ANHANG
Die historischen Personen in alphabetischer Reihenfolge
Catherine Parr, 1512–1548
letzte Ehefrau von Henry VIII.
Vorher bereits zweimalige Witwe, heiratete nach dem Tode des Königs Thomas Seymour.
Bei Geburt ihres einzigen Kindes gestorben.
Edward Seymour, 1506(?)–1552
Schwager von König Henry VIII.
Zum Grafen von Hertford erhoben und als Onkel von Edward Tudor zu dessen Vormund und zum Lordprotektor ernannt.
Weiterer Titel – Herzog von Somerset.
Von John Dudley gestürzt und hingerichtet.
Edward VI. Tudor, 1537–1553
König von England seit 1547.
Einziger überlebender Sohn von König Henry VIII.
Mutter: Jane Seymour.
Unter Edward erlebte England den Wechsel zum Protestantismus, die englischsprachige Bibel und das Lesen der Messen in Englisch wurde eingeführt.
Elizabeth I. Tudor, 1533–1603
Königin von England seit 1558.
Tochter von Henry VIII. und Anne Boleyn.
Wurde nach der Hinrichtung ihrer Mutter für unehelich erklärt, später aber von ihrem Vater wieder in die Thronfolge eingesetzt.
Frances Grey, nicht überliefert
Herzogin von Suffolk, Ehefrau von Henry Grey und Mutter von Jane Grey.
Überlebte die Verschwörung, heiratete erneut und zog sich aufs Land zurück.
Guildford Dudley, 1536–1554
Sohn von John Dudley und Ehemann von Jane Grey.
Von Mary Tudor hingerichtet.
Henry Grey, nicht überliefert – 1554
Graf von Dorset und Herzog von Suffolk.
Vater von Jane Grey.
Von Mary Tudor hingerichtet.
Henry VIII. Tudor, 1491–1547
König von England seit 1509.
Sechs Ehefrauen, wegen seiner zweiten Frau, Anne Boleyn, trennte er England vom Einfluss des Papstes und von Rom.
Erhob sich selbst zum Oberhaupt der englischen Kirche.
Jane Grey, 1537–1554
1553 Königin von England für neun Tage.
Urenkelin von Henry VII.
Von Mary Tudor hingerichtet.
John Dudley, ca. 1503–1553
Graf von Warwick und Herzog von Northumberland.
Wurde nach dem Sturz von Edward Seymour zum engsten Vertrauten von König Edward VI.
Betreiber der Einsetzung von Jane Grey zur Königin und Vater von Guildford, Janes Ehemann.
Von Mary Tudor hingerichtet.
Mary I. Tudor, 1516–1558
Königin von England seit 1553.
Tochter von Henry VIII. und Catherine von Aragon.
Wurde nach deren Scheidung für unehelich erklärt und des Hofes verwiesen, später aber wieder in die Thronfolge eingesetzt.
Wuchs streng katholisch auf und führte den katholischen Glauben nach ihrer Inthronisierung wieder in England ein.
Ehe mit Philipp II. von Spanien.
Erhielt wegen ihrer Grausamkeiten gegenüber den Protestanten den Beinamen »The Bloody«.
Roger Ascham, nicht überliefert
Hauslehrer von Prinzessin Elizabeth, später Elizabeth I.
Thomas Seymour, ca. 1509–1549
Schwager von Henry VIII.
Führte im Gegensatz zu seinem Bruder Edward ein leichtfertiges Leben.
Erhebung zum Grafen von Sudeley und zum Admiral.
Ehe mit Catherine Parr nach dem Tod von Henry VIII.
Wurde von seinem Bruder wegen Hochverrats hingerichtet.
Epilog
London, 15. Januar 1559
In warme Pelzumhänge gehüllt standen sie am Fenster und blickten auf die Straße, auf der sich seit Stunden der Krönungszug vorwärts bewegte. Als würde die Sonne diesen glücklichen Tag für England ebenso begrüßen wie Hunderttausende von Einwohnern, strahlte sie von einem leuchtend blauen Himmel und ließ die Diamanten und Edelsteine an den Kleidern der hohen Herren und Damen aufblitzen.
»Sie kommt!«, rief Antonia aufgeregt und lehnte sich so weit nach vorne, dass sie beinahe aus dem Fenster gefallen wäre, hätte Norman sie nicht von hinten mit beiden Armen fest umklammert und sie gehalten. Antonia hatte keine Angst, denn sie wusste, Norman würde sie immer halten, egal, was kommen mochte.
Es näherte sich der Tross, in dessen Mitte eine schlanke, große Frau mit rötlich blonden Haaren auf einem Schimmel ritt. Ihr Prachtgewand aus blauer Seide blitzte nur hier und da unter der roten, mit Hermelin besetzten Robe hervor. Sie trug ihr Haar offen über die Schultern fallend und hatte trotz der Kälte auf Handschuhe verzichtet. Ihr langen, schlanken Finger mit den wohlgeformten ovalen Nägeln führten die Zügel des Pferdes fest und sicher. Immer wieder kam der Zug zum Stocken, da Kinder Verse aufsagten oder Lieder sangen, eine Bettlerin übergab einen Rosmarinzweig und ein paar Männer fielen vor ihr in den Schneematsch der Straße, um ihr ihre aufrichtige Treue zu bekunden.
Elizabeth nahm alles glücklich lächelnd zur Kenntnis. Obwohl sie fror, trieb sie ihr Pferd nicht zur Eile an. Tausende von Untertanen bewiesen ihr heute ihre Zuneigung, ihre Treue und Verehrung. Elizabeth wollte ihnen beweisen, wie ernst es ihr mit den Worten war, ihr Volk zu beschützen und zu lieben, die sie, bevor man ihr die Krone Englands aufs Haupt setzte, in der Abtei zu Westminster schwören würde.
Mary Tudor, die allgemein nun den Beinamen Die Blutige trug, war tot und Elizabeth die neue Königin, eine Königin, wie es sich das Volk besser nicht wünschen konnte: Sie war jung, gesund und kräftig, dazu schön und anmutig, jede ihrer Bewegungen verriet, dass sie die Tochter des unvergessenen König Henry war. Mary hatte kein Kind geboren, obwohl sie sich mehrmals schwanger wähnte. Aber es waren nur Wunschträume gewesen, die besonders stark wurden, als Philipp das Land und seine Frau verlassen hatte. Vor lauter Einsamkeit hatte Mary noch verbissener die Ketzerei bekämpft. Hunderte von Unschuldigen wurden allein in Smithfield verbrannt. Elizabeth konnte das Unrecht nicht mehr gutmachen, aber sie wollte versuchen, England in eine glücklichere, friedvolle Zukunft zu führen.
Das festliche Krönungsbankett fand in der Halle des königlichen Palastes von Westminster statt. Unbehaglich rutschte Antonia auf ihrem Platz hin und her.
»Ich wünschte, wir könnten gehen«, raunte sie Norman leise zu.
»Wir müssen der Königin erst noch unsere Aufwartung machen. Das sind wir ihr schuldig, nach allem, was sie für uns getan hat«, mahnte Norman. »Komm, lass uns zu ihr rübergehen.«
Antonia knickste vor der Frau, mit der sie einst gemeinsam in einem Schulzimmer griechische Übersetzungen angefertigt hatte.
Huldvoll lächelnd bedeutete ihr Elizabeth, sich zu erheben. »Antonia Fenton … Nein, Ihr heißt ja jetzt Powderham. Ich freue mich, Euch an meinem Hof begrüßen zu dürfen und hoffe, künftig Eure und die Gesellschaft Eures Gatten öfter zu genießen.«
»Ihr seid sehr freundlich, Euer Gnaden, aber wir möchten uns in Bälde nach Devon zurückziehen, unser Sohn vermisst uns bestimmt schon sehr.«
Elizabeth lachte auf, ihre Stimme klang hell wie eine fein gearbeitete Glocke. »Ach ja, Ihr habt ja einen entzückenden kleinen Jungen, nicht wahr? Und wenn ich Euch so ansehe, glaube ich, dass er nicht ohne Geschwister bleiben wird.«
Antonia errötete, während Norman ein Lächeln unterdrückte. Tatsächlich erwartete Antonia ihr zweites Kind, hatte allerdings angenommen, es wäre unter dem weit geschnittenen Kleid noch nicht zu erkennen.
»Wir haben Euer Gnaden zu danken, dass wir Fenton Castle zurückerhielten und vollständig rehabilitiert wurden«, sagte Norman. »Wir werden Euch diese Güte niemals vergessen.«
»Ach, das war eine Kleinigkeit«, wehrte Elizabeth ab. »Was soll ich mit einem Landgut irgendwo im Westen anfangen? Aber sagt, Sir Norman, wie wollt Ihr die beiden Besitztümer verwalten? Eines im Westen und das andere in Schottland?«
Norman neigte den Kopf. »Zum Glück erfreut sich mein Onkel in Schottland guter Gesundheit. Er wird den Besitz bis zur Volljährigkeit unseres Sohnes selbst verwalten. Meine Frau und ich werden im Sommer nach Schottland reisen, bis dahin jedoch in Devon bleiben. Meine Frau kann es kaum erwarten, ihre Zeit an der Seite ihrer Mutter zu verbringen. Sie haben sich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen.«
Elizabeth lächelte, dann trat ein schlanker, schwarzhaariger Mann an ihre Seite. Er beugte sich herab, flüsterte der Königin etwas ins Ohr, woraufhin sie laut auflachte. Dann ergriff sie die Hand des Mannes und drückte sie fest. Norman und Antonia merkten, dass Elizabeth ihre Anwesenheit vergessen hatte und zogen sich zurück.
»Wann können wir heimreisen?«, fragte Antonia und hakte sich bei Norman unter.
»Zwei, drei Tage werden wir schon noch bleiben müssen. Ich weiß, dass du dich nach deiner Mutter und Ellen sehnst. Auch ich bin glücklich, dass wir die beiden Frauen in dem Kloster gefunden haben und dass sie bereit waren, nach Fenton Castle zurückzukehren.«
Es war wirklich wie ein Wunder gewesen. Kurz nachdem die Kunde von Marys Tod nach Schottland gedrungen war, waren Antonia und Norman in den Süden aufgebrochen. Laurel Mercat hatte zwar heftig dagegen protestiert, dass sie den kleinen Thomas mitnahmen, aber Antonia hätte ihren Sohn auf keinen Fall zurückgelassen. Da sie nun keine Gejagten mehr waren und auch über eine gewisse Geldsumme verfügten, verlief diese Reise komfortabler und sicherer, zumal der Laird darauf bestanden hatte, dass sie von einer Eskorte seiner besten Kämpfer begleitet wurden. In London ließ Norman Antonia zurück und machte sich auf die Suche nach Lady Margaret Fenton und der Kinderfrau Ellen. Gleichzeitig bat Antonia die neue Königin um die Rückgabe der Ländereien und des Stadthauses. Es wurde ihr gewährt, Elizabeth hatte das Mädchen, das einst mit ihr in Chelsea gelebt hatte, nicht vergessen.
Nach einigen Wochen am Hof merkten Antonia und Norman, wie weit sie sich in den letzten Jahren von diesem Leben entfernt hatten. Am liebsten hätten sie der Stadt sofort den Rücken gekehrt, aber sie wussten, dass es der Anstand erforderte, die Krönung von Elizabeth abzuwarten. In den Wochen nach Marys Tod strömten aus allen Richtungen die Exilanten nach England zurück: Katholiken und Protestanten, denn Elizabeth hatte allen Glaubensfreiheit garantiert.
Norman schenkte goldenen Wein in zwei Kelche, einen reichte er Antonia. »Auf unser neues Leben«, prostete er ihr zu.
Beide beobachteten, wie der große, dunkelhaarige Mann die Königin in die Mitte der Halle führte und mit ihr den Tanz eröffnete. Musik erklang, und Elizabeth schritt anmutig an seinem Arm über die Fläche.
»Sie ist schrecklich in ihn verliebt«, platzte Antonia heraus. Schnell hielt sie sich die Hand vor den Mund und blickte um sich, aber außer Norman hatte niemand die Bemerkung gehört.
»Robert Dudley, Sohn eines hingerichteten Verräters, allen Grundbesitzes beraubt, aber jetzt aufgestiegen zum Oberstallmeister der Königin. Wer hätte das von einem Dudley erwartet?«
Antonia dachte, dass sie von einem Dudley alles erwarten würde. Robert war der letzte der einst stolzen Familie. Sein Vater John und seine Brüder Ambrose, John und Guildford waren in den Tod gegangen, weil sie noch reicher und mächtiger werden wollten. Gott allein wusste, wie es Robert gelungen war, mit dem Leben davonzukommen. Böse Zungen behaupteten, er habe sich Mary Tudor vor die Füße geworfen und den katholischen Glauben angenommen. Zudem hätte sich Mary seinem Charme und seiner starken charismatischen Ausstrahlung nicht entziehen können, aber das waren nur Gerüchte. Kein Gerücht war es, dass er und Elizabeth sich liebten. Das war aus jedem Blick, den sie miteinander tauschten, aus jeder noch so kleinen, scheinbar zufälligen Berührung ersichtlich.
»Robert Dudley ist verheiratet«, sprach Norman Antonias Gedanken aus.
Deutlich erinnerte sich Antonia an Amy Dudley, Roberts Frau. Schon damals hatte sie sich gewundert, dass ein solcher Mann ein Mädchen geheiratet hatte, das mehr einem scheuen Reh glich und über keine eigene Meinung verfügte.
»Das soll nicht unsere Sorge sein«, sagte sie leicht und strich Norman kurz über die Hand. »Ich sehne mich danach, alles hier hinter mir zu lassen, um frei und ungezwungen leben zu können.«
»Du hast Recht, die Beziehung zwischen Elizabeth und Robert geht uns nichts an. Wann habe ich dir eigentlich das letzte Mal gesagt, dass ich dich liebe?«
Antonia lächelte verschmitzt. »Das ist eine Ewigkeit her, seit heute Morgen nicht mehr.«
»Dann wird es Zeit, es wieder zu tun.« Stumm formten seine Lippen die drei schönsten Worte, die ein Mann einer Frau sagen kann. Bald darauf verließen sie den Palast, um in ihr Haus zurückzukehren.
Weder Antonia noch Norman verschwendeten noch einen Gedanken an Elizabeth und Robert Dudley – das ist eine eigene Geschichte, die vielleicht ein anderes Mal erzählt werden soll.
1. Auflage 2013
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ISBN: 978-3-941408-48-7
www.dryas.de
"Königin für neun Tage" ist in der Reihe "Love and Passion" des Dryas Verlags erschienen. Mehr unter: www.dryas.de/loveandpassion
1. KAPITEL
Fenton Castle, Dorset, 5. August 1532
Das Gesicht schweißüberströmt, das schlichte Leinenkleid am Körper klebend, versuchte die untersetzte, kurzatmige Frau mit dem jungen Burschen Schritt zu halten. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Der Jüngling war ihrem Blickfeld entschwunden, als vor Kate Trevor die grauen Mauern der Burg aufragten. Sie verharrte kurz, wischte sich den Schweiß aus den Augen und blickte besorgt zum Himmel hinauf. Es war der heißeste Sommer, seit sie denken konnte. Der Regen ließ auf sich warten, die Felder lagen verdorrt in der Sonne und drückende Schwüle machte jede Tätigkeit im Freien zur unerträglichen Anstrengung. Jetzt jedoch verdunkelten schwarze Gewitterwolken den Himmel. Mit Besorgnis erkannte Kate Trevor am Horizont eine gelbliche Wolkenfront, die auf Hagel schließen ließ.
Blitz und Donner folgten im selben Augenblick. Die korpulente Frau beeilte sich schnaufend, die rettende Burg zu erreichen. Gerade als heftiger Platzregen einsetzte, hatte sie die geschlossene Zugbrücke erreicht. Sie hämmerte vehement an die kleine Pforte, die in die massive Holzkonstruktion eingelassen war. Das schmale Fenster öffnete sich, und ein ungewaschener Mann mit struppigem Bart musterte sie missmutig.
»Was wollt Ihr?«
Ein Schwall alkoholgeschwängerten Atems ließ Kate Trevor augenblicklich zurückweichen, und sie schnappte mehrmals nach Luft, während es um sie herum gleichzeitig blitzte und donnerte.
»Euer Herr hat nach mir geschickt. Ich bin die Hebamme«, schrie sie gegen den Gewittersturm an.
Die schwarzen Augenbrauen des Mannes zogen sich über seiner Hakennase unwillig zusammen.
»Ich kenne die Hebamme. Ihr seid nicht Mary Trevor!«
»Ich bin Kate, ihre Schwester, und ebenso als Hebamme …«
Rums! Die Klappe wurde zugeworfen. Nur mit Mühe konnte Kate Trevor noch die Worte »Wartet hier!« verstehen. Sie trommelte mit beiden Fäusten gegen das Holz und rief: »Lasst mich bitte ein!«, doch hinter der Tür rührte sich nichts mehr.
In diesem Augenblick setzte der Hagel ein. Taubeneigroße Körner prasselten hernieder und prallten schmerzhaft auf Kates Rücken und Arme. Sie versuchte, sich so dünn wie möglich zu machen, und drückte sich direkt an die Wand der äußeren Burgmauer, um vor dem Unwetter ein wenig Schutz zu finden. Kate Trevor war keine abergläubische Frau, sie sah in einem Gewitter eine ganz normale Naturerscheinung, doch jetzt schien es ihr, als hätte der Himmel alle Schleusen geöffnet und die Wassermassen wollten sie mitreißen.
»Auf was habe ich mich da nur eingelassen?«, murmelte sie und wünschte sich zurück in die einfache Hütte mit dem festen und dichten Dach. »Das hat man nun davon, wenn man sein Leben in den Dienst anderer Frauen stellt!«
Nach einer Ewigkeit, wie es Kate schien, knirschte der Schlüssel im Schloss, und endlich wurde die kleine Pforte geöffnet. Kate musste sich bücken und sich regelrecht hindurchzwängen, doch dann stand sie endlich im trockenen Tordurchgang. Bedingt durch das Unwetter herrschte hier beinahe völlige Finsternis. Kate versuchte blinzelnd, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, als sie eine tiefe weibliche Stimme vernahm: »Ich schickte den Burschen aus, um die Hebamme aus dem Dorf zu holen. Wer bist du, und was willst du?«
Eine mittelgroße, hagere Frau, beide Arme in die Hüften gestemmt, baute sich misstrauisch vor Kate auf.
Kate schauderte einerseits vor Kälte, die die feuchte Kleidung auf ihrem Körper hervorrief, andererseits wegen der kalten Stimme der Frau.
»Mein Name ist Kate Trevor. Ich bin die Schwester der hiesigen Hebamme Mary Trevor. Meine Schwester ist gestern zu einem weiter entfernten Hof gerufen worden und noch nicht zurückgekehrt. So traf Euer Bote nur mich an.«
»Weshalb habe ich dich nie zuvor gesehen?« Die Frau mittleren Alters, deren Kleidung sie als eine höher gestellte Bedienstete auswies, blieb skeptisch. »Mary Trevor ist mit dem besonderen Fall der Lady vertraut. Sie hat ihr bereits bei den vorherigen Geburten beigestanden.«
Erleichtert atmete Kate auf. Gut, dass es sich nicht um eine Erstgebärende handelte, das würde die Sache ungemein beschleunigen. Schon jetzt sehnte sie sich zurück in ihre vier Wände und nach einem Becher warmen Biers.
»Ich komme aus einem Dorf in der Nähe von Launceston, das letzte Woche durch einen Brand völlig zerstört wurde. Darum habe ich mich auf den Weg zu meiner Schwester gemacht, denn es gibt sonst niemanden, zu dem ich hätte gehen können. Ihr könnt mir glauben, ich habe dieselben Kenntnisse wie meine Schwester Mary. Beide wurden wir von unserer Mutter, die ebenfalls Hebamme war, ausgebildet, und in meinem Dorf habe ich Dutzenden von Kindern auf die Welt geholfen.«
Die Frau drehte sich abrupt um und gebot Kate mit einer Handbewegung, ihr zu folgen. »Dann müssen wir eben mit dir vorlieb nehmen. Hat dich deine Schwester über das Befinden von Lady Margaret unterrichtet?«
Kate bemühte sich, mit den schnellen Schritten der Frau mitzuhalten. Sie passierten einen gepflasterten Innenhof, der von vier Seiten von mehrstöckigen Fachwerkgebäuden umschlossen war. Sobald sie wieder ins Freie traten, wurden sie erneut vom Regen durchnässt, doch hatte der Hagel zum Glück aufgehört. Kate verzichtete darauf zu erwähnen, dass sie zuvor weder von Lady Margaret Fenton noch von Fenton Castle etwas gehört hatte. Sie war erst am Vortag bei ihrer Schwester Mary eingetroffen. Die Schwestern hatten nicht viel Zeit gehabt, um miteinander zu sprechen, dann wurde Mary zu der Geburt gerufen. Nun betraten sie die große Halle der Burg. An der dunklen Holztäfelung mit den kunstvollen Schnitzarbeiten und dem großen, von hellen Kacheln gesäumten Kamin erkannte Kate, dass es sich um ein vornehmes, reiches Anwesen handelte. Dutzende von Kerzen erhellten die Räume, da es wegen des Unwetters draußen finster wie mitten in der Nacht war.
Während sie die Halle durchquerten, sagte die Frau: »Die Lady ist sechs Wochen zu früh dran, eine Katastrophe!«
Sie betraten gerade die Treppe zum Obergeschoss, als aus einer Seitentür ein Mann auf sie zu stürmte.
»Ist das endlich die Hebamme?«, blaffte er unfreundlich. »Ellen, warum hat das so lange gedauert?«
Die mit Ellen Angesprochene zuckte unter der lauten und dröhnenden Stimme des Mannes wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Von ihrer vorherigen Überlegenheit Kate gegenüber war plötzlich nichts mehr zu bemerken. Ihre Stimme wurde zu einem demütigen Flüstern, als sie antwortete: »Verzeiht, Herr, aber die Hebamme, die Mylady bereits öfters zur Seite gestanden hat, ist zurzeit nicht da. Wir haben jedoch einen Ersatz beschafft.«
Verärgert runzelte Kate Trevor die Stirn. Was sollte das heißen: Ersatz beschafft? Sie war schließlich freiwillig hier! Kein Mensch hatte sie beschafft. Sie war gekommen, weil der Bursche sie um Hilfe angefleht hatte, da seine Herrin in den Wehen lag. Zum zweiten Mal an diesem Tag bereute Kate, den Weg in die Burg angetreten zu haben. Sie hatte schließlich mit den Bewohnern von Fenton Castle nichts zu schaffen! Die nächsten Worte des Mannes, bei dem es sich offenbar um Mylord Fenton, den Hausherrn, handelte, jagten ihr erneut einen Schauer über den Rücken, der diesmal gewiss nicht von ihrem durchnässten Kleid kam.
»Sorge dafür, dass meinem Sohn nichts geschieht, sonst wirst du es bitter bereuen!« Er beugte sich zu ihr hinab, denn er war sicher über sechs Fuß groß, dabei kräftig und muskulös. Sein dunkles Haar war ebenso wie sein sorgfältig gestutzter Bart von unzähligen grauen Strähnen durchzogen. Eiskalt, ohne jegliches Gefühl, bohrte sich sein Blick in Kates Augen. »Wenn du vor der Wahl stehen solltest, mein Kind oder meine Frau zu retten – so lass dir gesagt sein: Ich will meinen Sohn! Unter allen Umständen! Meine Geduld ist am Ende. Wenn es dieses Mal nicht gelingt, so werde ich mit euch allen kurzen Prozess machen! Hast du verstanden?«
Kate nickte beklommen, zumal der Mann immer noch drohend wie ein Berg den Weg ins Obergeschoss versperrte. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass er immer das bekam, was er wollte. Aber Gottes Willen konnte auch er nicht beeinflussen. Offensichtlich hoffte er auf einen Sohn und Erben, das Schicksal seiner Frau schien ihm dagegen völlig gleichgültig zu sein.
Kate schluckte mehrmals trocken, um den Kloß in ihrem Hals zu vertreiben. Endlich konnte sie wieder der Frau mit dem Namen Ellen folgen, die sie im ersten Stock in einen großen Raum führte. Sofort bemerkte Kate die stickige Schwüle im Zimmer, vermischt mit dem Geruch von Schweiß, Blut und Angst. In dem großen, mit roten Samtvorhängen umschlossenen Bett lag, umringt von besorgten Bediensteten, eine Frau, die sich in heftigen Krämpfen wand. Sofort war Kate voll und ganz Hebamme. Hier war eine Frau, die dringend Hilfe benötigte. Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand.
Kate beugte sich über Lady Margaret und untersuchte sie mit schnellen, geschickten Griffen, ohne der geplagten Frau noch mehr Schmerzen zuzufügen. Scharf zog sie die Luft ein, behielt aber ihre Erkenntnis, die das Abtasten des geschwollenen Leibes ergeben hatte, für sich. Lady Margaret hatte die Größe und Statur eines zwölfjährigen Kindes! Jetzt war ihr zarter Körper auf ein Vielfaches aufgedunsen, ein schwaches Rinnsal von hellrotem Blut lief an ihren Beinen herunter.
»Die wievielte Geburt ist es für sie?«, fragte sie Ellen, während sie das mitgebrachte Bündel mit ihren Utensilien öffnete.
»Wenn du die Schwangerschaften rechnest, die Mylady bis zum Ende durchgestanden hat, so ist es die fünfte. Dazu kommen allerdings noch einige Fehlgeburten.«
Fünf Geburten! Dieser zarte Körper war kaum dazu geeignet, einem Kind das Leben zu schenken!
Kate ölte ihre rechte Hand ein und tastete sich in den Geburtskanal vor. Mit der Linken drückte sie leicht von außen dagegen. Lady Margaret stöhnte, über ihre Pupillen legte sich ein milchiger Schimmer.
»Rettet mein Kind«, hauchte sie und versuchte sich aufzusetzen. In ihren Augen stand die nackte Angst. Mit erstaunlicher Kraft umklammerte sie Kates linkes Handgelenk. »Es muss ein Junge sein! Hörst du? Sonst sind wir alle verloren!«
»Es ist alles in Ordnung, Mylady«, versuchte Kate sie zu beruhigen. Auf keinen Fall durfte sie ihr sagen, was sie eben bei der Untersuchung festgestellt hatte. Wenn sich Lady Margaret zu sehr aufregte, wäre ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert. Sie brauchte ihre ganze Konzentration und Kraft für die kurz bevorstehende Geburt.
Kate wischte sich die Hände an einem feuchten Tuch ab, dann zog sie eine Glasphiole aus der Tasche und träufelte Lady Margaret einige Tropfen auf die Zunge.
»Was machst du da?«, fuhr Ellen sie barsch an. Die anderen Frauen standen mit ängstlichen Blicken um das Bett herum.
»Sie muss ein wenig ruhen«, antwortete Kate bestimmt. »Wie lange liegt sie schon in den Wehen?«
»Seit sechs Stunden. Zuerst dachten wir, sie würden wieder vergehen, da ihre Zeit noch nicht gekommen ist. Aber dann setzten die Blutungen ein …«
Kate nickte wissend. »Bringt mir heißes Wasser und feuchte Tücher. Es kann nicht mehr lange dauern.«
Ellen gab entsprechende Anweisungen, worauf zwei jüngere Frauen das Zimmer verließen. Eine andere beugte sich zu Kate vor und flüsterte: »Der Herr wird uns alle aus dem Haus weisen, wenn die Lady dieses Mal keinen gesunden Jungen zur Welt bringt.«
Verständnislos schüttelte Kate den Kopf.
»Wir können froh sein, wenn diese Frau überhaupt ein lebendes Kind gebärt. Aber ich habe Euren Herrn kennen gelernt – er scheint einzig auf einen Sohn versessen zu sein.«
Kate schaute sich nach Ellen um, die geschäftig Leinentücher in schmale Streifen riss.
»Mylord Fenton ist keinen Deut besser als der König.« Die Augen der jungen Frau weiteten sich angstvoll, und sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Als die Lady wieder schwanger wurde, hat er gesagt: ›Das ist deine letzte Chance. Entweder du bekommst endlich einen Sohn, oder ich will dich niemals wieder sehen! Ich bin noch jung genug, mir eine andere Frau zu nehmen, die im Stande ist, mir einen gesunden Erben zu schenken.‹ Seitdem hat die Lady panische Angst, dass der Herr ihr etwas antun könnte. Denn es gibt bereits eine andere Frau …«
»Was habt ihr da zu tuscheln?« Barsch unterbrach Ellens Stimme die geflüsterte Unterhaltung. »Alice, verlass das Zimmer. Du kannst hier doch nicht helfen.«
In der nächsten Stunde beobachtete Kate besorgt, wie sich Lady Margaret vor Schmerzen krümmte. Sie wusste, es waren nicht nur die Wehen, die es der Frau so schwer machten, nein, sie war von einer panischen Angst beherrscht, dass ihr Kind – sollte es überhaupt lebensfähig zur Welt kommen – ein Mädchen sein könnte. Diese Angst hemmte den natürlichen Geburtsvorgang.
Endlich war draußen das Gewitter vorüber, und Ellen öffnete ein Fenster. Tief sog Kate die frische Luft ein, die nach dem Regen kühl und rein ins Zimmer strömte. Doch die Sonne strahlte schon wieder erbarmungslos vom Himmel, der Natur war also nur eine kurze Ruhepause von der sommerlichen Hitze beschert worden.
Plötzlich schrie Lady Margaret qualvoll auf. Sie versuchte, ihre Fersen auf das Laken zu stemmen, ihr Körper bog sich nach oben. Kate und Ellen tauschten einen viel sagenden Blick. Nun ging es richtig los. Längst war alles vorbereitet, und die anderen, doch nur hilflos herumstehenden Frauen waren aus dem Zimmer geschickt worden.
Eine Stunde später hielt Kate ein blutverschmiertes Bündel in den Händen. Es war klein und zart, aber es lebte – und es war ein Junge! Der kleine Brustkorb hob und senkte sich in unregelmäßigen Abständen, aber das Kind atmete. Kate gab dem neuen Lebewesen einen Klaps auf den Po, worauf es sofort zu wimmern anfing. Zu kraftvollem Schreien waren seine Lungen zu klein und zu zart.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und Mylord Fenton stolperte in den Raum. »Wie lange dauert es denn noch?«
Kate erkannte an seinem glasigen Blick, dass er betrunken war. Stolz streckte sie ihm das kleine Bündel entgegen. »Euer Sohn!«
Thomas Fenton warf einen flüchtigen Blick auf das Neugeborene, mit dem er nichts anfangen konnte. Einzig sein Geschlecht interessierte ihn. »Wird er länger als einige Stunden leben?«, herrschte er Kate an, die unter seinem drohenden Blick an die Wand zurückwich. Rasch nahm Ellen ihr das Kind ab.
»Er ist zwar sehr zart und klein, vor seiner Zeit geboren, aber ich bin sicher, dass er eines Tages ein großer und mutiger Kämpfer und Edelmann werden wird«, sagte sie überzeugter, als es ihr zumute war. »Eurer Frau geht es allerdings nicht sehr gut, denn sie …«
Mit einer herrischen Handbewegung schnitt Thomas Fenton ihr das Wort ab. »Es ist mir gleichgültig, was mit meiner Frau ist! Ich habe einen Sohn.« Von seinem Gürtel nestelte er einen Lederbeutel ab und warf ihn Kate zu, die ihn geschickt mit beiden Händen auffing. »Dein Lohn. Du hast ihn dir verdient. Aber Gnade dir Gott, wenn dieses Kind stirbt. Dann ziehe ich dir bei lebendigem Leib die Haut ab!«
Seine Haltung und sein Blick ließen Kate keinen Augenblick an seinen Worten zweifeln. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein Mann unter allen Umständen einen Sohn wollte, war doch König Henry allen Männern in diesem Land mit bestem Beispiel vorangegangen. Nachdem ihm die Königin nur eine überlebende Tochter geboren hatte, wurde sie von Henry verstoßen. Der König hatte sich sogar von der Kirche in Rom gelöst, um sich scheiden zu lassen. Schon wartete eine neue Frau, die dem König endlich den ersehnten Stammhalter gebären sollte. Unwillig schüttelte Kate den Kopf. Was war das für eine Welt, in der Frauen keinerlei Rechte hatten, in der sie wie eine Zuchtstute gegen Höchstgebot an die Männer verschachert und dann, konnten sie ihre »Pflicht« nicht erfüllen, einfach in die Gosse geworfen wurden? Ganz sicher hatte auch Thomas Fenton seine Frau einst nicht aus Liebe geheiratet.
Kate warf einen kurzen Blick in den Beutel, er enthielt lauter Goldstücke! Sofort sah sie vor ihrem inneren Auge das Bild eines gemütlichen Häuschens irgendwo auf dem Land. Sie und ihre Schwester waren nicht mehr die Jüngsten. Das Gold würde ihnen beiden einen angenehmen Lebensabend bescheren.
Sie nahm Ellen das Kind wieder ab und wickelte es in ein vorgewärmtes Tuch. Im selben Moment stöhnte Lady Margaret laut auf.
»Lasst uns jetzt bitte wieder allein, Mylord«, sagte sie bestimmt. »Eure Gemahlin hat es noch nicht ganz überstanden.«
Er winkte gelangweilt ab. »Ja, ja, ich weiß, die Nachgeburt.« Kate war erstaunt, dass ein Mann diesen Vorgang mit so deutlichen Worten benannte. »Ich reite sofort nach Okehampton und hole den Priester, der die Taufe gleich morgen Vormittag vornehmen soll.« Erneut zogen sich seine buschigen Augenbrauen drohend zusammen, als er an das Bett seiner Frau trat. Sie war bei vollem Bewusstsein und starrte ihn angstvoll an. »Du weißt, ich kenne keine Gnade. Wenn ich morgen wieder hier eintreffe und feststellen sollte, dass unser Sohn auch dieses Mal nicht die ersten Stunden überlebt hat, dann müssen du und deine Weiber noch morgen mein Haus verlassen!« Ohne eine zärtliche Geste drehte er sich um und stapfte mit schweren Schritten zur Tür, die krachend hinter ihm ins Schloss fiel.
Entsetzt fragte Kate Ellen, deren Unbehagen deutlich sichtbar war: »Das meint er doch nicht im Ernst?«
Ellen nickte und hob mit einer verstörten Geste die Hände. »Mylady hat bereits drei Söhne geboren, die den zweiten Tag nicht überlebten. Die Geduld des Herrn ist erschöpft. Was meinst du, Hebamme, wird dieses Kind leben?«
Kate zuckte mit den Schultern, aber bevor sie etwas sagen konnte, schrie Lady Margaret laut auf.
»Was ist los?« Ellen eilte besorgt an die Seite ihrer Herrin.
»Nun, sie bekommt das zweite Kind.«
»Ein zweites?«
Kate nickte und machte sich bereit, dem nächsten neuen Erdenbürger auf die Welt zu helfen.
»Es sind Zwillinge. Darum auch die frühe Geburt. Der Bauch Eurer Herrin ist für zwei Kinder viel zu klein.«
Kaum hatte Kate beim Zweitgeborenen – dieses Mal war es ein Mädchen – die Nabelschnur durchtrennt, als Ellen laut aufschrie. Zitternd streckte sie Kate den Jungen entgegen, dessen Gesichtsfarbe sich mehr und mehr blau verfärbte.
»Er atmet nicht mehr!«
Sofort begann Kate, den kleinen Brustkorb zu massieren. Sie hauchte ihren eigenen Atem durch den Mund, aber es war zwecklos. Gott hatte die Seele des Säuglings zu sich geholt, bevor er überhaupt einen Namen erhalten hatte.
»Was ist mit dem Jungen?« Schwach kam die Stimme Lady Margarets vom Bett her. »Bitte, sagt nicht, dass auch er wieder tot ist!«
Kate und Ellen sahen sich stumm an. Lady Margaret reichte dieser Blick, um zu erkennen, was geschehen war. Verzweifelt warf sie den Kopf hin und her. Kate trat zu ihr und legte ihr das zweite Kind in die Arme. Das Mädchen war zwar genauso zart und klein wie ihr erstgeborener Bruder, doch es atmete kräftig und tief. Jetzt verzog sich der Mund, und das Mädchen schrie, wie gesunde Neugeborene schreien müssen.
Als würde sie Ekel empfinden, sah Margaret auf das hilflose Bündel in ihren Armen. Auch als sich das kleine Mündchen den Weg zu ihrer Brust suchte und gierig zu saugen begann, glättete sich ihre Stirn nicht.
»Warum du?«, stieß sie zornig hervor. »Warum muss ein unnützes Mädchen leben und mein Sohn sterben?«
»Mylady, versündigt Euch nicht!«, versuchte Ellen sie zu beruhigen. »Es ist Gottes Wille …« Sie stutzte und zog nagend die Unterlippe zwischen die Zähne, dann drehte sie sich mit einem hintergründigen Lächeln zu Kate herum. »Hast du dem Herrn etwas davon gesagt, dass Mylady Zwillinge erwartet?«
Kate verneinte verwundert. »Als Mylord im Zimmer war, war erst der Junge geboren worden. Er hat mich ja nicht zu Wort kommen lassen, als ich ihm etwas über den Zustand der Herrin sagen wollte.«
»Gut, sehr gut sogar!« Zärtlich strich Ellen über den dunklen Flaum auf dem Kopf des Mädchens. »Hebamme, wird dieses Kind leben?«
»Nun, man weiß nie, aber sie ist wesentlich kräftiger und damit lebensfähiger als ihr Bruder.«
Lady Margaret mochte zwar eine ängstliche Frau sein, aber sie war nicht dumm. Sie ahnte, was ihre Zofe plante, und ihre Augen weiteten sich erwartungsvoll. Sie gebot Kate, ihr das Mädchen abzunehmen, dann richtete sie sich mühsam auf. »Mein Sohn wird morgen getauft. Ganz so, wie es mein Mann wünscht.«
»Kann das wirklich gut gehen?«, fragte Ellen, nun hinsichtlich ihres eigenen Gedankens skeptisch geworden.
»Thomas wird in den nächsten Tagen nach Frankreich reisen. Der König plant mal wieder einen Feldzug. Möglicherweise wird mein Mann von dort nicht zurückkehren. Warum sollte ich jetzt also unser aller Leben und unser Heim aufs Spiel setzen? Es ist eine Chance, eine kleine zwar nur, aber immerhin eine Chance, die uns auf jeden Fall Zeit verschafft.«
Staunend verfolgte Kate das Gespräch der beiden. In ihren Armen gluckste das muntere kleine Mädchen, während der Junge auf dem Boden lag, als sei er ein Bündel Lumpen, das jemand achtlos fortgeworfen hatte. Dann dachte sie an den Beutel mit den Goldstücken. Wenn Lord Fenton erfuhr, dass sein Sohn tot war, würde sie vielleicht nicht nur das Geld verlieren. Dieser Mann war zu allem fähig.
»Was soll mit dem Jungen geschehen?« Ihre Stimme klang belegt, und sie vermied es, das Kind noch einmal anzusehen.
Ellen erhob sich. »Ich werde mich darum kümmern.« Sie trat so nah an Kate heran, dass ihre Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. »Du verschwindest jetzt. Am besten zieht ihr, du und deine Schwester, gleich morgen in eine andere Grafschaft und kommt niemals wieder auch nur in die Nähe von Fenton Castle. Hast du verstanden?«
Kate nickte. »Genau das hatte ich vor«, antwortete sie mit harter Stimme und verließ Fenton Castle, ohne einen Blick auf die grauen Mauern zurückzuwerfen.
Am nächsten Vormittag wurde in der Burgkapelle ein Säugling auf den Namen Anthony Francis Thomas Fenton getauft. Der stolze Vater ritt noch am gleichen Tag nach London und von dort Seite an Seite mit den Männern des Königs nach Dover, um nach Frankreich überzusetzen.
10. KAPITEL
Aufgeregt zupfte Antonia an Janes Haar herum, das sich unter der Haube widerspenstig hervor drängte.
»Vielleicht solltest du dein Haar lieber offen tragen«, schlug Antonia vor. »Die Haube lässt dich sehr streng aussehen.«
»Genau das will ich bewirken!« Ärgerlich zog Jane an den Bändern und verknotete sie unter ihrem Kinn. »Es besteht kein Grund, warum ich bestrebt sein sollte, einen guten Eindruck zu machen.«
»Aber Jane, bist du auf deinen Bräutigam denn gar nicht gespannt? Immerhin hast du heute Gelegenheit, ihn zu sehen und kennen zu lernen, bevor ihr in drei Wochen vor den Altar treten werdet.«
Jane hatte Antonia nicht erzählt, was zwischen ihr und dem König vorgefallen war. Sie hatte niemandem ein Wort davon gesagt, sondern war, nachdem Edward und sein Gefolge Chelsea verlassen hatten, vor ihre Eltern hingetreten und hatte gesagt: »Ich stimme einer Vermählung mit Guildford Dudley zu. Meine Bedingung ist allerdings, dass es schnell geht. Ich möchte noch in diesem Monat verheiratet sein.«
Danach hatte sich Jane in ihr Zimmer eingeschlossen, und Antonia hatte sie die ganze Nacht lang weinen hören.
Jetzt saßen der Herzog von Northumberland und seine Söhne, Robert und Guildford, unten in der Halle. Zu gerne hätte Antonia erfahren, was Jane zu ihrem Sinneswandel veranlasst hatte, denn dass sie Guildford nicht freudig heiratete, zeigte ihr Verhalten seit dem Besuch des Königs.
»Du solltest jetzt hinuntergehen, Jane«, mahnte sie, zog spontan die Jüngere an sich und drückte sie zärtlich. Jane ließ es sich gefallen, doch erwiderte sie die tröstende Umarmung nicht, und ihre Augen wirkten stumpf.
John Dudley erhob sich, als Jane die Halle betrat. Er hatte das Verhalten des Mädchens bei seinem letzten Besuch noch nicht vergessen und war auf allerhand gefasst, doch Jane knickste artig und sagte: »Seid gegrüßt, Mylord Northumberland. Ich möchte mich für mein ungebührliches Benehmen von neulich Euch gegenüber entschuldigen.«
Ein Lächeln huschte über Dudleys Lippen. »Es ist vergessen, Jane. Darf ich Euch meinen Sohn Robert vorstellen?«
Ein großer, dunkelhaariger Mann erhob sich, und Jane dachte sofort, dass sie selten einen attraktiveren und eleganteren Mann gesehen hatte. Er verbeugte sich, drehte sich dann halb nach hinten um und zog eine Dame, die sich hinter seinem breiten Rücken versteckt hatte, hervor. »Mylady Jane, meine Frau Amy.«
Jane reichte dem Mädchen, das kaum älter als sie selbst zu sein schien, freundlich die Hand. Insgeheim wunderte sie sich, wie ein Mann von so selbstsicherer und überzeugender Ausstrahlung wie Robert Dudley zu so einer nichts sagenden und unscheinbaren Frau wie dieser Amy kam.
Aber dann hatte Jane keine Zeit, sich weitere Gedanken über ihren künftigen Schwager zu machen, denn John Dudley ergriff erneut das Wort: »Mein Sohn Guildford.«
Jane musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht zu sehen. Das Erste, was sie erblickte, waren zwei blaue Augen, die sie interessiert musterten. Guildford Dudley war ebenso groß wie sein Vater und sein Bruder, hatte aber dunkelblonde Haare. Vielleicht war er auf den ersten Blick nicht ganz so attraktiv wie Robert, aber seine ganze saloppe Erscheinung spiegelte die Unbekümmertheit und Leichtigkeit der Jugend wider.
»Mylady Jane, ich habe lange darauf gewartet, Euch kennen zu lernen.«
Galant verbeugte sich Guildford und küsste Janes Hand. Bei ihrem Eintreten war ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Auch Guildford hatte nur schweren Herzens dem Wunsch seines Vaters, eine Unbekannte zu ehelichen, zugestimmt. Doch ihm blieb keine Wahl, denn Dudley hatte ihm gedroht, den Geldhahn zuzudrehen. Und Guildford brauchte Geld, viel Geld. Die Bordelle, Kneipen und Spielhäuser in Southwark waren kostspielig, außerdem drückten ihn Schulden. Und die Männer, bei denen er im Wort stand, waren dafür bekannt, dass sie mit Schuldnern kurzen Prozess machten. Da würde ihm auch der Name Dudley nicht mehr helfen. Die ganze Zeit hatte Guildford befürchtet, Lady Jane wäre ein hässliches, fettes, pockennarbiges Mädchen. Erleichtert stellte er fest, dass sie gut gewachsen und von angenehmem Äußeren war. Sie schaute ihn zwar noch wie ein verschrecktes Mäuschen an, aber das würde sich sicher bald ändern. Guildford Dudley war sich seiner positiven Wirkung auf Frauen bewusst.
Verwirrt ging Jane zur Anrichte und besann sich auf ihre hausfraulichen Pflichten. »Darf ich den Herren etwas anbieten? Wein?«
Alle drei Dudleys stimmten zu. Während Jane einschenkte, betrachtete Frances ihre Tochter nachdenklich. Bisher benahm sie sich vorbildhaft, sie konnte nur hoffen, dass das kleine Biest ihre Pläne nicht im letzten Moment wieder durchkreuzen würde. Seit Jane ein kleines Mädchen war, hatte sie ihre Gedanken vor den Augen anderer, auch vor ihrer eigenen Mutter, verborgen. Bisher hatte sich Frances Grey auch wenig um Jane gekümmert. Wozu hatte man schließlich gut bezahltes Personal? Doch jetzt hätte sie ein Goldstück dafür gegeben zu wissen, was sich hinter Janes kühler und beherrschter Fassade verbarg.
Nachdem sich die Herren gelabt hatten, schlug Robert Dudley vor: »Mylady Jane, wärt Ihr so freundlich, uns Eure Gärten zu zeigen? Meine Frau Amy ist schon ganz gespannt auf die Rosenzucht, die hier in Chelsea ganz besonders vielfältig sein soll.«
»Lord Robert, ich brauche Euch wohl nicht daran zu erinnern, dass es das Haus Eures Vaters ist, in dem wir uns befinden. Folglich kann ich Euch nur Eure Gärten zeigen. Außerdem blühen im April noch keine Rosen.«
»Jane, benimm dich!«, zischte Frances Grey ihr ins Ohr, und bohrte einen Zeigefinger so schmerzhaft zwischen Janes Rippen, dass das Mädchen leise aufstöhnte.
»Ich würde gerne einen Spaziergang machen. Wenn Ihr mich begleiten wollt, Sir Robert? Sir Guildford? Dabei fällt mir ein – wo werden wir nach unserer Hochzeit wohnen, Mylord Northumberland? Weiterhin in Eurem Haus oder wird Eurem Sohn und mir ein eigenes Heim zugestanden?«
Was für eine Frau! Genau die Richtige für Guildford, dachte John Dudley und verkniff sich ein Grinsen. Er hatte Jane Grey seit Monaten heimlich beobachtet und sie als etwas naiv und leicht lenkbar beurteilt. Nun erkannte Dudley, dass hinter der hübschen jungen Fassade ein starker Wille wohnte. Hoffentlich war dieser Wille nicht zu stark für seine Pläne, aber die Kleine würde seinen Sohn bestimmt in seine Schranken weisen. Und das konnte Guildford nur zum Vorteil gereichen. Freundlich antwortete er: »Ich habe mit meinem Sohn noch nicht darüber verhandelt. Vielleicht wollt Ihr das selbst mit Eurem Bräutigam besprechen? Auf einem Gartenspaziergang?«
Jane schoss die Röte in die Wangen. Hoheitsvoll schritt sie an den Männern vorbei durch die Halle nach draußen. Einen Augenblick später war Guildford an ihrer Seite, während Robert und Amy zurückblieben, um dem Brautpaar Gelegenheit zu geben, sich näher kennen zu lernen.
Zufällig blickte Jane nach oben und sah an einem der Fenster im ersten Stock Antonia, die mit gespanntem Gesicht auf die Besucher starrte.
»Erinnert Ihr Euch an Antonia Fenton? Sie ist meine Freundin, und ich möchte, dass sie nach unserer Hochzeit weiterhin in meiner Nähe bleibt.«
Fenton? Antonia Fenton? Fieberhaft dachte Guildford nach, er meinte sich zu erinnern, den Namen schon einmal gehört zu haben.
Jane bemerkte seine Verwirrung und half ihm auf die Sprünge. »Euer Vater plante schon einmal, Euch zu verheiraten, und zwar mit Antonia Fenton. Erinnert Ihr Euch nicht mehr daran?«
»Damals war ich noch ein Kind«, antwortete Guildford. »Zudem hat der König höchstpersönlich ein Veto gegen diese Verbindung eingelegt. Es konnte nicht angehen, dass sich ein Dudley mit einer unbedeutenden Fenton verbindet.«
Hätte sie es nur getan, dann würde es mir erspart bleiben, dachte Jane, leistete aber gleich darauf bei Antonia Abbitte. Natürlich wünschte sie sich nicht ernsthaft, dass ihre Freundin ihr die Bürde abnahm, die ihr auf die Schultern gelegt worden war.
»Guildford, Ihr wollt mich doch genauso wenig heiraten wie ich Euch. Warum spielen wir also dieses Spiel mit?«
Überrascht blieb Guildford stehen. Die Kleine mochte zwar ganz ansehnlich sein, aber ihre widerspenstige Art widersprach ihrer zurückhaltenden Ausstrahlung. Nun, Guildford wusste mit Frauen umzugehen. Bisher war in seinen Armen noch jede zu Wachs geschmolzen.
»Liebe Jane, es mag sein, dass ich zuerst auf das Ansinnen meines Vaters eingegangen bin, weil ich ein gehorsamer Sohn bin. In dem Moment jedoch, als Ihr durch die Tür schrittet, habt Ihr durch Eure Lieblichkeit und Schönheit mein Herz berührt.« Er blieb stehen, ergriff ihre Hand und sah sie schmachtend an. Sein jahrelang geübter Dackelblick hatte noch nie seine Wirkung verfehlt. »Liebste, ich habe mich sofort in Euch verliebt und wünsche mir nichts mehr, als mein Leben mit Euch zu verbringen.«
Jane stand für einen Augenblick wie erstarrt, dann entzog sie ihm ihre Hand.
»Sir Guildford, mir wurde berichtet, dass Ihr sehr belesen seid, es blieb allerdings unerwähnt, dass Euer Interesse sich wohl eher auf die verachtungswürdigen Ergüsse liebeskranker Dichter bezieht.« Als Guildford etwas erwidern wollte, hob Jane abwehrend die Hände. »Verschont mich mit Euren Worten, die in dieser Situation in meinen Ohren nur beleidigend klingen können. Ich folge dem Wunsch meiner Eltern und dem des Königs. Wir sollten beide versuchen, die Bedingungen, die an uns gestellt werden, würdevoll zu erfüllen.«
Guildford war so empört, dass es ihm, was nur selten passierte, die Sprache verschlug. Hätte sein Vater ihm durch diese Ehe nicht Ruhm, Reichtum und grenzenlose Macht versprochen, hätte er dieses unverschämte Ding am liebsten stehen lassen und wäre ins nächste Bordell geeilt, wo sich willige und sanfte Frauen regelrecht um seine Liebesbezeugungen rissen.
»Lady Jane, Ihr könnt mir glauben, dass ich mit den besten Absichten gekommen bin«, sagte er kühl. »Die Sache wäre für uns allerdings einfacher, wenn Ihr mir ein wenig entgegenkommen würdet. Man erwartet von uns, dass wir das Geschlecht der Dudleys mit vielen gesunden Kindern erhalten. Dazu ist es unabänderlich, dass wir uns näher kommen, was Euch wie auch mir leichter fallen wird, wenn wir einander nicht mit völliger Abneigung begegnen.«
Überrascht von diesen ernst gesprochenen Worten hob Jane den Kopf. Bisher hatte sie noch gar nicht daran gedacht, dass sie mit Guildford auch das Bett würde teilen müssen. Zugegeben – er sah gut aus, war jung, gesund und kräftig. Unwillkürlich dachte sie an die verstorbene Lady Catherine, die mit einem alten Mann verheiratet worden war. Betrachtete man das Äußere ihres Bräutigams, so hätte sie es wahrlich schlechter treffen können.
Jane blinzelte mehrmals, um das Gesicht Edwards vor ihrem inneren Auge zu verscheuchen. Sie musste ihn vergessen – jetzt und für alle Ewigkeit.
»Ich hoffe, wir können diese … Begegnungen auf ein Minimum beschränken«, stieß sie hervor, dann raffte sie ihre Röcke und rannte so schnell ins Haus zurück, als wäre der Teufel hinter ihr her.
Antonia begleitete Jane nach Syon House, dem Hauptsitz der Dudleys in London. Das große, um einen Innenhof gebaute viereckige Haus war einst das Heim des Lordprotektors Edward Seymour gewesen und nach dessen Hinrichtung John Dudley übereignet worden. Da Syon House ebenso wie das Haus in Chelsea am Ufer der Themse lag, benutzten sie für die Fahrt eine Barke, um sich den Weg durch die verschmutzten Straßen der Stadt zu sparen. Der Frühlingstag war wunderschön, die Sonne warm und die Vögel zwitscherten um die Wette. Die Natur schien so gar nicht zu Janes trüber Stimmung zu passen. Sie und Antonia saßen unter dem Baldachin im Schatten, und das Ufer mit seinen herrschaftlichen Anwesen zog langsam an ihnen vorbei. Jane war nach Syon House zur ersten Anprobe ihres Hochzeitskleides bestellt worden. Die Hochzeit selbst sollte in Durham House, ebenfalls einem ehemaligen Besitz Edward Seymours, stattfinden. Es würde eine dreifache Hochzeit werden, denn Janes jüngere Schwester sollte mit Lord Herbert und Catherine Dudley mit Henry Hastings vermählt werden. Dass nicht sie allein im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stand, war Janes einziger Trost. Allerdings würde ihre Schwester nach der Trauung mit den Eltern nach Bradgate Park zurückkehren, ihre Ehe würde erst in einigen Jahren vollzogen werden. Es handelte sich um eine rein politische Verbindung. Sie, Jane, allerdings würde in wenigen Tagen für immer an Guildford Dudley gekettet sein.
Seit Tagen waren in Syon House vier Näherinnen mit dem Anfertigen der drei prächtigen Brautgewänder beschäftigt. Jane stand in der Mitte des Raums auf einem Schemel, während zwei Näherinnen an ihr herumhantierten: Hier wurde eine Falte weggenommen, dort der Saum etwas gekürzt und die Länge der Borte neu abgemessen. Das schwere Gewand, dessen Oberteil aus über und über mit Edelsteinen besetztem Goldbrokat bestand, schien die zarte Gestalt beinahe zu erdrücken.
In Janes Gesicht leuchteten die Sommersprossen wie nie zuvor, so dass eine Dame verzweifelt in die Hände klatschte und rief: »Mylady, Ihr dürft Euch ab sofort keinen Augenblick mehr der Sonne aussetzen! Oder wollt Ihr wie eine Bäuerin vor den Altar treten?«
»Ich will gar nicht heiraten«, murmelte Jane, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Rasch trat Antonia zu ihr und drückte ihre Hand.