, kommst du noch?«
»Darf ich noch in Ruhe frühstücken?«
»Einverstanden, aber beeil dich.«
»Ich sagte: in Ruhe.«
Christian steckte das Handy weg, als Janine alles hingestellt hatte.
»Ihre Chefin?« Sie schaute ihn belustigt an.
»Schlimmer, meine Sekretärin.«
»Hat Sie aber gut im Griff, oder?«
»Ja, ich merk’s auch gerade.«
Christian schaute sich im Bistro um. Um diese Zeit waren nicht viele Gäste anwesend, daher fragte er: »Wollen Sie mir nicht Gesellschaft leisten und einen Cappuccino mit mir trinken?«
»Würd’ ich schon machen, aber Antonio sieht das nicht so gerne, er meint, es könnte der Eindruck entstehen, der Laden läuft nicht, wenn die Bedienung Zeit hat, sich zu den Gästen zu setzen.«
»Verstehe ich. Darf ich Sie dann mal außerhalb ihrer Dienstzeit zu einem Kaffee einladen? Nicht hier, vielleicht in die Gaststätte, wo Sie gestern mit Ihren Freunden waren?«
»Im Moment hab ich nicht viel Zeit. Ich schreib nächste Woche zwei Klausuren, die immens wichtig sind und muss entsprechend lernen. Mein Studium hat zuvor wegen meiner Faulheit etwas gelitten, deshalb will ich mich jetzt mal ein bisschen ranhalten.«
»Was studieren Sie denn?«
»Psychologie.«
»Interessant. Haben Sie schon einen Schwerpunkt in diesem Fach gewählt?«
»Ja, ich werde mich wahrscheinlich auf Verkaufspsychologie konzentrieren. Marketing, Public Relations und so was. Ich weiß nicht, ob Sie damit etwas anfangen können.«
»Doch, doch, hab mal was davon gehört. Passen Sie nur auf, dass Ihnen Ihr Spiegelbild nicht eines Tages zuzwinkert.«
»Wie bitte?« Janine blickte ihn entgeistert an.
»War nur ein Scherz, dazu nicht ein besonders guter.« Dann fügte er hinzu: »Darf ich Sie noch mal ansprechen, wenn Sie Ihre Klausuren hinter sich haben?«
»Na klar, meine jetzige Absage ist nicht persönlich gemeint. Im Moment ist meine Zeit wirklich knapp. Aber danach könnte es schon klappen.«
Ihr süßes Lächeln entschädigte ihn ein wenig für seine Enttäuschung. Gestern hatte sie noch die Muße gehabt, mit ihren Freunden auszugehen; da mussten ihr doch die Klausuren auch schon im Nacken gesessen haben. Er ließ es sich nicht anmerken, aber der Korb, den sie ihm gerade gegeben hatte, traf ihn tief.
Als er mit dem Frühstück fertig war, beschloss er, mit dem Auto ins Büro zu fahren. Beim Bezahlen der Rechnung fragte sie ihn: »Werden Sie morgen wieder zum Frühstücken hierher kommen?«
Christian verzog das Gesicht; »Wahrscheinlich nicht, sonst handele ich mir wieder einen Rüffel im Büro ein.«
Sie lachte. »Ich sag Ihnen Bescheid, wenn ich meine Klausuren hinter mir habe.«
Als er nicht sofort antwortete, fügte sie hinzu: »Wegen dem Cappuccino; ich werde Sie beim Wort nehmen.«
Christian hatte das Gefühl, sein Herz schlüge einen Purzelbaum. An der Tiefgarage kam er gehörig ins Staunen. Hatte er nicht gestern seinen Wagen rückwärts eingeparkt? Aber das Auto stand jetzt genau andersherum. Er befühlte die Kühlerhaube, sie war warm. Demnach musste jemand mit seinem SL gefahren sein, während er im Bistro war. Aber niemand außer ihm besaß einen Schlüssel für das Fahrzeug. Er griff in seine Jackentasche, dann durchforstete er die andere Seite, schließlich noch sämtliche Hosentaschen; nirgendwo war der Schlüssel drin. »Scheiße«, entfuhr es ihm. Hastig rannte er zu seiner Wohnung, bis ihm einfiel, dass der Wohnungs- und Autoschlüssel ja an einem Bund waren. »So ein Mist«, sagte er laut zu sich selbst. »Ich hab die Tür vorhin zugezogen und die Schlüssel drinnen vergessen.« Dann fiel ihm der Hausmeister ein; der musste einen für alle Fälle in Reserve haben.
Also lief er zu dessen Wohnung und läutete. Es dauerte eine Weile, bis er die schlurfenden Schritte hörte und die Tür geöffnet wurde.
»Ach Sie, Herr Maurer. Ist was passiert? – Nee, sagen Se nix, lassen Se mich raten: Sie haben sich ausgesperrt, den Schlüssel in der Wohnung vergessen. Stimmt’s?«
»Ganz genau, so ist es, Herr ...«
Ihm fiel der Name nicht ein, denn er hatte so gut wie nie mit dem Hausmeister zu tun.
Doch der ging gar nicht darauf ein, sondern antwortete sofort: »Warten Se einen Moment, ich hol grad meinen Generalschlüssel«, und verschwand wieder in seiner Wohnung. »Hoffentlich haben Sie ihn nur vergessen und nicht verloren«, meinte der Hausmeister, während sie sich auf dem Weg zu Christians Wohnung befanden. »Das wäre nämlich teuer. Dann müsste ein neues Schloss eingebaut werden.«
»Nein, nein. Ich habe ihn nur liegen lassen. Pure Schusseligkeit.«
Doch ganz so sicher war sich Christian bei seiner Antwort nicht. Womöglich war ihm der Schlüssel tatsächlich abhandengekommen. Dies würde auch erklären, dass jemand sein Auto benutzt hatte.
Nachdem der Hausmeister ihm die Tür geöffnet und Christian sich dankend von ihm verabschiedet hatte, stürzte er in die Küche, wo die Schlüssel für gewöhnlich lagen.
»Gott sei Dank«, entfuhr es ihm, als er den Bund auf dem Tisch liegen sah.
Aber, wie zum Teufel konnte jemand mit meinem Auto fahren? Der Reserveschlüssel! Dieser jemand musste irgendwie in den Besitz des Reserveschlüssels gekommen sein. Aber dies bestätigte sich nicht, denn Christian fand ihn im Wohnzimmer-Sekretär, genau an der Stelle, wo er hingehörte. Zusammen mit dem zweiten Haustürschlüssel. In der letzten Zeit passieren verdammt viele Merkwürdigkeiten. Zuerst entwickelt mein Spiegelbild ein Eigenleben, dann macht sich mein Auto selbstständig; mal sehen, wann meine Möbel um mich herum tanzen.
Das Erste, was er überprüfte, nachdem er sich ins Auto gesetzt hatte, waren die Zündkabel; sie waren in Ordnung; niemand hatte versucht, sie kurzzuschließen. Kopfschüttelnd startete er den Wagen, um ins Büro zu fahren.
»Ich habe nicht gewagt, noch einmal anzurufen«, empfing ihn seine Sekretärin. »Aber hab mir ganz ordentlich Sorgen gemacht, ob dir was passiert ist.«
»Ich stand ohne Schlüssel vor meiner Wohnungstür, musste den Hausmeister mobilisieren, damit er mir aufschließt.«
Kerstin quittierte dies mit einem kurzen »Aha!« und fügte dann hinzu: »Wolfgang möchte mit dir sprechen; wegen der neusten Präsentation. Soll ich ihn holen?«
»Das wäre nett von dir.«
Die Besprechung dauerte bis zum Nachmittag. Sie verlief völlig harmonisch und konnte mit einem positiven Resultat beendet werden.
»Meinst du, wir könnten um diese Uhrzeit noch irgendwo so eine Art Mittagessen bekommen? Ich lad dich ein.«
»Gerne«, antwortete Wolfgang. »Der Chinese gegenüber gibt nonstop Essen aus.«
Zwischen Frühlingsrolle und Hauptgericht meinte Christian zu bemerken, dass sein Begleiter ihm etwas mitteilen wollte, aber nicht wusste, wie er es formulieren sollte. Deshalb sprach er ihn direkt an: »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen? Wenn ja, spuck’s aus.«
Wolfgang druckste noch ein wenig herum, fragte aber schließlich: »Was war eigentlich gestern mit dir los?«
»Ich hatte ein kleines Tief, so ’ne Art Hänger, verstehst du?«
»Klar, so was kommt vor. Aber dass du mir über deine Sekretärin den Rausschmiss androhst, wenn ich nicht spure, finde ich nicht besonders aufmunternd. Es ist noch keine Woche her, da hast du mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, als gleichberechtigter Partner in deinen Laden einzusteigen. Das ist schon ein ordentliches Kontrastprogramm, oder liege ich da falsch?«
Christian schaute verlegen unter sich, als er antwortete: »Nein! Du liegst nicht falsch. Mein Verhalten war nicht okay. Ich entschuldige mich hiermit dafür. Mein Angebot gilt natürlich immer noch, sofern du nicht die Nase von mir voll hast. Ich will’s dir kurz erklären.«
»Musst du nicht. Deine Entschuldigung reicht mir vollkommen aus. Kerstin hat mir ja schon gesagt, ich solle das nicht so ernst nehmen; du seist halt manchmal ein bisschen komisch.«
»Was? Das hat sie gesagt?«
»Ja, oder so ähnlich.«
»Na warte, der werde ich was erzählen.«
»Um Gottes Willen! Tu das bloß nicht. Sie reißt mir den Kopf ab, wenn sie erfährt, dass du das von mir hast. Außerdem kannst du dir sicher sein, deine Sekretärin immer loyal hinter dir stehend zu haben. Mach also besser keinen Ärger.«
»Hast ja recht, Wolfgang, also reden wir nicht mehr drüber. Aber dir bin ich noch eine Erklärung schuldig.«
Dann erzählte er seine gestrigen Erlebnisse. Wolfgang schaute ihn entgeistert an. Janine erwähnte Christian allerdings nicht, fügte aber die Beobachtung bezüglich seines Autos von heute Morgen hinzu.
»Deinem Blick nach zu urteilen, hältst du mich jetzt für verrückt, stimmt’s?«
»Nun, nicht wirklich. Aber ich glaube, dein Arzt hat recht. Du bist überarbeitet, siehst deshalb Gespenster. Ich würde an deiner Stelle eine Auszeit nehmen. Ich versprech dir, dass ich mich mit voller Kraft um deinen Laden kümmere.«
»Zugegeben, es gab ’ne Menge Arbeit in der letzten Zeit. Vielleicht bilde ich mir die Sache mit dem Spiegelbild wirklich nur ein. Aber wie ist das Phänomen mit meinem Auto zu erklären? Es ist definitiv gefahren worden, und zwar nicht von mir.«
»Bist du dir da sicher? Können nicht auch Gedächtnislücken auftreten, wenn man überarbeitet ist?«
»Ich bin nicht gefahren, Wolfgang, wie denn, ohne Autoschlüssel? Außerdem hat man mich in der in Frage kommenden Zeit im Bistro gesehen.«
»Der ominöse Unbekannte braucht aber auch die Autoschlüssel, um deinen Wagen zu lenken. Dann gibt es nur eine Erklärung: Du hast den Benz gestern vorwärts eingeparkt und die warme Motorhaube war Einbildung. Fahr in Urlaub, Christian.«
»Mmh.«
Christian überlegte, ob er diesem Rat tatsächlich folgen sollte. Aber er verspürte wenig Lust, irgendwo allein ein paar Tage rumzubummeln. Ihm fiel niemand ein, der ihn begleiten könnte. Ob er Janine fragen sollte? Bei diesem Gedanken musste er unwillkürlich lächeln. Eine Frau, die gerade eine Einladung zum Cappuccino abgelehnt hatte, würde ihn wohl kaum auf einer Reise begleiten; zumal ihre Bekanntschaft auf drei Begegnungen basierte, bei denen nur eine banale Plauderei stattgefunden hatte. War er tatsächlich auf dem besten Weg, seinen Verstand zu verlieren?
»Ich werd’s mir überlegen«, sagte er schließlich. »Auf jeden Fall werde ich in der nächsten Zeit kürzertreten.«
Christians Stimmung war alles andere als auf dem Höhepunkt, als er seine Wohnung betrat, was sich beim Abhören des Anrufbeantworters auch nicht bessern konnte. Die letzte Ansage lautete: »Hallo Chrissie, ich bin’s, Melanie. Ruf mich doch bitte zurück, wenn du nach Hause kommst.«
Den Teufel werd ich tun, heute Abend werde ich gar nicht mehr telefonieren.
Er ging ins Badezimmer, um sich die Hände zu waschen. Beim Blick in den Spiegel sah er sein müdes Gesicht. Während er selbst keine Miene verzog, begann sein Gegenüber zu lächeln. Nein, nicht schon wieder! Das Lächeln ging in ein breites Grinsen über. Aufhören, sofort damit aufhören! Sein Spiegelbild kannte offenbar kein Erbarmen. Zu seinem Entsetzen richtete es sich auf, lachte lautlos, drehte sich um und ging aus der Bildfläche.
Christian starrte fassungslos in den leeren Spiegel. Einem Vampir gleich fehlte sein Ebenbild. Das war eindeutig zu viel für ihn. Er stöhnte kurz auf, ihm wurde schwarz vor den Augen und er glitt langsam zu Boden. Als er wieder erwachte, fehlte ihm zunächst jegliche Orientierung. Bevor er registrierte, dass er im Badezimmer lag, wähnte er sich in seinem Bett und glaubte, einen Albtraum hinter sich zu haben. Dann stand er in Panik auf und schaute in den Spiegel, aus dem ihm aber niemand ansah.
Er hatte kein Spiegelbild mehr.
Hektisch rannte er in den Flur, um dort in den Spiegel zu sehen. Hier konnte er sich klar erkennen. Sein Gegenüber tat all das, was auch er machte.
Wieder zurück im Badezimmer wiederholte sich das Phänomen: Er konnte sich nicht sehen, obwohl alle Gegenstände des Badezimmers im Spiegel regelrecht und seitenverkehrt zu erkennen waren. Er brüllte ein lang gezogenes »Aah!« und fasste sich an den Kopf. Schließlich rannte er in die Küche, holte die Rotweinflasche aus dem Kühlschrank, machte sich gar nicht erst die Mühe, ein Glas zu benutzen, setzte sie an den Mund und trank die halbvolle Flasche in einem Zug leer, um sogleich eine weitere zu entkorken.
Diesmal gönnte er sich jedoch ein Weinglas als Trinkgefäß und ging ins Wohnzimmer. Eine wohltuende Wärme stieg in ihm auf, während sich gleichzeitig seine Muskeln entspannten und sein Kopf zu schweben schien.
Als er diese Flasche halb geleert hatte, was erheblich langsamer vonstattenging als bei der ersten, ergriff ihn eine angenehme Gleichgültigkeit. Der Gedanke an sein fehlendes Spiegelbild im Badezimmer ließ ihn völlig kalt. Er trank genüsslich und ohne Eile den restlichen Wein aus, um schließlich torkelnd ins Schlafzimmer zu schlurfen. Ihn übermannte plötzlich eine heftige Müdigkeit, so dass er sich nur noch auf sein Bett warf und in kompletter Kleidung einschlief.
Als er am nächsten Morgen spät erwachte, war das wohlige Gefühl vom Vorabend erheblich schlechteren Empfindungen gewichen. Sein Kopf dröhnte, als ob ein Krad im Schlafzimmer gestartet würde, zusätzlich schien jemand mit zwei Hämmerchen gegen seine Schläfen zu pochen. Zu allem Überfluss erfasste ihn eine Übelkeit, gepaart mit einem säuerlichen Geschmack im Mund.
Er hatte am Abend die Vorhänge nicht zugezogen, so dass jetzt helles Licht den Raum durchflutete. Normalerweise empfand er dies als sehr angenehm, aber heute blendete ihn das Licht auf unangenehme Art und Weise. Er kroch langsam aus dem Bett und bemerkte, dass er es gestern nicht einmal mehr geschafft hatte, sich umzuziehen.
Im Badezimmer angelangt, schaute er in den Spiegel und sah, was er bereits befürchtet hatte: nichts.
Genauer gesagt, er sah das Badezimmer seitenverkehrt, aber er selbst war im Spiegel nicht existent. Komischerweise schien ihm dies nichts mehr auszumachen, er registrierte es und nahm es hin, so wie man einen Regenschauer hinnimmt, obwohl man sich über Sonnenschein mehr freuen würde.
Nach einem Aspirin und einer ausgiebigen Dusche fühlte er sich schon etwas besser. Dann beseitigte er im Wohnzimmer die Spuren des Vortages: ein leeres Weinglas, eine ebensolche Flasche und einen dafür umso volleren Aschenbecher. Nachdem er diese Arbeit erledigt hatte, rief er im Büro an. Seine Sekretärin spulte ihr übliches Sprüchlein herunter, als sie sich meldete. Er ließ sie gewähren und fragte dann mit noch recht müder Stimme: »Hallo Kerstin, ist Wolfgang in der Nähe?«
Sie schrie förmlich in den Hörer: »Mein Gott, Chrissie, was ist passiert? Dein Handy ist abgeschaltet, ans Telefon zu Hause gehst du nicht. Wir hatten hier schon Angst, du tust dir was an und es gibt dich nicht mehr!«
»Stimmt ja auch zum Teil, virtuell bin ich nicht mehr existent.«
»Was redest du für wirres Zeug? Soll ich einen Arzt rufen? Ich war schon drauf und dran, Polizei und Feuerwehr zu alarmieren.«
»Vergiss die Luftwaffe und Marine nicht.«
Er hörte ein Rauschen und dumpfe Stimmen, offenbar verdeckte Kerstin das Telefon mit der Hand und redete mit jemandem.
»Hallo Christian!« Wolfgang meldete sich. »Kerstin sagt gerade, dir gehe es nicht gut und du benötigst einen Arzt.«
»Du meine Güte, sag ihr, dass sie sie nicht mehr alle hat.«
»Wörtlich?«
»Natürlich nicht.«
»Also, jetzt sag mir, wie du dich fühlst.«
»So wie nach ausgiebigem Alkohol- und Zigarettenkonsum am Vorabend: Beschissen, aber auf dem Weg zur Besserung. Hör zu Wolfgang, ich mach ein paar Tage blau und versuch, mich zu erholen. Du bist also in den nächsten Tagen der Boss. Geht das in Ordnung?«
»Selbstverständlich, war ja eh mein Vorschlag. Willst du verreisen?«
»Weiß ich noch nicht. Falls ja, werde ich dir mitteilen, wo ich zu erreichen bin.«
»Das kannst du gerne tun; aber sofern unsere Büroräume nicht abbrennen, werde ich mich nicht bei dir melden. Sogar dann nicht, wenn der US-Präsident persönlich hier erscheint, um mitzuteilen, dass die Agentur Maurer seinen nächsten Wahlkampf managen soll.«
»Gut, dass du dieses Thema erwähnst, Wolfgang. Richte in diesem Fall dem Präsidenten aus, dass wir schon seinen Konkurrenten am Haken haben, und beide zu managen, ist ein bisschen viel für uns.«
»Okay, Christian. Ich merke, du hast deinen Humor nicht verloren, also kann’s dir nicht allzu schlecht gehen. Wir alle hier wünschen dir gute Erholung. Bis demnächst.«
»Bis bald.«
Kaum hatte er aufgelegt, klingelte das Telefon.
»Hallo!«
»Hallo Chrissie! Ich bin’s Melanie.«
»Ah, Melanie, schön, dich zu hören.«
Sie war im Moment die Letzte, mit der er sprechen wollte.
»Ich wollte mich noch mal bei dir bedanken, Chrissie.«
»Bedanken? Wofür?« »Na hör mal, du weißt schon: für das liebe Telefongespräch gestern Abend.« »Ach so, keine Ursache.« Verflucht, schoss es ihm in den Kopf, hab ich gestern im Suff etwa Melanie angerufen?
Ich kann mich an nichts mehr erinnern.
»Ich freu mich schon auf unser Wiedersehen«, fügte sie noch hinzu.
Dann war das Gespräch beendet. Oh, mein Gott, was hab ich bloß angerichtet? Ich hab ihr doch wohl nicht irgendwelche Hoffnungen gemacht oder gar ein Date mit ihr vereinbart? Er verdrängte diesen Gedanken schnell wieder.
In den nächsten Tagen versuchte er, sich so gut wie möglich zu entspannen. An dem Phänomen seines fehlenden Spiegelbildes im Badezimmer änderte sich jedoch nichts. Es existierte einfach nicht, und Christian beschloss, das Problem bis auf weiteres dadurch zu lösen, indem er den Spiegel mit einem Handtuch verdeckte.
Fast jeden Morgen frühstückte er zu passender Zeit im Bistro, um mit Janine ein paar Worte wechseln zu können, immer in der Hoffnung, sie irgendwann zu einem Treffen zu bewegen.
»Wie steht’s mit Ihren Klausuren?«, fragte er sie eines Morgens.
»Hab sie bald hinter mir.« Sie lächelte ihn an und fügte hinzu: »Ich hab den Cappuccino nicht vergessen. Sie werden nicht darum herumkommen.«
»Das klingt so, als ob Sie annehmen, ich wollte nicht wirklich mit Ihnen einen Kaffee trinken; dem ist aber ganz und gar nicht so.«