IMPRESSUM
HEEL Verlag GmbH
Gut Pottscheidt
53639 Königswinter
Tel.: 02223 9230-0
Fax: 02223 923026
E-Mail: info@heel-verlag.de
Internet: www.heel-verlag.de
Deutsche Ausgabe:
© 2008 Heel Verlag GmbH
Französische Originalausgabe:
© 2008 Éditions du Rocher
6, place Saint-Sulpice
75006 Paris
Frankreich
Französischer Originaltitel: ST-EXUPÉRY – L’ultime Secret
Deutsche Übersetzung: Walther Wuttke
Lektorat: Friederike Welle
Satz: Heel Verlag GmbH
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlages nicht erlaubt, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten.
Alle Angaben ohne Gewähr. Irrtümer vorbehalten.
ISBN: 978-3-86852-660-8
Vorwort
Saint-Exupéry, das letzte Geheimnis
Nachwort
ANHANG 1:
Saint-Exupéry im Krieg
ANHANG 2:
31. Juli 1944 – Einsatz No. 33S176 – Versuch einer Rekonstruktion
ANHANG 3:
Brief von Horst Rippert an Lino von Gartzen
Bibliografie und Dokumentation
Danksagungen
Bildstrecke
Während meiner Jugend war Antoine de Saint-Exupéry der Herr meiner Gedanken. So ging es den meisten Zeitgenossen, die vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg in ihren Zwanzigern waren. Sein Tod hat mich so sehr getroffen, als hätte ich das Glück gehabt, zu seinem engsten Kreis zu gehören. Dabei war ich nur einer seiner zahllosen Leser.
Dass ich daher die ersten Meldungen über die Suche nach seinem im Mittelmeer verschwundenen Flugzeug verfolgt habe, war nur logisch. Doch ziemlich schnell, das muss ich eingestehen, habe ich mich darin verloren. Nachdem ich aber das von Luc Vannrells Nachforschungen inspirierte Buch von Jacques Pradel gelesen habe, habe ich meinen Nachholbedarf gestillt.
Ich habe immer Rätsel, und vor allem die ungelösten, geliebt. Dieses Mal bin ich geblendet von diesem epischen Unterfangen, das die Wahrheit zutage gefördert hat.
Am 31. Juli 1944, einem Montag, startete Kommandant Antoine de Saint-Exupéry um 8.45 Uhr mit einer Lightning P-38 F-5B No. 223 zu einem kartografischen und fotografischen Einsatz in großer Höhe über der Region Grenoble-Annecy. Er ist allein an Bord. Seine Rückkehr ist für die Zeit zwischen 12.45 und 13.00 Uhr vorgesehen. Um 14.30 wird er, nachdem keine Nachricht von ihm vorliegt, als vermisst gemeldet.
Wurde Saint-Exupéry von deutschen Jägern abgeschossen? Wurde er das Opfer eines Motordefekts oder eines Ausfalls seiner Navigationsinstrumente?
Hat er Selbstmord begangen?
Fünfzig Jahre lang wurde mit großem Aufwand nach dem Wrack der P-38 gesucht. Lange Zeit glaubte man, dass das Flugzeug irgendwo in der Baie des Anges zwischen Korsika und dem Festland auf dem Grund des Meeres lag. Im Jahr 1998 fand ein Fischer aus Marseille einen seltsamen, mit Ablagerungen überzogenen Gegenstand, an dem ein Teil in der Sonne glänzte, in seinem Netz: Jean-Claude Bianco hatte zufällig ein Armband gefunden, das dem großartigen, verschwundenen Menschen gehört hatte.
Später identifizierte der Berufstaucher Luc Vanrell Saint-Exupérys Flugzeugwrack wenige hundert Meter von der Insel Rioux in der Calanques-Region. (Heute befinden sich die Überreste des Flugzeugs im Luft- und Raumfahrtmuseum von Le Bourget.)
Das Buch von Jacques Pradel und Luc Vannrell ist ein echter Polit-Thriller und wirft uns mitten in die unverdrossene Suche einer kleinen Mannschaft Begeisterter. Sie beginnt in der Region um Bastia, wo Saint-Exupéry seine letzten Stunden verbracht hat, verfolgt die Spuren überlebender deutscher und amerikanischer Piloten, erforscht eine kleine unbewohnte Insel, auf der unter großer Geheimhaltung die sterblichen Überreste eines Piloten beigesetzt wurden und führt uns schließlich in eine deutsche Fürstenfamilie.
Das Ergebnis beseitigt alle Zweifel. Saint-Exupéry wurde nicht das Opfer eines Unfalls oder einer technischen Panne. Er hat sich nicht verflogen. Er hat sich nicht umgebracht. Er ist im Verlauf seines letzten Kampfes für Frankreich gefallen. Der deutsche Pilot, der ihn abgeschossen hat, lebt. Er sagt in diesem Buch aus.
Alain Decaux
Mitglied der Académie Française
„Es macht mit Sicherheit mehr Spaß, die Wahrheit zu verfolgen, als sie zu kennen.“, sagte einmal mit einer lächelnden Weisheit Antoine de Saint-Exupéry. Er sagte auch: „Sehen Sie, im Leben gibt es keine Lösungen. Es gibt Kräfte, die im Fluss sind. Man muss sie schaffen, und die Lösungen folgen ihnen.“ Diese Worte gehen mir durch den Kopf, wenn ich an das Abenteuer denke, das wir während unserer Nachforschungen erlebt haben.
Für mich beginnt die Geschichte an einem Morgen des Frühjahrs 2004. Am 7. April, um genau zu sein. Das DRASSM (Département des Recherches Archéologiques Subaquatiques et Sous-Marines) hatte bekannt gegeben, dass ein Teil einer Lightning P-38, die im Osten der Insel Rioux entdeckt wurde, zum Flugzeug von Antoine de Saint-Exupéry gehört. Die Mitteilung ist kurz, doch die Nachricht dahinter ist bedeutend und beendet ein für allemal die jahrelangen Kampagnen, die nach dem Ort gesucht haben, wo der Senior unter den alliierten Piloten verschwunden ist.
Bereits am darauf folgenden Tag empfange ich in meiner täglichen Morgensendung bei Europe 1 den professionellen Schatztaucher Luc Vanrell. Der Chef des Unternehmens Immadras ist auf mitunter extreme Einsätze unter Wasser spezialisiert. Er steht am Anfang dieser Entdeckung, die tatsächlich gar nicht so neu ist, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Tatsächlich stammt sie bereits aus dem Mai 2000. Luc Vanrell hatte sich nicht gemeldet, weil er zunächst nicht wusste, was genau er auf dem Meeresboden entdeckt hatte und blieb, nachdem er das erkannt hatte, vorsichtig. Erst nachdem er sich absolut sicher war, hatte er die Behörden benachrichtigt. Der neue Tauchgang fand im Laufe des Jahres 2003 statt. Luc Vanrell identifizierte verschiedene Teile, die in einer Tiefe von 40 bis 87 Meter lagen, als Teile der Maschine von Saint-Exupéry. Doch erst einige Monate später und nach der Mitteilung des DRASSM wurde das Wunder bestätigt.
An jenem Morgen bat ich ihn, zu erzählen, in welchem Zustand sich das Wrack befand und zu erklären, warum er bereits vor drei Jahren, ohne dass man mit den Untersuchungen begonnen hatte, sicher war, das Flugzeug von Saint-Ex gefunden zu haben. Der zweite Gast war der Fischer Jean-Claude Bianco aus Marseille, in dessen Netzen 1998 das berühmte Silberarmband mit dem eingravierten Namen des Schriftstellers aufgetaucht war.
Am Telefon war aus Marseille Henri-Germain Delauze, Chef der Comex (Compangie maritime d’Expertises) zugeschaltet sowie Pierre Becker, Generaldirektor des auf Taucharbeiten spezialisierten Unternehmens Géocéan, das in dieser Angelegenheit eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Delauze hatte sein Flaggschiff „Minibex“ eingesetzt, um die größten Wrackteile zu bergen. Becker hatte die Fundstücke für die Analyse gereinigt und konserviert. Mein letzter Gast war Philippe Castellano, Präsident der Aéro-Re.L.I.C., der Gesellschaft für die Erforschung, Lokalisierung und Identifikation von Abstürzen.
Am Ende der Sendung, kurz bevor wir uns verabschiedeten, nahm mich Luc Vanrell zur Seite, um mich ins Vertrauen zu ziehen. Während eines früheren Tauchgangs bei Riou hatte er eine Entdeckung gemacht, die ein echter Knüller sein könnte. Und diese Worte ließen mich mitten in die spannendste Untersuchung meiner journalistischen Laufbahn tauchen.
Er hatte mit folgendes gesagt: An jenem Tag im Jahr 2003, als die ersten Bruchstücke des Wracks für die weitere Untersuchung und Identifizierung an die Wasseroberfläche gebracht wurden, war er hinab getaucht, um Ballons für die Bergung an den wichtigsten Überresten zu befestigen. Dabei fiel ihm ein Detail auf, das nur ein Profi erkennen kann. Doch er redete mit niemandem darüber. Am darauf folgenden Tag tauchte er noch einmal allein hinunter, um sich Gewissheit zu verschaffen. Was er an jenem Tag entdeckte, könnte der Schlüssel zum Rätsel um das Verschwinden von Saint-Exupéry sein. Das alles erzählte mir Luc Vanrell. Ich versprach ihm absolute Diskretion und wurde so zu einem Beobachter im Hintergrund. Dieser bedeutende Fund sollte einer kleinen Gruppe internationaler Experten um Vanrell vorbehalten sein. Die Untersuchung dauerte drei Jahre und versetzt uns heute in die Lage, den Ablauf der Ereignisse am 31. Juli 1944 zu erklären, die zum Verschwinden des großartigen Piloten geführt haben.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte man das Wrack seines Flugzeug so gut wie überall im Südosten Frankreichs gesucht – in den Alpen, in der Verdon-Schlucht und vor allem im Mittelmeer vor Nizza und Saint Raphaël.
Immer wieder wurden die in diesem Gebiet und später vor La Ciotat gefundenen Wracks mit großem Mediengetöse als die Lightning F-5B No 223 präsentiert, mit der Saint-Exupéry den Stützpunkt Bastia-Borgo auf Korsika zu seinem letzten Einsatz verlassen hatte. Doch immer wieder stellte sich heraus, dass es sich nicht um das „richtige“ Flugzeug handelte. Die Experten mussten einräumen, dass es sich entweder um ein älteres Flugzeug handelte oder das Wrack bereits in die Archivlisten der amerikanischen Armee aufgenommen worden war und so der Hintergrund des Absturzes ebenso wie der Name des Piloten bekannt war.
Doch bevor wir die spektakulären Ergebnisse dieses Abenteuers erzählen, spulen wir die Zeit zurück.
In die Epoche, als Saint-Exupéry lebte.
Natürlich muss man nicht in alle Details der Biografie des Autors eintauchen, der uns den „Kleinen Prinzen“ geschenkt hat, doch lohnt es sich, einige chronologische Orientierungspunkte festzumachen, um seine Persönlichkeit kennenzulernen und danach schnell in die Zeit zu kommen, die uns am meisten interessiert – die des Krieges.
Antoine de Saint-Exupéry kam am 29. Juni 1900 in Lyon in einer aus dem Limousin stammenden Adelsfamilie zur Welt. Er ist das dritte Kind nach Marie-Madeleine (1898) und Simone (1899) des Grafen Jean-Marie de Saint-Exupéry und Marie Boyer de Fonscolombe. Ihm folgen noch François (1902) und Gabrielle (1904). Antoine ist noch keine vier Jahre alt, als sein Vater nach einem Schlaganfall stirbt. Die Tante seiner Mutter, Gabrielle de Tricaud, nimmt die Familie in ihrem Schloss Saint-Maurice-de-Rémens in der Nähe von Ambérieu im Departement Ain auf. Während er heranwächst, verbringt Antoine seine Zeit entweder hier oder aber auf dem Schloss de la Môle, das der Großmutter Fonscolombe gehört.
Im Jahr 1909 zieht die Familie nach Le Mans. Aus dieser Stadt stammt die Familie seines Vaters. Antoine besucht das Jesuiten-Kolleg Notre-Dame-de-Sainte-Croix, wo er sich als schwieriger Schüler erweist. Er ist ein Träumer und von der Poesie ergriffen. Ein Jahr später kehrt Marie de Saint-Exupéry, die sich mit der Familie ihres Mannes nicht versteht, nach Saint-Maurice-de-Rémens zurück und lässt Antoine und seinen Bruder François in der Obhut ihrer Tanten Anaïs und Marguerite zurück.
In Saint-Croix herrscht eine strenge Ordnung und Antoine wird immer wieder wegen der Tintenflecken an seinen Fingern, seiner Nachlässigkeit, seinen Träumereien und seinem fehlenden Fleiß sowie der Unordnung auf seinem Pult bestraft. In einem Brief an seine Mutter deutet er einmal diese schmerzhafte Zeit an:
„Ich kehrte mit meinem großen Ranzen auf dem Rücken und vor Strafen schluchzend zurück. Erinnern Sie sich an Le Mans? Indem Sie mich umarmten, haben Sie alles vergessen gemacht. Sie waren ein allmächtiger Halt gegen die Aufsichtspersonen und die Pater.“
Antoines Mutter kann ihr Witwendasein nur schwer ertragen. Die sensible Frau unterhält zu ihrem Sohn eine ganz besonders enge Beziehung und vermittelt ihm das Beste, das sie in sich trägt: ein auf Ehrlichkeit aufbauender Humanismus und der Respekt vor anderen ohne gesellschaftliche Ausnahmen. Die schönste Zeit seines Lebens, so wird er später einmal schwärmen, war die Zeit bei ihr. Er fühlt sich in Sainte-Croix, wo er im Internat lebt, nicht wohl. Seine Kameraden, die ihn Tantane (eine Ableitung von Toitoine) nennen, arbeiten an der von ihm gegründeten Klassenzeitung mit, bis sie von den Geistlichen verboten wird.
Sommer 1912, Ferien in Ambérieu!
Antoine fährt mit seinem Rad zu dem in der Nähe von Saint-Murice-de-Rémiens gelegenen Flughafen. Er verbringt Stunden vor den Flugzeugen, träumt und löchert die Mechaniker mit seinen Fragen nach der Funktionsweise der Motoren. Endlich ist Ende Juli seine Lufttaufe, ein unvergessliches Erlebnis, das er in einem Gedicht festgehalten hat:
Les ailes frémissaient sous le souffle du soir,
Le moteur den son chant berçait l’âme endormie,
Le soleil nous frôlait de sa couleur pâlie …
Die Flügel glitten auf dem Hauch des Abends,
Der Motorenklang wiegte die schläfrige Seele und
die Sonne berührte uns mit blassem Glanz…
In jenem Jahr beginnt er auch, sich mit der Violine vertraut zu machen.
Sommer 1914: Krieg. Einer seiner Onkel fällt bereits im August. Zu Beginn des Schuljahres 1915 meldet Marie, die gerade eine Krankenstation in Ambérieu gegründet hat, ihre Söhne bei der Marienbruderschaft Villa Saint-Jean im schweizerischen Fribourg an, um sie dort in Sicherheit zu wissen. In enger Zusammenarbeit mit dem Collège Stanislas in Paris hat diese Schule eine moderne Erziehungsmethode entwickelt, die die Kreativität fördert.
Im Jahr 1917 besteht Antoine sein Abitur, doch im Sommer zerstört ein Drama diese glückliche Zeit. François, sein jüngerer Bruder und Spielkamerad stirbt an einer Gelenkkrankheit. Von einem Moment auf den anderen ist seine Jugend beendet. Er ist erwachsen. Zehn Jahre später nimmt ihm die Tuberkulose seine Schwester Marie-Madeleine.
Mit dem Abitur in der Tasche wählt der junge Mann trotz seines Traums, in der Luftfahrt Karriere zu machen, die Marine. Vermutlich will er damit auch seine Mutter beruhigen. Allerdings fällt er zweimal durch die Aufnahmeprüfung der Marineschule und schreibt sich nach dieser Enttäuschung als Gasthörer in der Kunstakademie für das Fach Architektur ein. Doch das ist wahrscheinlich nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver, um von seinem Scheitern abzulenken. Am 2. April 1921 wird er eingezogen und kommt zum zweiten Jagdflieger-Regiment in Neuhof bei Straßburg. Trotz seiner eher bescheidenen Kenntnisse lernt er Fliegen in der Nähe eines zivilen Unternehmens, das sich das Gelände mit dem Militär teilt, und kommt, nachdem er über dem Dach der Kaserne besonders waghalsige Manöver fliegt, acht Tage in den Arrest. Dennoch gestatten ihm seine offensichtlich gutmütig gestimmten militärischen Vorgesetzten die Fortsetzung der Ausbildung.
Vom Elsass aus wird er nach Marokko zum 37. Flieger-Regiment versetzt, wo er Ende 1921 seine Ausbildung beendet und seine Pilotenlizenz erhält. Nach einer zusätzlichen Ausbildung kehrt er im Oktober 1922 als Unterleutnant der Reserve nach Frankreich zum 34. Regiment in Le Bourget zurück.
Im Jahr 1923 zeigt er seine Verlobung mit der charmanten Louise de Vilmorin an, die er seit 1918 aus den Zeiten, als er sich auf die Marineschule vorbereitete, kennt. Im Frühjahr 1923 wird er in Le Bourget wegen eines technischen Defektes Opfer eines schweren Unfalls und erleidet schwere Schädelbrüche. Als er aus seinem Flugzeug gezogen wird, gibt er kein Lebens zeichen von sich. Das hält ihn aber nicht davon ab, am 3. Mai ohne Genehmigung in eine Hanriot HD-14 zu steigen. Die Folge ist ein zweiwöchiger Arrest.
Nach seinem Militärdienst hätte er sich in der Luftfahrt engagieren können, doch die Familie seiner Verlobten ist dagegen und daher wendet er sich einer bürokratischen Tätigkeit zu. In der Verwaltung einer Filiale der Société Générale kontrolliert er die Fabrikation und langweilt sich. Im September löst Louise de Vilmorin die Verlobung. Im Oktober heiratet seine jüngere Schwester Gabrielle Pierre Giraud d’Agay. Diesen Namen muss man sich merken. Er taucht in unserem Bericht wieder auf. Die Kinder und Enkel sind heute die Erben von Saint Ex.
Im Jahr 1924 ist Antoine Vertreter des Lastwagen-Herstellers Saurer in Allier und Creuse. Er tröstet sich, indem er soviel wie möglich fliegt und versucht sich als Schriftsteller. Dank einiger Freunde veröffentlicht er 1926 den Roman „L’Aviateur“ („Der Flieger“). Im gleichen Jahr erhält er den zivilen Pilotenschein. Dank des Geistlichen Abbé Sudour (einer seiner Lehrer im Collège Boussuet, wo er sich auf die Marineschle vorbereitete) wird er am 14. Oktober 1926 vom Marquis Beppo de Massimi, Verwalter der Fluglinie Latécoère, angestellt.
Der Direktor der Fluglinie (aus der später die Aéropostale hervorging) Didier Daurat, vertraut ihm eine Bréguet 14 auf der Linie Toulouse-Casablanca und später Casablanca-Dakar an.
1927 wird Saint-Exupéry Flughafenchef im marokkanischen Cap Juby, wo er gleichzeitig die Beziehungen zu den arabischen Stämmen und den Spaniern verbessern soll. Er entdeckt hier, vor allem bei einem Treffen mit einer Mönchsgemeinschaft, die glühende Einsamkeit der Wüste: „Der Wind, der Sand und die Sterne. Das strenge Leben der Trappisten. Aber auf dieser schlecht beleuchteten Bank teilten sich sechs oder sieben Männer, die nichts außer ihren Erinnerungen besaßen, einen unsichtbaren Reichtum.“
Achtzehn Monate lang erfüllt er seine Aufgabe und hilft Piloten, die in Not geraten. In diesem afrikanischen Abenteuer entsteht die Idee für sein erstes Buch „Courrier Sud“ („Südkurier“). Und hier trifft er auch seine großartigen Kameraden: Jean Mermoz und Henri Guillaumet.
Im Oktober 1929 trifft er die beiden in Südamerika wieder, um dort beim Ausbau der Aeroposta Argentina bis nach Patagonien zu helfen. Zum Chefpiloten der Aeroposta Argentina ernannt, schreibt er „Courrier du Sud“.
Im Jahr 1931 kehrt er nach Paris zurück und heiratet auf dem Standesamt von Nizza (später kirchlich in Agay) Consuelo Suncin Sandoval de Gómez (gestorben 1979). Die Schriftstellerin und Künstlerin aus El Salvador hatte er ein Jahr zuvor in Südamerika kennen gelernt. Er veröffentlicht sein zweites Buch „Vol de Nuit“ und erhält im Dezember den Prix Femina.
Von 1932 an, die Aéropostale wurde von der Regierung ausgehöhlt und durch betrügerische Manöver in die Liquidation getrieben, schlägt er sich als Schriftsteller und Journalist mehr schlecht als recht in Paris durch. 1933 schließlich wird er als Versuchspilot bei Latéocère eingestellt. Während eines Testflugs mit einem Wasserflugzeug (Latté 29/3) verliert seine Maschine einen Flügel und er stürzt in die Mündung des Mekong. Im letzten Moment gelingt es ihm, dem Ertrinken zu entrinnen.
1935 – Vortragsreise rund um das Mittelmeer, Aufenthalte in Casablanca, Algier, Tunis, Tripolis, Kairo, Alexandria, Damaskus, Beirut, Istanbul, Athen. Als Reporter für „Paris-Sor“ reist er nach Indochina und Moskau. Im Dezember absolviert er den Langstreckenflug Paris-Saigon. Ein fatales Vorhaben. Vier Stunden nach dem Start in Bengasi am 29. Dezember um 23.00 Uhr schlägt seine Caudron-Simoun mit 260 km/h auf einem Plateau in der libyschen Wüste auf. Er wird von Nomaden gerettet und veröffentlicht nach seiner Rückkehr im Januar 1936 seinen Bericht „Aterrissage forcé dans le désert“.
Im August 1936 bricht er nach Spanien auf und berichtet über die Front in Lerida. 1937 besucht er Deutschland. Ein Jahr später versucht er die Luftverbindung zwischen New York und Feuerland herzustellen. Ein weiterer Unfall in Guatemala. Seine mit Treibstoff überladene Maschine schießt über die Startbahn hinaus. Der schwer verletzte Saint-Exupéry liegt fünf Tage lang im Koma.
Aus diesen Erfahrungen fügen sich ungeheuer viele Erinnerungen und Emotionen zusammen, die ihn veranlassen, über das menschliche Wesen zu reflektieren, was im Jahr 1939 zu seinem Buch „Terre des Hommes“ („Wind, Sand und Sterne“) führt. Dieser in einer großartigen Sprache verfasste Roman bringt ihm den Grand Prix der Académie Française ein. In dem Buch findet sich der berühmt gewordene Satz: „Was ich gemacht habe, das schwöre ich, hätte kein Tier jemals gemacht.“
Der zum Offizier der Ehrenlegion beförderte (seit 1930 ist er bereits Chevalier) Saint Exupéry erntet mit der englischen Version seines Buches „Wind, Sand and Sterne“ internationalen Ruhm. Das Buch wird in den USA ein schneller Erfolg.
Am 3. September tritt Frankreich in den Krieg gegen Deutschland ein und Saint-Exupéry kehrt im Range eines Capitaine zum Stützpunkt Toulouse-Montaudran zurück. Er drängt in den aktiven Dienst, doch die medizinische Abteilung erklärt ihn wegen seines Alters und seiner Verletzungen für kampfuntauglich. General Davet erinnert sich:
„Saint-Exupéry besuchte mich auf dem Bombenübungsplatz, den ich kommandierte. Er war erschüttert. Die medizinische Abteilung hatte diesen Meister der Lüfte mit einigen tausend Flugstunden abgehorcht, abgetastet, alberne akrobatische Übungen von ihm verlangt, um ihn dann für untauglich zu erklären. Er war verzweifelt. Ich tröstete ihn und verbarg meine Beunruhigung.“
Davet schaltet sich auf höchster Ebene ein.
„Die Abweisung dieses großartigen Piloten war wahrhaft unerträglich. Ich erinnerte Paris daran, dass in der Fliegerei nicht allein das physische Herz zählte, sondern auch das andere Herz und dass es absurd sei, von einem Flieger die gleichen Übungen wie von einem Gebirgsjäger zu verlangen. Ich erinnerte an Guynemer, diese Flamme, den einäugigen Willy Post, der die Welt in einer ungeheuerlichen Zeit umrundet hatte und an Professor Picard, der als erster in die Stratosphäre aufgestiegen war und dem medizinische Spitzenkräfte in Paris, Berlin und London verboten hatten, den „Eiffelturm zu besteigen“. Er entsprach nicht der Formel, die aus seinem Brustumfang geteilt durch seine Körpergröße und multipliziert mit einer willkürlichen Konstante bestand.
Schließlich, und zum Verdruss einer Medizin-Bürokratie, an der Molière seine helle Freude gehabt hätte, wurde Saint-Exupéry dem fliegenden Personal zugeordnet. Doch er wollte an die Front und mit mehr als mit Vorschriften kämpfen. Er wollte vor der Engherzigkeit der Bürokraten fliehen. Mit einigem Glück und auch dank seines großen Namens als Linienpilot, der immerhin dem Pariser Luftkommandant bekannt war, gewährte man ihm diese Gnade, die man auch schon anderen erteilt hatte, die sie gar nicht wünschten. Er trat in seine Aufklärungseinheit ein, wie früher die Ritter ihre Nachtwache übernahmen.“
Saint-Ex trat am 3. November 1939 in die Dienste der Aufklärungseinheit II/33. Die berühmte Staffel war im Dezember 1914 von Capitaine Alfred Bordage gegründet worden und trug den Spruch: „La Hache d’A. Bordage!“ Sie war spezialisiert auf Aufklärung im Tiefflug, fotografische Aufklärung aus großer Höhe, Nachtaufklärungsflüge mit der Potez 63-7, Potez 63-11 und dann Bloch 174. Bis zum Mai 1940 flog die Einheit rund 40 Einsätze, davon acht in der Nacht, verbrachte den Winter im Schnee und wartete ansonsten tagelang auf gutes Wetter, ohne das Foto-Einsätze unmöglich waren. Die Einheit bezahlte einen hohen Preis: zwei Gefallene, drei Vermisste, zwei Schwerverletzte und vier verlorene Flugzeuge.
10. Mai 1940: Blitzkrieg. Die Panzer von Guderian greifen an. Ein Aufklärungseinsatz folgt dem nächsten. Im Tiefflug werden die Aufmarschwege des Feindes ausfindig gemacht. Bis zum 19. Juni fliegt die Einheit 77 Einsätze, sieben davon nachts. Vier Mannschaften stürzen ab, zwei MG-Schützen werden an ihren Posten erschossen und sieben Flugzeuge schwer beschädigt. Auf der anderen Seite gelingt es einer Mannschaft, die von zwölf feindlichen Jägern angegriffen wird, zwei abzuschießen, zwischen den Linien abzuspringen und sich auf wundersame Weise in Sicherheit zu bringen. Saint-Exupéry fliegt sieben Einsätze über Deutschland (Köln, Düsseldorf, Duisburg) und über dem nördlichen Frankreich, während die Panzer der Wehrmacht sich über das Land wälzen, was ihm das Croix de Guerre mit Palmen einbringt. „Der Flugoffizier vereint die besten moralischen und intellektuellen Qualitäten und meldet sich ständig zu den gefährlichsten Einsätzen… Auch unter starkem Beschuss der Luftabwehr hat er seinen Einsatz nicht abgebrochen, obwohl sein Flugzeug schwer beschädigt war. Für die Einheit ist er ein Vorbild an Opferbereitschaft.“
Am 20. Juni startet die Einheit nach Algier, um den Kampf fortzuführen. In allen Gesichtern macht sich die Betroffenheit breit, als sie die Nachricht erreicht, dass der Kampf beendet ist. Nach den strengen Vorschriften des Waffenstillstands hätte die Einheit „Hache“ aufgelöst werden müssen, doch angesichts der britischen Bedrohung der Überseegebiete wurde beschlossen, einige Lufteinheiten aufrecht zu halten. In der zweiten Julihälfte 1940 fliegt die Einheit einige Aufklärungseinsätze über der Küste, um die Bewegungen der britischen Flotte nach der Affäre Mers el-Kebir zu beobachten. Am 26. August wird die Einheit nach El Aouina in der Nähe von Tunis verlegt und ist nun für längere Zeit zum Nichtstun verurteilt. Die knappen Benzinvorräte werden zum Training der Mannschaften genutzt. Trotz einiger Nachschubprobleme mit Ersatzteilen gelingt es den Männern, die sieben Bloch 174 einsatzbereit zu halten.
Das Kriegstagebuch der Aufklärungseinheit zieht zum Zeitpunkt der Niederlage Bilanz: „Wir zählen unsere Verluste: elf Gefallene, drei Schwerverletzte und neun Gefangene. Eine ehrenvolle Erwähnung für die Staffel und 66 ehrenvolle Erwähnungen für die Mannschaften. Die Reste der Gruppe II/33, zu denen wir gehören, scharen sich um den Kommandanten Alias, der uns die Richtung vorgibt… Üben… Üben in aller Stille und versteckt, um das bessere Ende dieser seit 1914 ausgetragenen Partie zu gewinnen, von der wir den zweiten Satz verloren haben. Dieser kleine Kern der Ausreißer, wie einige Zeitgenossen uns genannt haben, wuchs eng zusammen und war gut vorbereitet, um sofort wieder den Kampf für die Befreiung unserer Heimat aufzunehmen. Unter den Augen der Waffenstillstandskommission und mit der fragwürdigen Begründung, Flugzeuge zu testen, wurden Aufklärungsflüge in großer Höhe über den Küsten von Sardinien und Sizilien durchgeführt, um mögliche Invasionspläne der Italiener, die sich mit geringem Aufwand Kolonien sichern wollten, rechzeitig zu entdecken.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst kehrt Saint-Exupéry am 5. August nach Frankreich zurück, wo er zu einem fast bäuerlichen Leben zurückfindet. Im November entschließt er sich zu einer Reise nach Algerien, wo er durch Zufall auf René Chambe trifft.